Bildet Banden!

Sportjournalistinnen in der Fußballberichterstattung

40 Prozent der Fans von Bundesligamannschaften sind weiblich, aber nur etwa 10 Prozent der im Fußballjournalismus Tätigen sind Frauen. Woran liegt das? Und wie blicken Sportjournalistinnen eigentlich selbst auf ihr Arbeitsfeld? Ein Text über Selbstvertrauen, Mut, Vorbilder und: Netzwerke.

© Arne Müseler / arne-mueseler.de / CC-BY-SA-3.0

Alexander Schnarr, 120minuten.github.io | Januar 2019

Welches Geschlecht hat der Fußball?

Als ich das erste Mal über diese Frage nachdachte, kam die Antwort ziemlich schnell und aus dem Bauch heraus. Sie lautete: Für mich ist der Fußball männlich. Grammatikalisch sowieso, klar, aber eben auch im übertragenden Sinne.

Die Gründe für diese spontane Antwort liegen, zumindest bei näherer Betrachtung meines eigenen Fußballkonsums, auf der Hand: Erstmal bin ich selbst ein Mann, der fast ausschließlich Männern bei dem Versuch zusieht, das Runde ins Eckige zu befördern. Und der sich lange überhaupt gar keine Gedanken darüber machte, warum mir der Sport nahezu ausschließlich von Männern näher gebracht wird. Dann kommt dazu, dass im öffentlichen Raum Einigkeit darüber zu herrschen scheint, dass per se die „Männerversion“ gemeint ist, wenn irgendwo der Begriff „Fußball“ fällt. Geht es um Kontexte, in denen Frauen dem runden Leder hinterher jagen, spricht man wie selbstverständlich von „Frauenfußball“. Gleichzeitig würde aber wohl kaum jemand auf die Idee kommen, beispielsweise die alle vier Jahre stattfindende FIFA-WM als „Männerfußball-Weltmeisterschaft“ zu bezeichnen. Außerdem hat meine spontane Zuschreibung des Fußballs als männlich möglicherweise viel damit zu tun, dass in der Berichterstattung über (Männer-)Fußball eben hauptsächlich Männer sichtbar werden. Gemeint sind hier nicht diejenigen, über die geredet wird, sondern diejenigen, die medienseitig für das Reden bzw. das Berichten verantwortlich sind.

Beispiele gefällig? Bei der (Männerfußball-)Weltmeisterschaft 2018 gab es mit Claudia Neumann genau eine Frau, die für das deutsche Fernsehpublikum Spiele kommentierte. Die Spielberichts-Einspieler in der Sportschau und im „aktuellen sportstudio“ werden von Männern gesprochen. Beim Streaming-Anbieter DAZN werden die Kommentatoren von ehemaligen Spielern als Experten und eben nicht die Kommentatorinnen von ehemaligen Spielerinnen als Expertinnen unterstützt. Das ist, nebenbei bemerkt, allein schon deshalb erstaunlich, weil die Fußball-Nationalmannschaft der Frauen in den letzten Jahrzehnten deutlich erfolgreicher war als die der Männer. Man sollte also annehmen, dass es genug ehemalige Spielerinnen gibt, die kompetent und vor Fernsehpublikum über ihren Sport sprechen können. Vermutlich gibt es die auch, nur eben nicht im deutschen Fernsehen. Stattdessen erklären uns zum Beispiel Benjamin Lauth, Ralph Gunesch und Jonas Hummels bei DAZN das Spielgeschehen. Das tun sie auf fachlich hohem Niveau und das soll darum auch gar nicht als Kritik verstanden werden. Unter dem Strich bleibt aber der Eindruck: Männer erklären Männern, wie (Männer-)Fußball funktioniert.

Noch deutlicher als im Fernsehen fällt die Diskrepanz im Print-Bereich aus. Marcus Bölz forschte im Rahmen seiner Dissertation, die 2013 bei Springer VS erschien, zum Fußballjournalismus in Deutschland. Sein Zugang war ein ethnographischer, was bedeutete, loszugehen und mit denjenigen zu sprechen, die Fußballjournalismus betreiben. Eine Aussage aus dem sehr erhellenden Werk unter anderem: „Für den Sportteil [einer der untersuchten Regionalzeitungen, A.S.] arbeiten ausschließlich Männer. Auf Nachfrage, ob es denn eine freie Mitarbeiterin gebe, stutzen sie und erinnern sich erst nach einiger Zeit an den einen oder anderen Namen. Nur bei Randsportarten gibt es weibliche freie Mitarbeiter, und diese sind dann auch Teil der Mannschaften, für oder über die sie berichten. Jedoch haben sie eine Fotografin, die häufig und gerne für sie die Fotos von den lokalen „Top-Spielen” der Woche macht. Genauso wie bei [Regionalzeitung 3] waren auch bei [Regionalzeitung 1] und [Regionalzeitung 2] keine Frauen mit einer innerredaktionellen fußballjournalistischen Tätigkeit befasst.“ (Bölz 2013, 102) Das ist natürlich nur ein Schlaglicht, allerdings auch ein Befund, der während der Recherchen zu diesem Text von mehreren Akteur*innen bestätigt wurde.

„Stop, Moment mal“, mag der eine oder die andere spätestens jetzt einwenden, „zumindest im Fernsehen sind doch ständig Frauen in Sportsendungen zu sehen!“ Das stimmt natürlich: Katrin Müller-Hohenstein und Dunja Hayali moderieren beispielsweise „das aktuelle sportstudio“, womit 50 Prozent des Moderator*innen-Teams dort weiblich sind. Die Sportschau kommt auf eine Quote von knapp 30 Prozent, hier übernehmen laut Webseite Julia Scharf und Jessy Wellmer im Wechsel mit fünf männlichen Kollegen die Moderation. Auch im Pay-TV ist die Anzahl an Frauen vor der Kamera verhältnismäßig hoch. Trotzdem handelt es sich dabei statistisch gesehen um Ausnahmen: Frauen im Sportjournalismus machen schon seit Jahrzehnten nur 10 Prozent der in diesem Bereich Beschäftigten aus. Nimmt man jetzt noch ernst, dass sich über die Hälfte der Beiträge im deutschen Sportjournalismus um Fußball drehen, wie es der International Sports Press Survey 2011 erhob, wird auch anhand der Zahlen klar: Fußballjournalismus ist eine Männerdomäne.

Hier noch ein weiterer statistischer Fakt: Frauen in der Fußball-TV-Berichterstattung sind im Schnitt rund zehn Jahre jünger als ihre männlichen Kollegen. Ob das bedeutet, dass Frauen im Fernsehen im Gegensatz zu Männern neben fachlicher auch so etwas wie optische Kompetenz mitbringen müssen, lässt sich bei einer so subjektiven Kategorie wie „Aussehen“ zwar nicht seriös feststellen. Das Nachdenken darüber lohnt sich aber allemal.

Bleibt noch die Frage, ob das alles denn überhaupt ein Thema ist. Es rennen doch eh nur Männer zum Fußball. Das letzte Refugium. Der Nachmittag oder die Tour mit den Jungs. Bier trinken, rumgrölen und ungestraft auch mal eine Träne verdrücken dürfen, wenn der Herzensverein vielleicht gerade in die nächst tiefere Spielklasse abgestiegen ist. Nun, auch hier offenbart der Blick in die Statistik ein ganz anderes Bild: Laut einer Erhebung im Jahr 2018 beträgt der Anteil an weiblichen Fußballfans unter denjenigen Menschen, die Interesse an mindestens einem Verein der (Männer-)Bundesliga haben, 40,3 Prozent.

Wenn 90 Prozent der Sportjournalisten männlich, aber mehr als 40 Prozent der Fans weiblich sind, verliert die Berichterstattung da nicht eine ziemlich große Zielgruppe aus dem Blick? Und woran liegt es, dass das Sportressort dasjenige ist, in dem die Wahrscheinlichkeit, eine Frau zu treffen, mit weitem Abstand zu allen anderen Journalismus-Bereichen am geringsten ist? Über diese und andere Fragen habe ich mit verschiedenen Akteur*innen aus dem Sportjournalismus gesprochen.

Es heißt ja auch nicht ‚Königin Fußball‘

Um einen Eindruck davon zu bekommen, ob mich mein Gefühl hinsichtlich der Frage, wer über Fußball schreibt, nicht vielleicht gänzlich täuscht, griff ich zunächst in das Regal der von mir abonnierten Monatszeitschriften. Neben „Socrates“ füllt dort der „ballesterer“ aus Österreich mittlerweile schon mehrere Stehordner. Spontan und wahllos mal elf Ausgaben durchgeblättert und siehe da: Sieben verschiedene Autorinnen sind dort (allerdings in sehr unterschiedlicher Quantität) mit Beiträgen vertreten. Bei „Socrates“ ist der Befund ein anderer: In zehn Ausgaben konnte ich drei verschiedene Autorinnen zu Fußballthemen finden, sechs der von mir betrachteten Hefte enthielten keine Fußballtexte von Frauen. Allerdings muss man natürlich dazu sagen, dass bei „Socrates“ eine ganze Bandbreite an Sportarten Raum bekommt, was das Ergebnis möglicherweise verfälscht. Stichprobenartig schaute ich mir zusätzlich noch die „SportBild”, die „11Freunde“ und den „kicker“ an und fand meine Vermutung dort deutlich bestätigt: Über Männerfußball schreiben vor allem Männer.

Warum das beim „ballesterer“ etwas anders ist, erklärt mir die stellvertretende Chefredakteurin Nicole Selmer so: „Wir suchen zwar nicht explizit nach Frauen, aber die Leute sehen schon, dass bei uns eben auch Texte von Frauen erscheinen. Vielleicht gibt es dadurch eine größere Offenheit.“ Wenn es darum geht, Autor*innen für Themenschwerpunkte zu finden, spielt das Geschlecht zwar nicht primär eine Rolle, aber: „Mir fallen auch Frauen ein, weil ich natürlich selbst Frauen-Netzwerke habe“, so Selmer. Generell bestätigt sie den Umstand, dass im Sportressort und gerade im Fußball vor allem Männer für die Produktion von Beiträgen verantwortlich zeichnen. Weil wenige Frauen da sind, kommen eben auch wenige Frauen nach und das liegt möglicherweise daran, dass sich in diesem Bereich schon sehr früh Männernetzwerke bilden. Selmer dazu: „Man spielt zusammen, man guckt zusammen und irgendwann schreibt man vielleicht auch drüber.“ Schließlich heißt es ja auch nicht ‚Königin Fußball‘.

Das Thema „Netzwerke“ spricht auch Stefanie Opitz an, deren Diplomarbeit 2001 den Titel „Allein unter Männern. Berufssituation von Sportjournalistinnen“ trug und die heute sowohl in der Journalist*innen-Ausbildung an der TU Dortmund als auch in der Redaktion des „aktuellen sportstudios“ tätig ist. Auf die Frage, wie sich die Situation ihrer Wahrnehmung nach seit 2001 verändert hat, fällt die Antwort deutlich aus: „Generell sind die Redaktionen stark männlich geprägt, die Zahlen zeigen das ja auch. Es gibt viel zu wenig Frauen im Sportressort, mit Ausnahme vielleicht im Fernsehbereich. Im Print-Bereich hat sich da wenig bewegt, wenngleich es einfacher geworden ist, als Frau im Sportjournalismus Fuß zu fassen. Dadurch, dass der Bereich stark männlich besetzt ist, was die Kommunikatoren und die Medieninhalte betrifft, ist er für Frauen nicht so interessant. Viele Männer finden ja auch den Weg in den Sportjournalismus über den Sport an sich. Da mehr Männer als Frauen Fußball spielen, landen auch mehr Männer in diesem Ressort, die dann dort ihre Netzwerke haben. Es fehlt an Vorbildern.“

Dieses Phänomen stellt sie auch in ihrem eigenen journalistischen Arbeitsbereich fest: „Zu uns in die Redaktion kommen eher Hospitanten als Hospitantinnen.” Ähnlich äußerte sich auch Sportredakteur Andreas Rüttenauer von der Tageszeitung taz: „Jede Frau, die sich in den vergangenen Jahren bei uns um ein Praktikum beworben hat, haben wir auch genommen. Es waren insgesamt vier.“

Denkt man an mögliche weibliche Vorbilder im Sportjournalismus, könnte einem die bereits genannte Katrin Müller-Hohenstein einfallen. Das „aktuelle sportstudio“ moderiert Müller-Hohenstein bereits seit 2006, neben Länderspielen der deutschen (Männer-)Fußball-Nationalmannschaft begleitet sie für das ZDF regelmäßig auch andere Sport-Großereignisse. Auf die Frage, wie sich der Sportjournalismus heute für Frauen darstellt, antwortet sie so: „Ganz ehrlich? Ich kann die Frage nach der Frau in der Männerdomäne nicht mehr hören. Das klingt für mich jedes Mal so, als seien wir irgendwelche bedauernswerten Exoten. Was ist denn das ‘Feld für Frauen’? Gibt es auch das ‘Feld für Männer?'”.

„Ja, klar!“ ruft mir die Statistik entgegen, wenngleich Müller-Hohenstein in ihrer Antwort darauf verweist, dass eben die Diskussion um den Gegenstand der Berichterstattung stärker im Vordergrund stehen sollte als die Frage, welches Geschlecht diejenigen haben, die diesen Gegenstand bearbeiten. Darüber hinaus bezieht sich Katrin Müller-Hohenstein hier vor allem auf ihre eigenen Erfahrungen in ihrem Arbeitsgebiet, die sie als durchweg positiv beschreibt (das ganze Kurzinterview gibt es in der Klappbox am Ende dieses Textes).

„Ich habe mich immer sehr wohl gefühlt“

Eigene positive Erfahrungen in der Branche schildert auch Jana Wiske, die viele Jahre als Redakteurin beim kicker gearbeitet hat und inzwischen als Professorin an der Hochschule Ansbach lehrt. Für sie war immer klar, im Sportjournalismus arbeiten zu wollen, “weil es einfach ein spannender Bereich ist”. Auf die Frage, wie sie selbst ihre Tätigkeit als Sportjournalistin erlebt hat, antwortet sie so: „Ich habe mich immer sehr wohl und sehr gut aufgehoben gefühlt“. Gleichwohl weiß sie auch um das Image des Berufsfeldes: „Die Branche hat ihren Ruf weg und wenn das so ist, ist das auch in der Berufswahl schwierig. Selbstverständlich arbeitet man viel mit Männern zusammen und braucht dann auch jemanden, der einen fördert. Das ist in den letzten Jahren aber besser geworden, weil inzwischen bewusst gefördert wird.“

Die taz und die Idee eines 'feminineren Sportjournalismus'

Eine ganz eigene, progressive Idee zur Förderung von Frauen im Sportjournalismus verfolgt die taz, wie mir Sportredakteur Andreas Rüttenauer erklärte. Im eigenen Haus führte man vor zwei Jahren eine Evaluation durch und stellte fest: „Wir haben im Prinzip überall 50 Prozent Journalistinnen, nur nicht im Sport. Die Sportredaktion hat sich irgendwie so entwickelt, dass es eben nur Männer sind und klar, das kann man natürlich auch kritisieren. Bei drei Mannsbildern in der Redaktion fällt es nicht immer leicht, die feminine Perspektive mitzudenken.“ Als Reaktion auf die hausinterne Evaluation kam unter anderem der Gedanke auf, sich in Form eines eher niedrigschwelligen Zugangs (angehende) Sportjournalistinnen direkt ins Haus zu holen. „Im Prinzip war das so eine Girls’-Day-Variante“, so Rüttenauer. „Wir holen uns die Nachwuchsjournalistinnen her, lernen sie besser kennen und bilden sie dann gegebenenfalls auch für unsere Redaktion aus.“ So entstand unter anderem zusammen mit der taz Panter Stiftung zur (Männer-)Fußball-Weltmeisterschaft 2018 der Workshop „Frauen und Fußball“, in dem sich zehn Journalistinnen dem Thema „Nähe“ widmeten.

Eine andere Reaktion war die, sich im Sportbereich so ein bisschen von der (Männer-)Bundesliga zu entfernen, wobei Rüttenauer auch verdeutlicht, dass die taz ohnehin keine Verlaufs-, sondern eher eine “Spotlight-Berichterstattung” mit einer Seite am Tag bzw. zwei Seiten am Wochenende macht. Die Themensetzung richtet sich dann auch danach, wer verschiedene Themen gut bearbeiten kann; die Bundesliga kann da schon mal den Kürzeren ziehen. „Wenn wir eine Frau haben, die über das Thema „Turnen“ etwas schreiben kann, dann bringen wir das eben auch.“

Allerdings verweist er im Gespräch auch auf zwei interessante Probleme: „Alles, was wir machen, führt dazu, dass die Leute noch mehr von uns wollen. Beispiel Frauenfußball: Wenn wir da was bringen, dann sagen die Leute: Die machen ja doch nur Geschichten, aber keine kontinuierliche Berichterstattung darüber.“ Und, um beim Beispiel Frauenfußball zu bleiben: „Wenn man Frauensport so ernst nimmt wie Männersport, dann muss man auch so darüber schreiben, trifft dann dort aber auf eine Szene, die darauf gar nicht vorbereitet ist.“ So war für Manuel Neuer, Jerome Boateng, Timo Werner und Co. vielleicht absehbar, welches mediale Echo ihr Ausscheiden in der Vorrunde der letzten WM auslösen würde. Die Kritik der taz an der Frauenfußball-Nationalmannschaft nach deren WM-Aus wurde dort, so Rüttenauer, deutlich expliziter wahrgenommen als üblicherweise bei den männlichen Kollegen.

Auf die Frage, was „femininerer Sportjournalismus“ aus taz-Perspektive insgesamt bedeutet, antwortet Andreas Rüttenauer so: „Es geht dabei vor allem um frauenbestärkende Initiativen, die Suche nach best practice und eben auch um den Schritt weg von der klassischen Sportberichterstattung. Letztlich ist die Frage der Berichterstattung ja auch Teil einer Emanzipationsgeschichte. Eigentlich geht es eher darum, andere, „weiblichere“ Themen zu setzen, als Frauen zum Beispiel über Männerfußball berichten zu lassen. Das kann bei uns auch bedeuten, dass wir drei Männer auch mal einen Schwerpunkt zum Frauensport gestalten.“

Interessant ist beim Ansatz der taz auch noch ein anderer Punkt, der wieder zum eigentlichen Thema dieses Textes zurückführt. Die Zeitung fördert Frauen aktiv, will dem Thema „Frauen in der Sportberichterstattung“ viel Platz einräumen (so berichtet z.B. Alina Schwermer für die taz über den Lokalsport in Berlin) und auch Entwicklungsmöglichkeiten geben. Die Erfahrung ist allerdings: „Wenn wir gute Leute ausbilden, kann es uns passieren, dass die schnell wieder weg sind.“ Eigentlich logisch in einem Bereich, in dem Frauen deutlich unterrepräsentiert sind. Damit bleibt auch für die taz das Thema „Förderung und Entwicklung“ ein durchaus ambivalentes.

2015 führte Jana Wiske eine Vollerhebung unter Sportjournalist*innen durch, die den Befund verschiedener anderer Studien hinsichtlich der Geschlechterverteilung bestätigte und weitere interessante, empirische Einblicke in das Berufsfeld bietet. So konnte sie unter anderem ermitteln, dass das Durchschnittsalter der Sportjournalist*innen 2015 bei 48 Jahren lag, 62,8 Prozent der 1006 Befragten fest angestellt waren und 41,1 Prozent ihre Haupttätigkeit bei der Zeitung hatten (vgl. Sportjournalist 5/2017, S. 15). Auch den eingangs geschilderten Befund zur TV-Berichterstattung kann Wiske empirisch untersetzen: „So arbeiten anteilig deutlich mehr Frauen beim Fernsehen (14,8 Prozent) als generell im Sportjournalismus (9,5 Prozent). Hier dürfte das optische Erscheinungsbild eine wichtige Rolle spielen, oftmals verleihen Frauen als Moderatorinnen den Fußballübertragungen Leuchtkraft“ (ebd., S.17).

Die Gründe dafür, dass der Anteil an Frauen im Sportjournalismus über die Jahrzehnte hinweg konstant niedrig ist, sieht Jana Wiske im Gespräch mit 120minuten auch in den Arbeitsbedingungen: „Es gibt im Prinzip kein Wochenende, da ist es mit sozialen Kontakten dann schwierig. Es ist große Flexibilität gefordert, vor allem auch, was den Zeitplan der Sportler angeht. Ich hatte beim kicker mal am Montag ein Gespräch mit meinem Chefredakteur und saß dann am Dienstag direkt im Flugzeug nach L.A..“

Die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben ist auch für Erich Laaser, den Präsidenten des Verbandes Deutscher Sportjournalisten, ein Punkt, der Frauen möglicherweise von einem Einstieg in den Sportjournalismus abhält. Im Gespräch mit Juliane Schiemenz vom journalistinnenbund sagt er dazu Folgendes: “Die Vereinbarkeit ist natürlich schlecht, man muss wissen, worauf man sich einlässt, wenn man das macht. Wenn man mit Kollegen spricht, Ü 40, die eine Familie haben, die verheiratet sind – da ist das alles arrangiert. Aber in den Zwanzigern, wenn man grad erst anfängt in dem Job, da einen Partner zu finden, der sagt: ‘Okay, dann machen wir das so, das funktioniert schon’ – das halte ich für schwer.“

Auch Jana Wiske berichtet davon, dass es gerade als Frau im Fußballkontext nicht immer einfach ist. „In Deutschland heißt Sportjournalismus ja vor allem Journalismus rund um den Fußball und das ist das Liebste, was die Männer haben. Da muss man es als Frau abkönnen, dass man da nicht immer auf große Gegenliebe stößt. Es wird einem unter Umständen wenig zugetraut und ja, man kann es leichter haben im Leben.“ Andererseits: „Ich habe mich damals bewusst dafür entschieden und dann gilt es auch, nicht zu jammern.“

Das Thema „Geschlecht“ sieht auch Nicole Selmer vom ballesterer ambivalent, wenn es um die eigenen Erfahrungen in der Fußballberichterstattung geht: „Manchmal spielt es schon eine Rolle, dass ich eine Frau bin, obwohl ich dazu sagen muss, dass wir beim ballesterer natürlich keinen klassischen Tagesjournalismus machen. Was mich manchmal ärgert, ist, dass ich schriftlich als „Herr Selmer“ angesprochen werde, weil die Leute im Fußballjournalismus offenbar automatisch denken, ich wäre ein Mann. Mitunter glaube ich auch, dass Menschen mir Dinge erklären, die sie Männern nicht erklären würden. Das ist aber nicht unbedingt schlecht, weil man so eben mehr Infos bekommt. Und: Die Leute erinnern sich an mich, das ist dann natürlich auch gut – und gleichzeitig auch schwierig, wenn man Fehler macht.”

„Wichtiger als das Geschlecht ist es, Qualitätsjournalismus im Sportressort zu machen”

Was braucht es nun aber, um als Frau in der Männerdomäne Fußballberichterstattung Fuß zu fassen? Eine Quote, so zumindest Jana Wiske und Stefanie Opitz, jedenfalls schon mal nicht: “Ich möchte nicht für einen Job ausgewählt werden, weil ich eine Frau bin, sondern weil ich etwas kann“, so Wiske. „Eine Quote würde den extremen Kritikern doch in die Karten spielen, weil es dann heißen würde: ‘Die hat den Job nur wegen ihres Geschlechts.’ Leistung und Kompetenz müssen sich durchsetzen und nichts anderes. Dass heutzutage eine gewisse Hilfestellung da sein muss, verstehe ich, gleichzeitig will ich diese Hilfestellung aber nicht. Das ist durchaus ein Dilemma.”

Kompetenz und Qualität sind die Themen, die auch Stefanie Opitz betont: „Das Sportressort hat ja mehr zu bieten als nur Ergebnisberichterstattung. Man sollte grundsätzlich über die Qualität kommen, auch mal hintergründige Sachen machen und sportpolitische Themen wie Korruption, Doping etc. stärker aufgreifen. Wichtiger als die Frage des Geschlechts ist es, Qualitätsjournalismus im Sportressort zu machen und auch in der Ausbildung für kritische Sportberichterstattung zu motivieren.“ Opitz fehlen vor allem alternative, inhaltliche Konzepte, insbesondere in der Lokalsport-Berichterstattung. “Man ist nicht mutig genug, auch mal auf andere Zielgruppen zu fokussieren, da wünsche ich mir tatsächlich mehr Mut in den Redaktionen. Gegebenenfalls würde sich auch die Themensetzung bei der Berichterstattung verändern, wenn mehr Frauen Sportthemen machen.“ Gleichzeitig weiß Stefanie Opitz aber auch: „Frauen müssen immer unter Beweis stellen, dass sie Ahnung haben. Männer haben es da leichter.”

Das unterstellte Kompetenzdefizit hebt auch Medienjournalistin Diemut Roether im Gespräch mit dem journalistinnenbund hervor und thematisiert dazu noch einen weiteren interessanten Punkt: “Eine Untersuchung in Österreich zeigte, dass die befragten Sportjournalistinnen sowohl fachlich als auch journalistisch besser ausgebildet waren als ihre männlichen Kollegen. Trotzdem sahen sie sich häufig mit dem Vorurteil konfrontiert, dass Frauen nicht die notwendige Kompetenz für das Sportressort mitbringen und mussten mehr leisten als die Männer, um sich zu behaupten. In der Befragung wurde häufig über ein schlechtes Arbeitsklima in den Sportredaktionen geklagt. Dennoch sprachen sich die befragten Frauen mehrheitlich dagegen aus, mehr Frauen einzustellen. […] Offensichtlich hatten die Sportjournalistinnen große Angst vor weiblicher Konkurrenz. Auch die ZDF-Sportreporterin Claudia Neumann sprach sich kürzlich in einem Interview mit dem Journalist gegen Frauenquoten im Sportjournalismus aus. ‘Bitte nicht’, sagte sie, ‘ich bin für ein glasklares Leistungsprinzip. Wenn es gute Frauen gibt, werden die sich auch im Sportjournalismus durchsetzen. Die ganze Quotendiskussion ist überflüssig.‘”

Bildet Banden!

Der Fußball als des Mannes liebstes Spielzeug, familienunfreundliche Arbeitszeiten (die aber für Sportjournalisten genauso gelten), Männernetzwerke, die Frauen möglicherweise von einem Einstieg in den (fußballbezogenen) Sportjournalismus abhalten, wenige weibliche Vorbilder – auf diese Punkte ließen sich über alle Gesprächspartner*innen hinweg die Gründe zusammenfassen, die zu einer 10-zu-90-Prozent-Verteilung zwischen Frauen und Männern in der Sport- und Fußballberichterstattung führen. Trotzdem, da waren sich alle interviewten Journalistinnen einig, sind Sportjournalismus und insbesondere der Fußball spannende Arbeitsfelder. Was also ist ihr Rat für Frauen, die über diesen Bereich als mögliches Tätigkeitsfeld nachdenken?

„Selbstbewusst auftreten!“ ist die Antwort von Stefanie Opitz auf diese Frage. „Frauen sollten in die Redaktionen gehen, sich zeigen und deutlich machen: ‚Das ist mein Ding, hier will ich arbeiten.‘ Von männlichen Netzwerken sollte man sich nicht abschrecken lassen, sondern sich gegebenenfalls eine Nische suchen, dort starten und dann eben eigene Netzwerke aufbauen. Wenn man einmal drin ist, kann man sich gut auch woanders ins Gespräch bringen.“

In eine sehr ähnliche Richtung argumentiert auch Nicole Selmer: „Zunächst sollte man sich erst einmal klar machen: Was sind meine Themen, was interessiert mich überhaupt, worüber kann und will ich schreiben? Dort sollte man sich dann ein eigenes Netzwerk schaffen. Vielleicht sollte man auch einfach gar nicht so viel darüber nachdenken, dass man als Frau in einer Männerdomäne arbeitet. Andererseits kann das aber natürlich auch gut sein, weil man als Frau zum Beispiel Geschlechterdifferenzen eher sieht und für Dinge, die Männern selbstverständlich erscheinen, eventuell noch mal einen anderen Blick hat.“

Das Thema „Motivation“ spricht auch Katrin Müller-Hohenstein an: „Das klingt jetzt vielleicht etwas seltsam. Aber ich würde Frauen als erstes raten, ihre Motivation zu überprüfen. Ist es tatsächlich das Thema, das sie interessiert? Oder geht es ihnen in erster Linie darum, sich selber zu präsentieren. Dann sind sie hier falsch. Sie brauchen ein ehrliches Interesse an der Sache, große Einsatzbereitschaft – und manchmal auch ein dickes Fell.“

Auch Jana Wiske plädiert für Mut, Selbstbewusstsein und eben: Netzwerke. „Man sollte als Frau auf jeden Fall versuchen, in dem Bereich Fuß zu fassen, aber man sollte es auch gut versuchen. Das bedeutet, seine Hausaufgaben zu machen, Netzwerke zu bilden und eben auch fachlich kompetent zu sein. Angst ist fehl am Platz, stattdessen hilft ein selbstbewusstes Auftreten. Und man sollte sich nicht entmutigen lassen, wenn mal ein Missgeschick passiert.“

Die Frage, wie mehr (sichtbare) Frauen in der Fußballberichterstattung dessen inhaltliches Erscheinungsbild verändern könnten, muss selbstverständlich (vorerst) eine hypothetische bleiben. Dennoch gibt es natürlich bereits erste Tendenzen, die eine größere Themenvielfalt, andere Schwerpunktsetzungen und viele spannende Geschichten zumindest andeuten. Im Übrigen kann sich auch die 120minuten-Redaktion von einer ziemlich einseitigen, nämlich einer männlichen, Perspektive auf den Fußball nicht freisprechen; bisher sind auf 120minuten.github.io erst ganze vier Texte von Autorinnen erschienen. Und ja, es ist im Jahr 2019 durchaus Zeit, das zu ändern.

Bleibt noch die Überlegung, ob der fußballbezogene Sportjournalismus nicht eine größere Zielgruppe, die der weiblichen Fans nämlich, aus dem Blick verliert, wenn vorwiegend Männer über (Männer-)Fußball reden und schreiben. Hier konnten meine Gesprächspartner*innen für diesen Beitrag ebenfalls nur spekulieren. Möglicherweise ist das aber auch noch einmal eine ganz eigene Geschichte, die ein andermal erzählt werden wird.

Interview mit Katrin Müller-Hohenstein

Was waren Beweggründe dafür, in den Sportjournalismus zu gehen und wie verlief der Einstieg?

Ich habe vor meinem Engagement beim ZDF viele Jahre beim Radio gearbeitet. Ich hatte dort eine tägliche Magazinsendung, in der alles thematisiert wurde, was aktuell und relevant war. Von Politik über Gesellschaft bis hin zu Sport. Und am Wochenende habe ich die Fußballsendung am Samstagnachmittag moderiert. Das hat mir mit am meisten Spaß gemacht. Der Sport war also immer schon da, wenn auch nicht ausschließlich. Das aktuelle Sportstudio habe ich schon als Kind geschaut und bereits damals meinen Eltern mitgeteilt, dass ich diese Sendung irgendwann einmal moderieren werde. Ich wollte nur diese Sendung – keine andere. Der Einstieg lief dann allerdings ein wenig anders, als ich mir das vorgestellt hatte. Nach zehn Jahren wieder die erste Frau zu sein, die diese Traditionssendung moderiert, war offenbar ein riesiges Thema. Entsprechend war das Medienecho. Ich weiß noch heute, wie ich mir damals gedacht habe: Was wollen die denn alle, ist doch nur eine Fernsehsendung. 🙂

Wie stellt sich das Feld für Frauen aus ihrer Perspektive dar und wie hat es sich seit dem Berufseinstieg ggf. auch verändert?

Ganz ehrlich? Ich kann die Frage nach der Frau in der Männerdomäne nicht mehr hören. Das klingt für mich jedes Mal so, als seien wir irgendwelche bedauernswerten Exoten. Was ist denn das „Feld für Frauen“? Gibt es auch das „Feld für Männer“? Ich kann Ihnen nur meine Perspektive schildern – und die ist durchweg positiv. Ich habe noch nie auch nur ansatzweise Vorbehalte bei Spielern, Trainern oder anderen Verantwortlichen aus der Welt des Sports gespürt. Ein einziges Mal hatte ich sogar einen erkennbaren Vorteil. Das war, als ich Louis van Gaal im Sportstudio zu Gast hatte. Der meinte, es sei schon clever vom ZDF gewesen, ihm eine Frau da hinzusetzen. Da sei er gleich viel freundlicher gewesen. Zum Glück gibt es in den letzten Jahren immer mehr Frauen im Sportjournalismus. Da hat sich das Thema hoffentlich bald von alleine erledigt.

Über 40 Prozent der Stadiongänger*innen sind Frauen, aber nur etwa 10 Prozent der Sportjournalisten sind weiblich. Verliert der Fußballjournalismus da nicht eine wichtige Perspektive? Inwiefern würde sich die Berichterstattung über Fußball aus ihrer Sicht verändern, wenn mehr Frauen in den Redaktionen arbeiten würden?

Sie glauben gar nicht, wieviele Frauen beim ZDF in der Sportredaktion arbeiten. Ich kann mich daran erinnern, dass ich mal an einem Samstagnachmittag in Mainz in der Redaktion saß – um mich herum nur Frauen – und ich mir damals dachte: Das musst Du Dir jetzt aber echt merken, wenn mal wieder so eine Frage kommt. Dass es noch nicht genug sind, steht außer Frage. Aber daran können vor allem die Frauen selber etwas ändern.

Was würden sie angehenden Journalistinnen raten, die über den (fußballbezogenen) Sportjournalismus als Arbeitsfeld nachdenken?

Das klingt jetzt vielleicht etwas seltsam. Aber ich würde ihnen als erstes raten, ihre Motivation zu überprüfen. Ist es tatsächlich das Thema, das sie interessiert? Oder geht es ihnen in erster Linie darum, sich selber zu präsentieren. Dann sind sie hier falsch. Sie brauchen ein ehrliches Interesse an der Sache, große Einsatzbereitschaft – und manchmal auch ein dickes Fell.

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Beitragsbild: © Arne Müseler / arne-mueseler.de / CC-BY-SA-3.0

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4 Kommentare

  1. Sehr schöner Artikel, der viele unterschiedliche Aspekte beleuchtet. Und auch diese Entwicklung wird noch Zeit brauchen, benötigt m.E. aber auch keine Frauenquote. Leider wird der Vorteil, dass durch Vielfalt – und Männer und Frauen zähle ich dazu – immer wieder unterschiedliche Blickwinkel eingenommen werden, wenig berücksichtigt.

    Solltet Ihr für 2019 die Anzahl der Autorinnen für die 120minuten-Redaktion erhöhen wollen, stehe ich gerne zur Verfügung – https://ins-netz-gegangen.info 🙂

    • Alex Schnarr

      Hallo Susanne,

      vielen Dank für Dein Feedback und Dein Angebot – wir kommen sehr gern darauf zurück!

      Herzliche Grüße,
      Alex

  2. Ein sehr interessantes Thema, das in der deutschen Sportberichterstattungerstattung noch immer viel zu kurz kommt. Selbst im Jahr 2019 scheint es noch, als traue man es Frauen schlicht nicht zu, sich in dieser Branche durchzusetzen. Dabei beweisen doch Katrin Müller-Hohenstein oder Claudia Neumann genau das Gegenteil. Ich bin gespannt, wie sich dieses Thema in den nächsten Jahren entwickelt.
    So oder so ein sehr gut ausgearbeiteter Artikel der 120minuten – Redaktion. An dieser Stelle (verspätete) Glückwünsche zum “Goldenen Blogger”, eine absolut verdiente Auszeichnung!

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