Alex Schnarr – 120minuten https://120minuten.github.io Lange Texte. Über den Fußball. Sun, 19 Jan 2020 11:55:28 +0000 de-DE hourly 1 https://wordpress.org/?v=5.4.2 73012590 Es war uns nicht einerlei https://120minuten.github.io/es-war-uns-nicht-einerlei/ https://120minuten.github.io/es-war-uns-nicht-einerlei/#comments Sun, 19 Jan 2020 11:43:09 +0000 https://120minuten.github.io/?p=6818 Weiterlesen]]> Liebe Leser*innen,

im Dezember haben wir Euch an dieser Stelle darüber informiert, dass wir mit unserem Projekt sprichwörtlich in Klausur gehen. Am Wochenende haben wir uns in Wiesbaden zur Tagung getroffen, um darüber zu sprechen: Wo stehen wir mit 120minuten? Was ist gut, was funktioniert, wo sehen wir Probleme, was muss sich ändern und (wie) können wir weitermachen?

Die Fragen, was gut ist und was funktioniert, waren besonders leicht zu beantworten. Wir haben viele großartige Autor*innen für uns gewinnen können, mit denen wir vertrauensvoll und produktiv zusammenarbeiten. In den vergangenen Jahren sind so Texte entstanden, in denen wir einen anderen, tiefergehenden Blick auf das Thema Fußball werfen. Das macht uns froh und stolz.

Mit unseren tollen Kooperationspartner*innen haben wir mit großer Leidenschaft verschiedene Formate wie zum Beispiel unsere Podcastreihen realisiert. In diesem freundschaftlichen und respektvollen Austausch mit den Kolleg*innen haben wir viel gelernt, spannende Impulse bekommen und sind fabelhaften Menschen begegnet.

Ihr als unsere Leser*innen habt diese Reise mit Interesse und Feedback begleitet. Eure Rückmeldungen und der Dialog mit euch sind uns immer ein wertvoller Antrieb gewesen.

Wir alle stecken viel Zeit, Liebe und Arbeit in die Plattform. Das tun wir aus großer inhaltlicher Überzeugung. Langfristig war es unser Ziel, das Projekt zu monetarisieren. Wir wollten immer in eine Position kommen, in der wir unsere Autor*innen für ihre Arbeit bezahlen können. Auch wir selbst können dieses sehr hohe zeitliche Engagement nicht dauerhaft ohne finanziellen Ausgleich leisten.

Wir haben unseren Aufwand in den letzten Jahren sukzessive erhöht. Der Lohn dafür war eine steigende Anerkennung für unser Projekt, die sich unter anderem in positiver Berichterstattung, einem Grow-Stipendium des Netzwerks Recherche und der Auszeichnung mit dem „Goldenen Blogger 2018“ niedergeschlagen hat.

Diese Faktoren haben wir am Wochenende intensiv und offen miteinander besprochen. Am Ende müssen wir leider feststellen, dass bei allen positiven Aspekten, die dieses Projekt von Anfang an begleitet haben, der finanzielle so schwer wiegt, dass wir uns entschieden haben, 120minuten einzustellen.

Der Schritt ist uns nicht leicht gefallen. Wir haben in den vergangenen Jahren großartige Erfahrungen gemacht, die wir nicht missen wollen. Über Geld zu sprechen, ist bekanntermaßen nicht sexy, aber notwendig. Wir betreiben 120minuten von Anfang an ehrenamtlich neben Arbeit, Familie und Alltag. Dafür ist der Aufwand mittlerweile viel zu hoch; um einen Job daraus zu machen, ist der Ertrag wiederum deutlich zu gering.

Daraus ziehen wir jetzt die Konsequenz: Wir pfeifen ab, das Spiel ist aus. Vielen Dank für Euer Vertrauen, die Liebe und Unterstützung. Es war uns nicht einerlei.

Conny, Christoph, Alex, Mara, Oliver, Jerome

]]>
https://120minuten.github.io/es-war-uns-nicht-einerlei/feed/ 13 6818
Die 60 wichtigsten Episoden der deutschen Fußballgeschichte, Teil 6 https://120minuten.github.io/die-60-wichtigsten-episoden-der-deutschen-fussballgeschichte-teil-6/ https://120minuten.github.io/die-60-wichtigsten-episoden-der-deutschen-fussballgeschichte-teil-6/#respond Fri, 27 Dec 2019 08:00:43 +0000 https://120minuten.github.io/?p=6791 Weiterlesen]]> Fußball wird seit etwa 150 Jahren in Deutschland gespielt, das heißt, in den Grenzen des damaligen Kaiserreiches. Zunächst waren es vor allem englische Händler, Studierende und Touristen, die das ihnen vertraute Spiel aus der Heimat auch hier gemeinsam spielten. Dort war die reglementierte Fassung des Spiels seit einem halben Jahrhundert bekannt. Diese Serie beschreibt die 60 wichtigsten Momente des Fußballspiels in Deutschland. Im vierten Teil geht es um die Jahre 2006 bis 2018. (Die Teile 1, 2, 3, 4 und 5 sind hier, hier, hier, hier und hier zu finden.)

von Petra Tabarelli (nachspielzeiten.de) unter Mitarbeit der 120minuten-Redaktion | Dezember 2019

2006
Das deutsche Sommermärchen

1992 fassen DFB-Präsident Braun und DFB-Pressesprecher Niersbach einen Entschluss: Deutschland soll wieder eine WM ausrichten. 1998 wirft man den Hut in den Ring, zwei Jahre später ist klar: 2006 wird es soweit sein. Deutschland setzte sich bei der endgültigen Abstimmung am 6. Juli 2000 gegen Brasilien, Marokko, England und – knapp – gegen Südafrika durch.

Die Weltmeisterschaft wird in vielerlei Hinsicht ein Erfolg für Deutschland, insbesondere wirtschaftlich. Nicht nur dank der zahllosen Fanartikel in schwarz-rot-gold, sondern auch touristisch. Der Slogan „Die Welt zu Gast bei Freunden“ wird verwirklicht: Bei einer Umfrage des Europäischen Touristik Institutes erklären 96% der Befragten, dass sie Deutschland als gutes Gastgeberland erlebt haben. Die Euphorie und Begeisterung für den Fußball und das gemeinsame Feiern mit Public Viewing und Fanfesten kommen auch bei den ausländischen Gästen gut an. Gerade in England wandelte sich das Bild von Deutschland.

Regisseur Sönke Wortmann begleitet das deutsche Nationalteam der Männer vom Confed Cup 2005 bis zum Finale mit der Kamera. Sein Vorbild ist Dokumentarregisseur Stephane Meunier, der 1998 das französische Nationalteam der Männer vor und während der WM 1998 im eigenen Land gefilmt hat („Les Yeux dans les Bleus“). Wortmanns Film „Deutschland. Ein Sommermärchen“ wird im Dezember 2006 erstausgestrahlt.

2007
Das Nationalteam der Frauen verteidigt den WM-Titel

Vom 10. bis 30. September 2007 fand die Fußballweltmeisterschaft der Frauen in China statt. Das deutsche Nationalteam ging als Titelverteidigerin in den Wettbewerb und kam ohne Gegentore bis ins Endspiel. Das Finale am 30. September 2007 gegen die Brasilianerinnen gewann Deutschland im ausverkauften Stadion in Shanghai (31.000 Zuschauer*innen) mit 2:0. Torhüterin Nadine Angerer hielt unter anderem einen Foulelfmeter der brasilianischen Spielerin Marta, die nach der Partie zur Spielerin des Turniers gekürt wurde. Das deutsche Nationalteam beendete das Turnier mit einem Torverhältnis von 21:0 und war zudem die erste Frauennationalelf, die ihren Weltmeistertitel verteidigen konnte.

2009
Werder gegen den HSV – 4x in 19 Tagen und eine Papierkugel

„Das Nordderby ist ein einfaches Spiel: Vier Mal in zweieinhalb Wochen und am Ende entscheidet eine Papierkugel.“ So könnte man jenes Derby im Frühjahr 2009 beschreiben.
Das erste Pflichtspiel zwischen dem Hamburger Sportverein und Werder Bremen war ein Spiel um die norddeutsche Meisterschaft am 13. März 1927 vor 7.000 Zuschauern in Bremen. Es endete mit 4:1 für den HSV.

Das erste Aufeinandertreffen der beiden Teams in der Bundesliga war ein 4:2-Heimsieg für Werder am 12. Oktober 1963 vor 40.000 Zuschauern.

Das Spiel am 22. April 2009 war das erste, das nicht nach 90 Minuten entschieden oder beendet war – und der Auftakt zu vier Aufeinandertreffen innerhalb von 19 Tagen:

22. April 2009, DFB-Pokal-Halbfinale – Bremen siegte in Hamburg mit 3:1 nach Elfmeterschießen. Tim Wiese hielt drei Elfmeter.

30. April 2009, UEFA-Cup-Halbfinal-Hinspiel – Hamburg siegte in Bremen mit 1:0.

7. Mai 2009, UEFA-Cup-Halbfinal-Rückspiel – Bremen siegte in Hamburg dank einer Papierkugel mit 2:3. Die Kugel war das zusammengeknüllte Papier der Choreografie, die anschließend nach vorne geworfen worden war und auf dem Rasen landete. Bei einem Rückpass von Michael Gravgaard auf Frank Rost touchierte der Ball das Papier und versprang ins Aus. Aus der folgenden Ecke erzielte Bremen das 3:1.

10. Mai 2009, 31. Spieltag der 1. Bundesliga – Werder siegte zu Hause mit 2:0; der HSV stand völlig neben sich und konnte Werder Bremen kaum etwas entgegensetzen.

2012
Das Finale dahoam – Bayerns Pleite

Das Champions-League-Finale 2012 fand in der Münchner Allianz Arena statt. Ein Heimspiel also für den FC Bayern München, der im Finale am 19. Mai auf den Chelsea FC traf. Doch die Euphorie über das „Finale dahoam“ wandelte sich kurz vor Ende der 90 Minuten in ein Drama und schließlich eine Tragödie.

Bayern, das in jener Saison 2011/12 weder Meister noch DFB-Pokal-Sieger geworden war, wollte die Gunst des Heimspiels nutzen, um doch noch einen Titel zu gewinnen. Das Team spielte energisch und offensiv. Chelsea spielte mit seinen zahlreichen erfahrenen, älteren Spielern sehr defensiv und reagierte eher. Die Münchner dominierten die Partie. Bereits nach 24 Minuten verzeichnete der FCB sieben Eckstöße, Chelsea keinen. Zum Ende der 90 Minuten waren es 17:1 Eckstöße und 27:7 Torschüsse. Das Spiel ging dennoch mit 1:1 in die Verlängerung, nachdem Didier Drogba in der 88. Minute den Ausgleichstreffer erzielen konnte.

In dieser Verlängerung blieb alles wie gehabt: Bayern dominierte, konnte aber keine Chance nutzen und verschoss auch noch einen Foulelfmeter. Chelsea stand sehr defensiv. So kam es zum Elfmeterschießen, bei dem der Torhüter des Chelsea FC, Petr Čech, sowohl gegen Ivica Olić als auch Bastian Schweinsteiger parieren konnte. Chelsea gewann das Elfmeterschießen mit 4:3 und konnte seinen ersten internationalen Titel feiern.

2013
Das deutsche Finale in Wembley

Deutschland und Wembley … diese Beziehung ist seit 1966 sehr kompliziert. Dass sich ausgerechnet in diesem Stadion, in dem das Männernationalteam der Bundesrepublik Deutschland 1966 wegen eines umstrittenen Nicht-Tores den WM-Titel verpasste, zwei deutsche Teams im Champions-League-Finale gegenüberstehen, führte zu allerlei Wortspielakrobatik in der Presse.

Das deutsche Clasicò in Wembley. FC Bayern München gegen Borussia Dortmund. Ein Jahr zuvor hatte Bayern im eigenen Stadion den Henkelpott nicht gewinnen können, nun stand man dem Ligakonkurrenten gegenüber. Jürgen Klopp gegen Jupp Heynckes.

Das Spiel war durchaus ein Leckerbissen. Dortmund begann furios mit hoher Laufintensität, Bayern kam erst nach dem ersten Drittel dank einer taktischen Änderung ins Spiel. Dann begann die richtig spannende Phase, in der auch die Tore fielen. Eins für Dortmund, zwei für die Bayern. Das letzte fiel erst kurz vor Ende der 90 Minuten.

Und damit war nicht nur die Partie zu Ende. Es war auch das vorerst letzte Spiel von Jupp Heynckes als Trainer des FC Bayern und des Dortmunder Spielers Mario Götze, der ab der folgenden Saison für den FC Bayern spielten.

2014
Das Nationalteam der Herren wird Weltmeister

Die meisten von uns wissen, was sie am 13. Juli 2014 gemacht haben. Und die meisten werden wohl das Finalspiel der Männer-WM gesehen haben, in dem Deutschland in der Verlängerung mit 1:0 gegen Argentinien gewinnen konnte.

Die Weltmeisterschaft fand in Brasilien statt – erst zum zweiten Mal seit dem Sommer 1950. Was bleiben für Erinnerungen an dieses so erfolgreiche Turnier? Unabhängig vom Finalspiel und dem jubelnden Mario Götze? Ist es der Kantersieg der Deutschen gegen Brasilien? Luis Suarez’ Biss? Das Freistoßspray oder die Torlinientechnik? Die häufigen Trinkpausen angesichts des schwülen Klimas? Die beleuchtete Jesus-Statue in Rio de Janeiro? James Rodriguez’ Volleyschuss im Achtelfinale oder Angela Merkels Jubelfäuste und Selfies mit Lukas Podolski? Was auf jeden Fall bleibt, ist der Titel dieses Teams unter Jogi Löw.

2015
Der Sommermärchen-Skandal wird publik

Gut ein Jahr, nachdem Deutschland zum vierten Mal Weltmeister geworden war, veröffentlicht der Spiegel einen Artikel, wonach der ehemalige Chef von Adidas, der mittlerweile verstorbene Robert Louis-Dreyfus, dem DFB im Vorfeld der WM 2006 einen Kredit von 10,3 Millionen Schweizer Franken geliehen hatte. Eine schwarze Kasse für den Verband. Aus dieser waren laut Spiegel vier Mitglieder des Abstimmungskommitees geschmiert worden. Als Dreyfus sein Geld zurückforderte, paktierte der DFB demnach mit der FIFA und zahlte dem Weltfußverband 6,7 Millionen Euro für ein Kulturprogramm, das nie realisiert wurde. Das Geld erhielt dann Dreyfus von der FIFA. Bereits vor der WM 2006 war immer wieder gemunkelt worden, dass ein paar Stimmen für die Vergabe nach Deutschland gekauft gewesen seien.

Der DFB erläuterte in einer öffentlichen Erklärung, dass man intern bereits die Vergabe überprüft habe, aber es „keinerlei Hinweise auf Unregelmäßigkeiten“ gebe. Lediglich die im April 2005 getätigte Zahlung von 6,7 Millionen Euro an die FIFA sei möglicherweise nicht dem angegebenen Zweck entsprechend verwendet worden.

Die Gerüchteküche begann zu brodeln, das Finanzamt Frankfurt stellte Untersuchungen an. Im Juli 2017 stand eine Steuerrückzahlung von etwa 26 Millionen Euro seitens des DFB im Raum, die im Oktober auf 19,2 Millionen festgesetzt wurde. Auch wurde dem DFB für das Jahr 2006 rückwirkend die Gemeinnützigkeit abgesprochen, nicht aber ab 2006 für die folgenden Jahre.

Seit 2018 prüft die Staatsanwaltschaft, ob die drei Akteure, die beim DFB hauptverantwortlich für die WM 2006 waren – der damalige DFB-Präsident Theo Zwanziger, der damalige DFB-Pressesprecher Wolfgang Niersbach und Horst R. Schmidt – Steuern in Höhe von circa 13,7 Millionen Euro hinterzogen haben. Die drei hatten zunächst Erfolg mit ihrem Antrag beim Landgericht Frankfurt, das Hauptverfahren nicht zu eröffnen (9/2018). Im März 2019 wurde offenkundig, dass das Hauptverfahren nun doch im April 2019 eröffnet werde. Doch die Eröffnung wurde im Frühjahr 2019 vom Landgericht Frankfurt abgelehnt. Dieser Entscheid wurde zwar im Herbst des gleichen Jahres revidiert, aber die Eröffnung des Verfahrens nun auf 2020 verschoben.

2016
Olympiasieg der DFB-Frauen und Silber für die Männer

Zwei Jahre nach der Männer-WM fand in Brasilien das olympische Fußballturnier statt, an dem zwei deutsche Nationalteams teilnahmen: das Frauennationalteam und das Männer-U21-Team. Und für beide war das Turnier äußerst erfolgreich. Die Männer wurden Zweiter, die Frauen gewannen ihren Wettbewerb. Es war das erste Mal bei einem olympischen Sommerturnier, dass zwei Teams eines Landes im Finale standen. Außerdem wurden Nils Petersen und Melanie Behringer Torschützenkönig*in. Melanie Behringer ist damit die erste Torschützenkönigin, die auch Olympiasiegerin wurde. Das Turnier war für Nationaltrainerin Silvia Neid ebenso wie für U21-Nationaltrainer Horst Hrubesch das Ende ihrer Amtszeit.

Die Karriere von Silvia Neid im Überblick
Silvia Neid, 1964 in Walldürn im Odenwald geboren, war aktive und erfolgreiche Spielerin und anschließend ebenso erfolgreiche Trainerin. Sie konnte eine Vielzahl an Erfolgen und Rekorden erreichen. Als Spielerin wurde sie 7x Deutsche Meisterin, 6x DFB-Pokal-Siegerin und erzielte das „Tor des Monat“ im Mai 1988. Außerdem war sie von 1982 bis 1996 Nationalspielerin, meistens Kapitänin, gewann 3x die Europameisterschaft (sie erhielt auch das herzallerliebste Kaffeeset vom DFB) und wurde 1x Vizeweltmeisterin. Insgesamt spielte sie 111 Partien für das deutsche Team und erzielte dabei 48 Tore – welch großartige Quote! Schon ab 1996, während ihrer Karriere als Spielerin, arbeitete sie auch als Trainerin. Zunächst im Jugendbereich, dann als Co-Trainerin mit Tina Theune. 2005 beerbte Silvia Neid Theune schließlich und blieb bis 2016 Nationaltrainerin. Sie wurde unter anderem 2x Weltmeisterin (davon 1x als Co-Trainerin) mit dem Nationalteam und 5x mit Jugendteams, wurde 5x Europameisterin (davon 3x als Co-Trainerin), erhielt 3x die olympische Bronzemedaille (davon 2x als Co-Trainerin) und 2016 die Goldmedaille. Sie wurde mit den Verdienstorden der Länder Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg ausgezeichnet und bekam das Bundesverdienstkreuz am Bande, wurde zur DOSB-Trainerin des Jahres gewählt und 3x zur FIFA-Trainerin des Jahres. Letzteres ist ein Erfolg, den kein*e Trainer*in ihr bislang streitig machen konnte. Nach ihrem Rücktritt wurde sie 2016 Leiterin der neuen Scoutingabteilung Frauen- und Mädchenfußball im DFB und ist seit 2019 Teil der „Hall of Fame des deutschen Fußballs“.
Die Karriere von Horst Hrubesch im Überblick
Horst Hrubeschs Karriere lässt sich knapper zusammenfassen, aber sie ist nicht weniger bemerkenswert. Er wurde 1951 in Hamm in Nordrhein-Westfalen geboren und spielte während seiner aktiven Karriere für Rot-Weiss Essen, den HSV und Borussia Dortmund sowie in Belgien für Standard Lüttich. Drei Deutsche Meisterschaften, ein Europapokal der Landesmeister, Europameister und Vize-Weltmeister stehen beim passionierte Angler zu Buche. Anders als Neid wurde er nach der aktiven Karriere nicht direkt Nationaltrainer im Jugendbereich. Zunächst übernahm Hrubesch erfolgreich die Proficlubs Rot-Weiss Essen und Dynamo Dresden. Während der EM 1990 war er Co-Trainer von Erich Ribbeck, anschließend begann Hrubesch Karriere als Jugendtrainer. Er coachte die U19, die U20, die U21, die U18 und ab 2013 erneut die U21, die er zum Schluss seines Engagements 2016 eben zum zweiten Platz bei Olympia führte. Seitdem übernahm er noch interimsweise zunächst das Amt des DFB-Sportdirektors (2017) und dann das des Frauen-Nationalteams (2018).

2017
Einführung des VAR

Über Schiedsrichter*innen-Entscheidungen wird seit bald hundert Jahren diskutiert. Das führte unter anderem dazu, dass in den 1950er Jahren Fernsehanstalten gebeten wurden, keine Zeitlupen zu zeigen. Denn durch diese konnte jede Fehl- oder strittige Entscheidung der Schiedsrichter*innen überprüft und verbreitet werden und man sorgte sich um die Autorität.

In den 1980er und insbesondere den 1990ern wurde immer wieder thematisiert, ob man den Spieloffiziellen ein technisches Instrument an die Hand geben könne, um Entscheidungen zu überprüfen. FIFA-Präsident Joseph Blatter und auch UEFA-Präsident Michel Platini waren strikte Gegner technischer Hilfsmittel und bremsten die Entwicklung der Torlinientechnik. Auch der Test in den Niederlanden mit TV-Bildern war ihnen ein Dorn im Auge: Per Funk waren Schiedsrichter*innen und Assistent*innen mit weiteren Assistent*innen verbunden, die auf die Fernsehbilder zugreifen durften – und so die Entscheidungen auf dem Platz überprüfen konnten.

Der Test dauerte von 2011 bis 2015. Dann wurden die sehr positiven Testergebnisse dem International Football Association Board (IFAB) auf dessen jährlicher Generalversammlung vorgestellt. Die vier britischen Verbände waren zuvor sehr skeptisch, nach der Vorstellung aber zur Einführung bereit. Nur Joseph Blatter blieb strikt dagegen. Man einigte sich, „video replay“ als dreijähriges Experiment durchzuführen. Unter anderem der DFB war den Möglichkeiten, die eine Videoüberprüfung bot, sehr aufgeschlossen und einer der Verbände, die an dem Experiment teilnahmen. So startete in der Saison 2016/17 zunächst die Offline-Testphase in der 1. Bundesliga, bei der die Eingriffe geübt und die technischen Mittel eingerichtet werden konnten. In den Spielzeiten 2017/18 und 2018/19 wurde dann das Experiment durchgeführt.

Die Ergebnisse während der Testphase wurden erneut als so positiv bewertet, dass auch bei der WM 2018 die Videoüberprüfung eingesetzt wurde. Nach Beendigung des Experiments wurde die Videoüberprüfung freigegeben. Jede Liga kann nun entscheidet, ob sie die Technik einführen möchte oder nicht.

2018
WM-Aus in der Vorrunde für das Nationalteam der Herren

Für manche war es eine herbe Enttäuschung oder bittere Überraschung, andere hatten schon vermutet oder gar gehofft, dass Deutschland sich bei der WM 2018 nicht für das Achtelfinale qualifizieren würde. Als es dann tatsächlich geschah, las man häufig von dem Fluch, den schon so manch Weltmeister erlitten hatte. Und tatsächlich hat sich bei den Herren nur einmal seit 2002 der amtierende Weltmeister über die Vorrunde hinaus qualifiziert.

Allenthalben wurden Gründe gesucht: Zu wenig Veränderung? Zu viel Selbstgefälligkeit? Woran lag es? Spieler? Trainer? DFB? Wie hatte das passieren können?

Bereits das erste Spiel verlor Deutschland überraschend mit 0:1 gegen Mexiko. Zwar konnte das Team sein zweites Spiel gegen Schweden mit 2:1 gewinnen, aber das nur mit Dusel.
Viele hofften nach dem Sieg gegen Schweden darauf, dass das Glück zurückgehrt war, aber dies war bekanntermaßen nicht der Fall: Südkorea schlug Deutschland im letzten Gruppenspiel mit 2:0. Trotz behäbigem Spielaufbau und ungenauen Flanken und Pässen konnte das deutsche Team zwar ein paar Torchancen kreieren, nutze jedoch keine davon. Südkorea wiederum konnte diese Schwerfälligkeit über 90 Minuten nicht für sich nutzen, schoss aber in der Nachspielzeit zwei Tore. Deutschland schied als Gruppenletzter aus.

_________________________

Beitragsbild: Danilo Borges/copa2014.gov.br Licença Creative Commons Atribuição 3.0 Brasil [CC BY 3.0 (https://creativecommons.org/licenses/by/3.0)]

_________________________

Du hast auch ein Thema, das Dich bewegt und das gut zu 120minuten passen könnte? Dann wäre vielleicht unser Call for Papers etwas für Dich!

_________________________

Die Veröffentlichung dieses Beitrags wurde auch durch die Unterstützung des 120minuten-Lesekreises möglich. Vielen Dank dafür! Du möchtest 120minuten ebenfalls aktiv unterstützen? Dann bitte hier entlang!

]]>
https://120minuten.github.io/die-60-wichtigsten-episoden-der-deutschen-fussballgeschichte-teil-6/feed/ 0 6791
Ins Heft geschaut: ballesterer 148 https://120minuten.github.io/ins-heft-geschaut-ballesterer-148/ https://120minuten.github.io/ins-heft-geschaut-ballesterer-148/#respond Wed, 18 Dec 2019 15:38:40 +0000 https://120minuten.github.io/?p=6775 Weiterlesen]]> „Martin Hinteregger“ – ballesterer, Ausgabe 148

Wenn sich der ballesterer in seiner letzten Ausgabe 2019 vorrangig einem einzelnen Spieler widmet, könnten viele meinen, damit nicht viel anfangen zu können. Denn wer für Martin Hinteregger nichts übrig hat, winkt schnell ab. Doch er*sie verpasst einiges.

Denn der Österreicher Martin Hinteregger gilt auch in Deutschland als Kultkicker, als einer, der Fanherzen gewinnt, egal wo er unter Vertrag steht. „Authentisch und irgendwie anders“, zitiert der ballesterer das kicker sportmagazin, das den Spieler treffend beschrieb. Den Fußballer, der bereits beim ansonsten als unnahbar daherkommenden RB-Konzern in Salzburg und Leipzig die Aufmerksamkeit von Journalisten und Fans weckte.

Für den zehnseitigen Beitrag reiste das Team in Hintereggers Heimatorte Sirnitz und nach Frankfurt am Main, studierte die Laufwege des Spielers im Trikot der Eintracht und des österreichischen Nationalteams und sprach mit Fans, Betreuern, Weggefährten und mit Vater Franz. Natürlich darf ein ausführliches Interview mit dem Protagonisten des Hefts nicht fehlen. Auf vier geschriebenen Seiten äußert sich Martin Hinteregger über die Suche nach Freiheit, Schlafprobleme und ein Wechselverbot seiner Oma.

Doch Ausgabe 148 bietet noch viel mehr, unter anderem zum Thema Frauen im Fußball. Beispielsweise spricht Paul Vogt mit Judith Heydes, die zu Frauen in Ultragruppen forschte (Dissertation: „Doing Gender als Ultra“). Dafür begleitete sie zwei Damen nicht nur bei Heimspielen, sondern reiste auch mit ihnen auswärts – Polizeikessel inklusive. Ihr Fazit: Frauen stören nicht! Im Gegenteil: Sie haben ihre eigene Leidenschaft zum Sport. Für die meisten Leser*innen nichts Neues – und doch irgendwie wichtig, das Thema wieder und wieder zu spielen, um ein Bewusstsein zu schaffen. Gut gemacht!

Ein aktueller Filmtipp der stellvertretenden Chefredakteurin Nicole Selmer ist „Freedom Fields“. Die Dokumentation zeigt drei Fußballerinnen in der libyschen Hauptstadt Tripolis und beleuchtet die Hoffnung nach der Revolution und den Alltag im Bürgerkrieg – Happy End inbegriffen.

Wohlfühl-Charakter vermittelt die Story des SV Lafnitz. Dank regionaler Unterstützung ist der österreichische Verein innerhalb eines Jahrzehnts von der 6. Liga auf den vierten Platz der 2. Liga geklettert. Was wie ein durchgetakteter Marketingplan klingt, ist bei den Steierern regionale Verbundenheit. Dass der Präsident auf einem gelben Quad zu den Spielen kommt, ist eine der unerwartet erfrischenden Randnotizen, auch wenn dies vornehmlich gesundheitliche Gründe hat. Da klopft das Fußball-Fan-Herz stärker.

Der Blick auf die internationalen Plätze führt dieses Mal nach Italien, genauer: nach Neapel. Dort, wo in den vergangenen Jahren endlich mal wieder erfolgreich Fußball gespielt wurde, scheint einiges im Argen zu liegen. Aufgrund der sportlichen Durststrecke in dieser Spielzeit zoffen sich Präsident Aurelio De Laurentiis und Spieler – mal hinter den Kulissen, mal öffentlich. Über die Hintergründe, Analogien zu Zeiten Diego Maradonas und wie es nach der Saison weitergehen könnte, berichtet Jakob Rosenberg.

Da gibt’s das Heft!

Den ballesterer Nummer 148 findet ihr ab dem 17. Dezember in Österreich im gut sortierten Zeitschriftenladen und kurze Zeit darauf auch in Deutschland im Bahnhofsbuchhandel. Wer nicht so lange warten will, kann das Heft auch bestellen. Oder gleich abonnieren. Macht sich auch gut als Weihnachtsgeschenk unter dem Tannenbaum.

(Transparenzhinweis: Der aktuelle „ballesterer“ wurde uns von der Chefredaktion unentgeltlich und vorab zur Besprechung zur Verfügung gestellt.)

]]>
https://120minuten.github.io/ins-heft-geschaut-ballesterer-148/feed/ 0 6775
Alles raushauen https://120minuten.github.io/alles-raushauen/ https://120minuten.github.io/alles-raushauen/#respond Thu, 12 Dec 2019 10:30:29 +0000 https://120minuten.github.io/?p=6744 Weiterlesen]]> Liebe Leser*innen von 120minuten,

heute lest ihr von uns einen Text, der vielleicht eher an einen Brief erinnert, aber wir möchten euch gerne direkt ansprechen mit dem, was uns gerade bewegt.

Das Jahr 2019 war – mal wieder – ein buntes, vielfältiges und spannendes für das Team von 120minuten. Auf unserer Plattform hat sich das unter anderem in der Reihe rund um den Sportjournalismus niedergeschlagen, wir konnten euch eine starke Kolumne von Ronny Blaschke präsentieren, haben wieder tolle neue Autor*innen mit interessanten Themen dazugewonnen und stecken gerade noch mitten in der Veröffentlichung der 60 wichtigsten Momente der deutschen Fußballgeschichte. Wir haben einen Schwerpunkt auf Frauen im Fußball gelegt und uns intensiv der WM in Frankreich gewidmet. Dazu kamen unsere Podcasts, sowohl zu den bei uns erschienenen Texten als auch zu den Schwerpunktthemen des ballesterer Fußballmagazins.

Wir sind zu Beginn des Jahres gewachsen – seither gehört Mara Pfeiffer zur Redaktion – und später wieder geschrumpft, als Lennart Birth uns verlassen hat. Hinter den Kulissen verstärkt uns seit kurzem Maria Hendrischke bei der Textarbeit. Im neuen Jahr steht eine weitere Veränderung in der Redaktion an. Wir haben alle aus Überzeugung viel Zeit, Liebe und Kraft in das Projekt gesteckt, im wunderbaren Austausch mit euch.

Das ist die eine, tolle Seite, die uns das Gefühl gibt, dass es richtig und wertvoll ist, was wir hier machen. Die andere ist, dass wir uns ehrlich eingestehen müssen: 120minuten ist zuletzt nicht weiter gewachsen – und die Kurve des Wachstums war ohnehin immer überschaubar. Das muss nicht schlecht sein, aber ein bisschen wurmt es uns schon. Unsere Redaktion ist sehr klein für den hohen Aufwand, den wir betreiben, in manchen Phasen des zu Ende gehenden Jahres war das zeitlich alles kaum zu wuppen und wir stehen deswegen vor der Frage, wie es weitergehen kann mit unserem Projekt.

Das soll jetzt aber keinesfalls dramatisch klingen, denn wir haben uns schon eine Strategie überlegt, wie wir das Thema anpacken werden. Part 1: Der Dezember steht unter dem Motto „Alles raushauen“. Das bedeutet, wir beschenken euch bis Silvester jede Woche mit einem neuen Longread, unter anderem Teil 5 und 6 der wichtigen Fußballmomente, aber auch noch zwei Überraschungen von Autoren, die bislang nicht für uns tätig waren. Part 2: Im Januar treffen wir, die Redaktion, uns ein Wochenende lang zur Klausurtagung in Wiesbaden.

Dort wollen wir besprechen, wie wir 120minuten für die Zukunft ausrichten können. Wenn ihr es euch grundsätzlich vorstellen könnt, die Redaktion zu verstärken, im Hintergrund an Texten mitzuarbeiten oder regelmäßiger für uns zu schreiben, seid ihr herzlich eingeladen, im Januar zu uns zu stoßen, um gemeinsam zu brainstormen, wie es weitergeht. Part 3: Im ersten Quartal 2020 wird unsere nach außen sichtbare Arbeit ruhen und wir veröffentlichen keine neuen Texte oder Podcast-Folgen. Wir brauchen unsere Konzentration in dieser Zeit für die Arbeit hinter den Kulissen, damit es ab dem zweiten Quartal hoffentlich mit neuer Kraft für uns – und natürlich für euch, unsere Leser*innen – weitergehen kann.

Wir hoffen, ihr habt Lust, diesen Weg mit uns gemeinsam zu gehen und freuen uns, wenn ihr uns Feedback, Ideen und Anregungen zukommen lasst oder uns im Januar verstärkt. Es grüßt euch von Herzen, mit guten Wünschen für die Weihnachtszeit und den Rutsch ins neue Jahr,

die 120minuten Redaktion

 

Beitragsbild: “news” von David Michalczuk via Flickr | Lizenz: CC BY 2.0

]]>
https://120minuten.github.io/alles-raushauen/feed/ 0 6744
ballesterer in 120minuten, Folge 11: Fußball for future https://120minuten.github.io/ballesterer-in-120minuten-folge-11-fussball-for-future/ https://120minuten.github.io/ballesterer-in-120minuten-folge-11-fussball-for-future/#respond Tue, 03 Dec 2019 06:30:26 +0000  

In Ausgabe 11 unserer gemeinsamen Podcast-Reihe mit dem ballesterer Fußballmagazin spricht Alex Schnarr aus der Redaktion mit ballesterer-Redakteur Moritz Ablinger und der stellvertretenden Chefredakteurin Nicole Selmer über die Frage, was der (Profi-)Fußball mit dem Klimawandel zu tun hat. Das Thema bildet auch den Schwerpunkt von ballesterer-Ausgabe 147, die ihr in Deutschland im gut sortierten Bahnhofsbuchhandel findet oder direkt hier bestellen könnt.

Ihr erfahrt in Folge 11, welchen Zugang zum Thema die ballesterer-Crew gewählt hat, was bei den Recherchen überraschte und wie sich mit der Arbeit am Heftschwerpunkt auch der Blick auf den eigenen Fußballkonsum veränderte. Außerdem spricht die Runde über die Rolle der Verbände bei der Frage, wie die Themen “Klimaschutz und Klimawandel” im Fußballkosmos stärker ins Bewusstsein rücken können, über die Gestaltungsmacht der Fans und darüber, wie viel Symbolik eigentlich in der Stadionbratwurst liegt.

Wie immer freuen wir uns auf Euer Feedback zur aktuellen Episode und natürlich auch über eine angeregte Diskussion zum Thema auf Facebook, Twitter oder bei uns im Blog. Folgt unbedingt auch dem ballesterer Fußballmagazin auf Twitter oder schaut auf der Facebook-Seite der Kolleg*innen vorbei.

Ihr möchtet den ballesterer gern regelmäßig lesen und ihn bequem nach Hause geliefert bekommen? Dann bitte hier entlang.

Alle bisher erschienenen Folgen der Reihe “ballesterer in 120minuten” findet Ihr hier.

Alle bisher erschienenen Folgen des 120minuten-Podcasts findet Ihr in unserer Episodenliste.

Du möchtest in Zukunft keine Folge unserer Reihe “ballesterer in 120minuten” mehr verpassen? Dann kannst Du sie hier als Einzelfeed abonnieren:

 

Du möchtest alle unsere Podcast-Folgen abonnieren, inklusive der Reihe “ballesterer in 120minuten”? Dann bitte hier entlang:

]]>
https://120minuten.github.io/ballesterer-in-120minuten-folge-11-fussball-for-future/feed/ 0 6700
Die 60 wichtigsten Episoden der deutschen Fußballgeschichte, Teil 4 https://120minuten.github.io/die-60-wichtigsten-episoden-der-deutschen-fussballgeschichte-teil-4/ https://120minuten.github.io/die-60-wichtigsten-episoden-der-deutschen-fussballgeschichte-teil-4/#comments Thu, 28 Nov 2019 08:00:27 +0000 https://120minuten.github.io/?p=6681 Weiterlesen]]> Fußball wird seit etwa 150 Jahren in Deutschland gespielt, das heißt, in den Grenzen des damaligen Kaiserreiches. Zunächst waren es vor allem englische Händler, Studierende und Touristen, die das ihnen vertraute Spiel aus der Heimat auch hier gemeinsam spielten. Dort war die reglementierte Fassung des Spiels seit einem halben Jahrhundert bekannt. Diese Serie beschreibt die 60 wichtigsten Momente des Fußballspiels in Deutschland. Im vierten Teil geht es um die Jahre 1970 bis 1982. (Die Teile 1, 2 und 3 sind hier, hier und hier zu finden.)

von Petra Tabarelli (nachspielzeiten.de) unter Mitarbeit der 120minuten-Redaktion | November 2019

1970
Der DFB erlaubt Frauenfußball in seinen Reihen

Ende der 1960er Jahre wuchs der Druck in Sachen Frauenfußball auf den DFB immer mehr an. Da sich in diesem Bereich eigene Verbände und Strukturen entwickelt hatten, war der DFB in Zugzwang, wenn er das Thema nicht endgültig abschenken wollte. Um der Gründung eines bundesdeutschen Frauenfußballverbandes zuvorzukommen und die Zügel in die Hand zu nehmen, so lange es noch ging, beschloss der DFB auf seinem Bundestag in Travemünde am 31. Oktober 1970 „aufgrund der eingetretenen Entwicklung“, das Verbot für Frauenfußball innerhalb des Verbandes aufzuheben. Allerdings zunächst mit Restriktionen: Die Frauen durften fortan nur mit einem Ball für Jugendfußball spielen, der leichter als der Ball bei den Männern war, ein Spiel dauerte lediglich zwei Mal 30 Minuten und die Schuhe der Damen durften keine Stollen haben. Auch über andere Kleidungsvorschriften, unter anderem einen „Brustpanzer“, wurde diskutiert, umgesetzt wurde das aber letztlich nicht. Die Skepsis gegenüber Frauenfußball blieb insgesamt enorm, wie ein Ausschnitt aus dem Aktuellen Sportstudio von 1970 illustriert. Vermutlich nahm der DFB diesen überhaupt nur in seinen Reihen auf, um einen Machtverlust zu verhindern.

1970
Jahrhundertspiel Deutschland – Italien

Am 17. Juni 1970 ist es nachmittags in Mexiko-City auf 2.200m NN 50°C heiß und schwül. Ein Gewitter kündigt sich an, Regentropfen fallen auf die in den Schreibmaschinen eingesetzten Papiere der Fußballreporter. Es ist der Beginn des so genannten Jahrhundertspiels, des WM-Halbfinales zwischen Italien und der Bundesrepublik Deutschland, das Italien in der Nachspielzeit für sich entscheiden kann. Die über 100.000 Zuschauer*innen im Aztekenstadion sehen, wie Italien früh in Führung geht und die BRD erst in der Nachspielzeit ausgleicht. Verlängerung. Das Bild von Beckerbauer mit Armschleife geht anschließend um die Welt. Er hat sich an der Schulter verletzt, doch das Wechselkontingent der BRD ist erschöpft. So steht er zwar weiter auf dem Platz, läuft aber nur noch mit.

In der Verlängerung geht zunächst die BRD in Führung, Italien dreht das Spiel zum 3:2, die BRD gleicht erneut aus und zuletzt geht Italien abermals in Führung. Endstand 4:3, wobei unzählige Torchancen im Spiel nicht genutzt wurden. Die Partie geht mit dem Titel „Jahrhundertspiel“ als eines, wenn nicht das bis dahin dramatischste Fußballspiel aller Zeiten in die Annalen ein.

1971
Bundesliga-Wettskandal

Am 6. Juni 1971 beging Horst-Gregorio Canellas seinen 50. Geburtstag. Zur Feier des Tages ließ er einen weitreichenden Wettskandal in der Bundesliga auffliegen. Denn der Präsident des abstiegsgefährdeten Bundesligaclubs Kickers Offenbach hatte Telefonate auf Tonband mitgeschnitten, in denen er von Spielern kommender Gegner Bestechungsangebote bekam. Dieses Tonband wurde auch dem DFB vorgespielt. Jurist Hans Kindermann führte die Ermittlungen. In deren Folge gab es 1973 zahlreiche lebenslange Sperren, die dann aber in den meisten Fällen nach wenigen Monaten wieder aufgehoben wurden. Insgesamt wurden 52 Spieler (vor allem von Hertha BSC, Eintracht Braunschweig und dem FC Schalke 04), zwei Trainer und sechs Vereinsfunktionäre verurteilt – auch Canellas, der zum Schein auf die Angebote eingegangen war. Insgesamt flossen 1,1 Millionen DM Schmiergelder. Arminia Bielefeld und Kickers Offenbach wurde die Lizenz für die Bundesliga entzogen.

8. Mai 1974
Der 1. FC Magdeburg gewinnt den Pokal der Pokalsieger

Was haben Paris Saint Germain, Manchester City und der 1. FC Magdeburg gemeinsam? Alle haben den Europapokal der Pokalsieger gewonnen und auch, wenn der Vergleich angesichts der finanziellen Mittel schräg erscheinen mag, ist es unter anderem auch diese Tatsache, die Clubfans stolz macht auf die Geschichte ihres Vereins. Hinzu kommt, dass dem FCM mit dem Finalsieg 1974 gegen den AC Mailand etwas Einmaliges gelang: Er war und blieb der einzige Verein des DFV (dem ostdeutschen Pendant zum DFB), der je den Europapokal gewinnen konnte. Auch dieser Umstand mag mit verantwortlich sein für den bekannten Magdeburger Größenwahn: Es kann einfach nicht jede Mannschaft Europas Beste sein.

Erzählt man die Geschichte dieser erfolgreichsten Spielzeit in der Historie des Clubs, muss man hinzufügen, dass dieser Sieg kein Ausrutscher, sondern verdient war. Die Mannschaft und Trainer Heinz Krügel waren auf ihrem Zenit; der Umstand, dass Mailand in der Krise war und den vermeintlichen Außenseiter unterschätzte, spielte Magdeburg zusätzlich in die Karten. Alles begann im September 1973 im Kuip von Rotterdam, dem späteren Endspielort, gegen den holländischen Pokalsieger NAC Breda, ging über die Stationen Ostrava, Zagora, Lissabon zurück nach Rotterdam, wo der Titelverteidiger AC Milan wartete. Unter dem Interimstrainer, einem gewissen Giovanni Trapattoni, waren die Mailänder unberechenbar, doch Magdeburgs Meistertrainer hatte die Mannschaft hervorragend eingestellt.

Je länger das Spiel lief, desto sicherer wurden die Magdeburger und desto fahriger die Mailänder. Die Folge war kurz vor der Pause das 1:0, bezeichnenderweise ein Eigentor durch Enrico Lanzi. In der zweiten Hälfte folgte die Krönung eines außergewöhnlichen Spiels und der erfolgreichsten Saison für den 1. FCM. Axel Tyll spielt den Ball aus dem Halbfeld in den Strafraum, wo Wolfgang „Paule“ Seguin ihn mitnimmt und aus spitzem Winkel zum 2:0 trifft – die Entscheidung. Es war die 74. Minute, die heute noch bei Heimspielen zelebriert wird.

Zur Siegerehrung erschien die Mannschaft von Kapitän Manfred Zapf in weißen Bademänteln – warum, weiß heute keiner mehr so genau – was diesem Finale eine weitere besondere Note verlieh. Es mag das am schlechtesten besuchte Endspiel in der Geschichte des Europapokals sein, das mindert aber keinesfalls die Leistung des 1. FC Magdeburg. Der Triumph wurde für längere Zeit aber eher Mühlstein denn Freude; zu lange hing der Club vergangenen Erfolgen nach und übersah nach dem Fall der Mauer die Zeichen der Zeit.

1974
BRD-DDR – eine einmalige Begegnung bei der WM

Die DDR und die WM/EM: eine traurige Geschichte. Während der Qualifikation für WM oder EM sah es für die Nationalmannschaft des DFV immer gut aus, bis zur letzten Hürde. Oft fehlte ein Punkt, manchmal ein Tor. Nur einmal schaffte es die DDR, sich für die WM zu qualifizieren: 1974. Und dort gab es gleich ein bemerkenswertes Spiel. Es war das erste und einzige Mal, dass sich zwei deutsche Nationalmannschaften in einer Partie gegenüberstanden.

Hamburg, 22. Juni 1974. An eben jenem Tag sah die Gruppenauslosung vor, dass die DFB-Elf gegen die des DFV antreten sollte. Die Mannschaft von Helmut Schön (West) war als Gastgeber natürlich unter Druck; nichts anderes als der Titel wurde erwartet, nachdem bereits 1972 der erste EM-Titel gewonnen worden war. Für die DDR ging es darum, diesen kleinen Staat mittels des Fußballs noch bekannter zu machen. Das Team von Georg Buschner (Ost) kam als Außenseiter, aber mit den FCM-Spielern Hoffmann und Sparwasser. So entspann sich ein Spiel, welches von Nervosität geprägt war.

Schöns Team kam besser in die Partie, verlor aber zusehends den Faden, als kein Tor fiel. Die Mannschaft von Buschner wuchs in dieses Spiel hinein und nach einer Stunde konnte sie es dominieren. In der entscheidenden 77. Minute fing der Zwickauer Torhüter Jürgen Croy einen Angriff der DFB-Elf ab und initiierte mit einem langen Angriff auf Erich Hamann einen Konter. Hamann hatte so viel Platz, dass er ungestört bis zur Mittellinie und darüber hinaus marschieren konnte, ohne einen Gegenspieler zu sehen. Sein Pass fand Jürgen Sparwasser, just in dem Moment, als er in das große D des Strafraums lief und dort den Ball mit der Nase an Berti Vogts vorbeilegte, Sepp Maier verlud und gekonnt zum 1:0 traf. Alle Versuche von Beckenbauer & Co., den Ausgleich zu erzielen, schlugen fehl.

Später wurde das Spiel oft reduziert auf eben jenen Moment, als Sparwasser traf. Dies schmälert jedoch die Leistung der anderen Spieler im DDR-Trikot ebenso wie die des Trainerstabs. In den Annalen des Fußballs wird die DFV-Auswahl auf ewig eine reine Weste gegen den DFB bewahren; keine andere Mannschaft kann das von sich behaupten.

1974
Herren-Titel bei der Heim-WM

Am 7. Juli 1974 um 17:47 Uhr war es soweit: Die Bundesrepublik Deutschland war Weltmeister bei den interkontinentalen Wettkämpfen im eigenen Land geworden. Die WM begann am 13. Juni 1974 und war die einzige, an der das geteilte Deutschland mit sowohl der BRD als auch der DDR teilnahm. Beide wurden bekanntermaßen gemeinsam mit Chile und Australien in die gleiche Gruppe (I) gelost – so kam es zum einzigen Duell zwischen den Ländern. Auch dank des Sieges der DDR blieb diese in ihrer Gruppe ungeschlagen. Die BRD wurde Zweiter, was aber vielleicht ihr Glück war, denn in der darauffolgenden Zwischengruppenphase spielte die DDR gegen namhafte Länderauswahlen wie die Niederlande und Brasilien, die BRD gegen Polen, Schweden und Jugoslawien. Die DDR schied nach dieser Gruppenphase aus, die BRD kam ins Finale und besiegte am 7. Juli in München mit 2:1 die Niederlande. Dabei waren die zunächst bereits in der ersten Minute in Führung gegangen, doch Paul Breitner und Gerd Müller entschieden das Spiel mit ihren Toren für die westdeutsche Mannschaft. Der BRD-Kader liest sich wie eine Auswahl aus früheren und aktuellen Vorstandsgremien von Bundesligavereinen, es spielten unter anderem Sepp Maier, Franz Beckenbauer, Berti Vogts, Paul Breitner, Rainer Bonhof, Uli Hoeneß, Wolfgang Overath, Jürgen Grabowski, Gerd Müller, Bernd Hölzenbein, Heinz Flohe, Günter Netzer und Jupp Heynckes.

Der Kader der DDR ist heute dagegen weitestgehend unbekannt, im Team waren Wolfgang Blochwitz, Jürgen Croy, Werner Friese, Bernd Bransch, Joachim Fritsche, Gerd Kische, Lothar Kurbjuweit, Rüdiger Schnuphase, Wolfgang Seguin, Siegmar Wätzlich, Konrad Weise, Erich Hamann, Harald Irmscher, Hans-Jürgen Kreische, Reinhard Lauck, Jürgen Pommerenke, Jürgen Sparwasser, Peter Ducke, Martin Hoffmann, Wolfram Löwe, Joachim Streich, Eberhard Vogel.

1974
TuS Wörrstadt gewinnt die erste Meisterschaft der Frauen

Vier Jahre, nachdem Frauen wieder innerhalb des DFB Fußball spielen durften, führte der Verband eine Meisterschaft im Frauenfußball ein. Ähnlich wie bei den Männern vor Einführung der Bundesliga, spielten die Frauen zunächst innerhalb ihrer regionalen Ligen, von denen es damals allerdings nur vier gab. Die jeweiligen Siegermannschaften spielten ein Halbfinale und ein Finale aus. Es wurde die erste und einzige deutsche Meisterschaft für die Frauen des TuS Wörrstadt. Diese mussten sowohl für das Halbfinale als auch das Finale nur wenige Kilometer reisen, nämlich zunächst nach Bingen am Rhein und schließlich am 8. September 1974 für das Finale gegen DJK Eintracht Erle an den Mainzer Bruchweg. Dort spielten sie vor 3.800 Zuschauer*innen, ungefähr genauso vielen, wie bei den Finalspielen der folgenden Jahre zugegen waren. Lediglich Heimspiele des SSG 09 Bergisch Gladbach lockten Ende der 1970er Jahre die zwei- bis dreifache Zahl an Zuschauer*innen ins Stadion. Unparteiische der Partie war der damalige Bundesligaschiedsrichter Walter Eschweiler.

Die TuS Wörrstadt wurde 1847 gegründet, die Frauenfußballabteilung 1969. Sie besteht bis heute und spielt in der Regionalliga Südwest, der dritten Liga im Frauenfußball. Die siegreichen Spielerinnen waren damals Torhüterin Ulrike Manewal, die Abwehrspielerinnen Bärbel Jung, Birgit Mayer (durch Isolde Nickel ersetzt) und Heidi Ellmer, im Mittelfeld Karin Pätzold, Edith Solbach, die dreifache Torschützin Regine Israel, Bärbel Wohlleben, deren 3:0-Treffer zum Tor des Monats gewählt wurde, Uschi Demler (durch Ursel Petzold ersetzt) Gerhild Binder und Anne Haarbach, später Trabant-Haarbach, die nicht nur erfolgreiche Spielerin, Spielerinnentrainerin sowie Trainerin war, sondern auch bei der Gründung der ersten DFB-Frauennationalmannschaft involviert war. Die beiden Torschützinnen dieser Partie wurden ebenfalls Nationalspielerinnen.

1976
Die DDR wird Fußball Olympiasieger in Montreal

DDR und internationaler Fußball, das war mehr als die Teilnahme an der WM 1974 in der BRD. Zwei Jahre später nahm die Männernationalmannschaft der DDR am Turnier bei den Olympischen Spielen in Kanada teil, bei dem nur Amateurfußballer zugelassen wurden (Handgelder und Prämien waren durchaus üblich, fielen aber unter den Mantel des Schweigens). Das Finale konnte die DDR am 31. Juli 1976 gegen den amtierenden WM-Dritten Polen gewinnen, auch, weil die Mannschaft binnen einer Viertelstunde durch Tore von Schade und Hoffmann in Führung ging. Polen kam in diesem ersten Viertel überhaupt nicht ins Spiel. Zudem lag der DDR-Mannschaft der rutschige Boden mehr als den polnischen Spielern. Zur Pause hätte die DDR, die sich durch ihren Teamgeist auszeichnete, noch höher führen können. Stattdessen wurde Polen nach der Halbzeit durch den Anschlusstreffer zuversichtlicher und spielte offensiver. Doch kurz vor Schluss konnte Reinhard Häfner, der Mittelfeldspieler von Dynamo Dresden, Polens Spieler austanzen und das 3:1 erzielen. Der Endstand.

1981
SSG 09 Bergisch Gladbach ist der erste deutsche Pokalsieger im Frauenfußball

Sieben Jahre nach der ersten Meisterschaft der Frauen wurde im Frauenfußball auch ein eigener DFB-Pokal ausgespielt. In der Saison 1980/81 wurden die Spielerinnen des SSG 09 Bergisch Gladbach, die in den 1980er Jahren den TuS Wörrstadt ablöste und den Fußball dominierte, die ersten Pokalsiegerinnen in Deutschland. Im Finale am 2. Mai 1981 konnte die SSG 09 mit Spielertrainerin Anne Trabant-Haarbach besagte TuS Wörrstadt mit 5:0 schlagen. Das Spiel fand vor 35.000 Zuschauer*innen statt, da es direkt vor dem Finalspiel der Männer angesetzt war.

1982
Erstes offizielles Länderspiel der Nationalmannschaft der Frauen der BRD

1981 wurde Anne Trabant-Haarbach, die Spielertrainerin des erfolgreichen SSG 09 Bergisch Gladbach, von DFB-Präsident Egidius Braun zu einem Treffen mit ihm, Horst Schmidt (Abteilungsleiter und Direktor in der DFB-Zentrale) und Gero Bisanz (Fußball-Lehrer-Ausbildungsstätte an der Deutschen Sporthochschule in Köln) eingeladen. Es ging um die mögliche Gründung einer Frauennationalmannschaft, obwohl sich der DFB stark dagegen sträubte. Der Grund, sich dennoch damit zu beschäftigen, war eine Einladung zur inoffiziellen WM 1981 in Taiwan, die der DFB bekommen hatte.

Wie ernst der DFB das Turnier und die Chancen eines deutschen Teams einschätzte, sieht man auch daran, dass er keine Auswahlmannschaft gründete, sondern eben die SSG 09 Bergisch Gladbach mit Trainerin Trabant-Haarbach anstelle einer Nationalmannschaft teilnehmen ließ. Zum großen Erstaunen des Verbandes gewann die SSG 09 das Turnier. Spätestens jetzt wurde dem DFB bewusst, dass er sich darum bemühen sollte, eine offizielle Nationalmannschaft ins Leben zu rufen.

Gero Bisanz beobachtete im August und September 1982 mehrere Frauenmannschaften und nominierte dann einen Kader mit 16 Spielerinnen – die meisten von der SSG 09. Die bei der WM so erfolgreiche Anne Trabant-Haarbach wurde nur seine Co-Trainerin. Ob bewusst oder ungeplant: Das erste Länderspiel der deutschen Frauennationalmannschaft fand am 10. November 1982 gegen die Schweiz statt, genau wie 1902 das erste Länderspiel der Männer.

_________________________
Anmerkungen:

Der Text „BRD-DDR – eine einmalige Begegnung bei der WM“ stammt aus der Feder von 120-minuten-Redaktionsmitglied Christoph Wagner, der Text „Der 1. FC Magdeburg gewinnt den Pokal der Pokalsieger“ wurde verfasst von den Redaktionsmitgliedern Christoph Wagner und Alex Schnarr.

Beitragsbild: Bert Verhoeff / Anefo, Lizenz: CC0.

_________________________

Du hast auch ein Thema, das Dich bewegt und das gut zu 120minuten passen könnte? Dann wäre vielleicht unser Call for Papers etwas für Dich!

_________________________

Die Veröffentlichung dieses Beitrags wurde auch durch die Unterstützung des 120minuten-Lesekreises möglich. Vielen Dank dafür! Du möchtest 120minuten ebenfalls aktiv unterstützen? Dann bitte hier entlang!

]]>
https://120minuten.github.io/die-60-wichtigsten-episoden-der-deutschen-fussballgeschichte-teil-4/feed/ 3 6681
Ins Heft geschaut: ballesterer 147 https://120minuten.github.io/ins-heft-geschaut-ballesterer-147/ https://120minuten.github.io/ins-heft-geschaut-ballesterer-147/#respond Fri, 22 Nov 2019 13:25:43 +0000 https://120minuten.github.io/?p=6676 Weiterlesen]]> „Fußball for future“ – ballesterer, Ausgabe 147

Der Klimawandel hat nun auch den ballesterer erreicht. Auf 18 Seiten widmet sich die 147. Ausgabe des österreichischen Fußballmagazins der Frage, wie sehr der Profifußball die Umwelt belastet. Eine sehr spannende Titelgeschichte. Daneben sind der große FC Barcelona und die ehemals große SG Wattenscheid 09 Thema, genauso wie das lesenswerte Gespräch mit Kölns Louis Schaub.

Die Sommer werden heißer, die Ressourcen knapper und das Bewusstsein grüner – doch den Fußball scheint das bislang kaum zu kümmern. Nur langsam verändert sich das Denken in einer Branche, die voll auf Wachstum setzt. Nicole Selmer, Moritz Ablinger und Paul Vogt widmen sich dem Ist-Zustand, garniert mit dem Bericht über drei Vereine, die als Vorreiter gelten dürfen. Der „Holzverein“ Forest Green Rovers FC, englischer Viertligist und weltweit einziger Fußballklub mit UN-Siegel für CO2-Neutralität. Die Klimagemeinde aus Hartberg, die ihren Klub mit Ökostrom und Biomasse versorgt und Los Amigos, ein Hobbyverein, der dem Plastik den Kampf angesagt hat.

Wie die FIFA versucht, auf den grünen Zug aufzuspringen und doch versagt, besser gesagt mit den Großturnieren versagen muss, sowie ein vierseitiges Interview mit der ehemaligen Grünen-Chefin Claudia Roth runden die Thematik ab.

Doch natürlich würde das allein einem echten ballesterer nicht gerecht. Jakob Rosenberg befasst sich mit dem FC Barcelona, der mitten drin ist, in den Protesten rund um die katalanische Unabhängigkeit. Er zeigt, wie sehr Manchester Citys Trainer Pep Guardiola bei den Appellen an die internationale Gemeinschaft eine Rolle spielt. Etwas kleiner, etwas sehr viel kleiner, aber ebenso spannend ist die Geschichte der SG Wattenscheid 09. Einst als Symbol für den Widerstand der Kleinen gegen die Großen gefeiert, muss der Klub in der vierten Liga nun Insolvenz anmelden. Eine traurige Chronologie des Abstiegs.

Und weiß jede*r,was ein Hybridverteidiger ist? Klar, Google spuckt schnell ein Ergebnis aus. Aber im aktuellen Heft wird diese neue Position auf einer Seite anschaulich erklärt. Kapiert man schneller, als sich durch die Online-Artikel zu recherchieren. Versprochen!

Auch ansonsten wartet das 84-seitige Heft wieder mit jeder Menge interessanter Themen abseits des großen Glamourfußballs auf. Als da wären: die Reportage über einen Sonntag im Wiener Mikrokosmos bei 1453 Fetih Tarhana, dem FC Kurd und SV Rojava. Oder über den Durchmarsch von Türgücü München, mittlerweile in der vierten Liga angekommen, was aber noch nicht das Ende der Fahnenstange für den Verein bedeuten soll.

Da gibt’s das Heft!

Den ballesterer Nummer 147 findet ihr ab dem 22. November in Österreich im gut sortierten Zeitschriftenladen und kurze Zeit darauf auch in Deutschland im Bahnhofsbuchhandel. Wer nicht so lange warten will, kann das Heft auch bestellenOder gleich abonnieren. Macht sich auch gut als Weihnachtsgeschenk unter dem Tannenbaum.

Mittlerweile gibt es den ballesterer nicht nur zu lesen, sondern auch auf die Ohren. In Kooperation mit 120minuten erscheint zu jeder Ausgabe eine neue Podcast-Folge „ballesterer in 120minuten“. Es geht vielleicht nicht jedes Mal über die volle Distanz der zwei Stunden, aber hörenswert ist es allemal. Denn die Autor*innen des Magazins, Expert*innen und Gäste vertiefen in diesem Gespräch das Titelthema. Der Podcast zu diesem Heft erscheint in Kürze. Alle bisher erschienenen Folgen könnt ihr hier nachhören.

(Transparenzhinweis: Der aktuelle „ballesterer“ wurde uns von der Chefredaktion unentgeltlich und vorab zur Besprechung zur Verfügung gestellt.)

]]>
https://120minuten.github.io/ins-heft-geschaut-ballesterer-147/feed/ 0 6676
ballesterer in 120minuten, Folge 10: Fußballstadt Berlin https://120minuten.github.io/ballesterer-in-120minuten-folge-10-fussballstadt-berlin/ https://120minuten.github.io/ballesterer-in-120minuten-folge-10-fussballstadt-berlin/#respond Tue, 12 Nov 2019 09:20:54 +0000  

In Ausgabe 10 unserer gemeinsamen Podcast-Reihe mit dem ballesterer Fußballmagazin spricht Alex Schnarr aus der Redaktion mit dem freien Journalisten und Buchautor Jan Mohnhaupt und mit Nadine Hornung vom “Textilvergehen”-Podcast über den Fußball in Berlin. Jan gestaltete den gleichnamigen Schwerpunkt für ballesterer-Ausgabe 146, während Nadine mit ihrem Herzensverein Union Berlin in der Saison 2019/2020 erstmals in der Bundesliga unterwegs ist. Mehr zum Fußball in Berlin findet Ihr im aktuellen “ballesterer”, der in Deutschland im Bahnhofsbuchhandel verfügbar ist. Wer sich den Weg zum Zeitungskiosk des Vertrauens sparen möchte, kann sich die aktuelle Ausgabe auch hier bestellen.

In Podcast-Folge 10 geht es zunächst um die Frage, was genau eigentlich eine Fußballstadt kennzeichnet und welche der entsprechenden Attribute eigentlich auf Berlin zutreffen. Jan berichtet dann von seiner Herangehensweise an die ballesterer-Texte, bevor sich die Runde schließlich in den Berliner Fußball vertieft. Zunächst stehen die beiden Erstligisten Hertha und Union im Fokus, im weiteren Verlauf geht es aber auch um weitere Klubs, denen man während eines Berlin-Aufenthaltes durchaus mal einen Besuch abstatten kann und um die eine oder andere Persönlichkeit, die den Berliner Fußball besonders geprägt hat. Abschließend wagen die Diskutant*innen wieder einen Blick in die Zukunft und überlegen, inwiefern Berlin in fünf Jahren der “Fußballstadt” nähergekommen sein könnte.

Wie immer freuen wir uns auf Euer Feedback zur aktuellen Episode und natürlich auch über eine angeregte Diskussion zum Thema auf Facebook, Twitter oder bei uns im Blog. Folgt unbedingt auch dem ballesterer Fußballmagazin auf Twitter oder schaut auf der Facebook-Seite der Kolleg*innen vorbei.

Ihr möchtet den ballesterer gern regelmäßig lesen und ihn bequem nach Hause geliefert bekommen? Dann bitte hier entlang.

Alle bisher erschienenen Folgen der Reihe “ballesterer in 120minuten” findet Ihr hier.

Alle bisher erschienenen Folgen des 120minuten-Podcasts findet Ihr in unserer Episodenliste.

Du möchtest in Zukunft keine Folge unserer Reihe “ballesterer in 120minuten” mehr verpassen? Dann kannst Du sie hier als Einzelfeed abonnieren:

 

Du möchtest alle unsere Podcast-Folgen abonnieren, inklusive der Reihe “ballesterer in 120minuten”? Dann bitte hier entlang:

]]>
https://120minuten.github.io/ballesterer-in-120minuten-folge-10-fussballstadt-berlin/feed/ 0 6638
ballesterer in 120minuten, Folge 9: Stadionverbote https://120minuten.github.io/ballesterer-in-120minuten-folge-9-stadionverbote/ https://120minuten.github.io/ballesterer-in-120minuten-folge-9-stadionverbote/#respond Sat, 05 Oct 2019 07:00:26 +0000  

In Ausgabe 9 unserer gemeinsamen Podcast-Reihe mit dem ballesterer Fußballmagazin spricht Alex Schnarr aus der Redaktion mit ballesterer-Redakteur Thomas Unger und mit Oliver Wiebe von der Fanhilfe Magdeburg über das Thema “Stadionverbote”, das auch den Schwerpunkt von ballesterer-Ausgabe 145 bildet. Im deutschen Bahnhofsbuchhandel sollte das neueste Heft bereits verfügbar sein; wer sich den Weg zum Zeitungskiosk des Vertrauens sparen möchte, kann sich die aktuelle Ausgabe auch hier bestellen.

Ihr erfahrt in dieser Podcast-Folge zunächst, warum sich Thomas im Leitartikel für die Form eines fiktiven Tagebuchs eines Stadionverbotlers entschieden hat und warum Vertreter*innen des Stadionverbotskomitees von ÖFB und Bundesliga die Beteiligung an einem Streitgespräch für den aktuellen ballesterer abgelehnt haben. Im weiteren Verlauf geht es um Anlässe, Ablauf und Rechtsgrundlagen für Stadionverbote in Deutschland und Österreich, bevor sich die Diskussionsrunde mit Konsequenzen dieser Maßnahme für die Betroffenen beschäftigt. Weiterhin geht es um die Frage, wie Stadionverbote eigentlich konkret durchgesetzt werden, was im Falle einer Nichtbeachtung passiert und ob es nicht auch Alternativen zu dieser Form der Strafe oder – je nach Blickwinkel – der Prävention geben kann. Das Gespräch schließt mit einem Blick in die Zukunft und Überlegungen, wie wir wohl in fünf Jahren über die Thematik sprechen werden. 

Wie immer freuen wir uns auf Euer Feedback zur aktuellen Episode und natürlich auch über eine angeregte Diskussion zum Thema auf Facebook, Twitter oder bei uns im Blog. Folgt unbedingt auch dem ballesterer Fußballmagazin auf Twitter oder schaut auf der Facebook-Seite der Kolleg*innen vorbei.

Ihr möchtet den ballesterer gern regelmäßig lesen und ihn bequem nach Hause geliefert bekommen? Dann bitte hier entlang.

Alle bisher erschienenen Folgen der Reihe “ballesterer in 120minuten” findet Ihr hier.

Alle bisher erschienenen Folgen des 120minuten-Podcasts findet Ihr in unserer Episodenliste.

Du möchtest in Zukunft keine Folge unserer Reihe “ballesterer in 120minuten” mehr verpassen? Dann kannst Du sie hier als Einzelfeed abonnieren:

 

Du möchtest alle unsere Podcast-Folgen abonnieren, inklusive der Reihe “ballesterer in 120minuten”? Dann bitte hier entlang:

]]>
https://120minuten.github.io/ballesterer-in-120minuten-folge-9-stadionverbote/feed/ 0 6565
Auf den Spuren der englischen Fußball-Memorialkultur – Impressionen aus London https://120minuten.github.io/auf-den-spuren-der-englischen-fussball-memorialkultur-impressionen-aus-london/ https://120minuten.github.io/auf-den-spuren-der-englischen-fussball-memorialkultur-impressionen-aus-london/#respond Wed, 02 Oct 2019 07:00:20 +0000 https://120minuten.github.io/?p=6550 Weiterlesen]]> London 2019. Ich war unterwegs in die englische Hauptstadt, um erste Einblicke in die dortige Memorialkultur im Fußball zu sammeln. Meine Recherche im Vorfeld hatte ergeben, dass man bei Queens Park Rangers Asche von verstorbenen Fans im Stadion begraben kann. Eine besondere Möglichkeit für Anhänger*innen, auch über den Tod hinaus ihrem Herzensverein ganz nahe zu sein. Wie genau eine Begräbniszeremonie im Stadion von QPR aussieht, wollte mir der langjährige Clubpfarrer erzählen. Gespannt machte ich mich auf den Weg nach London, wo mir nicht nur an der Loftus Road interessante Elemente der englischen Erinnerungskultur begegneten.

Das Kiyan Prince Foundation Stadium der Queens Park Rangers ( (c) Carmen Mayer)

von Carmen Mayer (trauerundfussball.de) | Oktober 2019

Es war ein kühler, sonniger Tag im April, als ich am Flughafen London-Heathrow landete. Ich war gerade noch dem Brexit entkommen, der eigentlich am Tag meiner Reise hätte beginnen sollen und dann doch noch mal mindestens bis Oktober verschoben worden war. Meine erste Station führte mich in ein Pub in Notting Hill zum Spiel Liverpool gegen Chelsea. Es war der Tag, bevor sich die Hillsborough-Katastrophe zum 30. Mal jährte. Vor der Partie gab es eine beeindruckende Choreographie in Anfield in Erinnerung an die 96 Menschen, die im Stadion ihr Leben verloren hatten. Es war sehr bewegend, als die Bilder der Choreographie auf der Großbildleinwand im Pub übertragen wurden.

Die Kneipe war voll und fest in der Hand der LFC-Fans. Ganz vorne saß neben einem glühenden Anhänger der Reds dessen Hund und starrte wie sein Herrchen gebannt auf die Leinwand. Neben mir saß ein junger Mann mit seiner Freundin und wir kamen ins Gespräch. „Oh, you are from Germany? Jürgen Klopp, he is so great!“, und dann folgte eine Welle der Begeisterung für den Coach der Reds, während das Spiel in der ersten Halbzeit vor sich hinplätscherte. Nach der Halbzeitpause führte Liverpool innerhalb von drei Minuten mit 2:0. Der Pub bebte. Der LFC war zurück im Titelrennen und es wurde nach Abpfiff noch lange gefeiert.

Am nächsten Morgen schaute ich verschiedene Zeitungen durch, um zu sehen, wie viel über den 30. Jahrestag der Hillsborough-Katastrophe berichtet wurde. Es war überschaubar und weniger, als ich erwartet hatte; dagegen war das Gedenken in den sozialen Netzwerken vielfältig. Im Stadion selbst erinnern bis heute auf der Westtribüne 96 weiße anstatt der üblichen blauen Sitze an das Unglück.

West Ham United, ehemaliger Boleyn Ground (Upton Park) und der Memorial Garden

Da ich bis zu meiner Verabredung mit dem Clubpfarrer der Queens Park Rangers noch einige freie Tage zur Verfügung hatte, wollte ich jene Orte aufsuchen, an denen früher die Stadien zweier Londoner Fußballclubs waren und jetzt Wohnkomplexe entstanden waren. Spannend waren sie für mich vor allem deshalb, weil noch Zeugnisse der englischen Fußballmemorialkultur zu sehen waren. Zuerst führte mich der Weg in den Osten von London. Dort stand bis 2016 das Stadion von West Ham United, Boleyn Ground oder auch Upton Park genannt. Auf dem Weg zum ehemaligen Ground lief ich die legendäre Green Street entlang. Links und rechts sind kleine Läden, indische Restaurants, Kosmetiksalons, Kleidergeschäfte, die die neuesten Saris zeigen, Schmuck aus Pakistan oder Köstlichkeiten aus Bangladesch. Schon aus der Ferne sah ich einen noch im Bau befindlichen, großen Wohnkomplex. Hier sollen über 800 exklusive Wohnungen mit dem Namen „Upton Gardens“ entstehen. Übriggeblieben von der alten Heimat der „Hammers“ ist der Memorial Garden, der noch mit den Originalstücken des ehemaligen Stadiongeländes umzäunt ist. Es handelt sich dabei um einen Ort des Gedenkens, keinen Friedhof im klassischen Sinne mit Gräber und Urnen. Vielmehr bietet er den Hinterbliebenen die Möglichkeit, Erinnerungsstücke an ihre Verstorbenen zu hinterlassen. Wer möchte, kann einen kleinen Teil der Asche der verstorbenen Fans verstreuen.

Memorial Garden West Ham © Carmen Mayer

Die rechtliche Situation in Deutschland
In Deutschland ist dies nicht möglich, da aufgrund der Bestattungsgesetze die Asche als Gesamtheit nur auf einem Friedhof, im Bestattungswald oder auf See bestattet werden kann. Bremen hat als bisher einziges Bundesland das Gesetz gelockert und erlaubt mit Auflagen, die Asche von Verstorbenen auf einem privaten Grundstück oder in dafür ausgewiesenen öffentlichen Flächen auszustreuen.

Auf einem Hinweisschild neben dem Memorial Garden ist zu lesen, dass die Baufirma mit West Ham United daran arbeitet, das Gedenkareal würdevoll in die landschaftsplanerische Gestaltung des Wohnkomplexes zu intergieren. Um ins Innere des verschlossenen Memorial Gardens zu gelangen, musste ich eine Nummer anrufen, die auf dem Hinweisschild zu finden war. Kurz darauf kam ein Bauarbeiter, der mir aufschloss. Das Innere des Gardens ist nicht besonders groß. Bei meinem Besuch bestand er aus einem kleinen Feld mit zwei Bäumen, die vereinseigene Schals und Wimpel trugen sowie ein Trikot, auf dem gedruckt stand: „DAD. Always in my heart. R.I.P. Love Sean.“ Außerdem befanden sich dort persönliche Gegenstände und Erinnerungsschilder, auf denen teils Fotos, Namen, Geburts- und Todesdaten der verstorbenen Fans zu sehen waren, manchmal auch persönliche Widmungen.

Boleyn Ground Memorial Garden © Carmen Mayer

Als ich den Garden verließ, kam ich mit dem Bauarbeiter ins Gespräch. Richard arbeitet seit zwei Jahren auf dieser Baustelle und ist zuständig dafür, den Memorial Garden für Besucher*innen zu öffnen. Er selbst ist kein West-Ham-United-Fan, sein Herz schlägt für Arsenal. „Früher gab es zwei Sitzbänke hier im Memorial Garden. Diese wurden aber leider geklaut. Um den Garten besser zu schützen, ging man so auch dazu über, ihn abzuschließen.“ Auf meine Nachfrage, ob der Garden regelmäßig besucht würde, nickte er und berichtete, dass nicht nur Menschen aus London, sondern auch von außerhalb kämen, neulich sogar jemand aus Südafrika. Manche erzählten ein bisschen, andere weinten sehr. „Es wird hier auch an viele jüngere Menschen erinnert“, sagte er und machte eine Pause, bevor er lobend die West-Ham-United-Fans erwähnte, die zweimal im Monat in voller Fanmontur erscheinen und im Garden nach dem Rechten schauen. Wir redeten noch lange über Fußball, Trauer und Tod sowie den Umgang damit, bevor wir uns verabschiedeten. Richard winkte mir noch einmal zu und dann war er um die Ecke im Baucontainer verschwunden.

Arsenal, Emirates-Stadion und altes Highbury-Gelände mit Memorial Garden

Meine zweite Station war die Stätte des alten Stadions von Arsenal, das Highbury, wo heute ebenfalls ein Wohnkomplex steht. Nach anfänglichem Zögern entschloss ich mich, auch das neue Stadion von Arsenal, das „Emirates Stadium“, zu besuchen, das nicht weit weg vom ehemaligen Gelände des Highbury zu finden ist. Ich hatte bisher nur wenige moderne Fußballtempel besichtigt, die waren aber alle nichts gegen die aktuelle Spielstätte der Gunners. Nirgends wurde mir bisher so deutlich vor Augen geführt, wie Geld den Fußball regiert. „Kalt“, „glatt“, „edel“, „exklusiv“, „hochwertig“ sind Begriffe, die mir einfielen, als ich mit meinem Audioguide auf der Stadiontour unterwegs war. Eine persönliche Führung wurde nicht angeboten. Der Audioguide tönte mir zu Beginn ins Ohr: „Wenn Sie Fragen haben, stellen sie diese jederzeit unseren Mitarbeiter*innen. Es gibt keine Frage, die Ihnen nicht beantwortet werden kann“. Ob das wohl stimmte, wollte ich herausfinden. In der VIP-Lounge glitt mein Blick übers Stadion und ich fragte einen älteren Mitarbeiter: „Gibt es bei Arsenal die Möglichkeit, seine Asche auf oder am Spielfeld verstreuen oder begraben zu lassen?“ Er blickte mich nachdenklich an: „Das ist eine wirklich gute Frage, die hat mir in den 20 Jahren, die ich für Arsenal als Guide arbeite, noch nie jemand gestellt.“ Eine Antwort wusste er adhoc nicht, versprach aber, er würde versuchen, das herauszubekommen. Er war sehr bemüht, telefonierte mit verschiedenen Menschen, kam jedoch nicht weiter. Ich saß inzwischen in einem der Sessel vor der VIP-Lounge und blickte in das Stadion mit seinen über 60.000 Plätzen.

The Emirates Stadium © Carmen Mayer

Es war ein schöner Tag, die Sonne fiel in die Arena und doch fühlte ich mich fremd in dieser Welt des Hochglanz-Glitzerfußballs. Meine Gedanken reisten zu den alten Grounds, in denen alles etwas schrammeliger ist, die Gebrauchsspuren aufweisen, bei denen das Flutlicht in den Himmel ragt, der Rasen nicht aussieht, als wenn er gerade frisch aus dem Katalog verlegt worden wäre und wo es nach einer Mischung aus Schweiß, Bratwurst und Bier riecht. Plötzlich klopfte mir jemand auf die Schulter. Eine Kollegin des Guides sagte mir, dass sie sich um meine Frage kümmern würde. Nach längerer Zeit und einigen weiteren Telefonaten kam sie zurück und meinte, dass es nicht erlaubt wäre, die Asche auf dem Pitch zu verstreuen. Das einzige, was sie anböten, wäre eine „Celebration Corner“ vor dem Stadion, eine Wand, für die man eine Zinkplatte kaufen und sich oder seine Verstorbenen darauf verewigen lassen könnte. Ich bedankte mich für die Mühe und verließ kurz darauf die Lounge, um meine Stadiontour fortzusetzen, die schließlich im Fanshop endete. Den verließ ich zügigen Schrittes und machte ich mich auf den Weg zum ehemaligen Highbury-Stadion.

Es war ruhig im Wohngebiet um Arsenal, ich begegnete kaum Menschen oder Autos, die typischen englischen Häuser reihen sich dort aneinander. Auf einem kleinen Weg gelangte ich ins Innere des ehemaligen Highbury. Dort steht jetzt eine große, noble Wohnanlage namens „Highbury Square“ mit rund 700 Wohnungen. Die Fassaden der ehemaligen Ost- und Westtribüne wurden in den Komplex integriert und beherbergen Apartments, von denen man auf das ehemalige Spielfeld blickt, das jetzt ein schön angelegter Garten ist. Dort befindet sich auch der Memorial Garden, in dem Asche von Arsenal-Fans liegt. Im Gegensatz zu heute war dies im Highbury Stadion möglich. Der Garten ist nicht öffentlich begehbar, sondern nur mit einem Code für die Hausbewohner*innen zugänglich, deshalb konnte ich leider nur durch den hohen Gartengitterzaun ins Innere blicken. Der Memorial Garden ist nur mit Gras und kleinen Büschen bepflanzt. Persönliches findet man dort nicht. Es gibt lediglich eine Bank mit dem Hinweis: “The Bench is dedicated to the memory of many loyal Arsenal Supporters. Arsenal Stadium 1913-2006”.

Arsenal Gardens © Carmen Mayer

Queens Park Rangers, Loftus Road – Asche der verstorbenen Fans, die Teil des Groundes werden

Endlich stand mein Termin im Stadion der Queens Park Rangers mit dem langjährigen Clubpfarrer an. Unterwegs wurde ich an Laternenmästen mit Aufklebern von Union Berlin begrüßt – der Verein hatte hier letzten Sommer ein Freundschaftsspiel. Ich lief die Africa Road entlang, die aufs Stadion zuführt und konnte schon das Hauptgebäude sehen. Es ist etwas in die Jahre gekommen, die Fassade ist grau, im oberen Stockwerk stehen hinter einem Fenster verschiedene Pokale und ein Flutlichtmast ragt in den Himmel. Nach dem Besuch des Glitzerstadions von Arsenal Balsam für mein Fußballherz.

Das blaue Wappen von QPR und ein Schriftzug mit „Loftus Road Stadium“ zieren den Haupteingang. Viele Jahre hieß die Heimspielstätte der Hoops nur „Loftus Road“, im Juni 2019 wurde das Stadion in „The Kiyan Prince Foundation Stadium“ umbenannt. Er war ein sehr talentierter Jugendspieler von QPR, der im Jahr 2006 im Alter von 15 Jahren erstochen wurde. Reverend Cameron empfing mich an der Rezeption des Stadions. „Oh, hello Carmen, I see, the Germans are always on time!“

Mit Wasser ausgestattet, führte er mich in eine Loge. Wir nahmen auf einem blauen Plüschsofa mit Blick auf das Spielfeld Platz. Die Loge war heimelig und wies die eine oder andere Gebrauchsspur auf, aber genau das schaffte ein sehr familiäres Gefühl. Im Februar war Cameron nach über zwölf Jahren zusammen mit einem weiteren Kollegen bei einem Heimspiel verabschiedet worden. „Das waren bewegende Momente. Ich habe viele schöne Erinnerungen mitgenommen und bin sehr dankbar, dass ich Teil dieser Gemeinschaft, dieser Fußballfamilie sein durfte.“ Da sein Nachfolger gerade erst eingearbeitet wurde, hatte Cameron mir angeboten, für unser Gespräch noch mal zur „Loftus Road“ zu kommen, worüber ich sehr dankbar war. Cameron hatte mir zu Ehren noch einmal sein blaues Dienstsakko mit einem Wappen von QPR angezogen, darunter stand „Chaplain“. So lautete die offizielle Bezeichnung für seine Tätigkeit. Normalerweise trug er noch einen weißen Kollar, auch bekannt als weißer, ringförmiger Stehkragen. Auf den hätte er heute verzichtet, lachte er. Mit der Dienstkleidung war seine Funktion unverkennbar.

Zu den Aufgaben eines Club-Chaplains gehört es, die Spieler beim Training zu besuchen, hin und wieder gemeinsam mit ihnen zu essen und an Spieltagen im Stadion für die Fans präsent zu sein. Für vertrauliche Gespräche vor oder nach dem Spiel nutzte Cameron die Loge, in der wir saßen. Aber seine wesentliche Aufgabe war eine ganz besondere: Bei QPR gibt es die Möglichkeit, einen Teil der Asche von verstorbenen Fans hinter der Torlinie zu begraben. Mir ist kein weiterer Proficlub in London bekannt, der das anbietet. Etwa acht bis neun kleine Begräbniszeremonien führte Cameron pro Jahr durch. Die Fans kamen meist aus England, aber auch aus anderen Ländern. „Das ist keine offizielle Beerdigung“, stellte er klar. Nur ein kleiner Teil der Asche, etwa ein kleines Marmeladenglas, findet hier seine letzte Ruhe. Die Beerdigung des verstorbenen Menschen hat schon woanders stattgefunden und die informelle Zeremonie hier passiert einige Zeit später. Es ist vor allem für Hinterbliebene eine sehr wertvolle Erinnerung, dass ihre Liebsten auch über den Tod hinaus nah am Geschehen ihres Herzensvereins teilhaben können.

Tor © Carmen Mayer

Cameron bot mir an, die kleine Zeremonie, die er mit den Hinterbliebenen durchführte, mit mir im Stadion durchzugehen. Nach der Kontaktaufnahme erklärte Cameron den Hinterbliebenen den Ablauf der kostenfreien Zeremonie, so dass diese wussten, was auf sie zukommen würde. Auf Wunsch können bis zu 40 Personen teilnehmen. Der erste gemeinsame Weg führte dann in die Umkleidekabine. „Es war ganz unterschiedlich, wie lange die Familien sich hier aufhielten“, erzählte er. „Manche machten Fotos, andere wiederum verließen die Kabine nach einem kurzen Blick.“ Anschließend ging es durch den Spielertunnel auf den Rasen. Dort wurde fast eine ganze Runde um das Spielfeld gedreht bis zu dem Tor, das auf der Seite der Loftus Road steht. Diese Zeit nutzte der Pfarrer, um ins Gespräch zu kommen über die Verstorbenen. “Manche brachten Fotos mit, andere beklebten das kleine Glas mit der Asche mit persönlichen Motiven, andere waren eher still und wieder andere genossen die Aussicht und machten viele Fotos“, berichtete er. Die eigentliche Zeremonie aus kleinem Gebet und einer Schweigeminute fand anschließend an der Torlinie statt. Auf halber Höhe zwischen Eckfahne und Tor gibt es eine Grube, in die die Asche dann geschüttet wurde. So wird der Fan Teil des Grounds. Platten oder Namen der Toten sucht man allerdings vergeblich, es soll ja etwas Informelles bleiben. Bedauerlicherweise konnten wir am Tag meines Besuches die Grube auch nicht sehen, da sie schon für den nächsten Spieltag mit einer großen Fahne abgedeckt war. Cameron und ich standen noch einen Augenblick an der Linie, vor uns das große, leere Stadion, ein alter Ground mit knapp 18.500 Sitzplätzen. Die Flutlichtmasten grüßten den Himmel. „Ein schöner Platz, um seine letzte Ruhe zu finden“, dachte ich.

Als ich Loftus Road verließ, war es sehr warm geworden. Ich entschloss mich, zum FC Chelsea zu fahren, eine Runde um die Stamford Bridge zu drehen und auf dem dahinterliegenden Friedhof meine London-Reise ausklingen zu lassen.

FC Chelsea, Stamford Bridge und Brompton Cementary

An der Stamford Bridge waren schon einige Auswärtsfans vorm Stadion. Am Abend spielte Chelsea im Europapokal gegen Slavia Prag. Ich drehte eine Runde um die Spielstätte. Auf der Rückseite begrenzt die Friedhofsmauer das Gelände. Es war ruhig. Die Eingänge an der Nord- und Osttribüne waren noch verwaist, auch die der Auswärtsgäste. Hin und wieder traf ich auf ein paar beschäftigte Mitarbeiter*innen des Clubs, die mir zunickten. Plötzlich ging ein Tor auf und zwei Jungs fuhren mit ihren Rasenmaschinen und weiteren Geräten heraus. Es waren die Greenkeeper, die den Rasen für das Spiel am Abend chic gemacht hatten. Ich erhaschte einen längeren Blick ins Innere, wo seit 2006 die Asche des früheren Chelsea-Stürmers Peter Osgood unterm Elfmeterpunkt vor „The Shed“ liegt, und setzte nach einigen Minuten meine Runde fort. Die endete schließlich am Shed Wall, dem südlichen Ende der Stamford Bridge.

Ich verließ die Heimat der Blues und stand wenige Minuten später vorm Eingang des Brompton Cemetery. Der Friedhof besteht seit 1840 und ist einer der ältesten sogenannten Parkfriedhöfe in London. Er ist über 16 Hektar groß (im Vergleich dazu: ein Fußballfeld in Standardgröße ist etwa 0,7 Hektar groß) und eine Mischung aus Park, historischen Denkmälern, Wildtieren und den Gräbern der über 200.000 Menschen, die hier beerdigt sind. Darunter auch der Gründer des Chelsea Football Clubs, Gus Mears. Es war ein schöner Nachmittag und der Friedhof war rege besucht. Jogger*innen, Eltern mit Kinderwagen, Menschen in Businesskleidung, die ihr Lunch aßen, Gärtner*innen, die sich um die Wegbepflanzung kümmerten, eine ältere Dame, die ein Grab goss. Eichhörnchen liefen mir vor die Füße und weiter hinten fanden sich alte, historische Denkmäler. Ich lief in Richtung jener Friedhofsmauer, die das Chelsea-Gelände vom Friedhof trennt. Vor mir die Gräber, im Hintergrund das Stadion. Ich setzte mich auf eine Bank. Die Sonnenstrahlen fielen durch die Bäume des Friedhofs und über der Stamford Bridge zogen weiße Wolken vorüber. Trauer und Fußball treffen aufeinander, das gilt auch hier für diesen ganz besonderen Ort.

Brompton Cemetery © Carmen Mayer

Es war später Nachmittag als ich den Friedhof verließ und in einen roten Doppeldeckerbus stieg. Ganz vorne oben war ein Platz frei. Es war dichter Verkehr, der Bus schaukelte durch Fulham, links und rechts am Straßenrand waren viele Fans unterwegs zum heutigen Viertelfinalspiel der Europa-League. Meine Reise durch die englische Fußballmemorialkultur war zu Ende, ich blickte aus dem Fenster des Busses und aus meinen Kopfhörern ertönte „Football is coming home“.

_________________________

Die Veröffentlichung dieses Beitrags wurde auch durch die Unterstützung des 120minuten-Lesekreises möglich. Vielen Dank dafür! Du möchtest 120minuten ebenfalls aktiv unterstützen? Dann bitte hier entlang!

_________________________

Autor*innen-Information: Carmen Mayer ist Trauerbegleiterin in Berlin in eigener Praxis mit den Schwerpunkten Krankheit, Trauer, Tod und Verlust und forscht zum Thema Trauer und Fußball, worüber sie auch eine wissenschaftliche Arbeit geschrieben hat. Daraus ist dann das Projekt Trauer und Fußball entstanden. Sie ist Dauerkartenbesitzerin bei Turbine Potsdam und ihr Herz schlägt auch noch grün-weiß für den SV Werder Bremen.

_________________________

Du hast auch ein Thema, das Dich bewegt und das gut zu 120minuten passen könnte? Dann wäre vielleicht unser Call for Papers etwas für Dich!

]]>
https://120minuten.github.io/auf-den-spuren-der-englischen-fussball-memorialkultur-impressionen-aus-london/feed/ 0 6550