Befasst man sich mit der Geschichte des Fußballs so kommt man an Hardy Grüne nicht vorbei. Er hat an über 120 Fußballbüchern mitgearbeitet, eine Enzyklopädie des Weltfußballs und ein Standardwerk zum Fußball in Deutschland darunter. Neben der historischen Dimension des Fußballsports sind Fankultur und der Amateurbereich zwei weitere Themenfelder, denen sich Grüne immer wieder widmet.
Vor kurzem ist das von ihm herausgegebene Zeitspiel-Magazin an den Start gegangen, das sich insbesondere mit Fußball-Zeitgeschichte befasst und dabei den Amateurbereich nicht außer Acht lässt. Die Erstausgabe ist seit Juni erhältlich.
Welche Fußballmagazine/Zeitschriften liest du regelmäßig?
Vor allem Monatsblätter wie „World Soccer“, „When Saturday Comes“, „Ballesterer“, „Zwölf“ oder das französische „So Foot“. Ich mag tiefgehende Reportagen, die in die Geschichten reingehen und sie von mehreren Seiten beleuchten. Das machen diese Magazine ausgezeichnet. Und durch sie bekomme ich auch mit, was in den Randbereichen des Fußballs weltweit passiert.
Als Tageszeitung beziehe ich die „Süddeutsche“, deren Sportteil ich zwar jeden Morgen noch immer als erstes lese, die mich aber in anderen Bereichen mehr überzeugt. Früher habe ich natürlich auch den „Kicker“ gelesen, mein Abo aber schon vor Jahren gekündigt. Mich ärgerte, dass zunehmend über den ganz großen Fußball berichtet wurde und die Amateurligen immer mehr hinten runterfielen. Als man anfing, für Spanien, Italien und England jeweils Doppelseiten über den letzten Spieltag zu bringen und gleichzeitig selbst die Ergebnisse und Tabellen der Oberligen verschwanden, habe ich mein Abo gekündigt. Als Fußball-Wochenzeitung lese ich seitdem den „Reviersport“ aus meiner alten Heimat Ruhrgebiet sowie die wirklich toll gemachten Regionalblätter „Fuwo“ (Berlin) und „Nordsport“ (Schleswig-Holstein).
Für welchen Text, den du in den vergangenen Wochen gelesen hast, kannst du eine uneingeschränkte Leseempfehlung aussprechen?
Ich bin im Februar nach Kiew geflogen und habe mich da vorher im Netz nach Infos umgeschaut. Dabei bin ich auf Futbolgrad gestoßen und habe da einen ganzen Haufen sehr spannender und fundierter Hintergrundberichte zum Fußball in den früheren Sowjetrepubliken gefunden. Das ist ja eine schwierige Region für die eigene Recherche. Die Sprachprobleme, die kulturellen Unterschiede, die vieles für uns aus dem Westen schwer nachvollziehbar macht. Da helfen die Texte von futbolgrad.com, vor allem, weil die Autoren häufig in den Regionen leben und arbeiten. Auch These Football Times macht fantastische Hintergrundreportagen.
Wo und wie stößt du auf lesenswerte Texte?
Häufig über die sozialen Netzwerke – also vor allem Facebook und Twitter. Dort einerseits durch die geposteten Texte, andererseits aber auch durch Empfehlungen. Insgesamt hat sich die Welt durch das Internet ja unglaublich geöffnet. Ich erinnere mich noch, wie in den frühen 1990er Jahren versuchte, an Insiderinformationen aus Albanien heranzukommen. Damals habe ich mühsam über Fax und Briefe Kontakte zu albanischen Journalisten bekommen, die leidlich Englisch sprachen und mich mit Infos versorgten. Das dauerte immer Wochen, bis da was hin und herging. Heute fühle ich mich manchmal überschwemmt von der puren Menge an guten Texten, bin aber gleichzeitig begeistert über die vielen Ansätze, Fußball endlich aus seiner reinen Sportdimension herauszugreifen und in sein gesellschaftliches und historisches Umfeld zu packen.
Wie liest du – am Tablet/Smartphone, am großen Bildschirm oder bist du ein Internetausdrucker und Printliebhaber?
Grundsätzlich bin ich ein Printliebhaber. Meine eigenen Texte muss ich am Ende immer ausdrucken und dann ein letztes Mal mit der Hand korrigieren. Die lesen sich häufig völlig anders, wenn sie ausgedruckt sind. Texte aus dem Internet drucke ich nur sporadisch aus, wenn sie wirklich fundamental sind und ich das Gefühl habe, sie irgendwann einmal brauchen zu können. Ansonsten archiviere ich sie über Lesezeichen. Ich lese sowohl am Tablet als auch am großen Rechner. Smartphone finde ich zu anstrengend, vor allem bei längeren Texten.
Welches Fußballbuch kannst du besonders empfehlen?
Vor einigen Jahren hat ein Fan meines englischen Vereins Bristol Rovers ein Buch über seine Entwicklung als Fußballfan geschrieben. Das besondere war, dass er aus der Generation vor den „Firms“ und den Hooligans stammte. Er kam in den 1960er Jahren von den Mods und hat diesen ganzen Prozess der Vermischung aus Fußballfankultur und Musik sowie politischer Auflehnung gegen das Nachkriegsengland weit vor Thatcher miterlebt. Fußball und Ska, überzogener Nationalismus und dunkelhäutige Freunde mit Wurzeln in der Karibik. Später landete er kurz bei den Faschos der NF, merkte aber bald, dass seine Lebensphilosophien“England rules the wave“ und Ska-Musik gar nicht zusammenpassten. Er stieg dann bei den Faschos aus und bekannte sich zu seinen dunkelhäutigen Musikkumpeln.
Für mich ein Buch, das mir eine Ära der Fankultur beschrieb und verständlich machte, über die man sonst nie etwas liest. Das Buch heißt „Booted and suited“, der Autor Chris Brown. Es ist nur in England erschienen (ISBN 978-1-84454-746-3)
Schaust du noch die Sportschau, um dich über den Spieltag zu informieren?
Ja, aber nur, wenn ich Zeit habe. Die Sportschau ist schon lange kein Pflichttermin mehr. Ich gehe gerne zu meinem lokalen Handballverein. Der spielt Oberliga Niedersachsen und wirft seine Heimspiele Samstags um 18 Uhr an. Wenn ich zurückkomme, kann ich meistens noch den Abspann der Sportschau sehen. Ich vermisse das aber auch nicht, denn die hysterische Berichterstattung geht mir hin und wieder mächtig auf die Nerven. Ich wollte immer mal auszählen, wie häufig wohl das Wort „Wahnsinn“ in einer Sendung vorkommt. Auch die Sportschau macht in meinen Augen bei der völligen Überhöhung der Bundesliga mit. Das ist mir aber zu langweilig.
Klasse finde ich das WDR-Format „Sport inside“. Da darf dann auch mal was Kritisches gesagt werden. Bei der Sportschau geht das ja eigentlich gar nicht mehr.
Welche Website, welchen Podcast, welches Magazin kannst du abseits des Fußballs empfehlen?
Ich bin großer Anhänger von Deutschlandradio und Deutschlandradio Kultur. Die machen gute Sachen, das ist häufig Bildungsradio par excellence. Die einzige wöchentliche Pflichtveranstaltung für mich ist der sonntägliche „Weltspiegel“ auf ARD, den ich nur sehr ungerne verpasse. Der hat über Jahrzehnte mein Weltbild mitgeformt und mir zigfach geholfen, Länder und Gesellschaften besser zu verstehen – gerade auch auf meinen Kontinentdurchquerungen auf dem Fahrrad durch Afrika und Südamerika. Gerade weil der Weltspiegel oft in den profanen Lebensalltag der Menschen hineinblickt, durch den ich damals durchgeradelt bin.
Ansonsten verlasse ich häufig die Ebene der Websites und auch der Magazine und versuche mich in der guten alten Kneipendiskussion an der Meinungsbildung und auch an der Informationsgewinnung. Das macht mehr Spaß, als einsam vor dem Bildschirm zu hocken.
In der Kategorie “Mein Fußball-Medien-Menü” fragen wir Fußballer und Fußballbegeisterte, Sportjournalisten und -autoren nach ihren persönlichen Lese-, Seh- und Hörgewohnheiten zum Thema Fußball. Die Idee dazu entstand unübersehbar in Anlehnung an Christoph Kochs Medien-Menü, das inzwischen bei den Krautreportern zu finden ist.
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