a Juliane Meuser – 120minuten https://120minuten.github.io Lange Texte. Über den Fußball. Thu, 06 Jun 2019 13:55:03 +0000 de-DE hourly 1 https://wordpress.org/?v=5.4.2 73012590 WM 2019 – 24 Spielerinnen, die die Welt verändern – Gruppe E https://120minuten.github.io/wm-2019-gruppe-e/ https://120minuten.github.io/wm-2019-gruppe-e/#respond Wed, 05 Jun 2019 07:00:28 +0000 https://120minuten.github.io/?p=6054 Weiterlesen]]> Eine lebende Legende, eine 22jährige Stürmerin, die bereits ein Buch veröffentlicht hat, eine Naturgewalt und eine große Unbekannte – die Paarungen in Gruppe E versprechen schon allein aufgrund der ganz unterschiedlichen Protagonistinnen jede Menge Unterhaltung. Das Topspiel der Gruppe lautet Kanada gegen die Niederlande, letztere sind immerhin amtierende Europameisterinnen.

Christine Sinclair – Die Bomberin aus Burnaby

Bei der Frage nach dem besten Nationalmannschaftsstürmer aller Zeiten wird manch einer sicher reflexhaft Gerd Müller antworten. Oder vielleicht Cristiano Ronaldo. Naheliegende Gedanken, zweifelsohne. Doch Gerd Müller ist nicht mal in mehr Deutschland der treffsicherste Internationale. Miroslav Klose hat den Münchner kurz vor seinem Karriereende überholt und insgesamt 71 mal für Deutschland getroffen. Ronaldo liegt mit 85 Toren hinter Ali Daei (109) auf Platz zwei der Liste – zumindest bei den Männern. Denn die erfolgreichsten Schützen bei den Nationalmannschaften sind allesamt Frauen. Gleich 17 Damen haben mehr als 100 Mal für ihr Land getroffen. Über allen steht die US-Amerikanerin Abby Wambach mit 184 Treffern.

Noch. Denn bei der Weltmeisterschaft in Frankreich könnte es ein Wachablösung geben. Die Kanadierin Christine Sinclair schickt sich an, die Spitzenposition in der ewigen Bestenliste zu übernehmen. Aktuell steht die Stürmerin, die 1983 in Burnaby geboren wurde, bei 181 Toren für Kanada.

“Nur noch zehn”

Die Frage nach dem Rekord verfolgt Sinclair schon eine ganze Weile. Als sie ihren 175. Treffer erzielte, riefen ihre Mitspielerinnen: “Nur noch zehn”. Seit vergangenem Herbst ist das Thema omnipräsent. Und scheint Kanadas Kapitänin ein wenig zu nerven. “Hey, du könntest die meisten internationalen Tore aller Zeiten geschossen haben” sagte sie dem Portal Maclean’s. “Das wäre ein schöner Nebeneffekt. Aber darauf lag nie mein Fokus.” Sinclair hofft, die Marke bald erreicht zu haben, damit sie und ihre Teamkolleginnen sich dann wieder auf das Wesentliche konzentrieren können.

Das Wesentliche ist die Weltmeisterschaft in Frankreich. Dort will die 35-Jährige mit ihrem Team möglichst weit kommen. Selbst der Titelgewinn erscheint nicht völlig utopisch. Immerhin gewann Kanada bei den Olympischen Spielen in Rio und London die Bronzemedaille und erreichte bei der Heim-WM vor vier Jahren das Halbfinale. Zudem hat Sinclair mit dem FC Gold Pride, Western New York Flash, und mit dem Portland Thorns FC insgesamt vier Meisterschaften in der amerikanischen Profiliga gewonnen.

Ungewöhnliche Abgeklärtheit

An Erfolge mit der Nationalmannschaft war in keinster Weise zu denken, als Sinclair vor gut 20 Jahren ihre Profikarriere begann. Entdeckt wurde sie vom Norweger Even Pellerud, dem damaligen Nationaltrainer Kanadas. Mit 16 lief sie das erste Mal für ihr Land auf – beim Algarve-Cup in Portugal. Bereits im zweiten Länderspiel gegen Norwegen gelang ihr der erste Treffer. Schon damals bewies Sinclair eine für ihr Alter ungewöhnliche Abgeklärtheit, erinnern sich Weggefährtinnen.

So berichtet die frühere kanadische Nationaltorhüterin Karina LeBlanc von einer Trainingszene, in der Sinclair mit extremer Ruhe von der Ecke des Fünf-Meter-Raums gegen sie traf. “Normalerweise würden Jugendliche den Ball in der Position einfach auf das Tor hämmern. Das macht es für die Torhüter leicht, sich davor zu werfen. Aber Sinclair agierte gelassen, als wäre sie schon ewig dabei”, so LeBlanc.

Keine einfachen Tore

Als Sinclairs Karriere begann, spielte Kanada in der Frauen-Fußballwelt nur die zweite Geige. Wenn überhaupt. Denn hin und wieder setzte es gegen die “Großen” richtige Klatschen. Auch wenn Kanada mittlerweile auf Platz 5 der Weltrangliste steht, ist es doch sehr erstaunlich, dass Sinclair auf diese hohe Zahl an Toren kommt. Kanadas Nationaltrainer Kenneth Heiner-Moller sagt: “Die USA gehörten schon immer zu den führenden Nationen im Frauen-Fußball. Deshalb haben sie früher auch oft zweistellig gewonnen. So kam Wambach zu vielen einfachen Treffern.” Dagegen habe Sinclar für ihre Treffer sehr hart arbeiten müssen.

Die Beste der Welt

Sinclair zeichnet sich auch dadurch aus, dass sie sich selbst nicht so wichtig nimmt. Der Teamerfolg steht für sie über allem. Wenn eine Mitspielerin besser postiert ist, verzichtet die Stürmerin uneigennützig auf den Abschluss. Als sie 2017 mit dem Order of Canada geehrt wurde, erzählte sie ihren Teamkolleginnen nicht mal davon. Und Sinclair ist nicht nur eine Angreiferin mit Torgarantie, sondern auch eine exzellente Spielmacherin. 56 Assists belegen das.

Die frühere US-Nationaltorhüterin Hope Solo lobte sie 2014 deshalb in höchsten Tönen: “Sie liest das Spiel, sie passt, bereitet Treffer vor und ist gefährlich, sobald sie an den Ball kommt. Ich schaue zu ihr auf und bewundere sie als Spielerin.” Solo hielt Sinclair damals für die beste Spielerin der Welt – eine Einschätzung, der heute sicher immer noch viele folgen würden.

Ein Vorbild für Kanada

Und auch wenn Christine Sinclair der Torrekord nicht sonderlich wichtig ist, gibt es doch einige, die sich sehr darüber freuen würden. Zum Beispiel der Trainer des kanadischen Männerteams, John Herdman: “Wir wollen,dass man sich an sie als die Beste aller Zeiten erinnert. So dass Kanada sagen kann: Wir haben das geschaffen. Und weil wir eine Spielerin wie sie hervorgebracht haben, können wir noch mehr Spielerinnen wie sie entwickeln.” Sollte Sinclair den Torrekord aber doch verpassen und auch nicht Weltmeisterin werden, wird sich an ihrer Bedeutung für den Sport nichts ändern. Denn Christine Sinclair ist schon jetzt ein Idol, an dass man sich noch in Jahrzehnten erinnern wird – Geschichtsbücher hin, Bestenliste her.

Zur Person: Oliver Leiste ist Redaktionsmitglied bei 120minuten und als Sportjournalist für MDR Sachsen und MDR Sachsen-Anhalt tätig.

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Gaëlle Enganamouit – erste afrikanische Torschützenkönigin der höchsten schwedischen Liga

Gaëlle Enganamouit ist eine Naturgewalt. Sie rauscht über das Spielfeld, unbeirrt und zielstrebig, das gegnerische Tor im Visier. Gegenspielerinnen betrachtet die kamerunische Starstürmerin dabei zuweilen als Hindernisse, die aus dem Weg geräumt werden müssen – Fans des FFC Frankfurt erinnern sich bis heute an das denkwürdige Champions-League-Viertelfinale im März 2016 gegen den FC Rosengård. Enganamouit, von ihren Fans liebevoll freight train (Güterzug) getauft, war in beiden Spielen derart unbeirrt und zielstrebig, dass sie im Rückspiel das gesamte Frankfurter Stadion am Bretanobad gegen sich aufbrachte.

Gaëlle Enganamouit im Spiel gegen den FFC Frankfurt 2016 (Foto: Tom Seiss)

Schon als Kind war Gaëlle Enganamouit nicht zu bremsen. Sie wollte Fußball spielen und sie tat es. Nicht einfach, in einer Gesellschaft, die für Mädchen vieles vorsah, von dem nichts auch nur im Entferntesten mit Fußball zu tun hatte. Gaëlle war die einzige von sechs Schwestern, die mit einem Ball und den beiden Brüdern die Nachbarschaft in Kameruns Hauptstadt Yaoundé aufmischte. Die Eltern waren wenig begeistert, sie sahen die Schulausbildung ihrer jüngsten Tochter in Gefahr. Und sie sollten recht behalten.

Als Enganamouit bei der WM 2007 Schwedens Mittelfeldregisseurin Caroline Seger im Fernsehen sah, fasste sie den Entschluss, eines Tages in Schweden zu spielen. Seger war überall und dirigierte mit nur 22 Jahren das Spiel ihrer Nationalmannschaft. Zwei Jahre darauf schloss Enganamouit sich dem Hauptstadtclub Lorema FC Filles de Yaoundé an und der Schulabschluss war endgültig vom Tisch.

Seitdem ist Gaëlle Enganamouit eine Fußballweltreisende. Sie ist eine, die auffällt: 2012 schoss sie in ihrem ersten Spiel für den serbischen Verein Spartak Subotica 3 Sekunden nach Anpfiff ein Tor. Wie leider oft, wenn es um Frauenfußball geht, taucht der Treffer in den wenigsten Rekordtorlisten auf. Er ist aber auf YouTube zu sehen. Mit dem Wechsel zu Eskilstuna United erfüllte sich 2014 Enganamouits Traum von Schweden. In der Saison 2015 wurde sie mit 18 Treffern die erste afrikanische Torschützenkönigin der höchsten schwedischen Liga Damallsvenskan. Auf Platz 2 mit 17 Treffern – die Dänin Pernille Harder.

Bei der im selben Jahr ausgetragenen Weltmeisterschaft in Kanada knüpfte Enganamouit für ihr Nationalteam nahtlos an ihre herausragenden Leistungen in der schwedischen Liga an. Ihr erstes Länderspiel war ein 0:5 gegen Brasilien bei den Olympischen Spielen 2012. Das erste WM-Spiel überhaupt für „Les Lionnes Indomptables“ (Die unbezähmbaren Löwinnen) war gleichzeitig Enganamouits 23. Geburtstag. Mit einem Hattrick und zwei Assists katapultierte sie sich am 9. Juni 2015 in die Herzen der kamerunischen Fans.

Überhaupt, die WM 2015: Kamerun überraschte mit dem sensationellen Einzug ins Achtelfinale. In Gruppe C besiegten sie Ecuador und die als stärker eingeschätzte Schweiz und rangen dem damaligen Weltmeister Japan ein 1:2 ab. Das Aus im Achtelfinale gegen China war dann nicht mehr von Bedeutung. Die unbezähmbaren Löwinnen hatten der Welt gezeigt, wozu sie fähig waren: mitreißender Offensivfußball, Siegeswille und mit Ngono Mani und Gaëlle Enganamouit zwei der auffälligsten Spielerinnen des Turniers.

Noch im WM-Jahr wurde Gaëlle Enganamouit zu Afrikas Fußballerin des Jahres gewählt. Der kamerunische Ausnahmesstürmer Samuel Eto’o, neben der brasilianischen Weltfußballerin Marta eins der Fußballidole der 26-Jährigen, bedankte sich öffentlich bei Enganamouit und ihren Teamkolleginnen. Sie verkörperten die Wiedergeburt des kamerunischen Fußballs. Vor der Weltmeisterschaft waren zu den Länderspielen der unbezähmbaren Löwinnen höchstens 100 Zuschauer*innen gekommen. 2016, beim Afrika-Cup im eigenen Land, drängten sich bereits fünf Stunden vor Anpfiff des Finals gegen Nigeria (0:1) 40.000 Menschen ins Stadion.

Wird sich die WM in Frankreich ein weiteres Mal positiv auf den Frauenfußball in Kamerun auswirken? Die Bemühungen des Verbands scheinen vier Jahre nach der WM 2015 noch nicht weitreichend genug. Die heimische Liga „Championnat féminin D1“ ist weit davon entfernt, allen Spielerinnen professionelle Rahmenbedingungen und eine angemessene Bezahlung zu bieten. In den letzten beiden Jahren brachten mehrere kleinere Verletzungen Unruhe in Gaëlle Enganamouits Karriere. Nach einem Jahr bei Dalian Quanjian in der chinesischen Liga (2017-2018), einer Saison bei Avaldsnes IL in Norwegen (2018) und einem kurzen Aufenthalt bei Málaga CF Femenino 2019, ist die 26-Jährige zurzeit ohne Verein.

Enganamouits konnte sich dafür voll und ganz auf die WM-Vorbereitung mit Kamerun konzentrieren, das Anfang April erstmals am Vier-Nationen-Turnier in China teilgenommen und hinter den Gastgeberinnen den zweiten Platz belegt hat. Vor dem Turnier in Frankreich stehen die Kamerunerinnen auf Platz 46 der Weltrangliste. Gruppe E gehört mit Kanada, Kamerun, Neuseeland und den Europameisterinnen aus den Niederlanden zu einer der schwierigeren Gruppen. Der erneute Einzug ins Achtelfinale wäre eine kleine Sensation.

Gaëlle Enganamouit selbst denkt bereits an die Zukunft des kamerunischen Fußballs: Sie hat Anfang des Jahres die erste Fußballakademie für Frauen des Landes gegründet – die Rail Football Academy. Mit Gaëlle im Team könnten in diesem Sommer in Frankreich unbezähmbare Löwinnen brüllen.

Zur Person: Ellen Hanisch schreibt als Journalistin über den nationalen und internationalen Fußball. Sie gehört zum Podcast-Kollektiv FRÜF und betreibt FUSSBALLTHESEN.

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Neuseeland – die große Unbekannte

Von den „Football Ferns“, wie die neuseeländische Frauen-Nationalmannschaft genannt wird, spielen zahlreiche Spielerinnen im Ausland: Wer sein fußballerisches Talent entwickeln will, bleibt nicht. Einige Ehemalige und Aktive haben auch den Weg in die deutsche Frauenbundesliga gefunden. Unter anderem spielte die Rekordtorschützin der Neuseeländerinnen, Amber Hearn, viele Jahre in Jena, Nationalspielerin Paige Satchell spielt ab der Saison 2019/20 für die Frauen des SC Sand. In der abgelaufenen Saison war außerdem Meikayla Jean-Maree Moore in der AFBL aktiv.

Meikayla Moore wurde am 4. Juni 1996 Jahren in Christchurch geboren. Im Januar 2018 kam Moore, die zuvor ausschließlich in der heimischen National League Women gespielt hatte, zum 1. FC Köln und verstärkte dort die Abwehr der Rheinländerinnen. Nach dem Abstieg des FC in jener Saison wechselte Moore nach Duisburg zum MSV. Dort spielt die Neuseeländerin mit der Rückennummer 5 eine gewichtige Rolle: In den meisten Saisonspielen stand sie über die vollen 90 Minuten auf dem Platz. Zwei Spiele verpasste sie, da sie zu der Zeit mit der neuseeländischen Nationalmannschaft an der Ozeanien-Meisterschaft teilnahm. Für die Neuseeländerinnen, für die sie 2013 im Spiel gegen China ihr Debüt gab, bestritt Moore bisher 34 Partien in der A-Nationalmannschaft und schoss für die Ferns drei Tore.

Ein Tor schoss Moore auch bei den Zebras in der Bundesliga: Am 4. November 2018 köpfte sie nach einem Freistoß der Österreicherin Barbara Dunst direkt in das Tor der eingewechselten Mary Earps – der erste Gegentreffer für die Wölfinnen in der abgelaufenen Saison. Es war ein Spiel, das bei der 1,73 Meter großen Rechtsverteidigerin doch Eindruck hinterlassen hat: Auf die Frage, welche Partie sie gerne wiederholen würde, antwortete die Neuseeländerin auf dem vereinsinternen Social-Media-Kanal Instagram, dass sie gerne diese wiederholen würde, um noch ein zweites Tor für ein Unentschieden gegen die amtierenden deutschen Meisterinnen zu schießen.

Neben der Fußballkarriere studiert die Neuseeländerin per Fernkurs Gesundheitswissenschaften an der Massey University (Neuseeland). Nach der aktiven Zeit möchte sie im medizinischen Bereich arbeiten, um anderen Menschen zu helfen.

An der Fußball-Weltmeisterschaft der Frauen darf eine Mannschaft der Oceania Football Confederation (OFC) teilnehmen. Für die WM in Frankreich qualifizierte sich Neuseeland – wie schon für die Turniere 1991, 2007, 2011 und 2015 – durch den ungefährdeten Sieg der Ozeanien-Meisterschaft. Bei den bisherigen Weltmeisterschaften kam Neuseeland jedoch nie über die Vorrunde hinaus: Noch nie hat die Mannschaft ein Spiel bei einer Weltmeisterschaft gewonnen – trotz der bisher vier Teilnahmen. Das erste von drei Remis, ein 2:2 gegen Mexiko, errang das Team 2011 in Sinsheim bei der WM in Deutschland. In Frankreich nehmen die Ferns nun in der Gruppe E einen erneuten Anlauf gegen Kanada, Kamerun und die amtierenden Europameisterinnen aus den Niederlanden.

Etwas erfolgreicher als die A-Nationalmannschaft war im vergangenen Jahr das U17 Team. Bei der WM in Uruguay erreichten die Junior-Ferns überraschend den 3. Platz und setzen sich unerwartet gegen Japans und Kanadas Juniorinnen durch.

Im Gegensatz zur WM stellt die kontinentale Meisterschaft für die Neuseeländerinnen keine Schwierigkeit dar – jedenfalls seitdem die Australierinnen 2007 in den asiatischen Verband (AFC) gewechselt sind. Sechs der elf Ozeanien-Meisterschaften konnten die Ferns gewinnen. Die Meisterschaft 2018 in Neukaledonien gewannen sie durch einen ungefährdeten 8:0 Sieg gegen die Fidschi. Durch den Mangel an ernsthaften Pflichtspielgegnern außerhalb der WM fällt es aber schwer, die Leistungen des Teams einzuschätzen. Das letzte Testspiel gegen Norwegen gewannen die Neuseeländerinnen allerdings 1:0. Das lässt hoffen, dass sie vielleicht bei dieser WM ihren ersten Sieg einfahren könnten. Das Spiel gegen Kamerun ist dabei übrigens das erste WM-Spiel der Ferns gegen eine afrikanische Mannschaft.

Die nationale Frauenliga in Neuseeland – National Women’s League – ist in der Frauenfußballwelt nicht für ihr hohes Niveau bekannt. Sie besteht aus sieben Teams, die allerdings die sieben Regionalverbände vertreten und gegeneinander antreten. Im National Women’s League Grand Final treten die zwei besten Teams gegeneinander an. Die Liga ist stark im Wandel, änderte bisher regelmäßig die Regularien und hat sich zum Ziel gesetzt, im Jahr 2020 auch eine Club-Fußball-Liga wie bei den Herren aufzubauen. Vielleicht zieht es dann auch nicht mehr die Talente in die ausländischen Ligen in Übersee.

In einem aber sind die Neuseeländer vielen anderen voraus: New Zealand Football (NZF), der neuseeländische Fußballverband, führte im Sommer 2018 die Regel ein, dass Frauen und Männer im Fußball gleichgestellt sind. Dies bedeutet, die Frauen erhalten die gleichen Prämien und Regelungen für Bildrechte und müssen auch nicht Holzklasse fliegen, während die Herren First Class genießen. Das ist sehr löblich und sollte unbedingt mehr Nachahmer finden.

Weniger löblich ist allerdings, dass der Verband lange brauchte, um die Probleme des damaligen Trainers Andreas Heraf mit dem Team anzugehen. Der ehemalige Coach war erst nach Protesten von Seiten der Spielerinnen im Juli 2018 beurlaubt worden. Diese hatten sich über das vergiftete Arbeitsklima beschwert, dabei war unter anderem von Mobbing und Belästigung die Rede. Seit November 2018 trainiert der Schotte Tom Sermanni die Ferns.

Zur Person: Juliane Meuser ist Podcasterin, Gelegenheitsbloggerin und Frauenfußballfan. Zu hören ist sie unter anderem bei Lottes Erbinnen und bei FRÜF – Frauen reden über Fußball.

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Vivianne Miedema will aus dem Schatten von Robben und van Persie

Es war durchaus bezeichnend, dass in diesem Jahr gleich zwei Holländer*innen mit dem “Player of the year”-Award der englischen Fußballspieler-Vereinigung ausgezeichnet wurden. Vivianne Miedema von den Arsenal Women wurde als beste Frau geehrt, Liverpools Virgil van Dijk bekam den Preis bei den Männern. Nach einigen Jahren Tristesse ist niederländischer Fußball derzeit wieder ziemlich angesagt. Die Männer haben sich für das Finalturnier der Uefa Nations League qualifiziert. Die Frauen sind amtierende Europameisterinnen. 2017 gewannen sie die kontinentalen Wettkämpfe im eigenen Land. Es war der erste Titel überhaupt für die holländischen Damen.

Der Sieg gegen Dänemark im Finale von Eschede, der anschließend von zehntausenden Niederländer*innen gefeiert wurde, war so etwas wie der Durchbruch der Oranje Leeuwinnen, der orangenen Löwinnen, wie das Team in den Niederlanden genannt wird. Bis dato stand das Frauenteam immer im Schatten der Männer. Mit der EM änderte sich das. Im klassischen 4-3-3-System der Niederlande spielten sich die Damen in die Herzen ihrer Landsleute. Dass die Männer die Europameisterschaft 2016 verpasst hatten und sich bereits andeutete, dass sie auch die WM in Russland verpassen würden, half dabei sicher.

Miedema und Martens statt Robben

Seit dieser Zeit tragen weibliche Fußballfans immer öfter die Namen von Vivianne Miedema oder Lieke Martens auf ihren Trikots und nicht wie vorher Arjen Robben. Eine Entwicklung, die Miedema sehr gefällt. Die 22-jährige Stürmerin, die für die Arsenal-Frauen spielt, hofft, dass sie und ihre Mitspielerinnen Vorbilder für die kommenden Generationen sein können.

Vivianne Miedema, die mit vollem Namen Anna Margaretha Marina Astrid Miedema heißt, geht dabei mit gutem Beispiel voran. Seit der EM 2017 gehört sie zu den Topstars der Holländerinnen. In dieser Saison hat sie Arsenal mit 20 Toren in 17 Spielen zur Meisterschaft in England geschossen. Zuvor spielte sie für den FC Bayern und gewann dort ebenfalls zwei Mal die nationale Meisterschaft. Sie verließ die Münchner, weil ihr die Spielweise nicht offensiv genug war. Miedema ist sich sicher, dass die Philosophie von Arsenal besser zu passt – und die Torquote gibt ihr recht.

Vivianne Miedema im Dress des FC Bayern München (Foto: Tom Seiss)

Angeborener Killerinstinkt

Es ist vor allem ihr Killerinstinkt vor dem Tor, der sie auszeichnet. Manche behaupten, der wäre angeboren. Weil schon ihr Vater ein erfolgreicher Fußballer war und auch ihr Bruder professionell kickt. Ihre Mutter spielte auf hohem Niveau Hockey. Schon als kleines Mädchen liebte Vivianne Miedema den Fußball. Mit ihren Eltern besuchte sie regelmäßig die Spiele von Feyenoord Rotterdam. Robin van Persie war damals ihr Vorbild. Weibliche Idole gab es in den Niederlanden damals nicht. Zu unbedeutend war der Frauenfußball in den Niederlanden.

Weil Miedema deutlich länger mit Jungs zusammen gespielt hat als die meisten Mädchen, hat sie gelernt sich durchzusetzen. “Da waren viele gute Jungs dabei”, erinnert sich die 22-Jährige in einem Gespräch mit dem “Guardian”. “Manche spielen heute auf europäischem Top-Niveau. Das hat mir sehr geholfen.” Sie rät jungen Spielerinnen deshalb so lange wie möglich mit Jungs zusammen zu spielen.

Miedema fordert gleiche Bezahlung

Doch es sind nicht nur ihre Tore und ihr Auftreten im Spiel, die Vivianne Miedema zum Vorbild machen. Es ist auch ihre Haltung außerhalb des Platzes. Sie hofft, dass sie gemeinsam mit ihren Teamkolleginnen die Bedingungen für die mehr als 150.000 Frauen (Stand 2017), die in den Niederlanden Fußball spielen, nachhaltig verbessern kann.

Ganz selbstbewusst fordert sie in einem Porträt bei fifa.com vom Niederländischen Fußballverband die gleiche Bezahlung wie die männlichen Nationalspieler. “Immerhin waren in den vergangenen Jahren deutlich erfolgreicher als die Männer, die sich für zwei große Turniere nicht qualifiziert haben.” Und für die bezahle der Verband Millionen, so Miedema.

Schwung mitnehmen

Als nächstes steht nun die WM in Frankreich vor der Tür. Es mutet etwas seltsam an, dass die amtierenden Europameisterinnen, die zudem eine der besten Stürmerinnen der Welt in ihren Reihen haben, dabei nicht unbedingt zu den Favoriten zählen. Doch weil die Qualifikation für die Weltmeisterschaft erst in den Play-offs gegen die Schweiz gesichert wurde, werden den orangenen Löwinnen eher Außenseiterchancen eingeräumt.

Vivianne Miedema hofft dennoch, dass ihr Team den Schwung der EM weiter nutzen kann. Mit guten Leistungen bei der WM in Frankreich wollen die Holländerinnen die Entwicklung des Frauenfußballs in ihrer Heimat weiter vorantreiben. Damit irgendwann nicht nur die beste Spielerin und der Topspieler ganz selbstverständlich nebeneinander stehen. Sondern damit irgendwann alle kickenden Frauen die gleiche Wertschätzung bekommen, wie ihre männlichen Kollegen.

Zur Person: Oliver Leiste ist Redaktionsmitglied bei 120minuten und als Sportjournalist für MDR Sachsen und MDR Sachsen-Anhalt tätig.

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