Kategorie: a Jasmina Schweimler

WM 2019 – 24 Spielerinnen, die die Welt verändern – Gruppe F

Auf den ersten Blick sind die Rollen in der Gruppe F klar verteilt: Mit den USA als amtierenden Weltmeisterinnen und Schweden, die sich den Titel bei diesem Turnier selbstbewusst zutrauen, sind gleich zwei starke Gegner vertreten. Doch auch Chile möchte bei der ersten WM-Teilnahme überhaupt eine gute Rolle in dieser Gruppe spielen. Für Thailand geht es als Erstes darum, endlich einen Turniersieg zu erzielen – weitere Ziele anschließend nicht ausgeschlossen.

USA: Viel Druck für die amtierenden Weltmeisterinnen

Die Vereinigten Staaten von Amerika: „The land of the free and the home of the brave …“ – Mittlerweile steht diese Zeile aus der US-amerikanischen Nationalhymne für den Einsatz für Bürgerrechte und Demokratie. Werte, die momentan in Gefahr sind. Eine, die frei und tapfer für diese Werte einsteht, ist Megan Rapinoe. Und manchmal bedeutet, für etwas einzustehen, niederzuknien.

Dies tat Rapinoe 2016 beim Spiel der Seattle Reign gegen die Chicago Red Stars, als – wie vor jedem Spiel der National Women’s Soccer League (NWSL) – die Nationalhymne gespielt wurde. Nach dem Spiel kommentierte sie ihre Geste kurz und knapp: Es sei das Mindeste, was sie als Weiße tun könne, um den durch Quarterback Colin Kaepernick begonnenen Protest schwarzer Sportler*innen gegen Rassismus und Polizeigewalt gegen Schwarze zu unterstützen.

Eine, die voran geht: Megan Rapinoe. (Foto: Tom Seiss)

Die amerikanische Nationalmannschaft hat viele Superstars. Alex Morgan und Carli Lloyd sind Namen, die selbst in Deutschland einigen Menschen geläufig sind. Begnadete Offensivspielerinnen, Idole, Fußballmillionärinnen. Auch Megan Rapinoe gehört in diese Kategorie. Und doch hat sie etwas an sich, das sie abhebt.

Rapinoe liest das Spiel, verteilt die Bälle und gehört gemeinsam mit Portlands Tobin Heath und Chelseas Magdalena Eriksson zu den drei besten Eckballkünstlerinnen der Welt. Ihre größte Stärke aber ist ihre Unausrechenbarkeit. Gegenspielerinnen verzweifeln regelmäßig an Rapinoes schlitzohrigen Pässen. Sie kann aus jeder Position aufs Tor schießen oder eine Mitspielerin bedienen. Mit 33 Jahren ist Megan Rapinoe aktuell in der Form ihres Lebens.

Sportbegeistert und vielseitig war die Kalifornierin schon immer. Zusammen mit ihrer Zwillingsschwester Rachael spielte sie von klein auf Fußball, vorwiegend in Mannschaften, die ihr Vater trainierte. Auch in Basketball und im Laufen brachten die Schwestern Rapinoe gute Leistungen.

Engagiert für LGBT-Rechte und Frauenfußball

Die NWSL wurde 2013 als Nachfolgerin der beiden ebenfalls professionellen Vorgängerligen WUSA (Women’s United Soccer Association, 2001-2003) und WPS (Women’s Professional Soccer, 2009-2011) ins Leben gerufen. Rapinoe spielte bis zur Schließung der WPS für drei verschiedene Franchises, wechselte 2011 für zwei Spiele zu Sydney FC und kehrte anschließend in die USA zurück, um sich auf die Olympischen Spiele 2012 vorzubereiten. Das im US-Sport gängige Draft-System, in dem Spieler*innen einem Team zugewiesen werden, brachte Rapinoe in der allerersten Saison der NWSL nach Seattle. Seitdem spielt sie für Reign FC, die bis letzte Saison noch Seattle Reign hießen.

2013 und 2014 lief sie außerdem für Olympique Lyon auf und stand unter anderem in dem Champions-League-Finale, das Lyon gegen den VfL Wolfsburg verlor. Der Spielmodus der NWSL ermöglicht es Spielerinnen, jedes Jahr für mehrere Monate ins Ausland zu wechseln. Neben der französischen und der schwedischen Liga – früher auch der Bundesliga – ist die australische W-League seit einigen Jahren das beliebteste Ziel vieler NWSL-Spielerinnen.

Megan Rapinoe gehört zu den bekanntesten Persönlichkeiten Seattles. Sie engagiert sich seit Jahren für LGBT-Rechte und Frauensport in Seattle. Und mit Basketballstar Sue Bird hat sie eine Lebenspartnerin, die ihr in ihren Kämpfen um Gleichberechtigung kompromisslos zur Seite steht. Der aktuellste dieser Kämpfe hat jüngst erneut weltweit Schlagzeilen gemacht: Bereits vor den Olympischen Spielen 2016 legten Megan Rapinoe, Alex Morgan, Carli Lloyd, Becky Sauerbrunn und Hope Solo (Karriere beendet) bei der Equal Employment Opportunity Commission (Bundesbehörde zur Durchsetzung von Bürgerrechtsgesetzen gegen Diskriminierung am Arbeitsplatz) offiziell Beschwerde wegen Lohndiskriminierung ein. Sie verdienten oft nur die Hälfte oder weniger als die Hälfte als die Spieler der Männernationalmannschaft.

So würden das Team um Megan Rapinoe gerne wieder jubeln. (Foto: Tom Seiss)

Eine Kommission erteilte den Spielerinnen im Februar 2019 das Recht, zu klagen. Am 8. März 2019 reichten dann alle aktuellen Nationalspielerinnen der USA eine Sammelklage gegen die United States Soccer Federation, den US-amerikanischen Fußballverband, ein. Rapinoe und ihre 27 Teamkolleginnen machen den Verband für systematische Diskriminierung aufgrund des Geschlechts verantwortlich. Im Vergleich mit der in den USA weniger erfolgreichen Männerfußballnationalmannschaft hätten die Frauen erheblich schlechtere Reise- und Trainingsbedingungen. Außerdem erhielten sie geringere Prämien, obwohl sie höhere Einnahmen und Zuschauerzahlen generierten. Eine Entscheidung über die Klage steht noch aus. Sie wird vermutlich erst nach der Weltmeisterschaft in Frankreich fallen.

Das Turnier in Frankreich wird Rapinoes dritte und wahrscheinlich letzte Weltmeisterschaft sein. Als amtierende Weltmeisterinnen und Weltranglistenerste sind die Amerikanerinnen der klare Titelfavorit. Nach den französischen Fans haben sich amerikanische Fans mit Abstand die meisten WM-Tickets gesichert – das Gruppenspiel USA gegen Schweden war als eine der ersten Begegnungen ausverkauft. Viel Druck für die Frauen von Trainerin Jill Ellis. Nach einer mühelosen WM-Qualifikation, bei der bis auf Kanada kein Gegner eine ernsthafte Herausforderung war, gerieten die dreimaligen Weltmeisterinnen Anfang des Jahres bei einem Testspiel gegen Frankreich ins Straucheln.

Auch der heimische „SheBelievesCup“ – einem aus vier Nationalteams bestehenden Einladungsturnier – konnte nicht gewonnen werden. Angesichts der individuellen Stärke der Spielerinnen zeigten die USA erstaunliche Abwehrschwächen. Der Offensive fehlte häufig die gewohnte Durchschlagskraft. Megan Rapinoe ist tapfer und sie ist frei. Es steht außer Frage, dass sie dazu in der Lage ist, gleichzeitig Vorkämpferin für sozialen Wandel zu sein und den Titel zurück in die USA zu holen.


Zur Person: Ellen Hanisch schreibt als Journalistin über den nationalen und internationalen Fußball. Sie gehört zum Podcast-Kollektiv FRÜF und betreibt die Seite Fußballthesen.

Kommentieren

Thailand: Mit einem Sieg das Minimalziel erreichen

Thailand, das Land des Lächelns. Thailand, das Land, das zum zweiten Mal in Folge seine Frauen-Nationalmannschaft zu einer Fußball-WM schickt. Was das miteinander zu tun hat? Beides spiegelt nicht die Realität und die eigentlichen Verhältnisse wider. Nicht jede*r Thai wird einem auf den Straßen Bangkoks mit einem echten Lächeln begegnen. Und nur, weil das Team sich zweimal nacheinander für eine WM qualifizieren konnte, heißt es nicht, dass sich im Land des Asienmeisters von 1983 sportlich etwas tut.

Aufgrund der Kräfteverhältnisse im asiatischen Frauenfußball war klar, dass man es 2015 nur über ein Spiel um Platz 5 gegen den Erzrivalen aus Vietnam nach Kanada schaffen könnte. Vier Jahre später hatte Thailand viel leichteres Spiel – und Losglück. Vor den Philippinen und Jordanien sicherte man sich Platz 2 in der Vorrunde der Asienmeisterschaft und hatte sich damit schon für Frankreich qualifiziert. Wären die Thais an der Stelle Vietnams in der anderen Gruppe mit Japan, Australien und Südkorea gewesen, hätten sie diesen Sommer wohl allenfalls eine Urlaubsreise nach Europa buchen können.

International erfahrenes Team

Hoffte man nach 2015 im Zuge der erstmaligen Teilnahme an einer WM auf einen Schub im eigenen Land, so muss man konstatieren, dass dieser ausblieb. Es regiert Stillstand statt Fortschritt. Das Interesse am Frauenfußball ist fast nicht existent und der Verband tut wenig bis nichts, um dies zu ändern. Eine nationale Liga findet nur sporadisch statt und hat eher Alibicharakter, um zum Beispiel die FIFA als Geldgeber zufriedenzustellen.

Das macht sich auch am Team von Trainerin Nuengruethai Sathongwien, welches im Großen und Ganzen fast noch das gleiche ist wie in Kanada, bemerkbar. Ohnehin besteht es im Kern aus Spielerinnen, die so schon seit den frühen 2000er Jahren zusammenspielen. Entsprechend international erfahren ist die Mannschaft um Kapitänin Sunisa Srangthaisong, die mit über 100 Länderspielen hervorsticht.

Das thailändische Nationalteam im Jahr 2015. (Foto: Sven Beyrich)

Erstmals bei der WM dabei sein wird Pitsamai Sornsai. Die inzwischen 30-Jährige galt einst als eines der größten Sturmtalente und ist mit über 45 Toren die erfolgreichste Torschützin Thailands. 2013 wechselte sie nach Japan und zog sich dort gleich in einer der ersten Saisonspiele eine schwere Knieverletzung zu. Nachdem sie sich zurückgekämpft hatte, erlitt sie das gleiche Schicksal erneut, was ihre Hoffnung auf eine Teilnahme an der WM 2015 zunichtemachte. Der Australier Spencer Prior, Trainer der Nationalmannschaft von 2016 bis 2017, formte aus der einstigen Stürmerin eine Verteidigerin mit Drang für die Offensive. Unter der alten-neuen Cheftrainerin Sathongwien wird Sornsai inzwischen sowohl im Mittelfeld als auch wieder im Sturm eingesetzt. Neu im Team ist unter anderem die Thai-Amerikanerin Miranda Nild die mit ihrer großen und wuchtigen Statur eine neue physische Komponente in das Angriffsspiel der Thailänderinnen bringt.

Die Elf definiert sich über Kampfgeist und mannschaftliche Geschlossenheit. Vor allem, wenn es gegen überlegene Gegner geht. An guten Tagen bringen sie dann schon mal Australien an den Rand einer Niederlage, wie zuletzt im Halbfinale der Asienmeisterschaft. Gegen gleichwertige oder schwächere Gegner zeigt Thailand gerne sein spielerisches Potenzial, welches von vielen Ballstafetten und Kurzpassspiel geprägt ist, solange sie nicht dabei gestört werden. Im Mittelfeld zieht Silawan Intamee die Fäden, die ihre Stärken auch und vor allem bei Standards hat. Bei Kontern sollte man auf Kanjana Sungngoen achten. Inzwischen 32 Jahre alt, hat sie von ihrer Schnelligkeit auf dem Flügel im Vergleich zu 2015 nur wenig eingebüßt.

In Sachen Gegnerinnen kann einem die Nationalmannschaft Thailands fast ein wenig leidtun: Zwar gelang vor vier Jahren der erste historische Sieg bei einer WM, man traf aber bei der Premiere gleich auf den damaligen Weltranglistenbesten – Deutschland. Dazu gesellten sich Norwegen und die Elfenbeinküste. Ganz schön hart für einen Neuling. Dass es noch einmal eine Spur härter geht, zeigte die Auslosung zur WM 2019. Abermals ist es an Thailand, sich mit der Nummer 1 der Welt zu messen – diesmal werden es die USA sein. Und sowohl Schweden als auch Chile sind, was die Schwierigkeit angeht, erneut eine Steigerung zu 2015.

Die gute Nachricht für Thailand bei dieser WM lautet, dass man das Turnier nach den beiden harten Spielen und zu erwartenden Niederlagen gegen die USA und Schweden mit einem positiven Abschluss verlassen könnte, in dem man den letzten Gruppengegner, Chile, bezwingt. Wie schon 2015 hätte man so das Minimalziel erreicht und könnte Frankreich mit einem Lächeln verlassen. Das Traumziel Achtelfinale wird aber mindestens noch weitere vier Jahre auf sich warten müssen. Dann aber mit einer neuen Generation an Spielerinnen.



Zur Person: Sven Beyrich ist Experte in Sachen asiatischem und Frauen-Fußball und eine Hälfte des Podcasts Lottes Erbinnen.

Kommentieren

Chile: Heimvorteil für die Torhüterin Christiane Endler

Der chilenische Fußball fiel in der jüngeren Vergangenheit durch Überraschungssiege bei der Copa America gegen den Favoriten Argentinien auf. Blickt man etwas weiter zurück in die 1990er Jahre, kommen Erinnerungen an Ivan „der Schreckliche“ Zamorano hoch, der beim FC Sevilla, bei Real Madrid sowie Inter Mailand vor allem per Kopf für Torgefahr sorgte. Und das bei 1,78m Körpergröße.

Bei den chilenischen Frauen sucht man vergebens eine Nachfolgerin für Zamorano. Zumindest im Sturm. Im Tor steht dagegen mit Christiane Endler eine Weltklasse-Spielerin. Die chilenische Nationaltorhüterin hat eine illustre Reise hinter sich, hat sie doch bereits für Everton und Colo-Colo in ihrem Heimatland Chile gespielt, bevor sie im Dienste von Chelsea den europäischen Fußball hautnah erlebte. Nach erneut Colo-Colo, dann Valencia in Spanien, trägt sie nun seit 2017 die Nummer 16 im Tor der Frauen von Paris Saint-Germain.

Ihr Name klingt sehr deutsch: Endlers Vater ist Deutscher, ihre Mutter Chilenin. Schon früh zeigte sich ihr sportliches Talent und sie entschied sich letztlich für den Fußball. Einer ihrer früheren Trainer entschied sich, sie als Torhüterin aufzustellen. Es zahlte sich aus, denn 2008, als 17-Jährige, spielte Endler bei der U-20 WM im eigenen Land. Damals musste ihre Mannschaft mächtig Lehrgeld zahlen: Alle drei Vorrundenspiele gingen verloren. England, Neuseeland und Nigeria waren zu stark. Im Spiel gegen England stand 2008 auch eine gewisse Steph Houghton auf dem Platz, die ihre Mannschaft 2019 in Frankreich als Kapitänin aufs Feld führen wird.

Hält bei PSG und in der Nationalmannschaft den Kasten sauber: Christiane Endler. (Foto: Tom Seiss)

Die Pariser stehen währenddessen vor einem Luxusproblem, denn mit Christiane Endler und der Polin Katarzyna Kiedrzynek stehen zwei der besten Torhüterinnen im Dienste von PSG. Natürlich belebt Konkurrenz das Geschäft – und ganz unzufrieden ist Endler nicht mit der Situation, denn nur so kann sie sich weiterentwickeln. Es herrscht eine gesunde Rivalität und beide Spielerinnen arbeiten zusammen, um sich zu verbessern, so Endler. Bevor sie nach Paris zog, wurde sie in Spanien für Valencia spielend zur besten Torhüterin gewählt. Dort hatte sie die beste Gegentore-pro-Spiel-Quote während der Saison 2016/17: Nur neun Tore kassierte sie, in 23 Spielen.

Zuversicht trotz Mangels an Erfahrung

Auch in diesem Jahr wurde sie von ihren Kolleginnen und Trainern zur besten Torhüterin der Saison gewählt. Zuvor wurde sie zwischen 2008 und 2017 zur besten chilenischen Spielerin gekürt. Zudem hat Endler mehrfach die Meisterschaft in Chile gewonnen, sowie auch die Copa Libertadores mit ihrem Heimatverein Colo-Colo. Ganz in der Tradition ihrer deutschen Vorfahren wird ihr Spiel mit dem von Manuel Neuer verglichen und obendrein ist Oliver Kahn ihr Vorbild.

Für sie ist PSG einer der größten Clubs der Welt, und somit war der Wechsel nur logisch. Aber wie sieht es aus mit PSG? Im Fußball zählen nur Titel; davon hat PSG außer einem Pokalsieg 2018 wenig vorzuweisen. Auch in der abgelaufenen Spielzeit war Lyon in der Meisterschaft einfach stärker und deklassierte PSG um fünf Punkte im Titelrennen. In der Champions League war im Viertelfinale gegen Chelsea Schluss. Das Ausscheiden war besonders bitter, da Chelsea erst in der Nachspielzeit zum 1:2 verkürzen konnte und somit über die Auswärtstorregel weiterkam. Trotzdem gehört Paris Saint-Germain zu einer der Top-Adressen im Fußball, auch bei den Frauen. Weshalb es für Endler klar war, nach Frankreich zu wechseln.

Chile wird zum ersten Mal bei einer WM dabei sein und Endler ist zuversichtlich, dass die Mannschaft sich gut schlagen wird, trotz des Mangels an Erfahrung. Sie spricht in einem Interview davon, dass ihr Team sich auf das Turnier freue, fügt aber auch hinzu, dass die Gruppe mit den USA, Thailand und Schweden keine einfache sei. Endler selbst wird beim Turnier einen Heimvorteil haben, spielt sie doch in Paris und kennt demzufolge die Stadien und die Atmosphäre.

Zur Person: Christoph Wagner forscht, schreibt über Fußball und gehört zur Redaktion von 120minuten.

Kommentieren

Schweden: Die Welt verbessern, den Titel gewinnen

Die schwedische Frauenfußball-Nationalmannschaft möchte bei dieser Weltmeisterschaft endlich wieder zu den Top-Teams gehören. Unterlag man bei der letzten WM in Kanada 2015 im Achtelfinale mit 1:4 ausgerechnet Deutschland, so soll dieses Jahr der Titel her. Dabei wird Nilla Fischer vom Bundesligisten VfL Wolfsburg eine wichtige Rolle spielen. Die 34-Jährige ist eine, die vorangeht – auf und neben dem Platz. 2001 debütierte das gerade einmal 16 Jahre junge Talent während eines Wintertrainingslagers gegen Norwegen in der schwedischen A-Nationalmannschaft. Insgesamt kommt die Innenverteidigerin seitdem auf 175 Einsätze für die A-Nationalmannschaft. Ihren größten Erfolg mit der „Natio“ feierte sie bei den Olympischen Spielen 2016 in Rio de Janeiro, als sie im Schweden-Dress die Silbermedaille gewann – auch damals unterlag man im Finale den Deutschen mit 1:2.

Über Verums GOIF und Vittsjö GIK gelang ihr 2000 der Wechsel zum Kristianstad DFF, bei dem sie erstmals in Schwedens höchster Frauen-Spielklasse auflief. Nur drei Jahre später schaffte sie den Sprung zu Malmö FF, jetzt bekannt als FC Rosengård. 2010 gewann sie mit dem Klub ihre erste schwedische Meisterschaft und verteidigte den Titel prompt im Jahr darauf, 2012 folgte der Wechsel zu Linköpings FC. Fischer, die sich zu einer gestandenen Innenverteidigerin entwickelte, machte mit tollen Leistungen auf sich aufmerksam und wurde zur Saison 2013/2014 vom damaligen Wolfsburg-Trainer Ralf Kellermann, der gleichzeitig als sportlicher Leiter agierte, ablösefrei in die Autostadt gelotst – für beide Seiten ein wahrer Glücksgriff. Fischer etablierte sich unmittelbar als Führungsspielerin und war jahrelang Kapitänin der „Wölfinnen“. Mit dem VfL holte sie in sechs Jahren satte zehn Titel: einmal die Champions League, viermal die Deutsche Meisterschaft und stolze fünfmal den DFB-Pokal.

Starke Performance auf und neben dem Platz: Nilla Fischer. (Foto: Tom Seiss)

Während die schwedische Liga zwischen 2002 und 2008 lange zu einer der besten der Welt zählte – Umeå IK stand in der Zeit fünf Mal im Finale Women’s Cup – und Spielerinnen wie Marta ausbildete, muss sich die „Damallsvenskan“ (Dam = Frauen und Allsvenskan = Name der Herren-Liga) mittlerweile hintenanstellen. Länder wie Deutschland, England, Spanien und Frankreich haben wirtschaftlich aufgeholt und locken mit ihren attraktiven Gesamtpaketen die Top-Talente der schwedischen Liga. Infolge der Abwanderung prominenter schwedischer Spielerinnen aus der geringer budgetierten Damallsvenskan, bauen die Teams nun vermehrt auf die Ausbildung und Förderung ihrer eigenen Jung-Talente. Die Spannung in der Liga ist jedoch auch ohne prominente schwedische Weltklassespielerinnen garantiert: So schaffte es beispielsweise ein gesetzter Abstiegskandidat wie Limhamn Bunkeflo die vermeintlich „Großen“ des FC Rosengård zu Hause mit 3:2 zu schlagen. 2018 wurde mit Piteå IF eine Mannschaft Meister, deren Spielerinnen parallel zum Sport arbeiten beziehungsweise studieren.

Engagement über das Spiel hinaus

Auch wenn es sich bei Fußball um eine Berufung handelt, so gibt es Momente, in denen der Sport in den Hintergrund gerät. Und so ist Fußball nicht mehr alles im Leben der Nummer 4 des VfL Wolfsburg. Die Prioritäten der Abwehrspielerin änderten sich am 25. Dezember 2017, als Ehefrau Maria Michaela, die sie 2013 heiratete, Söhnchen Neo zur Welt brachte. „Neo rules the world“, sagte sie damals in einem Interview. Daraus resultierte auch der Entschluss, nach der laufenden Saison nach Schweden zurückzukehren. Bei den Wolfsburgerinnen lief ihr Vertrag ursprünglich regulär noch bis 2020, die Innenverteidigerin machte aber von der Ausstiegsklausel Gebrauch, die ihr eine vorzeitige Rückkehr nach Schweden zur Saison 2019/2020 ermöglichte. Sie unterschrieb einen Zwei-Jahres-Kontrakt bei Linköpings FC. „Ich habe sonst immer meine Entscheidungen als Fußballerin getroffen, dieses Mal habe ich mich aber als Mutter zu diesem Schritt entschlossen, weil es für uns wichtig ist, dass unser Sohn im familiären Umfeld aufwächst“, begründete die 34-Jährige den vorzeitigen Wechsel zurück in die Damallsvenskan.

Fischer wird nicht nur spielerisch eine große Lücke hinterlassen. Auch menschlich hat sie viel bewegt – in Wolfsburg und ganz Deutschland, in Teilen sogar auf der ganzen Welt: Seit dieser Saison laufen alle Spielführer*innen des VfL Wolfsburg mit einer Regenbogen-Kapitänsbinde auf. Der Verein will damit ein klares Zeichen gegen Ausgrenzung und Homophobie und für die Vielfalt im Fußball setzen. Initiiert hat das ganze Fischer, die sich seit Jahren für die Rechte und die Anerkennung Homosexueller einsetzt. Im März 2017 trat die Fußballerin im Rahmen der „Internationalen Wochen gegen Rassismus“ an ihren Verein heran und bat darum, eine Regenbogen-Kapitänsbinde tragen zu dürfen. „Der Regenbogen symbolisiert Stolz, Vielfalt und Respekt füreinander. Im Fußball machen wir uns oft gegen Rassismus stark, was großartig ist. Aber mir ist es wichtig, das große Ganze zu betrachten, und da müssen wir auch Homophobie und Sexismus ins Blickfeld nehmen“, sagte sie damals.

„Hört niemals auf, Fußball zu spielen und hört niemals auf, für Gleichberechtigung zu kämpfen.“ (Foto: Tom Seiss)

Als sie 2018 zu Schwedens Fußballerin des Jahres und zur besten Verteidigerin Schwedens gekürt wurde, hielt sie bei der Gala des schwedischen Fußball-Verbandes eine bewegende Rede und sprach über die ungleiche Bezahlung im Männer- und Frauensport: „Ungerechtigkeit tut weh! Würde ich heute hier als Mann stehen, mit der Karriere, die ich gehabt habe, bräuchte ich mir keine ökonomischen Sorgen mehr machen, auch meine Kinder nicht. Wir spielen, weil wir den Sport lieben. Deshalb möchte ich euch Mädchen sagen: Hört niemals auf, Fußball zu spielen und hört niemals auf, für Gleichberechtigung zu kämpfen.“

Fischer hat die Ansichten einer ganzen Stadt nachhaltig verändert. Sie hat etwas bewegt. Sie hat unermüdlich gekämpft und sich eingesetzt. Sie hat eine Verbindung hergestellt, denn der Regenbogen, ein starkes Zeichen für Akzeptanz, ist aus Wolfsburg nicht mehr wegzudenken. Diese Werte verkörpert sie auch als eine der Leistungsträgerinnen der schwedischen Frauenfußball-Nationalmannschaft. Es ist davon auszugehen, dass die Innenverteidigerin auch bei der nun anstehenden Weltmeisterschaft in Frankreich, die wohl gleichzeitig ihr letztes großes Turnier sein wird, ein weiteres (Ausrufe-) Zeichen setzen wird. Sie wird alles dafür geben, mit ihrem Team in diesem Jahr endlich den lange ersehnten ersten Weltmeistertitel zu gewinnen – und ihre internationale Karriere noch ein (letztes) Mal zu krönen.


Zur Person: Jasmina Schweimler schreibt als Journalistin unter anderen für die WAZ und den Sportbuzzer über Frauenfußballer und gehört zum Podcast-Kollektiv-FRÜF.

Kommentieren

_______________________________

Hier geht’s zu den anderen Gruppen:

WM 2019 – 24 Spielerinnen, die die Welt verändern – Gruppe B

Auch wenn die letzten Turniere nicht wirklich erfolgreich gestaltet werden konnten – Deutschland ist Favorit in Gruppe B. China und Spanien könnten das zweite Ticket für das Viertelfinale unter sich ausmachen während Südafrika als Außenseiter mit einigen erfahrenen Spielerinnen in seinen Reihen auf eine Überraschung hofft.

Deutschland – ein Neuanfang

„Deutschland ist eine Turniermannschaft“, heißt es immer wieder – doch ist das wirklich so? Zwar können die Spielerinnen der deutschen Frauenfußball-Nationalmannschaft unter anderem stolz auf insgesamt sieben Teilnahmen an Weltmeisterschaften zurückblicken, jedoch dürfen hierbei weder der wenig souveräne Auftritt bei der Heim-WM 2011, noch die mehr als unrühmliche Teilnahme an der letzten EM im Jahr 2017 in den Niederlanden ausgeblendet werden.

Während die deutschen Frauen von 1995 bis zum Jahr 2013 erfolgreich den Europameister-Titel verteidigten, schied man 2017 unter der Leitung der 111-fachen A-Nationalspielerin Steffi Jones nach teils desolater Leistung in der Vorrunde im Viertelfinale verdient gegen den späteren Vize-Europameister Dänemark mit 1:2 aus. Der Aufschrei war groß, die Kritik – insbesondere an der Bundestrainerin – harsch. Das „Projekt Steffi Jones“ war gescheitert.

Begonnen hatte die Zusammenarbeit Jones’ mit dem DFB nach den Olympischen Spielen 2016 in Rio de Janeiro, bei denen sich die DFB-Elf mit einer Goldmedaille von der scheidenden Bundestrainerin Silvia Neid verabschiedet hatte. Auf die zweifache Fifa-Welttrainerin Neid sollte nach Wunsch des DFB die im Trainerbereich völlig unerfahrene Steffi Jones folgen. Die ehemalige Abwehrspielerin hatte deshalb von August 2015 bis zu den Olympischen Spielen im Sommer 2016 als Co-Trainerin von Neid gearbeitet, um Erfahrung zu sammeln.

Die damaligen Fifa-Weltranglisten-Ersten zeigten statt Weltklasse-Fußball nur noch Weltklasse-Unsicherheit und die Nationalmannschaft war ein Schatten ihrer selbst: Dynamik wich Statik, die Kreativität der Einfallslosigkeit. Dennoch hielt der DFB an Steffi Jones fest. Nach eingehender Analyse der Europameisterschaft sprach ihr der Verband sein Vertrauen aus und verlängerte ihren Vertrag vorzeitig.

Doch auch diese zweite Chance des DFB konnte Steffi Jones nicht nutzen. Im Gegenteil: Die Talfahrt der deutschen Frauen hielt an. Den absoluten Tiefpunkt sollte dabei der „SheBelieves-Cup“ im März 2018 in den USA bilden: Die DFB-Frauen belegten dort den letzten Platz und Steffi Jones war nicht mehr im Amt zu halten. Der DFB entband die 46-Jährige mit sofortiger Wirkung von allen ihren Aufgaben.

543 Tage nach Jones’ Amtsantritt übernahm mit Horst Hrubesch ein alter Bekannter des DFB interimsweise das Amt des Bundestrainers. Während unter Jones sogar die Qualifikation für die Weltmeisterschaft auf der Kippe stand und Deutschland in der Fifa- Weltrangliste auf Platz 2 hinter die USA abrutschte, gewann das Team mit Hrubesch alle ausstehenden Qualifikationsspiele – und das noch dazu ohne Gegentor. Dass Horst Hrubesch jedoch keine Dauerlösung auf der Trainerposition sein sollte, war von Anfang an klar. Martina Voss-Tecklenburg, die zu dem Zeitpunkt noch die Schweizer Frauenfußball-Nationalmannschaft coachte, sollte den Erfolgskurs von Horst Hrubesch fortsetzen.

Auch Voss-Tecklenburg ist in Deutschland keine Unbekannte. Die ehemalige Nationalspielerin stand von 1984 bis 2000 im Dienste der deutschen Nationalmannschaft und wurde in dieser Zeit allein vier Mal Europameisterin. 2008 begann ihre Trainerkarriere beim FCR 2001 Duisburg, jetzt bekannt als MSV Duisburg. Nachdem sie dort im Februar 2011 beurlaubt wurde, folgte ein kurzes Engagement beim FF USV Jena. Ihren Einjahresvertrag löste sie im Januar 2012 auf, um im Monat darauf bei der A-Nationalmannschaft der Schweizerinnen anzuheuern.

Unter ihr gewannen die Schweizerinnen unter anderem 2017 den Zypern-Cup und kletterten in der Fifa-Weltrangliste von Platz 26 auf Platz 17. Im April 2018 gab der DFB die Verpflichtung der Deutschen bekannt, die aber erst noch die WM-Qualifikation mit der Schweiz zu Ende spielen wollte. Am Ende scheiterte man nur knapp im Finale der Playoffs gegen die Niederlande.

Eine Spielerin, die Voss-Tecklenburg schon sehr gut kennt, ist Alexandra Popp. Die 28-Jährige, die inzwischen beim VfL Wolfsburg unter Vertrag steht, gab am 7. September 2008 unter Voss-Tecklenburg ihr Bundesligadebüt gegen den Herforder SV. Es war eine prägende Zeit: In Duisburg gewann das Duo gemeinsam den UEFA Women’s Cup und zweimal den DFB-Pokal. Popp lobt vor allem die Kommunikation der Bundestrainerin, man wisse bei ihr immer, „woran man ist.“ Die Loyalität beruht auf Gegenseitigkeit: Im Februar dieses Jahres wurde Popp zur neuen Spielführerin der deutschen Nationalmannschaft ernannt. Sie folgte auf Dzsenifer Marozsán, die unter Steffi Jones die Kapitänsbinde erhalten hatte und damit nie wirklich glücklich schien. Es war daher Marozsáns eigener Wunsch, das Amt zur Verfügung zu stellen.

Popp, die schon seit 2012 in Wolfsburg spielt, kann ein Team mitreißen und motivieren, geht auf dem Platz gerne mutig voran. Mit dem VfL gewann sie auf Vereinsebene schon alles, was es zu gewinnen gibt: zwei Mal die Königsklasse, fünf Mal die Meisterschaft und sechs Mal den DFB-Pokal. Die 28-Jährige ist vielseitig einsetzbar und sich für keine Position zu schade – genau das macht die Deutsche so wertvoll. Während sie in dieser Saison zunächst überwiegend einen Teil der Wolfsburger-Offensivreihe bildete, agierte sie zum Ende hin auch auf der Sechser-Position und sicherte die Defensivreihe ab. Auch in der Innenverteidigung kam sie in der abgelaufenen Spielzeit zum Einsatz. Mit ihrer robusten Spielweise und ihrem körperbetonten Spiel ist es für gegnerische Spielerinnen immer eine Herausforderung, an ihr vorbeizukommen. Doch Popp verfügt nicht nur über physische Präsenz, sondern auch über ein enorm starkes Kopfballspiel und einen extrem strammen Schuss.

Alexandra Popp ist die neue Kapitänin und soll die DFB-Auswahl in Frankreich zum Erfolg führen (Foto: Tom Seiss)

Darüber hinaus verfügt die gelernte Tierpflegerin auch über eine starke Meinung und ein hohes Maß an Selbstreflexion. Über die Zeit rund um die verpatzte Europameisterschaft sagte sie im Gespräch mit WAZ-Journalistin Jasmina Schweimler: „Es hat uns grundsätzlich dieser Faden gefehlt, wo wir hinwollen und was wir genau wollen.“ Es mangelte an normalen Dingen, „wie gefühlt wer zu laufen hat. Teilweise waren es die Basics, die gefehlt haben. Das hat das Fass zum Überlaufen gebracht.“ Horst Hrubesch brachte dann wieder mehr Struktur in die Mannschaft. „Wir haben gefühlt wieder bei null angefangen. Wir haben uns in einem Spielsystem ohne Ball auf den Platz gestellt und sind dann einfach von links nach rechts gelaufen, um mal wieder ein Gefühl dafür zu bekommen, wie man zu laufen hat. Da kam plötzlich wieder der Spaß, die Spielfreude. Vorher hatte sich jeder vergraben und Angst, Fehler zu machen.“

Einen schwarzen Peter solle man aber niemandem zuschieben, denn „wir als Spielerinnen müssen auf dem Platz versuchen, das Beste zu geben.“ Und das soll in Frankreich endlich wieder der Fall sein. Dass sie die Nationalmannschaft als Kapitänin aufs Feld führen darf, ist „keine Selbstverständlichkeit. Ich hoffe, dass ich das Team gut durchs Turnier führen kann und am Ende ein gutes bis sehr gutes Ergebnis bei rauskommt.“ Ein Traumfinale gibt es nicht, solange Deutschland am Ende als Sieger hervorgeht. Besonderen Druck aufgrund der guten Beziehung zu Voss-Tecklenburg spürt sie nicht. „Das spielt keine Rolle. Ich versuche, mir grundsätzlich selber keinen Druck zu machen. Für mich hat sich im Grunde nicht viel geändert, da ich zuvor auch schon Führungsspielerin war und ein relativ großes Sprachrohr.“

Für die Weltmeisterschaft bleibt nun aber vor allem zu hoffen, dass die DFB-Frauen ihre guten Leistungen für sich sprechen lassen und die Fans nach der verpatzten EM 2017 und dem SheBelieves Cup wieder begeistern können.

Zur Person: Jasmina Schweimler schreibt als Journalistin unter anderen für die Wolfsburger Allgemeine Zeitung und den Sportbuzzer über Frauenfußball und gehört zum Podcast-Kollektiv-FRÜF.

Kommentieren

China – die (Ex-)Top-Nation

Die Autoren Simon Super und Stefan Szymanski argumentieren in ihrem Buch „Soccernomics“ dass in der Zukunft nur noch Nationen wie die USA oder Iran die WM gewinnen werden, einfach weil diese Länder groß genug sind, viele talentierte Spieler hervorzubringen. Diese Theorie ist durchaus fragwürdig, denn dann müsste ja auch China immer weit vorn sein. Dem ist nicht so, zumindest bei den Herren. Bei den Herren ist die Bilanz verheerend: eine einzige WM-Teilnahme steht bisher zu Buche: 2002.

Bei den asiatischen Kontinentalmeisterschaften gab es lediglich zwei dritte Plätze. Die chinesische Liga dominiert die Schlagzeilen durch Mega-Transfers wie Carlos Tevez, nicht durch ihre spielerische Qualität.

Bei den Frauen sieht es anders, weil besser aus. Die Frauennationalmannschaft ist bei jedem Turnier im erweiterten Favoritenkreis zu finden. In den 1990ern belegte die Auswahl zweimal den zweiten Platz: 1996 bei Olympia und 1999 bei der WM. Zwischen 1986 und 2006 gewann man achtmal den AFC Women’s Asian Cup und drei Mal die Asian Games. Außer 2011 war China immer bei WM-Turnieren dabei und immer mindestens im Viertelfinale. Da war es nur eine Frage der Zeit, bis wieder eine chinesische Spielerin den Weg nach Europa findet.

Im Sommer 2018 war es soweit: Wang Shuang unterschrieb einen Vertrag für zwei Jahre bei PSG und wurde damit eine der wenigen Chinesinnen, die außerhalb ihres Heimatlandes Fußball spielt. Für sie ist PSG eine der drei besten Mannschaften der Welt. Die Popularität des Vereins wird dabei sicher auch von Neymar und Mbappè gesteigert, denn die Herren spielen regelmäßig die Champions Trophäe (Equivalent zum deutschen Supercup) in China aus. Ganz unschuldig sind Neymar & Co. nicht, wie sie sagt: „Neymar und Mbappé waren einer der Gründe, für Paris zu unterschreiben.“

Wang Shuang hat den Schritt nach Europa zu PSG gewagt. (Foto: Tom Seiss)

Obwohl sie erst 24 Jahre zählt, ist Wang eine der erfahrensten im Team; sie hat bereits mehr als 90 Länderspiele absolviert und dabei 25 Tore erzielt. Ihr Talent wurde schon früh sichtbar: mit zwölf Jahren spielte sie in der U-17 Auswahl ihres Heimatlandes. Bei der WM 2015 in Kanada war sie schon dabei, wenn auch nur als Reservistin. In diesem Jahr will sie eine Hauptrolle auf dem Rasen spielen.

Dass PSG sie nicht verpflichtet hat, um den chinesischen Markt zu erschließen, sagt sie selbstbewusst: „Ich bin eine von elf Spielerinnen und wegen meiner Fähigkeiten hier, nicht fürs Marketing.“ Der Verein hat dennoch eine dreiteilige YouTube-Serie über sie produziert, in der sie von ihren Erfahrungen erzählt, wie zum Beispiel dem chinesischen Neujahr, welches sie mit ihren Teamkolleginnen begangen hat mit traditionell-chinesischen Ravioli.

Bei ihrer Ankunft stellte sie bescheiden fest, dass sie sowohl physisch als auch von der Spielgeschwindigkeit her, noch zulegen könne. Ihre technische Finesse stellte sie gleich zu
Beginn der Saison eindrucksvoll unter Beweis als sie im September im Pariser Derby gegen den Paris FC in der 39. Minute einen sehenswerten Treffer aus 20m erzielte.

Im Rückspiel traf sie ebenfalls und war an allen drei Toren für ihre Mannschaft beteiligt. Im Oktober 2018 erzielte sie als erste Chinesin ein Tor in der Champions League im Spiel gegen Linköping. Dies unterstreicht noch einmal ihre Entwicklung in den letzten Monaten zu einer Stammspielerin. In ihrer ersten Saison in Paris stehen sieben Tore in achtzehn Spielen zu Buche.

Bei der WM in Frankreich geht es unter anderem gegen den zweimaligen Weltmeister Deutschland, Spanien und Südafrika. Eine schwierige Gruppe? Nicht für Shuang Wang; für sie ist jedes Spiel schwer bei einer WM, immerhin ist es das wichtigste Turnier bei dem die besten Mannschaften aufeinandertreffen. Für sie gilt die alte Fußballerweisheit, sich auf das eigene Spiel zu konzentrieren und das Beste zu geben. Ihr persönlicher Wunsch für die Weltmeisterschaft: möglichst viele Tore erzielen und dabei helfen, dass die Mannschaft ihre Ziele erreicht.

Zur Person: Autor Christoph Wagner ist Teil der 120minuten-Redaktion.

Kommentieren

Ein Halbfinale mit spanischer Beteiligung?

Im spanischen Fußball ist der FC Barcelona das Maß aller Dinge. Bei den Herren sowieso und bei den Frauen geht die Meisterschaft nicht ohne, dass die Katalanen ein Wörtchen mitzureden hätten. Im Schatten von Messi und Co. sind die Frauen in den letzten Jahren zu einem Spitzenteam gewachsen.

Anders sieht es in der Nationalmannschaft aus. Erst 2015 konnte sich Spanien erstmals für eine WM qualifizieren. Die heutige Kapitänin von Barcelona, Vicky Losada war es, die das erste Tor für Spanien erzielte im ersten Gruppenspiel gegen Costa Rica. Es sollte der einzige Punkt für Spanien bleiben, die anderen Spiele gegen Brasilien und Südkorea gingen mit 1:0 respektive 2:1 verloren. Bei den Europameisterschaften sieht es nicht viel besser aus: 1997 steht ein Halbfinale zu Buche, 2013 und 2017 jeweils das Viertelfinale.

Vicky Losada könnte bei ihrer 2. WM-Teilnahme Spanien zum ersten Halbfinaleinzug seit 1997 verhelfen. (Foto: Tom Seiss)

Im Frauenfußball ist Frankreich die Top-Nation. Olympique Lyon hat die letzten vier Jahre die Champions League gewonnen. In England und Deutschland wird ebenfalls gut gearbeitet; mit Wolfsburg und dem FC Bayern standen immerhin zwei deutsche Mannschaften im Halbfinale in diesem Jahr. Spanien dagegen kommt über die herausragende Ausbildung der Spielerinnen im technischen und taktischen Bereich. Was aber Spanien von den anderen abhebt, sind die Zuschauerzahlen. Während man in England und Deutschland in den Top-Ligen auf knapp 1.000 Zuschauer im Durchschnitt kommt, liegt der Zuschauerschnitt in der Primera Division Feminin bei mehr als 2.000.

Beispielhaft für den Aufstieg ist eben jene Vicky Losada, die alle Jugendmannschaften durchlief, zwar auch in England und in New York spielte, letztendlich aber doch wieder die Farben des FC Barcelona trägt. Das Champions League Finale 2019 war der Höhepunkt einer Entwicklung, die 2006 begann. Damals begann Xavi Llorens als Trainer und blieb bis 2017. Er baute die Mannschaft auf. Als erster Trainer von Lionel Messi weiß er, wie man junge Spieler*innen entwickelt.

Die Karriere von Vicky Losada verlief in den Anfangsjahren sehr steil: mit 14 debütierte sie in der zweiten Mannschaft von Barcelona, ein Jahr später in der Ersten. Es folgte ein kometenhafter Aufstieg: zwei Pokalsiege, 2012 das Double, 2013 sogar ein Tripel aus Pokal, Meisterschaft und Copa de Catalunya. Von 2011 bis 2017 hat sie in jedem Jahr mindestens einen Titel geholt.

Was sagen Mitspielerinnen, ehemalige wie aktuelle, über sie? Ihre ehemalige Teamkollegin bei Arsenal, Natalia Pablos sagt, „es ist ein Traum, sie in der Mannschaft zu haben und ein Albtraum, gegen sie spielen zu müssen. Auf und neben dem Platz ist sie eine Führungsspielerin.“ Ganz ähnlich spricht auch Laura del Rio über sie. „Vicky kann ein Spiel wahnsinnig gut lesen und ist beidfüßig, wodurch sie immer für eine Überraschung im Spiel gut ist. Ihre Freistöße sorgen immer wieder für Gefahr. Sie ist eine Superspielerin.“

Bei der WM 2019 wird es für Spanien darum gehen, gegen die Gruppenfavoriten aus Deutschland und China zu bestehen und dabei guten Fußball zu zeigen. Als eine der Schlüsselspielerinnen in der spanischen Auswahl ist Vicky Losada ein wichtiger Baustein für ein gutes Abschneiden.

Zur Person: Autor Christoph Wagner ist Teil der 120minuten-Redaktion.

Kommentieren

Südafrika – der Außenseiter in Gruppe B

Südafrika geht als 49. der Weltrangliste als Außenseiter in das Turnier. Beim letzten Afrika-Cup gelang der Finaleinzug, beim Zypern-Cup reichte ein Unentschieden aus vier Spielen nur für Platz 10. Im Kader stehen vor allem Spielerinnen aus der südafrikanischen SAFA Sasol Women’s League, einige Spielerinnen sind aber auch in Europa, Asien und Nordamerika aktiv. Autorin Nozibusiso Sibiya hat vor dem Turnier Stimmen aus dem Team und von Expertinnen eingefangen:

Die südafrikanische Frauenfußballmannschaft, die auch Banyana Banyana genannt wird, wird im Juni zum ersten Mal bei einer Weltmeisterschaft antreten. Das Team wird sich in Gruppe B mit Deutschland, China und Spanien messen.

Trainerin Desiree Ellis ist im Vorfeld des bevorstehenden Turniers zuversichtlich, dass ihre Spielerinnen nicht enttäuschen werden, da sie in der Qualifikation gut abgeschnitten haben.
“Wir haben großartige Führungspersönlichkeiten im Team und das ist wichtig, weil wir uns gegenseitig ermutigen und leiten, sowohl auf als auch neben dem Platz”, sagt Ellis.

Sie erwähnt auch, dass sie sehr dankbar ist, Banyana Banyana zu einer Zeit zu trainieren, in der das Team viele Kapitäne hat, die in ihren jeweiligen Teams eine wichtige Rolle spielen.
“Wenn man sich unsere aktuelle Auswahl ansieht, haben wir Janine [van Wyk] als Kapitänin, aber wir haben auch Spielerinnen wie Refiloe Jane, die in ihrem Verein Captain ist. Auch während meiner Karriere war ich Kapitänin, und wir hatten Führungspersönlichkeiten wie Sibongile Khumalo – solche Spielerinnen helfen einem auf dem Feld, auch wenn am Ende des Tages nur eine die Kapitänsbinde trägt.”

Janine van Wyk (Carlos Figueroa Rojas [CC BY-SA 4.0])


Janine van Wyk

Sie bestritt ihr erstes Länderspiel 2005 und ist mit über 150 Einsätzen für die südafrikanische Auswahl Rekordnationalspielerin. Die Verteidigerin errang mehrere Meistertitel in Südafrika und gründete 2013 einen eigenen Frauenfußballverein, den JVW FC, für den sie bis 2016 spielte. Seit 2017 spielt sie für Houston Dash in der National Women’s Soccer League.


Simphiwe Dludlu hat bis 2015 63 Mal für die Banyana Banyana gespielt und trainiert aktuell die U17-Auswahl. Für sie sind die Schlüsselspielerinnen Refiloe Jane, Janine Van Wyk, Themba Kgatlana, Linda Matlhalo und die junge Karabo Dhlamini, die aus der U17 zum Kader stieß.

“Die Spielerinnen haben Erfahrung und haben bis zur Weltmeisterschaft sehr gut in der Qualifikation gespielt. Sie alle haben Erfahrung im Ausland gesammelt und werden Banyana Banyana weiterhelfen. Rhoda Mulaudzi hat in Australien wirklich gut gespielt – sie wird ihre Torgefahr einbringen.” sagte Dludlu.

Dludlu denkt, dass sich Dhlamini, trotz ihrer Jugend, bei der WM durchsetzen kann.
“Sie hat bei der U17-Weltmeisterschaft Charakter gezeigt und bewiesen, dass sie sich mit jedem Spiel weiterentwickelte und das Spiel bereicherte.”

Die ehemalige Nationalspielerin lobte auch Desiree Ellis für ihre Leistungen mit dem aktuellen Team und glaubt, dass Ellis’ Erfolgsgeheimnis die harte Arbeit sowohl auf als auch neben dem Platz ist. “Ich kann dem Team mitgeben, dass eine gute Vorbereitung keinen Erfolg garantiert, aber die Chancen auf ein erfolgreiches Turnier verbessert”, schloss sie.

Zur Person: Nozibusiso Sibiya stammt aus Johannesburg und beschäftigt sich als freie Journalistin mit den Themen Fußball und Gesundheit.

Kommentieren

_______________________________

Hier geht’s zu den anderen Gruppen:

WM 2019 – 24 Spielerinnen, die die Welt verändern – Gruppe A

Mit Norwegen und Nigeria treffen in WM-Gruppe A zwei Nationalteams aufeinander, die bisher noch keine einzige Fußball-Weltmeisterschaft der Frauen verpasst haben. Reichlich Erfahrung also, was man von Gastgeber Frankreich (bisher 14 WM-Partien) und den Südkoreanerinnen (7 Weltmeisterschaftsspiele) nicht unbedingt behaupten kann. Trotzdem dürften Les Bleues die Favoritenrolle für sich reklamieren, wenngleich Nationaltrainerin Corinne Diacre wohl nicht ganz zu unrecht von einer “schwierigen Gruppe” spricht.

Corinne Diacre – Pionierin, Trainerin, Hoffnungsträgerin

“Je größer die Herausforderung ist, desto größer wird meine Bereitschaft, sie anzunehmen”, so Corinne Diacre im Juni 2017 in einem Beitrag für das Socrates-Magazin. Zu jenem Zeitpunkt steht die heutige französische Nationaltrainerin noch bei Clermont Foot unter Vertrag und trainiert dort die Männer – als erste Französin im heimischen Profifußball überhaupt.

Ohnehin ist “Erste” ein Label, das zu vielen Punkten in Diacres Karriere passt. 2014 war sie die erste Frau, die das höchste Übungsleiter*innen-Diplom in Frankreich erwarb und mit dem sie fortan auch im professionellen (Männer-)Fußball arbeiten konnte. Im November 2002 erzielte sie das Siegtor in einem Qualifikationsspiel gegen England, das der französischen Frauen-Nationalmannschaft das erste WM-Ticket in der Geschichte des Verbandes sicherte. Diacre war außerdem die erste Frau, die über 100 Mal für Frankreich spielte, bis 2008 war sie Rekordnationalspielerin ihres Landes. Es ist sicherlich nicht vermessen, zu behaupten, dass Corinne Diacre im französischen (Frauen-)Fußball eine Vorreiterinnen-Rolle einnimmt.

Dass das nicht immer einfach ist, illustrieren Erinnerungen an ihre Anfangszeit bei Clermont:

“Die ersten Wochen verliefen alles andere als positiv. Nach fünf Spieltagen unter meiner Regie hatten wir keinen Sieg errungen. Ich spürte bereits die Egos mancher Spieler und die Unzufriedenheit mir gegenüber, weil ich eine Frau bin. Der Druck war immens. Für ein halbes Dutzend unserer Spieler war ich nicht wirklich legitim, eine solche Position auszuüben, nur mit dem Argument, dass ich eine Frau bin.” (Socrates-Magazin)

Mit dem Druck weiß Diacre umzugehen. Einerseits, weil Clermont nicht ihr erster Trainerinnen-Job ist, andererseits, weil sie sich während ihrer gesamten Zeit im Club der Rückendeckung von Vereinspräsident Claude Michy sicher sein kann. Im Winter trennt sich Diacre von fünf Spielern und führt den Verein in ihrem ersten Jahr zum Klassenerhalt. In der darauffolgenden Saison spielt Clermont lange um den Aufstieg in die Ligue 1 mit und wird am Ende Siebenter – ein großer Erfolg für einen Verein, der mit verhältnismäßig geringen Mitteln auskommen muss. Für Diacre persönlich bringt die gute Arbeit bei Clermont die Auszeichnung als “Bester Zweitligatrainer des Jahres” (sic!) im Dezember 2015.

Die Fußballleidenschaft wurde Diacre in die Wiege gelegt: Ihr Vater arbeitete als Sportlehrer und nahm seine Tochter regelmäßig mit auf den Fußballplatz. Bald beginnt die heutige Trainerin selbst mit dem Kicken und spielt ab ihrem 12. Lebensjahr in gemischten Mannschaften. Das ist Mitte der 80er Jahre, der Frauenfußball in Frankreich steckt allenfalls in den Kinderschuhen.

“Am Anfang waren meine Eltern nicht gerade begeisterte Anhänger des Frauenfussballs. Aber mein Vater, der ein leidenschaftlicher Fußballanhänger ist, wurde bald auf mein fußballerisches Talent aufmerksam. Seitdem hat er mich eigentlich nur unterstützt, ohne jemals Druck auf mich auszuüben.” (FIFA.com)

Die Unterstützung geht so weit, dass die Eltern ihre Tochter 220 Kilometer nach Soyaux fahren, damit sie dort in einer reinen Frauenfußball-Mannschaft spielen kann. Diacre tut das von 1988 bis 2007, die Association Sportive Jeunesse Soyaux ist der einzige Verein im Erwachsenenbereich, für den sie die Töppen schnürt. In dieser Zeit erlebt sie die Entwicklung des französischen Frauenfußballs hautnah mit; mehr noch: sie ist eine der Protagonistinnen, die ihn in dieser Zeit deutlich prägen. Dass Diacre als Spielerin nie einen Titel gewann, stört sie rückblickend nicht:

“Ich habe nichts gewonnen. Es ist kaum zu glauben, aber ich habe weder mit meinem Klub noch mit der französischen Nationalmannschaft einen Titel gewonnen. Für mich ist das nicht frustrierend. Ich hätte jederzeit zu einem größeren und finanzkräftigeren Verein als Soyaux wechseln können, das stimmt. Auch wurde mir angeboten, in der U.S.-Liga zu spielen, aber ich habe das abgelehnt. Auch diese Entscheidung habe ich mir, wie übrigens alle, die ich in meinem Leben getroffen habe, reiflich und lange überlegt.” (FIFA.com)

Wie lange die Entscheidung reifte, Clermont Foot im September 2017 zu verlassen und den Cheftrainerinnen-Posten der Nationalmannschaft zu übernehmen, ist nicht überliefert. Bekannt ist hingegen, dass der französische Verband Diacre bereits ein Jahr zuvor als Nachfolgerin von Philippe Bergeroo verpflichten wollte. “Man geht im September nicht von Bord seines Schiffes”, hatte die Trainerin seinerzeit noch gesagt, zwölf Monate später dann aber doch beim Verband angeheuert. Davon, dass auch diese Entscheidung reiflich überlegt war, darf allerdings ausgegangen werden.

Die Mission für Diacre und ihr Team im Sommer 2019 ist eindeutig: Bei der Heim-Weltmeisterschaft soll der Titel her, nachdem die Mannschaft bei den letzten Turnieren jeweils im Viertelfinale gescheitert war. Insofern ist dieser Job nun die bisher vielleicht größte Herausforderung in der Karriere der Corinne Diacre. Mit Blick auf ihre bisherige Laufbahn und die letzten Ergebnisse des französischen Nationalteams spricht vieles dafür, dass die Ex-Nationalkapitänin und -Rekordspielerin auch dieser Herausforderung gewachsen sein wird.


Zur Person: Alex Schnarr ist Teil der 120minuten-Redaktion und beschäftigt sich dort mit den gesellschaftlichen Zusammenhängen in und um den Fußball.

Kommentieren

Cho So-hyun – “Ich muss auf dem Platz eine Anführerin sein”

Cho So-hyun wird die koreanische Auswahl in Frankreich als Kapitänin aufs Feld führen. Das Turnier in Frankreich ist die zweite WM-Teilnahme für Südkorea. Wir sprachen mit Cho So-hyun über ihren Wechsel nach England, ihren Spielstil und die Erwartungen an das WM-Turnier.

Was war Ihr Beweggrund, von Korea nach Europa zu wechseln und insbesondere zu West Ham?

Es war immer mein Ziel, in England zu spielen. Ich habe gespürt, dass ich mich durch einen Wechsel hierher als Spielerin weiterentwickeln kann. Ich erhoffe mir auch, dass ich anderen koreanischen Spielerinnen zeigen kann, dass es möglich ist, in Europa Fuß zu fassen. Ich denke, es würde unserer Nationalmannschaft helfen, wenn mehr Spielerinnen hier aktiv wären. Es gab Interesse von anderen englischen Klubs, aber nachdem ich mit meinem Agenten gesprochen hatte, war klar, wie stark das Interesse von West Ham war, und dass ich gut ins Team passen würde. Der Manager suchte eine Box-to-Box-Spielerin für das Mittelfeld – meine Paraderolle. Es fühlte sich gut an, bei West Ham zu unterschreiben. Ich denke, wir haben bereits durch das Erreichen des FA-Cup-Finals bewiesen, dass der Wechsel für alle Beteiligten ein Erfolg war.

Cho So-hyun im FA-Cup-Finale gegen Manchester City (Foto: Tom Seiss)

Wie würden Sie Ihren Spielstil beschreiben?

Ich gebe immer mein Bestes. Ich bin Kapitänin der koreanischen Auswahl und muss auf dem Platz eine Anführerin sein. Mir wird nachgesagt, dass ich den Ball gut behaupten kann, über ein gutes Passspiel verfüge und das Spiel lesen kann. Koreanische Spielerinnen sind immer zurückhaltend und haben Freude am Fußball. Wir haben immer ein Lächeln im Gesicht – auch in schwierigen Situationen. In England hat man sich über mein Lächeln gewundert, als ich zum entscheidenden Elfmeter anlief, der uns das FA Cup Finale sicherte – ich war dabei nicht nervös und schoss den Elfmeter wie jeden anderen.

Füllen Sie im Verein eine andere taktische Rolle oder Position als in der Nationalmannschaft aus?

Am liebsten spiele ich als Acht. Als ich zu West Ham kam, gab es einige Verletzte im defensiven Mittelfeld, deshalb habe ich in einigen Spielen eher auf der Sechs gespielt. Das wird sich ändern, sobald die verletzten Spielerinnen zurück im Team sind. West Ham wird mich auf der Acht spielen lassen und ich kann das Bindeglied zwischen Abwehr und Angriff sein. In der Nationalmannschaft hatte ich eine eher defensivere Rolle, da wir eine sehr junge Mannschaft haben und der Trainer meine Erfahrung in der Defensive benötigte. Das ist nicht meine Lieblingsposition, aber ich stelle mich immer in den Dienst der Mannschaft und spiele dort, wo ich dem Team weiterhelfen kann – auch wenn das bedeutet, meine Qualitäten in der Offensive nicht voll ausspielen zu können.

Wie konnten Sie sich so schnell einen Stammplatz bei West Ham sichern?

Wegen meiner Erfahrung wurde mit mir von Anfang an als Stammspielerin geplant. Am besten gewöhnt man sich an den englischen Fußball, indem man Spielerfahrung auf dem Platz sammelt und Pflichtspiele bestreitet. Ich bin noch damit beschäftigt, mich an den Fußball hier zu gewöhnen und weiß, dass ich mich noch verbessern kann. Meine besten Leistungen für West Ham werde ich erst noch zeigen.

Können Sie beschreiben wie sich der koreanische Fußball seit Ihrem ersten A-Länderspiel 2007 entwickelt hat?

Die letzte Weltmeisterschaft hat uns Selbstbewusstsein eingeimpft, aber im Achtelfinale wurden uns Grenzen aufgezeigt. Frankreich spielte sehr guten Fußball und wir lernten, dass wir uns noch entwickeln müssen. Wir können uns mit unserem aktuellen Leistungsstand noch nicht zufrieden geben.

Wie schneidet die koreanische WK League im Vergleich zur englischen Liga ab?

Der englische Fußball ist schneller, das gilt auch für das Umschalten zwischen Abwehr und Angriff. In der koreanischen Liga wird mehr Wert auf Taktik gelegt und viel am Spielaufbau gearbeitet. Auch die Kommunikation läuft ganz anders ab. Koreanische Spielerinnen wollen keinen Ärger machen. Wenn jemand einen Fehler macht, dann nehmen wir das hin und versuchen einfach, zu helfen. Englische Spielerinnen äußern sich viel öfter, wenn ihnen etwas nicht passt. Es wird viel Wert darauf gelegt zu zeigen, was man selbst auf dem Platz möchte und was man von seinem Team erwartet. Die koreanische und die englische Herangehensweise – beides hat Vor- und Nachteile.

Wie populär ist Frauenfußball in Südkorea und hat es in den letzten Jahren diesbezüglich eine Entwicklung gegeben?

Es hat in letzter Zeit keine großen Veränderungen gegeben. Der Fußball muss sich immer noch weiter entwickeln. Wie in England gibt es große Unterschiede in der Bezahlung und der Behandlung zwischen weiblichen und männlichen Fußballer*innen. Das macht sich in Korea, wo das Interesse am Frauenfußball nicht so ausgeprägt ist, noch stärker bemerkbar. So gibt es zum Beispiel Gehaltsobergrenzen, die auch für die Nationalmannschaft gelten.

Können Sie die Spielphilosophie der koreanischen Auswahl erläutern – gibt es einen bestimmten Stil, den Ihr Coach etablieren möchte?

Wir befinden uns gerade im Umbruch. Mehr junge Spielerinnen werden in die Auswahl berufen, um sich dort weiterzuentwickeln. Als wir mehrere Verletzte hatten, bedeutete das, dass ich in einigen Freundschaftsspielen defensiver spielen musste, weil hinten die Erfahrung fehlte. Nichtsdestotrotz, sobald die Stammspielerinnen zurückkehren, werde ich auch wieder im Mittelfeld spielen, wo ich am effektivsten bin. Meine Aufgabe ist es oft, das Team anzutreiben und die Intensität unseres Spiels hoch zu halten – dafür muss ich mit gutem Beispiel vorangehen.

Welche Erwartungen haben Sie an das Turnier in Frankreich? Denken Sie, die koreanische Auswahl kann besser abschneiden als 2015?

Unser erstes Spiel haben wir gegen den Gastgeber – das wird eine schwierige Aufgabe, um ehrlich zu sein. Aber wir sehnen uns danach, uns mit spielstarken Teams zu messen. Ich freue mich auf das Spiel gegen Frankreich und kann es kaum erwarten. Bei der letzten WM in Kanada haben wir es bis ins Achtelfinale geschafft. Ich hoffe, dass wir diesmal eine Runde weiterkommen und ich in einem wichtigen Spiel ein Tor erzielen kann.

Zur Person: Das Interview hat die 120minuten-Redaktion geführt.

Kommentieren

Caroline Graham Hansen – Top-Vorbereiterin mit klarer Haltung

2017 gab die damals gerade 22-jährige Weltfußballerin Ada Martine Stolsmo Hegerberg ihren vorzeitigen Rücktritt aus der norwegischen Nationalmannschaft bekannt. Zuvor waren die Norwegerinnen, die sich in der Qualifikation den Gruppensieg erkämpft hatten und damit zum Kreis der potenziellen Titelaspirantinnen zählten, bereits in der Vorrunde der Europameisterschaft punkt- und torlos ausgeschieden – ein historisches Novum.

2019 meldeten sich die Norwegerinnen dann eindrucksvoll zurück: Nachdem sie am 4. September 2018 durch einen 2:1- Sieg gegen die amtierenden Europameisterinnen aus den Niederlanden die direkte Qualifikation für die Weltmeisterschaft in Frankreich geschafft hatten, sicherten sie sich ein halbes Jahr später den Sieg beim Algarve-Cup mit einem souveränen 3:0-Sieg gegen Polen.

Doch nicht etwa die amtierende Gewinnerin des Ballon d’Or hat den Norwegerinnen die Teilnahme an der Weltmeisterschaft in Frankreich oder den Titel beim Algarve-Cup gesichert – ihren Namen sucht man dort ebenso vergeblich wie in dem von Trainer Martin Sjögren veröffentlichten Kader für die bald beginnende Weltmeisterschaft in Frankreich. Wie kam es dazu, dass eine derart erfolgreiche Spielerin wie Ada Hegerberg im Team fehlt?

Ada Hegerberg (Foto: Tom Seiss)

Nach der verpatzten Europameisterschaft 2017 wäre es für Hegerberg aufgrund ihrer Referenzen ein Leichtes gewesen, an der Weltmeisterschaft 2019 teilzunehmen. Ein Rücktritt vom Rücktritt wurde ihr seitens des norwegischen Fußballverbandes mehrfach angeboten – bislang jedoch erfolglos. Es drängt sich die Frage auf: Wieso?

Hegerberg wollte mit ihrem Rücktritt ein Zeichen setzen. Sie sprach sich offen gegen den norwegischen Verband aus und forderte mehr Gleichberechtigung und bessere Bezahlung, prangerte an, dass man den Frauenfußball in Norwegen nicht genügend respektieren würde. Nur wenige Monate später einigte sich der norwegische Verband NFF mit dem Spielerverband NISO auf bessere Bezahlung für die Fußballerinnen.

Das Honorar der Frauenfußball-Nationalmannschaft wurde dem der Herren angeglichen. Wie der NFF damals mitteilte, sollen die Fußballerinnen für ihre Länderspiel-Einsätze insgesamt sechs Millionen norwegische Kronen bekommen, was in etwa 640.000 Euro entspricht. Außerdem tritt das norwegische Team der Herren knapp über eine halbe Million Kronen ab, die die Auswahl durch Werbeaktivitäten einnimmt.

Die gleiche Bezahlung sei zwar ein erster Schritt, aber die strukturellen Probleme lägen tiefer: „Ich wäre nicht die Spielerin, die ich heute bin, wenn ich nicht für meine Werte, meine Leidenschaft und meinen Glauben einstehen würde. Manchmal muss man schwierige Entscheidungen treffen, um sich selbst treu zu bleiben“, erläuterte Hegerberg in einem Interview mit The Guardian. Derzeit ist eine Einigung zwischen Hegerberg und dem Norges Fotballforbund nicht absehbar.

Die sportliche Lücke, die Hegerberg in der Nationalmannschaft hinterlassen hat, musste jedoch geschlossen und andere Spielerinnen mussten in die Verantwortung genommen werden. Eine davon ist Caroline Graham Hansen vom frisch gekrönten deutschen Double-Gewinner VfL Wolfsburg. Die 24-Jährige zählt schon lange zu den besten Spielerinnen der Welt, überzeugt mit ihrer unverwechselbaren Technik. Die in Oslo geborene Flügelflitzerin kann jedes Spiel entscheiden und ihre Mitspielerinnen in Szene setzen, glänzt aber auch selbst mit einem starken Abschluss.

In der vergangenen Frauen-Bundesliga-Saison bereitete sie stolze 28 Treffer vor und bildete gemeinsam mit Pernille Harder und Ewa Pajor das gefährlichste Offensiv-Trio der Liga. Hansen, die ihre Nichtteilnahme an der Weltmeisterschaft vier Jahre zuvor aufgrund eines anhaltenden Patellaspitzensyndroms noch mit „Natürlich bin ich enttäuscht, aber ich habe die besten Jahre noch vor mir“, kommentierte, ist bereit bei ihrer nun anstehenden ersten WM mit der A-Nationalmannschaft zu zeigen, was sie 2015 mit diesen „besten Jahre[n]“ meinte.

Hansen, die bis 2010 für Lyn Oslo spielte, wechselte wenige Monate nach ihrem 15. Geburtstag zum norwegischen Erstliga-Frauenfußball-Verein Stabæk FK in Bærum. Gleich in ihrem ersten Jahr bei Stabæk FK konnte sie die Meisterschaft in der Toppserien gewinnen. 2013 wagte Hansen dann den Schritt von Stabæk FK in die Damallsvenskan zu Tyresö FF, wo sie an der Seite von Ikonen wie Marta und Caroline Seger spielen durfte. Jedoch währte dieses Glück nicht lange, denn der Verein musste kurze Zeit später Insolvenz anmelden.

Es folgte eine kurze Rückkehr zu Stabæk FK, ehe sich Hansen 2014 für einen Wechsel in die Allianz Frauen-Bundesliga zum VfL Wolfsburg entschied. In fünf Jahren reifte sie dort zu der Führungsspielerin heran, die sie heute ist. Mit den Wölfinnen durfte sie drei Mal die Meisterschale und fünf Mal den DFB-Pokal in die Luft stemmen.

Caroline Graham Hansen im Spiel gegen den FC Bayern München (Foto: Tom Seiss)

Doch Hansen verdiente sich nicht nur auf dem Feld Respekt, sondern bewahrt auch daneben ihre klare Haltung. Im März 2018 kritisierte die 24-Jährige öffentlich FIFA-Chef Gianni Infantino. Infantino hatte im Iran das Derby zwischen den Männerteams Esteghlal und Persepolis Teheran besucht, bei dem 35 Frauen der Zutritt zum Stadion verwehrt wurde. Die Frauen wurden vor dem Stadion festgenommen und abgeführt. „Es ist sehr hoffnungslos, an einem Sport festzuhalten, bei dem unsere Hauptverantwortlichen sich dafür entscheiden, ein Land zu unterstützen, das Frauen unterdrückt, weil sie Frauen sind“, erklärte Hansen damals.

Infantino, der sich nach dem Spiel noch mit dem iranischen Präsidenten Rohani traf, versuchte diesen zwar zu einem Umdenken zu bewegen und auch Frauen den Zutritt zu Fußballspielen der Männer zu gewähren, verkündete aber gleichzeitig, dass die Fifa keinerlei Sanktionen wegen dieser Vorkommnisse gegen den Iran verhängen werde. Hansen rief daraufhin am letztjährigen Weltfrauentag via Twitter zur Solidarität mit Frauen weltweit auf, die nur deswegen benachteiligt werden, weil sie Frauen sind. Sie rief dazu auf, dass diese Frauen, die sie als ihre größten Vorbilder bezeichnete, nicht aufgeben – und weiterhin für ihre Rechte kämpfen sollten.

Klar ist schon jetzt: Die überwiegend in der Toppserien aktiven Spielerinnen der norwegischen Frauenfußballnationalmannschaft werden alles dafür tun, nach dem Gewinn des Algarve-Cups ihren zweiten Titel in diesem Jahr zu gewinnen, um so die Schmach der letzten Europameisterschaft endgültig vergessen zu machen. Die Chancen für die derzeit auf Platz zwölf in der Fifa-Weltrangliste gesetzten Norwegerinnen stehen hierfür auch dank Spielerinnen wie Caroline Graham Hansen, die zur kommenden Saison zum FC Barcelona wechselt, nicht schlecht. Immerhin haben sie der Offensivspielerin in gewisser Weise auch die Qualifikation zu bedanken: die 24-Jährige stand in allen acht Quali-Spielen auf dem Platz und erzielte sechs Tore.

Zur Person: Jasmina Schweimler schreibt als Journalistin unter anderen für die WAZ und den Sportbuzzer über Frauenfußballer und gehört zum Podcast-Kollektiv-FRÜF.

Kommentieren

Faith Ikidi – Routine, Ruhe und Erfahrung

„Gibt nicht auf, der Anfang ist immer schwer!“ Solche Motivationssprüche zieren in den vergangenen Wochen häufig das Instagram-Profil der nigerianischen Nationalspielerin Faith Ikidi. „Nicht das Ergebnis, das wir wollten, aber wir werden weiter hart arbeiten“, steht unter einem Mannschaftsfoto, das sie nach der 1:2-Niederlage im Vorbereitungsspiel gegen Kanada gepostet hat. Die nigerianische Nationalmannschaft hat es nicht immer leicht: Auf dem afrikanischen Kontinent ist sie unbestritten das beste Frauen-Team. International lässt der Erfolg jedoch auf sich warten. Mit der WM in Frankreich nehmen sie zum achten Mal an einer Weltmeisterschaft teil. Nur einmal, 1999, schafften sie es über die Vorrunde hinaus bis ins Viertelfinale.

Auch in der WM-Gruppe für dieses Turnier zählen sie deutlich zu den Underdogs: Frankreich, Norwegen und Korea lauten die Namen ihrer Gegnerinnen. Nur sechs der nigerianischen Nationalspielerinnen spielen im eigenen Land – der Rest verdient sein Geld im Ausland. So zog Asisat Oshoala dieses Jahr mit dem FC Barcelona ins Champions-League-Finale ein. Und Ikidi ist schon seit vielen Jahren in der schwedischen „Damallsvenskan“ zuhause – und verzeichnet immer mehr Erfolge.

Gemeinsam mit jungen, talentierten Spielerinnen zu spielen, macht sie froh. Das sagte Faith Ikidi vor drei Jahren gegenüber dem nigerianischen Guardian. Heute ist sie nach wie vor Teil des Nationalteams und nach Kapitänin Onome Ebi eine der Mannschaftsältesten. 2004 lief sie das erste Mal für ihre Nationalmannschaft auf. Sie ist die Routinier. Die Abwehrspielerin, die Ruhe und jahrelange Erfahrung in die Mannschaft bringt. Doch beim Afrika-Cup in Ghana im vergangenen Jahr musste sie sowohl im Halbfinale als auch im Finale auf der Bank sitzen. Ihre Mannschaft gewann den Pokal trotzdem.

Mit der Vorbereitung zur WM in Frankreich tauchte sie wieder in der Startelf auf: immer als Verteidigerin, mal innen, mal außen. Ikidi hat eine bemerkenswerte Vita – aber leicht hatte sie es trotzdem nicht immer. Im Jahr 2006 waren Ikidi, Maureen Mmadu und Yinka Kudaisi – beides ebenfalls nigerianische Nationalspielerinnen – die ersten Spielerinnen mit afrikanischem Hintergrund, die es in die schwedische Liga schafften und um die Meisterschaft mitspielen durften. Damals standen alle drei bei QBIK Karlstadt unter Vertrag und machten direkt eine schlechte Erfahrung: Sie hatten gerade der Nationalmannschaft geholfen, zum fünften Mal den Afrika-Cup zu gewinnen, waren noch vor Ort und feierten, als sie erfuhren, dass ihr Club ihre Verträge beendet hat. Sie hatten ohne Erlaubnis des Clubs in ihrem Heimatland gespielt. Diese hätten sie aber gebraucht, da die Afrikameisterschaft nicht im internationalen Spielkalender steht.

Aus heutiger Sicht ein klarer Fall von Diskriminierung, denn das Turnier fungiert als Qualifikation für die Weltmeisterschaft. Der nigerianische Fußballverband bat den schwedischen Verein, das nicht durchzuziehen, doch die Spielerinnen verloren diesen Kampf. Im Nachhinein entschädigte der Verband seine Spielerinnen für das verlorene Gehalt durch den Verlust ihres Jobs mit 10.000 US-Dollar pro Person.

Für Ikidi hatte das auch fünf Jahre später noch Folgen: Während sie nach QIBK zuerst bei Eskilstuna United DFF, dann bei Linköpings FC und ab 2011 Piteå IF spielte, pausierte sie in der Nationalmannschaft: Der Zeitplan der schwedischen Liga ist mit dem des Nationalteams nicht mehr vereinbar. „Viele Leute sagen, dass die Verpflichtung gegenüber der Nation zuerst kommt. Da stimme ich zu. Aber ich will, dass diese Menschen auch wissen, dass es die Clubs sind, die unser Gehalt zahlen“, sagte sie rückblickend gegenüber dem Guardian. Erst ab 2016 ist sie wieder Teil des Kaders. Sie handelt jedoch vorsichtiger, wenn sie für das Nationalteam einberufen wird.

Und das, obwohl die „Super Falcons“, wie die Mannschaft auch genannt wird, in Nigeria ein echtes Vorbild sind: Die Frauennationalmannschaft gilt als das beste Team auf dem afrikanischen Kontinent und viele Mädchen und Frauen schauen zu den Spielerinnen auf, auch, weil sie Vorurteile und Rollenklischees bekämpfen. Dreizehn Mal wurde der Africa-Cup bereits gespielt, elf Mal haben sie ihn gewonnen. So triumphierten die Super Falcons gegen Südafrika im vergangenen Jahr beim Elfmeterschießen im Finale im Accra Sports Stadium in Ghana. Die Super Falcons sind durch ihre Erfolge bekannt und genießen ein gewisses Ansehen unter den Nigerianer*innen.

Was Geld und den eigene Wert betrifft, sind die Spielerinnen ebenfalls ein Vorbild: Als sie 2016 keine Siegprämie für den Afrika-Cup erhalten sollten, protestierten sie gegen den Verband, indem sie zehn Tage lang in einem Hotel in Abuja verharrten und nicht gehen wollten, bevor sie bezahlt würden. Auch Ikidi nahm an der Aktion teil. Der Protest hatte seine Berechtigung: Während die Männermannschaft für jede WM-Teilnahme Boni erhielt, sollten die Frauen bei ihrem zehntem Africa-Cup-Titel leer ausgehen. Für einen Tag organisierten sie sogar einen Protest-Marsch, für den sie mit Plakaten am Parlament vorbeizogen. Dieser zeigte seine Wirkung: Die Regierung gab dem Verband Geld, so dass am Ende jede Spielerin 23.650 Dollar erhielt.

Die Infrastruktur vor Ort ist allerdings immer noch schlecht. Nur sechs Nationalspielerinnen spielen in der nigerianischen Liga. Sie bekommen zwar ein festes Gehalt, doch manchmal kann der Club nicht zahlen und ihr Lohn wird erst später ausgezahlt. Auch bietet die nigerianische Liga wenig Attraktivität, da es lediglich die Ligaspiele gibt, aber keine Pokalspiele oder etwas, das mit der Champions-League vergleichbar wäre.

Erfolge verzeichnet Ikidi nicht nur mit den Super Falcons: 2015 bekam sie die Auszeichnung zur Abwehrspielerin des Jahres in Schweden. Mit Pitea IF holte sie 2018 für den Club erstmals den Meistertitel in der Schwedischen Liga. Und beim entscheidenden Meisterschaftsspiel zeigte Ikidi eine so gute Leistung, dass sie zur Spielerin des Spiels gewählt wurde. Ob sie das bei der kommenden WM als eine der Ältesten auch schaffen kann? Wir werden sehen.

Zur Person: Tamara Keller ist Journalistin und schreibt für die Badische Zeitung. Zu hören ist sie bei FRÜF – Frauen reden über Fußball.

Kommentieren

_______________________________

Hier geht’s zu den anderen Gruppen: