Kategorie: a Luca Schepers

Buchbesprechung: Miro

Das Gefühl, im Himmel zu stehen

von Luca Schepers (Pretty Little Movies)

Das Verhältnis eines Fußballfans zu seinem Verein und seinen Lieblingsspielern ist ein sehr diffuses und im Grunde genommen auch kaum zu erklärendes. Das macht das angemessene Schreiben über Fußball auch so schwierig, da man sich als Fan immer in einem Zwiespalt zwischen Analyse und Emotion befindet. Ronald Reng gelingt es in seinem neuen Buch „Miro“, in welchem er die Geschichte der eigentümlichen Karriere des Miroslav Klose erzählt, ein weiteres Mal, eine sprachliche Verbindung dieser beiden Pole des Fan-Daseins zu finden. Dabei begreift er das Phänomen „Miro“ als eine Mischung aus tatsächlicher fußballerischer Qualität und dem Gefühl, einen besonderen Menschen vor sich zu haben. Das wohl offensichtlichste Symbol ist der Salto, den Klose nach besonderen Toren zu vollführen pflegte und der in seiner formvollendeten und beruhigenden Schönheit bei gleichzeitiger technischen Perfektion die Stimmung, welche diese Biographie durchzieht, sehr gut abbildet.

Reng erzählt Kloses Geschichte chronologisch, von der Kindheit über den ewigen Traum, einmal auf dem Betzenberg zu spielen, bis hin zum WM-Finale 2014 und seiner heutigen Tätigkeit als Jugend-Trainer. Seine Erzählung ist klar strukturiert und sehr detailreich. Immer wieder kommen alte Weggefährten und vor allem Klose selbst zu Wort. Die vielen kleinen Geschichten, unter anderem der sehr genau beschriebene Wechsel zu Bayern München im Jahr 2007 oder auch die lang anhaltende Freundschaft mit Luca Toni, mit dem man nach der Lektüre des Buches gerne mal essen gehen würde, sind amüsant, interessant und schön erzählt.
Allerdings wird hier, ebenso wie im ebenfalls sehr tollen „Spieltage: Die andere Geschichte der Bundesliga“ (2013), nicht nur die Geschichte eines Menschen erzählt, sondern es ist vor allem eine Erzählung eines großen Umbruchs in der Fußballgeschichte, an dessen Wendepunkt Klose mit 20 Jahren aus der Bezirksliga in die Bundesliga kam. War dies Anfang der 2000er noch möglich, so ist dies heute vollkommen undenkbar. Dabei wirken sowohl Klose als auch Reng nicht wehmütig, wenngleich sie ihre Begeisterung für Olaf Marschall nicht verleugnen können, sondern eher fasziniert von dem Wandel, den der Fußball in den letzten zwei Jahrzehnten durchlaufen hat.

Das Großartige an diesem Buch ist, dass es gelingt, vom Kleinen auf das Große zu schließen, ohne das Kleine als reinen Funktionsträger zu betrachten. Man merkt Reng die Sympathie für seine Protagonisten an, dem man sich nach der Lektüre des Buches auch nur schwer entziehen kann. Miroslav Klose schaut so reflektiert und ruhig auf seiner Karriere zurück und erscheint als ein sehr höflicher und freundlicher Mensch. Dass es gelingt, seine Geschichte so analytisch klar und gleichzeitig von einer ganz eigenen Form der Poesie geprägt, zu erzählen, ist sowohl sprachlich als auch literarisch bemerkenswert.

„Miro“ ist daher in vielerlei Hinsicht ein sehr bemerkenswertes Buch und sollte nicht unter dem Label eines „guten Fußballbuches“ abgetan werden. Viel mehr findet sich hier, wie auch im restlichen Schaffen von Reng, ein sehr vielseitiges Werk, welches von einem tiefen Verständnis für Geschichte und deren Vermittlung geprägt ist. Und am Ende ist es auch die Geschichte eines Jungen, mit dem man selbst auf der Straße gespielt haben könnte. Die Zeit dieser Geschichten dürfte im Fußball wohl größtenteils vorbei sein. Aber das Gefühl, das einen beim Lesen dieser Biographie überkommt und das nicht nur aus Wehmut besteht, zeigt doch, dass Ronald Reng sich hier dem Kern dieses schönen Spiels angenähert hat.

Infos zum Buch
Ronald Reng: Miro. 448 Seiten, Hardcover mit Schutzumschlag, ISBN: 978-3-492-05953-4, Preis: 22,00 Euro

Das Buch ist bei Piper erschienen und über den Online-Versand zu beziehen.

Uns wurde freundlicherweise ein Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt.

Der FC Bayern München und die Strategie der Kulturschule

Der FC Bayern München ist unbestreitbar der größte und wichtigste Fußballclub in Deutschland. Doch nicht nur seine großen sportlichen Erfolge machen ihn zu einem hochinteressanten Verein, sondern auch seine hohe wirtschaftliche Leistungsfähigkeit. Der Umsatz der ausgegliederten Aktiengesellschaft lag im Geschäftsjahr 2014/2015 bei 523,7 Millionen Euro. In diesem Text möchte ich der Frage nachgehen, inwiefern der Erfolg und vor allem die dafür verantwortliche Strategiebildung sich mit dem Konzept der Kulturschule nach Henry Mintzberg erklären lassen.

Autor: Luca Schepers, prettylittlemovies.blogspot.de

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Der Fußball und das Fernsehen

Über die mediale Inszenierung der schönsten Nebensache der Welt

Das erste in Deutschland live ausgestrahlte Fußballspiel fand am 24. August 1952 in Hamburg zwischen dem Hamburger SV und Altona 93 statt. Das Fernsehversuchsprogramm des Nordwestdeutschen Rundfunks, kurz: NWDR war für die Übertragung verantwortlich. Seit dieser ersten Liveübertragung sind viele Jahre ins Land gegangen und nicht nur der Hamburger SV hat sich verändert, sondern auch die Fernsehübertragungen. Mittlerweile befindet sich der Fußball in Bezug auf seine mediale Übertragung an einem Scheideweg. Die Europa-Liga scheint nicht mehr komplett unrealistisch, die Schere zwischen kleinen und großen Klubs wird immer größer und die Preise für die Übertragungsrechte an der Bundesliga oder der WM steigen jedes Jahr aufs Neue in schwindelerregende Höhen.

Zeit für eine nüchterne Analyse der grundlegenden Zusammenhänge der medialen Inszenierung des Fußballs. Wie wird eine Fußballübertragung inszeniert? Warum generieren Fußballspiele solch hohe Einschaltquoten? Und: Was sagt das eigentlich über das Verhältnis zwischen uns als Rezipienten und der Fußballwelt aus?

Autor: Luca Schepers (prettylittlemovies.blogspot.de)

Abhängigkeitsverhältnisse

Zunächst einmal ist festzustellen, dass der Fußball seine heutige globale Ausdehnung und die riesigen Geldbeträge, um die es inzwischen geht, niemals ohne die mediale Verbreitung vor allem durch das Fernsehen hätte erreichen können. Gerade deshalb mutet die „Medienkritik“ mancher (nicht aller) Mitglieder der Fußball-Welt etwas seltsam an, da es in letzter Konsequenz diese Medien sind, die dafür sorgen, dass sie ihren gut bezahlten Job behalten können. Die Massenmedien und der Fußball befinden sich also in einem gegenseitigen Abhängigkeitsverhältnis. Der Fußball ist darauf angewiesen, dass in den Massenmedien über ihn berichtet wird, um Aufmerksamkeit zu bekommen. Für selbige ist es wichtig, einen guten Draht zu den Verantwortlichen zu haben, um sich in Zeiten von Twitter, Facebook u.ä. ihre Aktualität zu bewahren (u.a. zu diesem Thema hat Georg Seeßlen in der Jungle World 02/17 einen brillanten Text geschrieben.) Außerdem interessiert Fußball extrem viele Menschen, sodass er als stets sicheres Mittel zur Quotensteigerung gesehen werden darf. Man schaue sich bloß einmal Rupert Murdoch und den Fernsehsender TM3 im Jahr 1999 an. Damit sich jedoch der Kauf des wahrscheinlich teuersten Programmpunkts für einen Fernsehsender lohnt, müssen die Quoten stimmen. Tun sie das nicht, können die Fußballrechte sehr schnell zu einem existenzbedrohenden Risiko werden. Es stellt sich also die Frage, wie ein Fernsehsender eine Fußballübertragung inszenieren muss, um möglichst viele Zuschauer vor den Bildschirm zu ziehen.  Weiterlesen