Oliver Leiste – 120minuten https://120minuten.github.io Lange Texte. Über den Fußball. Tue, 02 Jul 2019 08:09:59 +0000 de-DE hourly 1 https://wordpress.org/?v=5.4.2 73012590 13: Juli: 120minuten lädt zum Leser*innen-Treffen https://120minuten.github.io/13-juli-120minuten-laedt-zum-leserinnen-treffen/ https://120minuten.github.io/13-juli-120minuten-laedt-zum-leserinnen-treffen/#respond Mon, 01 Jul 2019 07:25:15 +0000 https://120minuten.github.io/?p=6323 Weiterlesen]]> Zum ersten Mal veranstaltet das Team von 120minuten ein Redaktions- und Leser*innentreffen. So ganz persönlich und außerhalb diesem Internet. Und ihr könnt mit dabei sein.

Blick über Leipzig

Leipzig. Gründungsort des DFB. Heimat des ersten Deutschen Meisters. Heldenstadt. Und nun auch Austragungsort des ersten Redaktionstreffens von 120minuten. Wir wollen uns mal außerhalb des Internets begegnen und die Strategie für die kommenden Monate besprechen. Und wir wollen unsere Leser*innen – also euch – kennenlernen und bei ein paar Kaltgetränken über Gott und die Welt und natürlich vor allem über Fußball quatschen.

Das ganze steigt am 13. Juli in Leipzig. Ab 14 Uhr findet zunächst der interne Teil statt. Gemeinsamen mit unseren Kooperationspartnern ballesterer und Zeitspiel werten wir zurückliegende Projekte aus und überlegen, was wir in Zukunft angehen wollen. Ab circa 18 Uhr gehen wir dann zum öffentlichen Teil über und würden uns freuen, die eine oder den anderen von euch begrüßen zu können.

Damit wir angemessene Restaurant- und Kneipenkapazitäten reservieren können, gebt Oliver doch mal bitte ein Hand- oder Rauchzeichen, wenn ihr dabei sein wollt. Entweder per Twitter oder per Mail.

Wir freuen uns auf euch!

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“Allmächtige Corinthians-Girls”: Wie brasilianische Fußballfans gegen Sexismus kämpfen https://120minuten.github.io/corinthias-girls-brasilien-kampf-gegen-sexismus/ https://120minuten.github.io/corinthias-girls-brasilien-kampf-gegen-sexismus/#respond Sat, 20 Apr 2019 08:00:20 +0000 https://120minuten.github.io/?p=5871 Weiterlesen]]> Als leidenschaftliche Fußballfans gründen brasilianische Frauen feministische Gruppen, um Sexismus im Sport zu bekämpfen. Dabei scheuen sie auch nicht die Auseinandersetzung mit Giganten, zeigt das Beispiel Corinthians.

Von Rosiane Siqueira
Übersetzung: Alexander Schnarr

Movimento Toda Poderosa Corinthiana: Eine feministische, brasilianische Gruppe weiblicher Corinthians-Fans, die gegen Sexismus im Fußball kämpfen.

Frauen auf der ganzen Welt wünschen sich die Freiheit, tun zu können, was sie möchten – und das beinhaltet, ihre Stimme für diese eine Liebe zu erheben: den Fußball. Brasilien sieht sich im Rahmen der letzten politischen Ereignisse einer radikalkonservativen Welle gegenüber, allerdings sind das reaktionäre Verhalten und diffuser Seximus nichts Neues für das Land: Zwischen 1941 und 1983 war es Frauen gesetzlich verboten, Sport zu treiben, mit der Begründung, dass sportliche Aktivitäten „mit ihrer Natur nicht kompatibel“ seien.

Es sind erst 36 Jahre vergangen, seitdem dieses Gesetz abgeschafft wurde. Viele der weiblichen Anhänger sind älter als 36 und haben ihre Passion über eine lange Zeit unterdrücken müssen. Heutzutage fühlen sie sich durch feministische Bewegungen in verschiedenen Bereichen bestärkt und verändern die Fußball-Szene in Brasilien.

Die furchtlosen Corinthians-Anhängerinnen

Die Bewegung namens „Movimento Toda Poderosa Corinthiana“ („Die allmächtige Corinthians-Mädchen-Bewegung, als Referenz auf den Spitznamen des brasilianischen Teams Sport Club Corinthians Paulista, „Die allmächtigen Corinthians“) ist eine der größten Gruppen weiblicher Fans im Land und verantwortlich für verschiedene Initiativen, die Respekt einfordern und Sexismus innerhalb des Fußballs bekämpfen.

Die Gruppe erlangte erstmals 2016 große Aufmerksamkeit, nachdem sie einen Offenen Brief gegen die Titelseite einer der berühmtesten brasilianischen Sportzeitungen, Lance!, veröffentlichten. Bei der Zeitung hatte man sich dazu entschieden, die Schönheit eines kurvigen Team-Models hervorzuheben, anstatt auf den beeindruckenden Sieg der Mannschaft am Abend vorher einzugehen. Der Brief wies auf die „Objektivierung“ von Frauen und den Sexismus im Leitartikel hin, der sich stets nur an eine männliche Leserschaft richtet. Die Zeitung hat auf die Kritik nie geantwortet.

Keine Angst vor Nike

2017 entschloss sich die Gruppe dazu, den Kampf gegen einen Giganten aufzunehmen: Nike. Nach der Vorstellung der Corinthians-Trikots für die neue Saison informierte der Ausstatter darüber, dass das Auswärtstrikot nicht in einer Frauenversion produziert werden wird. Das Unternehmen gab an, dass es dafür nicht genügend Nachfrage geben würde. Das Thema erhielt dank des Protests der Gruppe gewaltige Resonanz via Facebook, Instagram und Twitter: „Nicht genügend Nachfrage, Nike? Hold my beer….“ 1:0 für die Damen. Nach einem Monat intensiver Online-Angriffe überlegte Nike es sich anders und begann damit, Frauen-Versionen der Auswärtstrikots über die Webseite und in allen Corinthians-Läden zu verkaufen.

Die Aktionen, die durch die Bewegung initiiert wurden, dauern an und adressieren allgemeine Probleme innerhalb des Sports. So gab es eine Kampagne gegen Sexismus während der letzten Weltmeisterschaft in Russland oder es werden interne Entscheidungen der Vereinsführung hinterfragt, wie z.B., als Corinthians beschloss, einen Spieler zu verpflichten, dessen körperliche Aggressionen gegenüber seiner Freundin öffentlich bekannt waren.

Weibliche Fans zwischen Männern auf der Tribüne im Corinthians-Stadion in Sao Paolo, Brasilien. Auf der Fahne steht: Corintians-Mädchen gegen Sexismus.

Der Verein selbst achtet auf die Forderungen der Mädchen. Corinthians sind Pioniere im Engagement gegen Sexismus und Gewalt gegenüber Frauen in Brasilien, auf und neben dem Platz. Anfang 2019 unterzeichnete Corinthians gemeinsam mit zwei anderen großen Clubs des Landes, Palmeiras und São Paulo, eine Kooperationsvereinbarung mit der Stadtverwaltung von São Paulo. Sie verpflichteten sich dazu, sich dem Kampf gegen Gewalt gegenüber Frauen anzuschließen und weibliche Opfer von Aggressionen innerhalb der Familie und des häuslichen Umfeldes zu schützen.

Die wachsende, feministische Revolution im brasilianischen Fußball

Es sind nicht nur die weiblichen Fans von Corinthians, die gegen Sexismus in Brasilien kämpfen. Zahlreiche Gruppen und Kollektive von Frauen sind in letzter Zeit im Land entstanden, jede mit Verbindungen zu ihrem jeweiligen Herzensteam. Bei einigen Clubs findet man sogar mehr als eine Gruppe, die sich entwickelt und sich für verschiedene Themen engagiert. Trotz der Rivalität zwischen den Vereinen interagieren die Mädchen und ihre Gruppen in der Regel miteinander. Letzten Endes haben sie alle das gleiche Ziel: Respekt von Männern und das Recht, ihr Team zu lieben und frei zu unterstützen.

Gemeinsam glauben alle an ein simples und wichtiges Prinzip des Feminismus: Empathie. Kein Mädchen verdient es, belästigt zu werden, sich schämen zu müssen oder Angst davor zu haben, das zu tun, was es liebt: sein Team anzufeuern. Brasilien erlebt mehr und mehr, wie Frauen an den Fußball-Ritualen teilhaben, zu den Spielen gehen, in Sportlerinnen-Karrieren investieren, das Thema als Fan oder Journalistin diskutieren, den Sport selbst ausüben und Akteurinnen sind in etwas, das traditionell männlich ist.

Beitragsbilder: Die Fotos wurden von der Autorin zur Verfügung gestellt.

The Almighty Corinthians Girls Movement: How Brazilian football fans fight sexism

Der Text in der englischen Originalfassung/ English original version

Passionate for football, brazilian women are creating feminist groups to fight against sexism in the sport.

Women from all around the world desire the freedom to do whatever they like – and it includes speaking up their voices about one true love: football. Brazil faces a radical conservative wave in its recent political events but the reactionary behavior and diffused sexism are not something new to the country: from 1941 until 1983, a law forbade women from practicing sports under the argument that the sports practices were “incompatible with their nature”.

It has been only 36 years since this law was repealed. Many of the female supporters are older than that and have repressed their passion for a long period of their lives. Nowadays, feeling more and more empowered by feminist movements in different spheres, those women are changing the scenario of the football in Brazil.

The fearless Corinthians female supporters

The Movement named “Movimento Toda Poderosa Corinthiana” (The Almighty Corinthians Girls Movement, in a reference to how the Brazilian Team, Sport Club Corinthians Paulista, is called: The Almighty Corinthians) is one of the biggest collective of female supporters in the country and has created different initiative to demand respect and fight the sexism within football.

The Group got the attention widely for the first time in 2016 after releasing a public letter against one cover page from the most famous Brazilian sports newspaper, Lance!. The edition opted to highlight the beauty of the curvy muse model of the team instead of the impressive victory the team had done the night before. The letter pointed the “objectification” of the women and sexism of its editorial, always considering only its male audience. The newspaper never answered about the critics.

In 2017, the Collective decided to fight a battle against a giant: Nike. After launching the Corinthians uniforms for that season, the brand informed that the second uniform would not be produced in female versions. The company claimed that there was insufficient sales demand for that. The topic got massive repercussion through Facebook, Instagram and Twitter thanks to the protest created by the group. “Not enough female demand, Nike? Hold my beer…” 1×0 for the ladies. After one month of intense online attacks, Nike changed his mind and started to sell the female versions at the website and at all Corinthians stores.

And the campaigns created by the Movement go on, addressing general issues within the sport, such as the campaign against sexism during the World Cup in Russia, or questioning internal decisions and the management of the team, such as when Corinthians decided to hire a player who has a public record of physical aggression against his girlfriend.

The Club itself has paid attention to the demand of the girls. Corinthians has been one of the pioneering teams to engage into campaigns against sexism and violence against women in Brazil, inside and outside the field. At the beginning of this year, Corinthians together to other two of the biggest clubs in Brazil, Palmeiras and São Paulo, signed a cooperation agreement with the city hall of São Paulo. They committed to join in the fight against violence against women and to protect women victims of aggression in the family and residential environment.

The growing feminist revolution in Brazilian football

Not only Corinthians female supporters are fighting the sexism in Brazil. Numerous groups and collectives of women has emerged recently in the country, each one related to their heart team. For some of them, it is possible to find even more than one group emerging and being engaged into various topics. Despite the rivalry among them, the girls and their groups normally interact with the others. After all, they all aim the same: respect from the men and the right to love and support their team freely.

Commonly, they all believe in a simple and important principle from feminism: empathy. No girl deserves to be harassed, shamed or afraid to do something they love to: cheer for their team. More and more, Brazil sees women taking part of the football ritual, going to games, investing in a sports career, debating the topic as a fan or a journalist, practicing the sport and being the protagonist of something traditionally manly.

Although this feminist wave seems to be a breakthrough in Brazilian football, there is still a lot to be explored and debated within a society that shows signs of flirtation with regression when it comes to social rights and prejudice. Sexism, racism, homophobia and violence are still ghosts in every stadium of the country.

Every small initiative helps to create a safer environment for every human being with its own differences and particularities. And the girls know that very well! Holding each other’s hand, they do not intent to rewrite the world football history but to help writing new chapters.

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Ein Bier und ein Kurzer: Neue Rubrik bei 120minuten https://120minuten.github.io/ein-bier-und-ein-kurzer-neue-rubrik-bei-120minuten/ https://120minuten.github.io/ein-bier-und-ein-kurzer-neue-rubrik-bei-120minuten/#respond Sat, 20 Apr 2019 07:46:55 +0000 https://120minuten.github.io/?p=5883 Weiterlesen]]> Raum für kürzere Texte: Das ist das Ziel der neuen Rubrik “Ahlenfelder” bei 120minuten. Die Namensgebung, die auf den Schiedsrichter Wolf-Dieter Ahlenfelder zurückgeht, erinnert zudem an eine denkwürdige Kurzgeschichte der Bundesliga.

“Darf es ein bisschen weniger sein?” – Diese Formulierung hört man im Alltagsleben eher selten. Im Gegenteil. Auch bei 120minuten haben wir bisher sehr viel Wert auf “mehr” gelegt. 1.500 Wörter sind unsere Untergrenze für lange Texte über den Fußball. Daran wird sich auch in Zukunft nichts ändern.

Manchmal braucht es aber nicht ganz so viele Wörter, um spannende Geschichten zu erzählen. Dem wollen wir Rechnung tragen und führen deshalb eine neue Rubrik ein – den “Ahlenfelder”. Dort finden all jene Texte ihren Platz, die nicht als Longread durchgehen, die es aber unserer Meinung nach trotzdem verdient haben, gelesen zu werden.

Ein Bier, ein Schnaps, ein früher Pfiff

Der Name der Rubrik geht zurück auf Wolf-Dieter Ahlenfelder, den früheren Bundesliga-Schiedsrichter. Berühmt wurde er, als er 1975 bei einem Bundesligaspiel in Bremen die erste Halbzeit schon nach 32 Minuten beendete. Grund dafür war wohl der vorherige Wirtshausbesuch, bei dem der Schiri sich auch ein Bier und einen Malteser genehmigte. Nach einem Hinweis seines Assistenten setzte Ahlenfelder die Partie fort. Noch heute, so geht die Legende, erhält man rund um das Weserstadion ein Bier und einen Kurzen, wenn man nach einem Ahlenfelder fragt.

Kurzgeschichten und Kooperationen

Unsere neue Rubrik dreht sich natürlich nicht um alkoholhaltige Kurze, sondern um interessante kürzere Texte. Den Auftakt macht ein Artikel über die feministische Fußballbewegung in Brasilien. In Zukunft werden wir hier eigene Stücke genauso veröffentlichen, wie die Texte von Gastautoren. Vorschläge dazu sind jederzeit willkommen. Außerdem erscheinen im Ahlenfelder Beiträge unseres Kooperationspartners ballesterer und aus dem “Zeitspiel”-Magazin.

Bildinformation: Urheber des Fotos ist Oliver Trempler. Das Foto wurde über die Seite pixabay lizenzfrei bezogen.

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Frank Noack: “Erwarte keine Dankbarkeit vom Fußball” https://120minuten.github.io/frank-noack-erwarte-keine-dankbarkeit-vom-fussball/ https://120minuten.github.io/frank-noack-erwarte-keine-dankbarkeit-vom-fussball/#respond Thu, 07 Mar 2019 23:31:55 +0000 https://120minuten.github.io/?p=5774 Weiterlesen]]> Seit 20 Jahren berichtet Frank Noack für die Lausitzer Rundschau über Energie Cottbus. Der Journalist hat den Verein in glamouröse Bundesligastadien begleitet, war aber auch auf besseren Bezirkssportanlagen in der Regionalliga und im Landespokal dabei. Einen festen Sitzplatz mit Stromanschluss weiß er deshalb sehr zu schätzen. Im Interview spricht er über Autorisierungen, veränderte Arbeitsaufgaben und neue Recherchemöglichkeiten.

Sportreporter Frank Noack berichtet über Energie Cottbus – auf Amateursportplätzen zum Teil auch unter widrigen Bedingungen.

120minuten.github.io | März 2019

Welche Rolle spielt Journalismus im Fußball?

Unsere Aufgabe hat sich gewandelt, weil viele Vereine durch eigene Kanäle einen Teil der Berichterstattung übernehmen. Doch gerade was die Bewertung und Einschätzung von Sachverhalten angeht, ist der Journalismus nach wie vor ganz wichtig, um nicht das Ungefilterte aus den Vereinen zu übernehmen.

Spieler und Vereine präsentieren sich zunehmend selbst auf Social-Media-Plattformen. Erleichtert oder erschwert das deine Arbeit?

Sowohl als auch. Das kann man nicht richtig mit ja oder nein beantworten. Natürlich geht ein Stück weit Exklusivität verloren, wenn zum Beispiel eine Pressekonferenz live im Internet übertragen wird oder die Vereine eigene Interviews mit Neuzugängen machen. Mit so etwas konnte man früher als Journalist punkten. Das ist heute deutlich schwerer.

Der Vorteil ist aus meiner Sicht, dass das Informationsangebot aber viel größer geworden ist. Weil die Vereine die Informationen verteilen, hat man viel mehr Quellen. Dazu kommt, dass auch die Spieler viel in den Netzwerken unterwegs sind. Für die Recherche hat man viel mehr Möglichkeiten.

Den Rhythmus der Zeitung gibt es nicht mehr. Wichtig ist, dass wir das Online-Angebot schnell bestücken. Es geht um Aktualität und darum, Informationen schnell rauszubringen. Da hat das Internet mittlerweile eine große Funktion.

Welches Verhältnis habt ihr bei der Lausitzer Rundschau zu den Pressesprechern von Energie, aber auch zu Pressesprechern allgemein?

Da kann ich in all den Jahren nur Positives berichten, egal ob erste, zweite oder dritte Liga. Klar, der Verein ist in der 3. Liga mehr auf unsere Berichte angewiesen, als er es zu Bundesligazeiten war. Weil der Fokus da ein anderer, deutschlandweiter war. Das ist jetzt nicht mehr so der Fall. Das Verhältnis zu den Pressesprechern war aber in all den Jahren immer gut. Selbst zu Erstligazeiten hatten wir keine Probleme, einen Zugang zur Mannschaft zu finden oder Interviews zu bekommen. Diese Hürde kenne ich in Cottbus nicht. Das ist sehr angenehm.

Das zeigt sich auch, wenn man den Vergleich sieht, als Cottbus und Dynamo Dresden auf Augenhöhe waren. Wenn man dann gesehen hat, wie die Begleitung der Mannschaften in den Trainingslagern abgelaufen ist. Da hatten wir es deutlich leichter als die Kollegen von der Sächsischen Zeitung. Das weiß ich sehr zu schätzen.

Habt ihr Probleme mit Autorisierungen – insbesondere wenn ihr über frühere Energieprofis bei größeren Vereinen berichtet?

Von den Pressestellen wird sehr selten eingegriffen. Das beschränkt sich auf kleinere Korrekturen. Größere Dissonanzen gab es wirklich nur ganz selten – auch bei der Interview-Autorisierung. Letztlich ist es wichtig, das gesprochene Wort sauber und korrekt aufzuschreiben. Dann lohnt es sich auch, bei der Autorisierung dafür zu kämpfen

In anderen Sportarten sind die Akteure deutlich zugänglicher. Würdest du dir wünschen, dass es im Fußball auch wieder so ist?

Ich erwarte in dem Sinne keine Dankbarkeit vom Fußball. Am Ende ist es ein Geben und Nehmen. Wenn der Fokus größer ist als in anderen Sportarten, dann sind die Stückchen vom Kuchen für alle ein bisschen kleiner. Das ist normal.

Die Fragen stellte Oliver Leiste. Das Interview war Teil der Recherche für den Longread “Mehr Einordnung wagen: Warum Lokaljournalismus im Fußball weiter wichtig ist“.

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Mehr Einordnung wagen: Warum Lokaljournalismus im Fußball weiter wichtig ist https://120minuten.github.io/warum-lokaljournalismus-im-fussball-weiter-wichtig-ist/ https://120minuten.github.io/warum-lokaljournalismus-im-fussball-weiter-wichtig-ist/#comments Wed, 27 Feb 2019 08:00:00 +0000 https://120minuten.github.io/?p=5752 Weiterlesen]]> Um den Fußballjournalismus steht es nicht zum Besten. Die Vereine versuchen sich auf vielen verschiedenen Kanälen selbst darzustellen und damit vorzugeben, wie über sie berichtet werden darf. Technische Veränderungen eröffnen ihnen dabei neue Möglichkeiten. Doch sind die veränderten Arbeitsbedingungen für die schreibenden Journalist*innen wirklich ein Problem? Oder bieten sie auch Chancen? Welchen Weg kann der Lokaljournalismus im Fußball gehen, um weiter interessant zu bleiben? Eine Einordnung.

Kiebitze auf dem Trainingsgelände Lezama von Athletic, Quelle: Ronny Blaschke

Oliver Leiste, 120minuten.github.io | Februar 2019

Der Fußballjournalismus hat Probleme. Das legen zahlreiche Studien und Berichte der vergangenen Monate nahe. “Diese zentrale Bedeutung von kritischem Sportjournalismus schlägt sich […] nur unzureichend in der Praxis nieder”, stellt etwa Tonio Postel fest. Dieser hat sich in einem Report für die Otto-Brenner-Stiftung ausführlich mit der Situation des Journalismus im modernen Fußball beschäftigt. Er sieht die kritische Berichterstattung in Gefahr – auch wenn es einzelne, positive Ausnahmen gebe.

Die Probleme haben verschiedene Ursachen. Eine erhöhte Arbeitsbelastung der Journalist*innen gehört genauso dazu wie Konkurrenz durch neue Medienformate und die Vereine selbst. Außerdem nehmen  die Klubs zunehmend Einfluss auf die Berichterstattung.

Weniger Journalisten, größere Erwartungen

Eine Ursache für die veränderte Bedeutung des Journalismus im Fußball ist laut Postel die Arbeitssituation vieler Journalist*innen – insbesondere bei lokalen Medien. “Aufgrund schlechter Bezahlung und prekärer Arbeitsverhältnisse, aber auch aus Sorglosigkeit, vermischen viele (freie) Sportjournalisten Journalismus und Public Relations (PR).”1 Für die schlechten Arbeitsverhältnisse, insbesondere im Lokalbereich, gibt es zwei Gründe. Einerseits wurden die (Sport-)Redaktionen in den vergangenen Jahren stark verkleinert. Frei gewordene Stellen wurden oft nicht wieder besetzt. Nicht selten gab es auch Entlassungen. Für die verbliebenen Redakteur*innen erhöhte sich die Arbeitsbelastung dadurch automatisch.

In Postels Report erklärt etwa Jan Christian Müller von der Frankfurter Rundschau:

“Wenn ich auf meine Anfänge Mitte der 1980er Jahre zurückblicke, war es üblich, dass stolze, selbstbewusste Sportredaktionen mit 12 bis 15 Redakteuren einem Bundesligaverein, der mit nur einem Pressesprecher ausgestattet war, gegenüberstanden. Es hat sich erstmal das personelle Verhältnis geändert, weil viele Zeitungsredaktionen geschrumpft und die Pressestellen gewachsen sind.“

Heute sei man froh, wenn drei Redakteure im Büro säßen, so Müller. Tiefschürfende, längerfristige Recherchen, die früher einfacher waren, seien so kaum noch realisierbar, erklärt der Journalist.2

“Es geht um Aktualität”

Durch technische Veränderungen im Internet ergaben sich auch neue Möglichkeiten der Berichterstattung. Damit entstanden aber auch neue Aufgaben, die von den Reporter*innen “nebenbei” noch mit zu erledigen sind. “Den Rhythmus der Zeitung gibt es nicht mehr”, sagt Frank Noack, der als Sportredakteur für die Lausitzer Rundschau in Cottbus arbeitet:

“Wichtig ist, dass wir das Online-Angebot schnell bestücken. Es geht um Aktualität und darum, Informationen schnell rauszubringen. Da hat das Internet mittlerweile eine große Funktion.”

Das merkt man besonders an den Spieltagen. Viele Lokalmedien begleiten die Spiele ihrer besten Fußballvereine mit einem Liveticker. Ein fertiger Spielbericht bei Abpfiff einer Partie ist längst Standard. Hinzu kommen Stimmen zum Spiel, Spielernoten, erste Diagnosen bei Verletzungen und Randgeschichten. Alles in Form einzelner Texte, die innerhalb kürzester Zeit nach dem Spiel produziert werden müssen. Außerdem müssen die Journalisten noch verschiedene Social-Media-Kanäle betreuen. Teilweise kümmert sich ein Reporter während eines Spiels also um fünf verschiedene Dinge. Gleichzeitig. Oft folgen dann noch eine Analyse für die Zeitung und ein weiterer Artikel für den nächsten Tag. Kein Vergleich zu früheren Zeiten, als die Lokalberichterstattung zu einem Fußballspiel aus einem Spielbericht am nächsten Tag und vielleicht einem weiteren Text am Folgetag bestand.

Blogs und internationale Medien sorgen für Konkurrenz

Mit diesen und weiteren Elementen, etwa Videos, versuchen die lokalen Medien gegen eine Vielzahl von konkurrierenden Angeboten zu bestehen. Zunächst mal natürlich gegen überregionale Zeitungen und Fernsehsender. Doch diese Konkurrenten gibt es schon lange. Lokale und überregionale Medien sprechen in der Regel unterschiedliche Zielgruppen an, auch wenn sie im Internetzeitalter teilweise um die gleichen Nutzer buhlen. In den vergangenen Jahren hat sich die Medienlandschaft jedoch weiter gewandelt. Blogs und Onlineportale berichten ebenfalls tagesaktuell von den Entwicklungen im Fußball.

Mit der zunehmenden Vermarktung der Bundesliga im Ausland ist auch dort das Medieninteresse gewachsen. Und alle wollen das Gleiche: Interviews und exklusive Informationen. Deshalb ist zumindest bei den Topklubs der Bundesliga nahezu folgerichtig, dass die Zugänge der Medienschaffenden zu den Spielern eingeschränkt werden. Wenn viel mehr Parteien als früher etwas vom “Fußball-Kuchen” abbekommen wollen, werden die Stücken für jeden einzelnen Mitbewerber eben kleiner. Das hat auch Gianni Costa, Ressortleiter Sport bei der Rheinischen Post, beobachtet:

“Auf die Vereine im direkten Verbreitungsgebiet – Borussia Mönchengladbach, Fortuna Düsseldorf und Bayer Leverkusen – haben wir schon noch ganz guten Zugriff. Aber wenn wir etwa bei Borussia Dortmund anfragen, müssen wir uns in eine lange Schlange einreihen.”

Diese werde immer länger, so Costa.

Denn es werden oft die bevorzugt, die den Fußballvereinen am meisten nutzen. Sprich: Die Fernsehsender, die mit ihren Millionen dafür sorgen, dass der Fußballzirkus in seiner heutigen Form überhaupt möglich ist. Selbst regionale Textmedien müssen da hinten an stehen.  

Vereine als Medienunternehmen

Auch die Vereine selbst sind mittlerweile zum Teil Konkurrenten lokaler Medien. Dabei sind eigene Fernsehsender der Klubs nur die Spitze der Entwicklung. Spielberichte, Interviews, den “Blick hinter die Kulissen” – all das findet man auf den Internetseiten der Fußballklubs, die zudem auf zahlreichen Social-Media-Plattformen aktiv sind. Es ist der Versuch, selbst zu bestimmen, wie das Bild des Vereins in der Öffentlichkeit aussieht. Im Report von Tonio Postel gibt etwa Christoph Pieper, Sprecher bei Zweitligist FC St. Pauli, zu, dass die Vereine “sozusagen in Konkurrenz mit den Medien stehen, weil wir selbst eine Art Medienunternehmen geworden sind, das seine Sicht der Dinge über die Webseite, Club-TV und soziale Medien verbreitet, um unseren Einfluss und Reichweite zu steigern.”3

Die exklusive Darstellung von Verein und einzelnen Spielern ist auch der Versuch, die Bindung zu den eigenen Fans zu stärken. Schon 2009 schrieb Markus Hörwick, der ehemalige Medienchef des FC Bayern:

“Während man früher auf die Veröffentlichung durch Journalisten angewiesen war, kann sich nun jeder Bundesliga-Verein selbst publizieren, und er wird dies natürlich in der für ihn bestmöglichen Darstellung tun.”4

“Müssen versuchen, Berichterstattung positiv zu beeinflussen”

Mit Autorisierungsprozessen versuchen die Vereine zudem, auch in nicht vereinseigenen Medien ihr Selbstbild durchzusetzen. Gedruckte Interviews und Zitate werden dabei vor der Veröffentlichung von Vereinsmitarbeitern überprüft und mit Änderungswünschen versehen. Für Pressesprecher Lars Töffling vom Halleschen FC ein ganz normaler Vorgang. Im MDR-Podcast “Der Badkurvenversteher” sagte Töffling jüngst:

Natürlich versuchen wir, das Ganze aber für uns so positiv wie möglich zu beeinflussen. Da muss ich nichts von Neutralität erzählen. Es ist meine Aufgabe, die Berichterstattung so positiv – oder zumindest brisanzfrei – wie möglich zu gestalten. Wenn es in meiner Macht liegt, greife ich da schon mal ein.”   

Wie sehr dann tatsächlich in die Texte eingegriffen wird, variiert aber stark. Töffling etwa setzt eher auf kleinere Formulierungsänderungen. “Wenn eine Aussage einmal in der Welt ist, kann ich sie ja nicht mit dem Lasso wieder einfangen”, sagt er. Frank Noack von der Lausitzer Rundschau hatte als Journalist noch nie große Probleme mit Autorisierungen – weder in Cottbus, noch bei Gesprächen mit Akteuren von Bundesligavereinen. Er sagt: “Von den Pressestellen wird sehr selten eingegriffen. Das beschränkt sich wirklich auf kleinere Korrekturen. Größere Dissonanzen gab es wirklich nur ganz selten auch bei der Interview-Autorisierung. Da sind wir in Cottbus vielleicht ein bisschen verwöhnt, aber Probleme gab es hier auch nie.”

Dass es auch anders geht, bewies vor einigen Jahren RasenBallsport Leipzig. Aus einem Interview, dass der Playboy mit Sportchef Ralf Rangnick führte, wurden ganze Passagen aus dem Text gestrichen. Glaubt man Schilderungen verschiedener Medienvertreter*innen, ist ein derartiges Vorgehen auch außerhalb von Leipzig kein Einzelfall.

Pressestellen verändern sich

In den vergangenen Jahren hat sich nicht nur die Arbeit der Journalist*innen verändert, sondern auch die der Pressesprecher, erzählt Lars Töffling. Früher koordinierte er die Medienarbeit bei Union Berlin und Energie Cottbus, seit 2016 ist er beim HFC aktiv:

Dieser Job hat sich generell extrem verändert. 2002 war das Kerngeschäft, die Presseanfragen zu koordinieren und zu begleiten. Das hat sich extrem gewandelt. Heute macht die Arbeit mit Journalisten nur noch zehn bis 20 Prozent aus. Damals gab es kein Facebook, Twitter oder YouTube. Das kam alles erst. Und so haben sich die Arbeitsbereiche verschoben.”

Der größte Unterschied: die Anzahl der Mitarbeiter. Während bei Borussia Dortmund oder Bayern München dutzende Mitarbeiter die Medienangebote der Vereine betreuen, ist Lars Töffling – von ein paar ehrenamtlichen Helfern abgesehen – beim HFC weitgehend auf sich allein gestellt.

Medienwandel bietet neue Recherchemöglichkeiten

Die Entwicklung bei den Vereinen erfreut Journalisten wie Frank Noack nur bedingt: “Natürlich geht ein Stück weit Exklusivität verloren, wenn zum Beispiel eine Pressekonferenz live im Internet übertragen wird oder die Vereine eigene Interviews mit Neuzugängen machen. Mit so etwas konnte man früher als Journalist punkten. Das ist heute deutlich schwerer.” Trotzdem kann der Reporter den Entwicklungen der vergangenen Jahre auch viel Positives abgewinnen:

“Der Vorteil ist aus meiner Sicht, dass das Informationsangebot viel größer geworden ist. Weil die Vereine die Informationen verteilen, hat man viel mehr Quellen. Dazu kommt, dass auch die Spieler viel in den Netzwerken unterwegs sind. Für die Recherche hat man viel mehr Möglichkeiten.”

Das sieht auch Daniel George so. Der 26-Jährige arbeitet als Fußballreporter für den Mitteldeutschen Rundfunk und ist durchaus begeistert von den Möglichkeiten, die ihm etwa Instagram bietet:

Das tägliche Scrollen durch den Feed gehört mittlerweile dazu. Die Kicker teilen sich über ihre Fotos mit. Sie kommentieren beispielsweise Beiträge von befreundeten Profis und liefern so Ansätze zur Recherche. Manchmal entdeckt man so auch kleine Skandale: Wenn sie krankgeschrieben sind, aber trotzdem fröhlich in Nachtclubs unterwegs sind und das auch noch in ihrer Insta-Story teilen.”

So ergeben sich für Journalist*innen neue Möglichkeiten, Geschichten zu erzählen, an die man bisher nur schwer heran kam.

Werden Lokaljournalisten beim Fußball noch gebraucht?

Es ist anzunehmen, dass die Autonomiebestrebungen der Fußballvereine weiter zunehmen werden. Und auch, dass sie noch mehr als bisher versuchen werden, zu kontrollieren, was über sie geschrieben und erzählt wird. Braucht der Fußball also noch Lokalreporter, die sich mit ihm beschäftigen?

Ja! Denn trotz der beschriebenen Entwicklungen bleiben die lokalen Medien für den Fußball, die Klubs und seine Fans wichtig.

Die Vereine sind auch in Zukunft auf die Veröffentlichungen der lokalen Medien angewiesen, wollen sie nicht nur die eigenen Fans, sondern breite Bevölkerungsschichten ansprechen. Denn die neuen Möglichkeiten von sozialen Medien ersetzen “keinesfalls gänzlich die Bedeutung der Massenmedien für die PR. Vielmehr ergänzen sie – als eine Art Riepl´sches Gesetz in der PR – diese, denn über Social Media können Themen zwar enorme Reichweiten erzielen, doch damit eine tatsächlich weite Verbreitung in der gesamten Gesellschaft erreicht wird, sind nach wie vor Medien als Transmissionsriemen von Bedeutung.”5 Zudem unterliegen Botschaften, die nicht von einer Organisation selbst kommen, sondern die Rezipienten via Massenmedien erreichen, nach wie vor einer erhöhten Glaubwürdigkeit, analysiert Fabian Kautz in seiner Dissertation “Sport-PR 2.0”.6

Für Fans und Fußballinteressierte, die die Entwicklung ihrer Lieblingsklubs nicht nur durch die rosarote – wahlweise auch grün-weiße, schwarz-gelbe oder königsblaue – Vereinsbrille verfolgen wollen, ist guter Lokaljournalismus unverzichtbar. Denn in der Regel wohnt der Großteil der Anhänger eines Klubs auch in dessen Region. Wer könnte Dinge also besser beobachten und bewerten, als Reporter*innen, die ebenfalls vor Ort sind und die nicht nur Spiele oder Trainings beobachten, sondern sich mit den verschiedensten Akteur*innen im Umfeld eines Vereins austauschen können.

Mehr Wertung, weniger Werbung

Zeitungen und deren Online-Auftritte sind eigentlich nicht als Verlautbarungsorgan oder Chroniken für Fußballvereine vorgesehen. In der Vergangenheit haben die Medien diese Rolle jedoch zu oft übernommen. Mittlerweile können die Vereine viele Inhalte schneller und mitunter sogar besser präsentieren. “Leider geht die Bedeutung [der Medien] zurück, weil viele Vereine durch eigene Kanäle einen Großteil der Berichterstattung übernehmen”,  bedauert Frank Noack.

Für den Fußballjournalismus kann das auf lange Sicht aber sogar ein Vorteil sein. Denn so bleiben idealerweise mehr Kapazitäten für journalistische Inhalte frei, die der Allgemeinheit und nicht nur den Klubs nutzen. Auch Noack sagt:

“Gerade was die Bewertung von Sachverhalten angeht, ist der Journalismus nach wie vor ganz wichtig, um das nicht das Ungefilterte aus den Vereinen zu übernehmen.”

Kritische Beobachtung, hintergründige Berichterstattung und die Einordnung von Sachverhalten – all das können lokale Fußballreporter*innen besser als jeder andere leisten, wenn sie dafür Raum bekommen und sich nicht vornehmlich um das Verkünden von Terminen und Ergebnissen konzentrieren müssen. Oder kurz gesagt: weniger Werbung, mehr Wertung. Ein Spagat, der für Medien nicht immer einfach ist. Wobei sich Kritik und eine insgesamt wohlwollende Betrachtung ja keineswegs ausschließen.

“Kritische, mehrdimensionale Sportberichterstattung muss – genau wie Qualitätsjournalismus im Allgemeinen – als Notwendigkeit für die gesamte Gesellschaft gesehen werden”, heißt es in Postels Report. Und weiter: “Dieser kontrollierende Anspruch als Korrektiv zu wirken ist unabdingbar für jeden Journalismus und als normative Position auch unabhängig von Einschaltquoten, Verkaufszahlen, oder Fans (mit womöglich anderen Erwartungen an den Sportjournalismus) aufrechtzuerhalten.”7

Wenn diese Grundsätze künftig bei regionalen Medienunternehmen wieder mehr Berücksichtigung finden, können sie auch  gegen die Konkurrenz in einer globalen Fußballwelt bestehen. Guter Lokaljournalismus im Fußball hilft am Ende allen.

Weiterlesen

  • Grimmer, Christoph G.: Kooperation oder Kontrolle? : Eine empirische Untersuchung zum Spannungsverhältnis von Pressesprechern in der Fußball-Bundesliga und Journalisten. 1. Aufl.. Köln: Herbert von Halem Verlag, 2014.
  • Horky, Thomas ; Horky, Thomas ; Stiehler, Hans-Jörg ; Schierl, Thomas: Die Digitalisierung des Sports in den Medien. 1. Aufl.. Köln: Herbert von Halem Verlag, 2018.
  • Kautz, Fabian: Sport-PR 2.0 : Der Einsatz von Social Media in professionellen Sportvereinen am Beispiel von Facebook und Twitter. Berlin Heidelberg New York: Springer-Verlag, 2018.
  • Postel, Tonio: Zwischen Fanreportern und Spielverderbern : Fußballjournalismus auf dem Prüfstand. 1. Aufl.. Frankfurt/ Main: Otto Brenner Stiftung, 2018.

Fußnoten

In unserer Reihe zum Sportjournalismus sind außerdem erschienen:

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Goldener Blogger 2018: Endlich ein Titel im Briefkopf https://120minuten.github.io/goldener-blogger-2018-endlich-ein-titel-im-briefkopf/ https://120minuten.github.io/goldener-blogger-2018-endlich-ein-titel-im-briefkopf/#respond Sat, 09 Feb 2019 08:00:08 +0000 https://120minuten.github.io/?p=5694 Weiterlesen]]> Beim “Goldene-Blogger-2018”-Event wird 120minuten als Sportblog des Jahres geehrt. Schier ewigem Warten folgt unendlicher Jubel. Der Triumph soll Ansporn für die weitere Entwicklung des Portals sein. 

Die “Goldenen Blogger 2018”

Es war irgendwann in den dunklen Tagen des zurückliegenden Jahres, als die Meldung ins Haus flatterte, dass wir für den Goldenen Blogger 2018 in der Kategorie “Sportblog des Jahres” nominiert seien. “Den was?”, fragten wir uns alle. Eine kurze Recherche brachte Erleuchtung. Und große Freude. Immerhin handelt es sich um den (laut eigener Aussage) wichtigsten Preis der deutschen Blogger- und Influencerszene. Verbunden mit der Nominierung war eine Einladung zur Gala in Berlin am 28. Januar. Also nichts wie hin da.

Das war leichter gesagt als getan. Denn unsere Redaktion organisiert sich über dieses Internet und die Mitglieder sind über ganz Deutschland und sogar bis nach Paris verstreut. Oliver fand schließlich eine Lücke im Dienstplan und nutzte diese geschickt für einen Pass in die Schnittstelle. Beziehungsweise für einen Besuch in der Hauptstadt. Begleitet wurde er dabei von Jule.

Unendliche Preisverleihung

Vor der Preisverleihung gab es einen kleinen Empfang. Doch davon erlebte die 120minuten-Delegation nur noch die Nachspielzeit. So ging es dann fast direkt zur Gala, die von Christiane, Franziska, Daniel und Thomas moderiert wurde. Die besten Social-Media-Accounts von Promis wurden genauso geehrt wie das beste Foodblog. Für 120minuten hieß es derweil warten.

Jule versuchte Oliver immer wieder zu beruhigen und meinte, dass das Beste eben zum Schluss käme und dass es dann auch ganz gewiss gut ausgehen würde. Olivers Aufgeregtheit ließ sich dadurch nur bedingt besänftigen. Dass sich die schon Geehrten und ihre “Kontrahent*innen” zunehmend in den Feiermodus verabschiedeten, sorgte für zusätzliche Unruhe.

Jubel, Konfetti, Blitzlichtgewitter

Dann war es endlich soweit. Die letzte Kategorie vor dem Sonderpreis. Gemeinsam mit “Dembowski ermittelt” betraten wir die Bühne. Die ebenfalls nominierte Kristina Vogel war nicht da. Jeder bekam eine Frage, dann wurde auch schon der Sieger verkündet: 120minuten. Jubel, Konfetti, Blitzlichtgewitter. Und ein Handy, was fortan für zwei Tage nicht mehr still stand. Vielen Dank allen Gratulant*innen, genau wie dem unbekannten Nominator und der Goldene-Blogger-Jury!

Nach zwei vergeblichen Anläufen bei den Fußballkultur-Preisen haben wir nun endlich einen Titel. Einen richtigen Pokal! Etwas für den Briefkopf.

Mitstreiterinnen gesucht für neue Erfolge

Doch klar ist auch: Der Triumph von heute ist schon morgen wieder vergessen. Deshalb wollen wir weitermachen mit langen, hintergründigen Geschichten über den Fußball. Und wir suchen Frauen für unsere Redaktion, um weitere Perspektiven auf das schöne Spiel zu gewinnen. Wir würden uns riesig freuen, wenn die eine oder andere Bock hat mitzuhelfen, damit wir bald mal wieder einen Preis gewinnen.

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Vom Kaiserreich zur Kommerzialisierung: Deutschland und der moderne Fußball https://120minuten.github.io/vom-kaiserreich-zur-kommerzialisierung-deutschland-und-der-moderne-fussball/ Thu, 23 Aug 2018 06:58:44 +0000 https://120minuten.github.io/?p=5228 Weiterlesen]]> „Moderner Fußball“ ist ein Schlagwort. Ein Schlagwort, das in Zeiten von wankendem 50+1, zunehmender Kommerzialisierung, zerstückelter Spieltage etc. vorwiegend negativ konnotiert ist. Aber war der Fußball vorher alt? Antik? Natürlich mitnichten. Etymologisch betrachtet, bedeutet modern nichts anderes als „modisch/nach heutiger Mode“. So gesehen geht es bei der Frage nach modernem Fußball um die Phase, in der Fußball bei der Masse der Bevölkerung und nicht nur ein paar Nerds beliebt und in der die ursprüngliche Form weiterentwickelt wurde.
Es soll hier nur um den Beginn des modernen Fußballs in England und Deutschland (genauer gesagt: im deutschen Kaiserreich) gehen und um die Frage, was oder wer verursachte, dass er modernisiert wurde. Der Beitrag ist ein in Fließtext gebrachtes Brainstorming, das ausdrücklich zum Kommentieren anregen soll. Hauptsächlich werden die Anfänge des Fußballs – 1820-1900 in England und 1870-1930 in Deutschland – untersucht

Der erste von zwei Teilen befasste sich mit dem Beginn des modernen Fußballs in England. Im nun folgenden zweiten Teil geht es um die Entwicklung des modernen Fußballs in Deutschland.

Von Petra Tabarelli (nachspielzeiten.de)

Fußball wird in Deutschland bekannt

Ein Spiel des Dresdner Fußball Clubs aus den Anfangstagen des Sports in Deutschland.

Im Mittelalter und der Frühen Neuzeit gab es in England football, in Frankreich soule, in Italien calcio. In Deutschland, genauer gesagt dem damaligen deutschen Kaiserreich, gab es vor dem 19. Jahrhundert kein Fußballspiel. Es konnte also nicht auf schon bekannte Formen zurückgreifen, die in der Folgezeit reguliert wurden. Fußball war unbekannt. Und daher musste er erstmal Fuß fassen, um modernisiert werden zu können. Denn das Wort modern setzt ja voraus, dass es schon eine Vorform, eine antike Form zuvor gab.

Im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts kamen die in England beliebten Sportarten wie Cricket, Baseball und beide Fußballvarianten, Rugby und (Assoziations-)Fußball, nach Deutschland. Denn die in Deutschland lebenden Engländer und englische Langzeittouristen wollten nicht auf die liebgewonnenen Sportarten verzichten, die auch die Kontaktaufnahme zu anderen Engländern der Umgebung sehr erleichterte. In diesen Jahrzehnten entwickelte sich das reglementierte Fußballspiel vom Schüler- und Studentensport zu einem in der englischen Gesellschaft verankerten Freizeit- und Bewegungsvergnügen.

Deutsche, die in Kontakt zu Engländern standen – beispielsweise Ärzte, Sprachlehrer, Uniprofessoren oder Journalisten – beobachteten den Sport der Engländer, fanden mitunter Gefallen an Fußball und imitierten ihn. Das passiert vor allem in den so genannten Engländerkolonien in Deutschland. Diese befanden sich vor allem in Residenzstädten wie Hannover, Braunschweig, oder Dresden, oder in Universitätsstädten wie Heidelberg oder Göttingen. Auch in im 19. Jahrhundert beliebten Kurorten – Wiesbaden, Baden-Baden oder Cannstatt sind hier Beispiele – und in Handelsstädten wie Frankfurt, Berlin, Hamburg oder Leipzig waren häufig Engländer anzutreffen.

Soziale Herkunft der Fußball-Liebhaber
In der Forschung wird noch über die soziale Basis der Fußball-Liebhaber diskutiert – waren es Angestellte oder doch Arbeiter, die in Deutschland das Fußballfieber entfachten? Oder waren es Arbeiter, die als verdeckte Bezahlung einen Bürojob erhielten und sind diese dann als Arbeiter oder Angestellte zu zählen? Eggers merkt an, dass die Quellenlage über die Mitgliederstruktur des DFB vor dem ersten Weltkrieg sehr dürftig ist und viele Fußballspieler noch in den 1920er Jahren als Pseudobezahlung eine scheinbare Angestelltenstellung erhielten, aber aus dem Arbeitermilieu stammten. Als Belege nennt er Clubs im Ruhrgebiet und die Mannschaft von Bayern München 1925, deren Spieler vor allem aus dem Arbeitermilieu stammten und die mit Schein-Arbeitsplätzen und der dazu entsprechenden Bezahlung geködert wurden.

Engländer in Deutschland und Konrad Koch

Es waren aber nicht nur die in Deutschland lebenden Engländer, die den Fußball in Deutschland bekannt machten, sondern auch Konrad Koch, der Thomas Arnolds Ideologie und Leben profund während seines Studiums erforscht hatte. Koch muss von Arnold begeistert gewesen sein, denn er kopierte ihn und führte als Lehrer das Fußballspiel 1874 am Martino-Katharineum in Braunschweig ein, um die Jugendlichen fit zu machen und um die Basis für eine athletische Elite zu legen. Wie in England wurde Fußball als Winterspiel in den kalten Monaten des Jahres gespielt, während im Sommer Leichtathletik im Vordergrund stand. Übrigens hat Konrad Koch nicht Assoziationsfußball spielen lassen, sondern Rugby – wie Thomas Arnold als Schulleiter der Privatschule in Rugby. Da jedoch Assoziationsfußball in Deutschland wesentlich mehr und schneller Verbreitung fand als Rugby, unterstützte er diesen ab den 1890er Jahren. Koch versuchte, in Deutschland eine Fußballbegeisterung zu entfachen, wie es in England damals gerade passierte. Aber der Funke sprang in Deutschland nicht über. Als die erste Assoziationsfußballmannschaft in Deutschland gilt der Lüneburg College Football Club, bei dem den Namen der Spieler nach auch aus Deutschland stammende Schüler spielten. 

Vgl. Hock, Hans-Peter: Der Dresden Football Club und die Anfänge des Fußballs in Europa. Hildesheim 2016. S. 18-20. Wer mehr zu Konrad Koch wissen möchte, sei Malte Oberschelps 2015 erschienene Biografie über Koch sehr empfohlen.

Denn in Deutschland war das Turnen die Körperertüchtigung Nummer Eins. Anfang des 19. Jahrhunderts beliebt geworden, war das Turnen eng mit studentischen Verbindungen und dem Einheits- und Nationalgedanken verbunden. Die aus England kommenden Sportarten wie Rugby oder Assoziationsfußball, Tennis oder Cricket wurden argwöhnisch beobachtet, weil sie eben aus England stammten und nicht deutschen Ursprungs, also nicht Teil der deutschen Kultur waren. Dazu kamen die Übersetzungsschwierigkeiten des englischen Begriffs sports, der letztendlich einfach in den deutschen Sprachgebrauch übernommen wurde. Auch Fachbegriffe wie offside, hand, to center oder goal wurden zunächst übernommen.

Die Spielbewegung und der Zentralausschuss zur Förderung von Jugend- und Volksspielen

Im November 1882 erließ der preußische Kultusminister, Gustav von Goßler, den nach ihm benannten Spielerlass. Er ermunterte darin die preußischen Kommunen, Spielplätze zu bauen und Turnen (später auch Bewegungsspiele/Sport) als regelmäßigen Teil des Unterrichts zu integrieren. Gleichzeitig sollten schulfreie Spielenachmittage etabliert werden.

Gustav von Gossler

Neun Jahre später, am 21. Mai 1891, gründeten von Goßler und der preußische Abgeordnete Emil Freiherr von Schenckendorff den Zentralausschuss zur Förderung von Jugend- und Volksspielen (ab 1897 Zentralausschuss zur Förderung von Volks- und Jugendspielen), kurz ZA. Der ZA war dabei kein Zusammenschluss von Fußball-Liebhabern verschiedener sozialer Herkunft, sondern bestand vor allem aus Mitgliedern der Nationalliberalen Partei und dessen Alldeutschen Verbandes (gemeinsame Ziele: Stärkung des deutschen Nationalbewusstsein, Pro-Imperialismus), somit vor allem Politikern, Beamten und Armee-Angehörigen. Ihr vorrangiges Ziel war aber nicht, den Sport politisch zu vereinnahmen, sondern vielmehr eine philanthropische, erzieherische, militärische und sozialdarwinistische Mischung, eine „gesunde“ Elite an sportlichen Deutschen und damit potentiellen Soldaten heranzuziehen. Daher versuchten die engagierten Persönlichkeiten, die Gräben zwischen Turnern und Sportlern aufzufüllen und zwischen ihnen zu vermitteln. Turnen und Sport (zeitgenössisch auch Bewegungsspiele genannt) sollten parallel existieren und sich ergänzen. Um diese Absicht zu erreichen, versuchte der ZA, die einzeln wirkenden Kräfte in Deutschland zu bündeln, um so das gemeinsame Ziel schnell zu erreichen. Dazu gehörte der Zentralverein für Körperpflege in Volk und Schule, der Deutsche Bund für Sport, Spiel und Turnen, das Komitee für die Teilnahme Deutschlands an den Olympischen Spielen zu Athen 1896 und später der 1911 gegründete Jungdeutschlandbund, in dessen Bundesleitung auch viele Mitglieder des ZA vertreten waren und der sich wie der ZA in der vormilitärische Ausbildung engagierte.

Wie versuchte man, die Ziele zu erreichen? Nun, durch einen intensiven Lobbyismus in Militärbehörden und Schul- und Stadtverwaltungen, Englandreisen, regelmäßige und verschiedene Zielgruppen ansprechende Veröffentlichungen und eine enorm große Werbetätigkeit. Die Geldmittel kamen aus dem preußischen Kultusministerium und anderen deutschen Landesregierungen.

Der ZA erreichte letztendlich seine Ziele der Verbreitung der Sportarten und die nationale Ausrichtung dieser.

Der Deutsche Fußballbund

Logo des Deutschen Fußballbundes von 1900

In den 1890er Jahren entstanden eine Reihe von neuen Vereinen und auch erste regionale Fußballverbände, zum Beispiel in Berlin (Bund Deutscher Fußballspieler 1890, Deutscher Fußball- und Cricketbund 1891). Doch während Vereine in England gewachsene Gemeinschaften waren, gab es in Deutschland eine hohe Fluktuation in den Vereinen und daher auch einen geringen Zusammenhalt der Spieler. Die Identifikation mit einem Club war also nicht gewachsen – das kam dem ZA ungelegen. Seine Versuche, einen gesamtdeutschen Verband zu gründen, scheiterten zunächst an Unstimmigkeiten zwischen den Verbänden. Nach einigen Jahren der Vermittlung gab es Ende Januar 1900 in Leipzig einen neuen Versuch, einen deutschen Verband zu gründen. Nun stimmten 60 der 86 Vereine für die Gründung des Deutschen Fußballbundes. Die Gründungsmitglieder waren sowohl regionale Verbände (Verband südwestdeutscher Fußballvereine, beide Berliner Verbände und der Hamburg-Altonaer Fußball-Bund) als auch einzelne Vereine aus Prag, Magdeburg, Dresden, Hannover, Leipzig, Braunschweig, München, Naumburg, Breslau, Chemnitz und Mittweida – also aus dem ganzen damaligen Deutschland. Der Spielausschuss des DFB erstellte in den kommenden Jahren einheitliche Statuten und Spielregeln nach englischem Vorbild (1906 herausgegeben) und es gab einen regelmäßigen Spielbetrieb um die Deutsche Meisterschaft (ab der Saison 1902/1903) und den Kronprinzenpokal (ab der Saison 1908/1909).

Im DFB entschied man sich für die nationale und gegen die kosmopolitische Ausrichtung. Denn so erhielten sie vor den Turnern den Vorzug, um die Exerzierplätze als Spielfeld benutzen zu dürfen. Als Wehrsport wurde der Stereotyp eines Fußballers mit soldatischen Idealen aufgeladen: Kampf und Opfermut bis zur letzten Minute, Pflichttreue und Treue zur eigenen Mannschaft sowie Charakterstärke und Idealismus. An diesem Ideal hat sich bis heute wenig geändert und es ist auch der Grund, weshalb in Deutschland die Legalisierung von entlohntem Fußball noch vehementer abgelehnt und stigmatisiert wurde als in England. Vieles ist in Deutschland wie in England verlaufen, nur etwa 50 Jahre später, aber nicht in diesem Punkt: Während Fußball in England modern wurde, als er legaler Profifußball wurde und viele Menschen direkt oder indirekt durch das Fußballspiel Erwerbsmöglichkeiten fanden, wurde Fußball in Deutschland durch das Militär und das soldatische Ideal, also durch das deutsche Amateurideal, modern. Das änderte sich auch nicht, als der Profifußball etwa 50 Jahre nach der Legalisierung in England auch in Deutschland legalisiert wurde. Das ist vielleicht ein Grund, weshalb in Deutschland das Begriffspaar moderner Fußball mittlerweile stark negativ konnotiert ist und die 50+1-Regelung nicht schon längst über den Haufen geworfen wurde. Es ist aber vielleicht auch der Grund dafür, dass häufig und des Geldes wegen wechselnde Spieler als Söldner(!) beschimpft werden, weil sie nicht bis zu ihrem letzten Atemzug ihrer Mannschaft treu blieben – bewusst sehr pathetisch formuliert.

Währenddessen stieg die Mitgliederzahl des DFB rapide an und versiebzehnfachte sich zwischen 1904 und 1913.

Wie schon gesagt, Goßlers Idee ging also auf, Fußball wurde Wehrsport. Schon vor 1910 spielte die Marine ihre eigene Fußballmeisterschaft aus, ab 1911 auch das Landesheer. Der DFB wurde wie der ZA Mitglied in staatlichen, militärisch geprägten Jugendorganisationen wie dem 1911 gegründeten Jungdeutschland.

Als Wehrsport musste sich Fußball nun aber endgültig von dem Vorwurf des undeutschen Sportes lösen und Sprachbarrieren  beseitigen. Daher gab es ab den 1890er Jahren immer wieder Artikel in Zeitungen, Pamphlete und auch Bücher, die die englischen Begriffe eindeutschten.

Moderner Fußball: Die Fußballbegeisterung wird Teil der deutschen Gesellschaft

Viele deutsche Soldaten lernten das Fußballspiel erst als Wehrsport während des ersten Weltkrieges kennen; liebten und lebten ihn. Die Spiele dienten hier, in dem reinen Stellungskrieg, vor allem zur psychischen Stabilisierung von Truppeneinheiten und zur Hebung deren Stimmung, fand aber auch durch seinen klassennivellierenden Charakter allgemeine Beliebtheit bei den nichtadeligen Milieus. Diese Begeisterung endete nicht mit dem Kriegsende – im Gegenteil. Manche spielten Fußball fortan in Vereinen und viele weitere wurden begeisterte Zuschauer. 1920 hatte der DFB die 500.000er Marke seiner Mitglieder geknackt. Jetzt begann der Fußball, auch in Deutschland ein Massenphänomen zu werden.

In dieser Zeit, in der Weimarer Republik, nahm Fußball eine Mittlerrolle zwischen der deutschen Bevölkerung und der Reichswehr ein. Dabei war die Grenze zwischen zivilem und Militärsport fließend. Das Wort Kampf wurde in den 1920er Jahren zu einem Schlüsselbegriff: Kampfspiele, Kampfbahn, Kampfgemeinschaft, usw. Der Fußball diente als vormilitärisches Feld, um trotz dem Verbot einer Armee, die kommende Generation an die Tugenden der Soldaten heranzuführen. Außerdem tarnten sich viele paramilitärische Vereinigungen als Sportclubs wie die Box- und Sportabteilung der NSDAP. Diese wurde aber schon verhältnismäßig früh, nämlich im November 1921, von Hitler in Sturmabteilung, SA, umbenannt.

Waren Sportarten wie Fußball nach Ende des ersten Weltkrieges ein gutes Ventil, um die psychische Belastung der Kriegsjahre zu kompensieren, bargen sie damit aber in der Zwischenkriegszeit ein deutliches Gewaltpotenzial. Viele, die das Fußballspiel während des Krieges kennengelernt hatten, spielten einen derart unfairen Fußball oder benahmen sich als Zuschauer mit Platzstürmen und Gewaltandrohungen gegen Schiedsrichter und Gegner so rüde, dass Fußball zu Beginn der 1920er Jahre nicht nur breite Beliebtheit erfuhr, sondern gleichzeitig einen sehr schlechten Ruf erlangte. Der sehr angesehene Schiedsrichter Peter Joseph „Peco“ Bauwens legte 1925 wegen des Verhaltens der Spieler und Zuschauer in der Halbzeit des Spieles 1. FC Nürnberg gegen MTK Budapest schlicht sein Amt nieder.

Zu der Problematik von Fußball in der Weimarer Republik und Bauwens vgl. Eisenberg, Christiane: „English Sports“ und deutsche Bürger. Eine Gesellschaftsgeschichte 1800-1939. Paderborn 1999. S. 306-339.

 

Dabei entwickelte sich der Fußball durch die zahlreichen Zuschauer zu einem veritablen Wirtschaftsgut. Diesen verlorenen Respekt versuchte der DFB abermals durch die Verknüpfung mit dem soldatischen Ehrbegriff wiederherzustellen – erfolgreich.

Die ersten Radioübertragungen

Unterstützung erfuhr der Fußball in Deutschland wie in England durch Journalismus, Getränke- und Bauindustrie, Wettbüros, Fotografie und Sportartikelhersteller. Auch Zigarren- und Zigarettenfabriken sowie Schnapsbrennereien profitierten von dem Sport, denn es war auf den Zuschauerrängen üblich, sich zwischendurch mit einem Schluck aus dem Flachmann oder einer Zigarre zu stärken. Neu und in diesem Fall ganz elementar war für Sportinteressierte das moderne Medium Radio, dessen Verkaufszahlen sich zwischen 1923 und 1926 rapide anstiegen. Es war für Sport und Medium eine Win-Win-Situation: Das Radio beflügelte das Interesse, Sport zu verfolgen und die an Sport Interessierten kauften sich Radios. Wann das erste Spiel in Deutschland übertragen wurde, ist umstritten: War es das Spiel Preußen Münster gegen Arminia Bielefeld am 1. November 1925 oder das vom Rundfunkpionier Bernhard Ernst kommentierte DFB-Endspiel zwischen der SpVgg Fürth und Hertha BSC (Ende 1925)? Wie dem auch sei, der DFB unterstützte zunächst die Rundfunkübertragungen von Fußballspielen, um 1928 stark zurückzurudern: Um nicht die Zuschauerzahlen und damit Einnahmen der Vereine zu gefährden, wurden die Übertragungsrechte nur für das DFB-Endspiel sowie drei Länderspiele vergeben. Diese deutlichen Einschränkungen führten zu heftigem Protest der Zuschauer und tatsächlich wurden ab 1932 wieder mehr Fußballspiele via Radio übertragen; vor allem solche Spiele, bei denen eine Reduzierung der Zuschauerzahl nicht zu befürchten war.

Der DFB war kein Einzelfall. U.a. auch England und Schweden ließen die Übertragungen teils verbieten (Schweden) oder diskutierten über ein generelles Verbot (England).

Moderner Fußball: Profifußball wird (zum ersten Mal) legal

Mitte der 1920er Jahre kam es in Deutschland zu den ersten ernsten Anläufen, dass Fußballspieler ein bezahlter Beruf wird. Denn durch den Dawes-Plan (1925) und seine Unterstützungen begannen viele Städte, neue Stadien zu errichten, um mit Hilfe der Fußballbegeisterung die städtischen Kassen zu füllen. Um die Hypotheken schneller zurückzuzahlen und das Stadion auszulasten, musste man attraktive Spiele bieten und daher Fußballergrößen in die Vereine der Stadt locken. Außerdem war ab 1925 die Teilnahme Deutschlands an den Olympischen Spielen wieder möglich. Der Ehrgeiz , eine besonders schlagkräftige Mannschaft nominieren zu können, war deshalb groß. Unter der Hand gezahlte Zuwendungen waren längst die Regel.

Der DFB blieb bei seinem soldatischen Ideal des Fußballers, den der ehrenvolle Verdienst leitete, nicht der finanzielle . Bei Zuwiderhandlung drohte die Disqualifikation aus Meisterschaft und Pokalwettbewerb. Dabei war der Wunsch vieler Vereine, wettbewerbsfähig zu anderen Ländern zu sein. Bereits 1925 hatte der DFB eine Satzungsänderung verabschiedet, die es deutschen Vereinen stark erschwerte, gegen ausländische Profimannschaften zu spielen. (Der Boykott wurde erst 1930 auf Druck der FIFA aufgehoben.)

Durch die finanziellen Verluste der Weltwirtschaftskrise, die insbesondere die untere Mittelschicht (Angestellte, Facharbeiter) traf, gab es ab 1929 erneut deutliche Bemühungen, den Berufsfußball einzuführen. Bezahlungen der Fußballer unter der Hand waren mittlerweile die Regel, aber der DFB blieb weiterhin bei seinen Prinzipien. Mehr noch, im August 1930 sperrte er 14 Schalker Spieler und zudem mehrere Schalker Funktionäre und verhängte eine empfindlich hohe Geldstrafe von 1000 Reichsmark gegen den Verein. Der Grund: Schalker Spitzenspieler waren Arbeiter in der Schachtanlage Consolidation, wurden aber nur mit leichteren Aufgaben betraut und mussten also nicht unter Tage arbeiten, erhielten dafür aber deutlich mehr Lohn als ihre Kollegen. Die Bestrafung als abschreckendes Exempel für alle anderen Vereine ging für den DFB komplett nach hinten los: Viele weitere erfolgreiche Vereine bedrängten den Verband, die Strafen zurückzuziehen und drohten andernfalls mit dem Austritt. Der Westdeutsche Fußballverband forderte die Trennung in Amateurfußball und Berufsfußball. Noch lehnte der DFB ab, aber als es noch 1930 zur Gründung des Deutschen Professionalverbandes innerhalb des Westdeutschen Fußballverbandes und zu einer Reichsliga (gegründet von Sportjournalisten) kam, lenkte er ein. Schalke wurden die drakonischen Strafen erlassen. Aber der Profifußball wurde noch nicht legalisiert. Das Drängen der Vereine blieb und zwei Jahre später fürchtete der DFB die Spaltung des Fußballs wohl so sehr, dass er wie ca. 50 Jahre zuvor Alcock in England den Fußballsport legalisiert, um ihn dann besser kontrollieren zu können. Doch zu der für 1933 geplanten Reichsliga kam es nicht. Daran hatten nicht direkt die Nationalsozialisten Schuld; ihnen wären professionelle Sportler vielleicht sogar entgegengekommen. Nein, Felix Linnemann, seit 1925 Vorsitzender des DFB wurde 1933 mit der Leitung des Fachamts Fußball im Deutschen Reichsbund für Leibesübungen betraut und machte direkt die in seinen Augen erzwungene Legalisierung des Profifußballs rückgängig.

Moderner Fußball: Profifußball wird (wieder) legal

1950, noch vor der Neugründung des DFB, beschloss die Delegiertenversammlung der Landesverbände, ein Vertragsspielerstatut zur Legalisierung des bezahlten Fußballs. Ein Spieler, der noch einem weiteren Beruf nachging, durfte dennoch nicht mehr als 320 DM monatlich erhalten, d.h. nicht mehr als den Lohn eines Facharbeiters. Aus dem Jahresgehalt errechnete sich die Ablösesumme. Zur der gehörte auch immer ein Gastspiel des neuen Vereines.

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Am Ziel der Träume? Fußball und der Nationalsozialismus

Der Fußball in Deutschland hat es in seinen Anfangsjahren nicht leicht. Gesellschaftliche Vorbehalte, Konkurrenz durch die traditionsreiche Turnerschaft, das unsägliche Geschacher um das Amateurgebot. Unter der Regie des machtbewussten DFB hat sich der Fußball dennoch zum Spiel der Massen entwickelt, wie ich in meinem ersten geschichtlichen Überblick für 120minuten aufgezeigt habe. Ideale Voraussetzungen für die Nationalsozialisten, das Spiel für seine Zwecke zu ge- und missbrauchen? Welche Rolle spielte der DFB dabei? Wie hat der deutsche Fußball auf die verordnete „Gleichschaltung“ reagiert? Und wie ging es in Sachen Profitum weiter?

(mehr …)

1954 wurde Deutschland überraschend Weltmeister. In den Folgejahren nahm die Bedeutung der Nationalmannschaft wegen fehlender Erfolge jedoch spürbar ab. Viele Spieler wechselten zu Vereinen ins Ausland, wo der Profifußball längst etabliert war und sie höhere Gehälter erhielten. Beispielsweise nach Italien, wo Helmut Haller (1962-1968 FC Bologna, 1968-1973 Juventus Turin), Karl-Heinz Schnellinger (1963-1964 AC Mantua, 1964-1965 AS Rom, 1965-1976 AC Mailand) oder auch Horst Szymaniak (1961-1963 CC Catania, 1963-1964 Inter Mailand, 1964-1965 FC Varese) spielten. Um dem Trend entgegenzuwirken, beschloss der DFB auf seinem Bundestag 1962 die Einführung einer Berufsspielerliga, der Bundesliga. Neben Amateurspielern und Vertragsspielern gab es nun auch Lizenzspieler, die ein dreimal so hohes Gehalt wie Vertragsspieler erhalten und einen Teil der Transfersumme kassieren konnte. Aber die Bestimmungen waren in den 1960er Jahren noch recht restriktiv, weshalb in der ersten Bundesligasaison nur 34 Spieler Fußball als Vollzeitberuf ausgeübt haben sollen. Sie brauchten einen guten Leumund, durften aber ihren Namen nicht für Werbezwecke zur Verfügung stellen und so weiteren Lohn erhalten und die Gesamtbezüge aus Lohn, Handgeld, Prämien und Ablösesummen durften nicht 1200 DM monatlich übersteigen.

Für den DFB lohnte sich die Einführung der Bundesliga: Die Nationalmannschaft hatte wieder Erfolg und da in den 1960er Jahren schon viele Haushalte über einen Fernseher verfügten, konnte sich der DFB durch Fernsehübertragungsgebühren, Werbeeinnahmen und Sponsorengelder finanzieren.

Für die Vertrags- und auch Lizenzspieler war das Fußballspiel innerhalb der vom DFB gesetzten Grenzen nicht rentabel und so verwundert es nicht, dass es in der Saison 1970/71 zu einem so großen Bestechungsskandal kam und der DFB abermals zum Umdenken gezwungen wurde. 1972 wurde der Markt geöffnet – seitdem steigen die Einkommen der Fußballprofis kontinuierlich. Die Liberalisierung der elektronischen Medien und das Bosmanurteil vom Dezember 1995 haben diesen Effekt noch einmal deutlich verstärkt.

Fazit: Moderner Fußball durch Eventisierung und Taktik

Doch wann hielt der moderne Fußball nun tatsächlich Einzug in Deutschland? Je nach Betrachtungsweise gibt es dafür drei Möglichkeiten:

  1. Macht man den modernen Fußball an der allgemeinen, nationalen Begeisterung fest, so war es der erste Weltkrieg.
  2. Verbindet man den modernen Fußball mit Profifußball und seinen Folgen, so waren es die 1960er und 1970er Jahren, da die erste Legalisierung 1932 nur wenige Monate Bestand hatte.
  3. Nimmt man den Begriff “moderner Fußball” dagegen als Ausgangspunkt, liegt der Beginn in den 1980er Jahren. Bis 1976 existierte dieser Begriff in der deutschsprachigen Literatur noch gar nicht. Seitdem gab es ein kurzes kleineres Maximum von 1987 bis 1988, das ab 2002 wieder erreicht wurde und mindestens bis 2008 übertroffen wurde.

Lag die erste Häufung des Begriffs Ende der 1980er Jahre an dem Wechsel von Trainer Arrigo Sacchi zum AC Milan und seiner dort etablierten Spielidee? Wurde dieses Ereignis in der deutschsprachigen Literatur tatsächlich so gewürdigt? Oder hat es eine andere Ursache? Darauf habe ich leider keine Antwort.

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Fußball-Geschichten, die die Welt erzählt https://120minuten.github.io/fussball-geschichten-die-die-welt-erzaehlt/ https://120minuten.github.io/fussball-geschichten-die-die-welt-erzaehlt/#comments Fri, 01 Jun 2018 07:30:22 +0000 https://120minuten.github.io/?p=4845 Weiterlesen]]> Warum bekamen Schweden 1958 in Hamburg Hausverbot? Seit wann gibt es “Danish Dynamite”? Wie schaut ein deutscher Drittligist eine Weltmeisterschaft? Wer gewann das “politischste Spiel aller Zeiten”? Und vor wem zittert eigentlich ganz England? Die genannten Beispiele zeigen es: Der Fußball schreibt seine eigenen Geschichten. Und die Weltmeisterschaft schreibt ganz besonders viele davon.

Nach der Erstauflage 1930 bekam das Turnier schnell seinen festen Platz im Fußballkalender. Seit den Anfangstagen hat sich die WM erheblich verändert. Sie ist immer größer geworden und kommerzieller. Jede WM-Ausrichtung in der Neuzeit ist auch immer mit reichlich Kritik verbunden. Korruption ist Alltag in den Führungsgremien der großen Fußballverbände. Viele Länder, die sich um eine WM bewerben oder diese tatsächlich ausrichten, werden häufig auch für die mangelnde Einhaltung der Menschenrechte kritisiert.

Allen Negativaspekten zum Trotz ist eine Fußball-Weltmeisterschaft, wenn sie einmal läuft, aber stets auch ein wichtiges soziales Ereignis. Sie bringt Menschen auf der ganzen Welt zusammen, lässt sie Siege feiern und sich bei Niederlagen Trost spenden. Für viele Länder ist schon die erfolgreiche Qualifikation ein nationales Event. Ein paar gute Spiele lassen Träume wachsen, ein schlechtes diese platzen. Und aus all diesen Momenten wachsen Geschichten, die wieder und wieder erzählt werden. In Vorbereitung auf die anstehende WM in Russland haben wir uns in allen Teilnehmerländern umgehört, um einige dieser Storys erzählen zu können. So haben wir viele wunderbare Menschen kennengelernt, die für uns ihren ganz persönlichen WM-Moment oder eine kollektive Erinnerung aus ihrer Heimat aufgeschrieben haben. Das Ergebnis sind unsere 32 Geschichten zur WM in Russland.

Ganz herzlich bedanken möchten wir uns an dieser Stelle bei allen Kolleg*innen, die an diesem Projekt mitgewirkt haben:

Katrin Scheib (@kscheib), Wael Jabir (@waeljabir), Omar Hassan, Jérôme Grad (@Mr_Degree), Marino Peixoto (@Marinovpeixoto), Hakim Amalou (@amalouhakim), Art Eftekhari (@teammellitalk), Julien Duez (@Fluxke), Lennart Birth (@LennartBirth), Claus Røndbjerg-Christensen (@ClaudeInFrench), Christoph Wagner (@wagnerc23), Jim Hart (@Catenacciari), Anthony Zoric (@AnthonyZoric), Endreas Müller (@endreasmueller), Alex Schnarr (@ersatzbank), Philippe Vonnard, Dejan Zec (@Arbeitmann), Oliver Leiste (@LeisteO), Sergio Varela (@Soy_El_Varela), Christian (@Yanikor95), Chris Lee (@CMRLee), Oliver Wiebe (@OlliWiebe) und Ken Matsushima (@JSoccerMagazine).


Bildnachweis: Kremlin.ru [CC BY 3.0, CC BY 4.0 or CC BY 3.0], via Wikimedia Commons

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https://120minuten.github.io/fussball-geschichten-die-die-welt-erzaehlt/feed/ 2 4845 Advent in den Blogs – Der Fußball-Weihnachtskalender https://120minuten.github.io/advent-in-den-blogs-der-fussball-weihnachtskalender/ https://120minuten.github.io/advent-in-den-blogs-der-fussball-weihnachtskalender/#comments Thu, 30 Nov 2017 18:15:50 +0000 https://120minuten.github.io/?p=3971 Weiterlesen]]>

Der Advent ist die Zeit des Friedens, der Besinnlichkeit und der Familie. Oder sollte es zumindest sein. Aber der Dezember ist auch eine Zeit des Fußballs und insbesondere der Adventskalender. Beides wollen wir in diesem Jahr kombinieren – mit dem Fußball-Weihnachtskalender “Advent in den Blogs”. Der Kalender ist ein gemeinsames Projekt verschiedener Blogger und Fußballbegeisterter.

Ab dem 1. Dezember gibt es täglich eine Geschichte – von Weihnachten, von Frieden oder von besonderen Begebenheiten des schönen Spiels. Es gibt neue Storys und solche, die einfach mal wieder erzählt werden wollen. Los geht es hier bei 120minuten.de mit vier Erzählungen – zwei von unseren Autoren und zwei von Clemens Kurek (@berlinscochise). Anschließend reichen wir den Staffelstab an Kees Jaratz weiter, seine vier Türchen findet Ihr dann auf dem Zebrastreifenblog. Es folgen vier Texte, die bei Cavanis Friseur erscheinen werden. Von dort wird der Ball zu turus.net weitergespielt. Danach übernimmt Nachspielzeiten. Kurz vor Weihnachten kommt der Kalender dann zurück nach Hause. Insgesamt vier Texte von Clemens Kurek und uns läuten dann das Finale vor den Festtagen ein.

Schlagt hoch den Ball, das Tor macht rein …

An dieser Stelle findet ihr täglich ein neues Türchen des Fußball-Weihnachtskalenders.

Tür 1: England – Deutschland, 1. Dezember 1954, Wembley
Tür 2: Der westfälische Fanfrieden von Preußen Münster
Tür 3: Football is our life oder: Welt in Bewegung
Tür 4: Mark E. Smith liest Fußballergebnisse
Tür 5: Duisburg – die Fußballmacht der Anfänge im Westen (im Zebrastreifenblog)
Tür 6: Mitten in das Schalker Herz (im Zebrastreifenblog)
Tür 7: Was macht Horace Wimp nur samstags? (im Zebrastreifenblog)
Tür 8: Dominique Menotti macht mit Fußball Krimikunst (im Zebrastreifenblog)
Tür 9: Die enttäuschende Karriere des Francis Jeffers (bei Cavanis Friseur)
Tür 10: Die Keeper, die Pep rief (bei Cavanis Friseur)
Tür 11: Acht Tore und viel Rot zum Boxing Day (bei Cavanis Friseur)
Tür 12: Chicharito packt den Sack aus (bei Cavanis Friseur)
Tür 13: TeBe vs. BFC: Knüppel aus dem Sack und gratis Pfeffi zum Nikolaus 2008 (bei turus.net)
Tür 14: 20. Dezember 2000: Ernemann schießt Union ins Glück und lässt sogar Journalisten Sitzkissen werfen (bei turus.net)
Tür 15: Ein Spiel, das alles veränderte: F.C. Hansa Rostock vs. Eintracht Frankfurt im Oktober 1995 (bei turus.net)
Tür 16: FC Schalke 04 vs. 1. FC Köln: Als die Nikoläuse vor 25 Jahren im Parkstadion Bambule machten (bei turus.net)
Tür 17: Die ersten Sportzeitschriften (auf Nachspielzeiten)
Tür 18: Als Fußball in Deutschland ein Massenphänomen wurde (auf Nachspielzeiten)
Tür 19: Wissenschaftliches Spiel – Kombinationsfußball (auf Nachspielzeiten)
Tür 20: What about sports? (auf Nachspielzeiten)
Tür 21: BSG Chemie Buna Schkopau – Eine persönliche Fußballerinnerung

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Beitragsbild: Richard Ernst Kepler – Im Landes des Christkinds [Public domain], via Wikimedia Commons

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In der Champions League oder der Euro League sucht man nach Mannschaften aus dem Baltikum vergebens. Im Teilnehmerfeld der großen Nationenturniere sind sie ebenfalls eigentlich nie zu finden. Doch auch in Litauen, Lettland und Estland selbst spielt “König Fußball” fast keine Rolle. Neben einer schlechten Infrastruktur gibt es dafür auch gesellschaftliche Ursachen.

Autor: Oliver Leiste (120minuten.github.io)

Jedes Jahr im Juli, wenn die großen Fußballnationen noch tief in der Sommerpause, oder wahlweise in der Endphase einer Weltmeisterschaft stecken, beginnen fernab der öffentlichen Wahrnehmung die Qualifikationsrunden für Champions League und Euro League. In Deutschland bekommt man von diesen Spielen nur etwas mit, wenn entweder die Glagow Rangers am luxemburgischen Meister Düdelingen scheitern oder RB Salzburg mal wieder frühzeitig die Segel streicht. Von Levadia Tallinn oder Zalgiris Vilnius hört man jedoch selbst dann nicht. Auch von keiner anderen Mannschaft aus Estland, Lettland oder Litauen. Und wenn Ende August die Gruppen ausgelost werden, ist die Europapokal-Saison in diesen Ländern schon längst wieder beendet.

Das gleiche Bild zeigt sich bei Welt- oder Europameisterschaften. Teilnehmer aus dem Baltikum: Fehlanzeige. Ein einziges Mal gelang Lettland die Qualifikation für eine EM. 2004 war das. Damals trotzten die Letten in Portugal dem Vizeweltmeister Deutschland sogar ein 0:0 ab. Was hierzulande das Ende von Rudi Völlers Amtszeit einläutete, wurde in Lettland frenetisch gefeiert. Von solchen Sternstunden sind die Mannschaften des Baltikums heute weit entfernt. Was mit Sicherheit auch dazu beiträgt, dass sich in den baltischen Staaten kaum jemand für Fußball interessiert, wie drei Besuche vor Ort zeigen

Nomme Kalju  – Levadia Tallinn, August 2015

An einem sonnigen Mittwochabend empfängt der Tabellenvierte der estnischen Meistriliiga, Nomme Kalju, am Stadtrand von Tallinn den Vorjahresmeister Levadia Tallinn. Ein Spitzenspiel, sollte man meinen. Das Interesse ist überschaubar. Gut 1.000 Zuschauer haben sich auf einem schicken Sportplatz eingefunden, der in Deutschland vielleicht einem Oberligisten als Heimat dienen könnte. Der “Gästeblock” – ein fünf Meter breiter Bereich auf der einzigen Tribüne – bleibt an diesem Tag leer. Die Gästefans verfolgen das Spiel lieber hinter dem Zaun in einem Waldstück stehend. Gerade mal eine handvoll Levadia-Anhänger hat die Reise, die aus dem Stadtzentrum vielleicht 20 Minuten dauert, auf sich genommen. Am Ende quälen sich beide Mannschaften zu einem müden 0:0

Auf den zweiten Blick war das Match aus Zuschauersicht aber sogar tatsächlich ein Spitzenspiel. Denn im Schnitt schauen die Spiele der Meistriliiga etwa 250 Menschen. Der Fußballblog “The Ball is round” erstellte vor einiger Zeit eine Liste der am schlechtesten besuchten Spitzenligen Europas. Estland gewann in dieser unrühmlichen Kategorie. Auch Lettland und Litauen belegten vordere Platzierungen.

Im August 2015 empfängt Nomme Kalju den FC Levadia Tallinn.

Litauen – Schottland, September 2017

Weiter geht es in Litauen. In der WM-Qualifikation empfängt die Nationalmannschaft Schottland. Dass hier ein Länderspiel stattfindet, merkt man eigentlich nur an den Gästen. Die Straßen und Kneipen der Hauptstadt Vilnius sind schon zwei Tage vor dem Spiel voll mit Schotten. Ankündigungen oder Werbung für das Spiel sucht man dagegen vergebens. Fragt man die Litauer nach ihrer Nationalmannschaft, erntet man nur Schulterzucken. “Das interessiert hier eigentlich keinen”, sagt einer. Deutlich mehr Begeisterung weckt die gleichzeitig stattfindende Basketball-EM. Im Basketball gehört Litauen zur europäischen Spitze, bei den Spielen sind die Kneipen voll. Die Nationalspieler sind auf Werbetafeln und selbst in den Kneipengesprächen omnipräsent.

Fanmarsch von litauischen Fans vor dem Spiel gegen Schottland.

Am Spieltag besteht die “Tartan Army”, so heißen die Schottland-Fans aufgrund ihrer Kilts, aus etwa 2.500 Männern und Frauen. Gemeinsam marschieren sie vom Rathaus zum nahen Stadion. Auch auf litauischer Seite gibt es einen Fanmarsch. An ihm beteiligen sich weniger als 100 Menschen. Mit etwas Rauch und viel Getöse machen sie auf sich aufmerksam. Es bleibt ein kurzer Moment, in dem der neutrale Beobachter sieht, dass Litauen am heutigen Spiel beteiligt ist.

Weil nur 5.000 Zuschauer ins LFF-Stadion passen, stehen sich beim Spiel zwei einigermaßen gleich große Fanlager gegenüber. Das kleine Häufchen Litauer, das auch den Fanmarsch veranstaltet hat, versucht, die eigene Mannschaft zu unterstützen. Nennenswerte Beteiligung der anderen litauischen Anhänger gibt es nicht – kein Vergleich zur schottischen Wand hinter dem einen Tor. Auch die Infrastruktur wirkt sich negativ auf die Stimmung aus. Tribünen gibt es nur auf drei Seiten. Hinter dem zweiten Tor ist eine weitere Spielfläche. Dort sind die Merchandise-Stände aufgebaut. Auf dem Rest der Fläche spielen Kinder, und sogar einige Erwachsene, selbst. Zur Entwicklung einer packenden Länderspielatmosphäre trägt das sicher nicht bei. Insgesamt wirkt die gesamte Veranstaltung wie ein sehr gut besuchtes Oberligaspiel und nicht wie ein Qualifikationsspiel für eine Weltmeisterschaft. Schottland hat schließlich wenig Mühe und setzt sich mit 3:0 durch.

Fanblock der litauischen Fans beim Länderspiel gegen Schottland.

Lettland – Schweiz, September 2017

Das gleiche Bild zeigt sich wenige Tage später in Riga. Hier erwartet Lettland die Schweiz. In der Altstadt findet man ebenfalls Werbung für die Basketball-EM und zahlreiche Schweizer. Fußballinteressierte Letten trifft man erst unmittelbar vor dem Skonto Stadion. Trotzdem bleiben im Stadion an diesem Tag viele Plätze leer. Gut 7.600 Zuschauer sehen die Partie, für die Stimmung sind fast ausschließlich die 1.500 bis 2.000 Schweizer zuständig. Was sicher auch daran liegt, dass die lettische Mannschaft wie eine Amateurtruppe wirkt und gegen die Schweizer Bundesliga-Auswahl von Beginn an chancenlos ist. Am Ende hält sich die lettische Niederlage mit 0:3 noch in Grenzen.

Dass es auch anders geht, zeigte sich exakt ein Jahr vor diesem Fußballspiel. Im September 2016 wurde die Olympiaqualifikation im Eishockey ausgetragen. Wenige hundert Meter vom Skonto Stadion entfernt standen sich in der Arena Riga Lettland und Deutschland im entscheidenden Spiel gegenüber. Die Euphorie der Letten war riesig, die Atmosphäre in der Halle gigantisch. Auch wenn Deutschland am Ende mit 3:2 gewann, verging den etwa 500 DEB-Fans phasenweise Hören und Sehen ob des Krachs, den 10.000 Letten veranstalteten.

Die Letten sind, genau wie Litauer und Esten, sehr stolz auf ihre kleinen Länder und entsprechend begeisterungsfähig, wenn ihre Landsleute sportliche Höchstleistungen vollbringen. Doch im Fußball sucht man diese Begeisterung vergebens. Aber woran liegt es, dass Fußball im Baltikum überhaupt keine Rolle spielt? Bei der Beantwortung dieser Frage kommen verschiedene historische, gesellschaftliche und strukturelle Aspekte zum Tragen.

Basketball als zweite Religion

Estland, Lettland und Litauen waren bis 1991 Teil der Sowjetunion. Spitzenfußball wurde aber woanders gespielt. In Moskau natürlich, in Leningrad – dem heutigen Sankt Petersburg – oder in Kiew. Aus den baltischen Staaten war lediglich Zalgiris Vilnius einigermaßen regelmäßig in der Wysschaja Liga, der obersten Spielklasse, vertreten. Zwischen 1953 und 1989 kamen die Litauer auf elf Spielzeiten in der ersten Liga. Mannschaften aus Riga und Tallinn spielten dagegen zuletzt Anfang der sechziger Jahre in der Wysschaja Liga. Die fehlende Fußballtradition wirkt bis heute nach.

Basketball sorgt in Litauen für große Begeisterung. Fußball eher nicht.

Hinzu kommt, dass es in anderen Sportarten wesentlich öfter Erfolge zu feiern gibt. Schon zu Sowjetzeiten stellten Litauer den Großteil der Basketballnationalmannschaft. Die Vergleiche zwischen Zalgiris Kaunas und ZSKA Moskau waren mehr als nur Spiele. Sie gehörten zu den wenigen Gelegenheiten, bei denen das kleine baltische Land den großen Regenten in der Hauptstadt eins auswischen konnte und waren entsprechend prestigeträchtig. Seit der Unabhängigkeit gehört Litauen regelmäßig zu den Top-Teams im europäischen Basketball.

Das “Dream-Team” der USA ist wohl jedem Basketballfan ein Begriff. In Anlehnung an diese Super-Mannschaft erschien 2012 der Dokumentarfilm “The other Dream Team”. Er erzählt die Geschichte der litauischen Nationalmannschaft, die 1992 bei den Olympischen Spielen Bronze gewann. Kurz nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion wurde die Basketballmannschaft damit zum Symbol für Freiheit und die großen Hoffnungen des kleinen Landes.

Auch auf Vereinsebene sind die litauischen Mannschaften sehr erfolgreich. Kaunas kann in einer modernen Arena regelmäßig fünfstellige Zuschauerzahlen verzeichnen. Man spricht sogar von Basketball als zweiter Staatsreligion. Entsprechend träumen viele Kinder von einer Basketballkarriere. Das Nachwuchssystem ist deutlich besser aufgebaut als beim Fußball. Bis heute genießt der Sport einen sehr hohen Stellenwert in der Gesellschaft, weil er für Litauen die Chance bietet, der Welt zu zeigen, dass man in etwas gut ist. Und so als Projektionsfläche für den großen Nationalstolz dient.

Fußball, der Minderheitensport

Auch in Lettland ist Basketball sehr populär und gilt im Gegensatz zum Fußball als rein lettische Sportart. Im Eishockey hat Dinamo Riga in Lettland eine ähnliche Stellung wie Zalgiris Kaunas in Litauen. Schon zu Sowjetzeiten war Dinamo Riga sehr erfolgreich. Seit einigen Jahren spielt der Klub in der KHL, dem europäischen Pendant zur amerikanischen NHL. Spiele von Dinamo sind ein nationales Ereignis, vor allem, weil der Klub auch den Großteil der Nationalmannschaft stellt. Dem Vernehmen nach haben sich vor 1991 Basketballer und Eishockeyspieler in sehr unruhigen und gefährlichen Zeiten zur Unabhängigkeit Lettlands bekannt. Die Fußballer taten das nicht, was man ihnen bis heute übel nimmt.

Am Beispiel Lettlands zeigt sich ein weiteres Problem der russisch dominierten Fußballvergangenheit. Nach der Unabhängigkeit sollte Lettisch zur Amtssprache in der Nationalmannschaft werden. Das Problem: viele Spieler sprachen damals gar kein Lettisch. Daran hat sich bis heute nicht viel geändert. Auch die meisten Trainer beherrschten die Sprache nicht. Seit 1991 war Russisch nur einmal nicht Amtssprache in der Nationalmannschaft – als zwischen 1999 und 2001 mit Gary Johnson ein Engländer Nationaltrainer war. Im Futbolgrad-Blog erklärt Ruben Martinez, woran das liegt. In Lettland gibt es eine sehr große russische Minderheit. Etwa 30 Prozent der Einwohner des kleinen Landes sind russischstämmig. Während viele Letten Eishockey oder Basketball bevorzugen, ist Fußball der Lieblingssport der russischen Bevölkerungsgruppe. Entsprechend ist Russisch auch bei einem großen Teil der Spieler in der Nationalmannschaft und auch in der Virsliga, der höchsten Spielklasse Lettlands, verbreitet.

Für die Akzeptanz des Sports in Lettland ist das ein Problem. Die Repressionen der Sowjetzeit sind tief im kollektiven Gedächtnis verankert. Die nationale Identität Lettlands beruht im Wesentlichen auf diesen Erinnerungen und der Abgrenzung zu Russland. Der russisch dominierte Fußball taugt deshalb nicht als Identifikationsstifter und wird auch deswegen abgelehnt.

Im Fokus der Wettmafia

Ein weiterer Grund für die geringe Beliebtheit des Fußballs ist permanenter Wettbetrug. In Lettland wurden in den vergangenen Jahren drei Mannschaften aus der Virsliga ausgeschlossen. Sie hatten sich allzu offensichtlich an Spielmanipulationen beteiligt. Mehrere Verwarnungen und Gespräche brachten keine Verbesserung. In der Saison 2017 spielen deshalb nur noch sieben Mannschaften in der höchsten Liga Lettlands. Auch in den darunter folgenden Spielklassen mussten einige Vereine eliminiert werden. Der Deutsche Oliver Schlegl arbeitet als Spielerberater in Lettland. Knapp ein Jahr lang war er Geschäftsführer der Virsliga. Gemeinsam mit dem Autoren des Textes hat er die Länderspiele in Vilnius und Riga besucht. Davor und danach diskutierten beide sehr viel über den Fußball im Baltikum. Schlegl berichtet davon, dass er während seiner Zeit als Geschäftsführer fast wöchentlich Anrufe von Sportsradar, einem Schweizer Unternehmen, das den internationalen Wettmarkt überwacht, bekam. Immer wieder gab es Anzeichen, dass Spiele in Lettland verschoben werden sollten. Dabei ist es in Lettland seit wenigen Jahren sogar strafbar, sich an Spielmanipulationen zu beteiligen.

In den anderen baltischen Ländern sieht es nur unwesentlich besser aus. Estland hatte 2013 seinen letzten großen Wettskandal. Damals wurden elf Männer, darunter acht Fußballprofis, verhaftet, weil sie Spiele verschoben haben sollen. Darunter waren auch Qualifikationsspiele zur Euro League. 2014 veröffentlichte Transparency International eine Studie zu “Match fixing in Lithuania”. Befragt wurden Fußballer und Basketballer. 28 Prozent der Fußballer und 44 Prozent der Basketballspieler wussten, dass sich Mitspieler an solchen Aktivitäten beteiligt hatten. Viele waren schon selbst angesprochen worden. Auch in Litauen wurde 2017 ein Verein eliminiert.

Wettbetrug ist für die Spieler vor allem deshalb attraktiv, weil ihre Profigehälter meist sehr gering sind. Mit europäischen Spitzengehältern lassen sich die Summen nicht vergleichen, wohl eher mit der Regionalliga in Deutschland. Auch ist die Zahlungsmoral der Klubs bisweilen sehr schlecht, so dass die Spieler immer wieder sehr lange auf ihre Gehälter warten müssen. Mit ein paar verschobenen Spielen lässt sich oft ein vielfaches des eigentlichen Lohns verdienen.  

Fehlende Infrastruktur und fehlender Wille

Ins Skonto Stadion in Riga kann man vom angrenzenden Parkplatz hineinschauen.

In den Jahren nach der Unabhängigkeit gab es sicher wichtigere Probleme als den Aufbau professioneller Fußballstrukturen. Doch auch mehr als 25 Jahre nach der Loslösung von der Sowjetunion ist in den baltischen Staaten in Sachen Fußball noch nicht viel passiert. Oliver Schlegl ärgert sich darüber maßlos und führt zwei Beispiele an, die zeigen, dass es auch anders ginge. Island und Luxemburg haben es dem Fußball-Fachmann derzeit besonders angetan. Die Isländer haben vor etwa zehn Jahren in Fußballhallen investiert und damit ganzjährige Trainingsmöglichkeiten geschaffen. Auch die Trainerausbildung wurde verändert. Viele Isländer hospitierten in anderen europäischen Ländern. Die Folge: Die Dichte gut ausgebildeter Nachwuchstrainer ist so hoch wie nirgendwo sonst in Europa. Das Ergebnis konnte man in den vergangenen Qualifikationsrunden beobachten. Die WM 2014 verpasste Island noch knapp. Für die EM 2016 qualifizierten sich die Nordeuropäer dann sicher und schafften es sogar ins Viertelfinale. Dabei hat Island gerade mal 300.000 Einwohner. “Das ist ein Stadtteil von Riga”, bemerkt Schlegl.

Fußballzwerg Luxemburg machte zuletzt durch Achtungserfolge gegen Weißrussland und Frankreich auf sich aufmerksam. Hinter diesen Ergebnissen stecken nicht nur zwei gute Spiele, sondern eine langfristige Entwicklung. 2011 wurde der Deutsche Reinhold Breu zum technischen Direktor ernannt. Gemeinsam mit einem internationalen Team sollte er die Nachwuchsförderung im Großherzogtum reformieren. Bei diesem Vorhaben orientierte sich Breu an den Entwicklungen beim DFB in den frühen 2000ern. Im Nachwuchsbereich hat Luxemburg in den vergangenen Jahren deutliche Fortschritte gemacht. Das nächste Ziel ist es, diese in den Männerfußball zu übertragen.Vor einiger Zeit betrachtete das Online-Magazin “lessentiel” das Thema. Auch Ansgar Heck, einer von Breus Mitstreitern kam dabei zu Wort: “Jonas Hector ist in Deutschland aus der Oberliga in die Bundesliga gekommen. Solch ein vergleichbarer Fall ist in Luxemburg nicht möglich. Hier muss die Förderung fast ausschließlich über den Verband laufen”.

Eine Aussage, die sich gewiss auch auf die Nachwuchsentwicklung in den baltischen Staaten übertragen ließe. Doch in der Hinsicht passiert wenig. Gelder, die dem lettischen Verband von Fifa und Uefa für Talentförderung und Infrastruktur bereitgestellt werden – gut 7,5 Millionen Euro pro Jahr – versickern überwiegend in privaten Taschen, ist sich Oliver Schlegl sicher.  “Auch von dem Geld, dass eine Bank als Sponsor nach der EM 2004 zur Verfügung gestellt hat, ist nichts Sichtbares geblieben.” Deswegen hätte es von der Bank oder anderen größeren Sponsoren auch kein Interesse gegeben, sich nach Ablauf des Vertrags erneut zu engagieren.

Die Verantwortlichen in Lettland hätten sich viel zu lange auf dem Erfolg von 2004, der zudem noch auf der Ausbildung aus Sowjettagen beruhte,  ausgeruht, so Schlegl. Notwendige Veränderungen lassen seit Jahren auf sich warten. Die Trainings- und Spielbedingungen für die Vereine sind miserabel. Das Skonto Stadion ist das einzige Stadion im Land, das für internationale Spiele zugelassen ist. Fußballhallen gibt es kaum. In den langen Wintermonaten müssen sich teilweise drei Vereine gleichzeitig eine überdachte Spielfläche teilen. Theoretisch muss jeder Erstligaverein eine Jugendakademie betreiben. Doch zu Infrastruktur und Ausbildungsqualität gibt es keine Vorgaben. “Die Trainerausbildung ist eine Katastrophe” behauptet Schlegel. “Es gibt natürlich auch A- und B-Lizenzinhaber. Aber was man hier in diesen Lehrgängen lernt, ist nicht mit Deutschland vergleichbar. Das merkt man besonders am taktischen Können der Spieler.“ Einzige Ausnahme in Lettland ist der FK Metta aus Riga. Der Klub sieht sich als reiner Ausbildungsverein. Die erste Mannschaft ist nur Beiwerk, um dem Verein ein Gesicht zu geben. Schlegl glaubt, Metta ist die erfolgreichste Jugendakademie des gesamten Baltikums. In den lettischen Nachwuchs-Nationalmannschaften stellt Metta oft die meisten Spieler. “Auch wenn sie die 1. Mannschaft ziemlich vernachlässigen, ist das der Weg, den die Vereine hier gehen sollten”, glaubt Spielerberater Schlegl. Schließlich würden Spieler aus dem eigenen Nachwuchs für eine höhere Identifikation mit den Fans sorgen. Zudem könnten gut ausgebildete Fußballer Transfererlöse und damit die so dringend benötigten Einnahmen generieren. Zu guter Letzt würde auch die Nationalmannschaft profitieren, wenn es Letten schaffen, sich später bei guten internationalen Vereinen durchzusetzen.  “Doch leider” ergänzt Schlegl “macht sich darüber in Lettland kaum jemand Gedanken.”

Funktionärskrieg in Litauen

Aus Litauen hört man ähnliches. Auf der einen Seite gibt es Funktionäre, die vor allem aufgrund finanzieller Eigeninteressen Reformen blockieren. Verbandspräsident Edvinas Eimontas wollte dies nach seiner Wahl im Januar 2016 ändern. Doch den Kampf gegen die Gremien, die ihn ins Amt gehoben hatten, verlor er. Und damit auch seinen Posten.

Auf der anderen Seite wird die Nachwuchsentwicklung sträflich vernachlässigt. Zwar gibt es in Litauen Nachwuchstrainer. Viele von ihnen sind aber mittlerweile in die Jahre gekommen und nur die wenigsten nach modernen Standards ausgebildet. Junge Trainer sehen keine Perspektive im Fußball. Im Gegensatz zu den anderen baltischen Staaten, deren Ligen relativ ausgeglichen sind, dominiert Zalgiris Vilnius die A Lyga, die erste Liga Litauens, fast nach Belieben. Der fehlende Wettbewerb trägt auch nicht unbedingt zu großem Zuschauerinteresse bei.

Zwerge werden klein bleiben

Eine kleine aktive Szene unterstützt Nomme Kalju.

Zusammengefasst lässt sich festhalten, dass die Ausgangsbedingungen für den Fußball im Baltikum nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion nicht besonders gut waren. Das lag zum einen an fehlenden Strukturen, aber auch an der Beliebtheit anderer Sportarten wie Basketball oder Eishockey. Fehlende Erfolge und mangelndes Zuschauerinteresse stehen seitdem in einer Wechselbeziehung. Weil baltische Mannschaften international keine Rolle spielen, kommen kaum Zuschauer zu den Spielen. Aufgrund fehlender Atmosphäre im Stadion sind die Vereine und Nationalmannschaften jedoch uninteressant für größere Sponsoren. Deshalb fehlt es an Möglichkeiten, Infrastruktur aufzubauen und Trainer auszubilden. Diese wären jedoch die Grundlage für eine mittelfristige Entwicklung starker Nachwuchsmannschaften und im nächsten Schritt von international konkurrenzfähigen Spielern. Momentan scheint es in den baltischen Fußballverbänden niemanden zu geben, der die Beharrlichkeit hätte, entsprechende Strukturen über einen Zeitraum von mehreren Jahren zu entwickeln. Korruption und Spielmanipulationen tun ihr Übriges zum schlechten Ansehen des Sports in Estland, Lettland und Litauen.

Auch in den Medien spielt der Fußball kaum eine Rolle. Spiele werden nur sporadisch übertragen, in den Zeitungen finden sich nur selten große Berichte. Es fehlt also nicht nur an Publikum, es gibt auch keinen öffentlichen Druck, der manchmal nötig ist, um Veränderungen anzustoßen.

In Deutschland spricht man von “schlafenden Riesen”, wenn Vereine auf eine glorreiche Vergangenheit zurückblicken, nun aber in den Niederungen des Amateurfußballs verschwunden sind. Oft heißt es dann, man müsste diese Riesen nur aufwecken, um sie zu alter Größe zu führen. Was aber nur in den seltensten Fällen wirklich gelingt. Die baltischen Fußballverbände sind in der Hinsicht eher schlafende Zwerge. Sie waren noch nie besonders groß und werden so wenig beachtet, als lägen sie tief schlafend im dunklen Wald. Oliver Schlegl ist überzeugt, dass neue Erfolge baltischer Mannschaften auch wieder eine Begeisterungswelle auslösen könnten. So wie in Lettland 2004. Momentan lässt sich jedoch nicht erkennen, dass sich am aktuellen Zustand mittelfristig etwas ändern wird. Es gibt ein paar private Initiativen, um dem Fußball im Baltikum auf die Beine zu helfen. Doch solange die alten Funktionäre weitreichende Veränderungen blockieren, werden die schlafenden Zwerge wohl liegen bleiben. Und solange wird Fußball im Baltikum auch niemanden interessieren.


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