Kategorie: a Mara Pfeiffer

Alles raushauen

Liebe Leser*innen von 120minuten,

heute lest ihr von uns einen Text, der vielleicht eher an einen Brief erinnert, aber wir möchten euch gerne direkt ansprechen mit dem, was uns gerade bewegt.

Das Jahr 2019 war – mal wieder – ein buntes, vielfältiges und spannendes für das Team von 120minuten. Auf unserer Plattform hat sich das unter anderem in der Reihe rund um den Sportjournalismus niedergeschlagen, wir konnten euch eine starke Kolumne von Ronny Blaschke präsentieren, haben wieder tolle neue Autor*innen mit interessanten Themen dazugewonnen und stecken gerade noch mitten in der Veröffentlichung der 60 wichtigsten Momente der deutschen Fußballgeschichte. Wir haben einen Schwerpunkt auf Frauen im Fußball gelegt und uns intensiv der WM in Frankreich gewidmet. Dazu kamen unsere Podcasts, sowohl zu den bei uns erschienenen Texten als auch zu den Schwerpunktthemen des ballesterer Fußballmagazins.

Wir sind zu Beginn des Jahres gewachsen – seither gehört Mara Pfeiffer zur Redaktion – und später wieder geschrumpft, als Lennart Birth uns verlassen hat. Hinter den Kulissen verstärkt uns seit kurzem Maria Hendrischke bei der Textarbeit. Im neuen Jahr steht eine weitere Veränderung in der Redaktion an. Wir haben alle aus Überzeugung viel Zeit, Liebe und Kraft in das Projekt gesteckt, im wunderbaren Austausch mit euch.

Das ist die eine, tolle Seite, die uns das Gefühl gibt, dass es richtig und wertvoll ist, was wir hier machen. Die andere ist, dass wir uns ehrlich eingestehen müssen: 120minuten ist zuletzt nicht weiter gewachsen – und die Kurve des Wachstums war ohnehin immer überschaubar. Das muss nicht schlecht sein, aber ein bisschen wurmt es uns schon. Unsere Redaktion ist sehr klein für den hohen Aufwand, den wir betreiben, in manchen Phasen des zu Ende gehenden Jahres war das zeitlich alles kaum zu wuppen und wir stehen deswegen vor der Frage, wie es weitergehen kann mit unserem Projekt.

Das soll jetzt aber keinesfalls dramatisch klingen, denn wir haben uns schon eine Strategie überlegt, wie wir das Thema anpacken werden. Part 1: Der Dezember steht unter dem Motto „Alles raushauen“. Das bedeutet, wir beschenken euch bis Silvester jede Woche mit einem neuen Longread, unter anderem Teil 5 und 6 der wichtigen Fußballmomente, aber auch noch zwei Überraschungen von Autoren, die bislang nicht für uns tätig waren. Part 2: Im Januar treffen wir, die Redaktion, uns ein Wochenende lang zur Klausurtagung in Wiesbaden.

Dort wollen wir besprechen, wie wir 120minuten für die Zukunft ausrichten können. Wenn ihr es euch grundsätzlich vorstellen könnt, die Redaktion zu verstärken, im Hintergrund an Texten mitzuarbeiten oder regelmäßiger für uns zu schreiben, seid ihr herzlich eingeladen, im Januar zu uns zu stoßen, um gemeinsam zu brainstormen, wie es weitergeht. Part 3: Im ersten Quartal 2020 wird unsere nach außen sichtbare Arbeit ruhen und wir veröffentlichen keine neuen Texte oder Podcast-Folgen. Wir brauchen unsere Konzentration in dieser Zeit für die Arbeit hinter den Kulissen, damit es ab dem zweiten Quartal hoffentlich mit neuer Kraft für uns – und natürlich für euch, unsere Leser*innen – weitergehen kann.

Wir hoffen, ihr habt Lust, diesen Weg mit uns gemeinsam zu gehen und freuen uns, wenn ihr uns Feedback, Ideen und Anregungen zukommen lasst oder uns im Januar verstärkt. Es grüßt euch von Herzen, mit guten Wünschen für die Weihnachtszeit und den Rutsch ins neue Jahr,

die 120minuten Redaktion

 

Beitragsbild: “news” von David Michalczuk via Flickr | Lizenz: CC BY 2.0

WM 2019 – 24 Spielerinnen, die die Welt verändern – Gruppe F

Auf den ersten Blick sind die Rollen in der Gruppe F klar verteilt: Mit den USA als amtierenden Weltmeisterinnen und Schweden, die sich den Titel bei diesem Turnier selbstbewusst zutrauen, sind gleich zwei starke Gegner vertreten. Doch auch Chile möchte bei der ersten WM-Teilnahme überhaupt eine gute Rolle in dieser Gruppe spielen. Für Thailand geht es als Erstes darum, endlich einen Turniersieg zu erzielen – weitere Ziele anschließend nicht ausgeschlossen.

USA: Viel Druck für die amtierenden Weltmeisterinnen

Die Vereinigten Staaten von Amerika: „The land of the free and the home of the brave …“ – Mittlerweile steht diese Zeile aus der US-amerikanischen Nationalhymne für den Einsatz für Bürgerrechte und Demokratie. Werte, die momentan in Gefahr sind. Eine, die frei und tapfer für diese Werte einsteht, ist Megan Rapinoe. Und manchmal bedeutet, für etwas einzustehen, niederzuknien.

Dies tat Rapinoe 2016 beim Spiel der Seattle Reign gegen die Chicago Red Stars, als – wie vor jedem Spiel der National Women’s Soccer League (NWSL) – die Nationalhymne gespielt wurde. Nach dem Spiel kommentierte sie ihre Geste kurz und knapp: Es sei das Mindeste, was sie als Weiße tun könne, um den durch Quarterback Colin Kaepernick begonnenen Protest schwarzer Sportler*innen gegen Rassismus und Polizeigewalt gegen Schwarze zu unterstützen.

Eine, die voran geht: Megan Rapinoe. (Foto: Tom Seiss)

Die amerikanische Nationalmannschaft hat viele Superstars. Alex Morgan und Carli Lloyd sind Namen, die selbst in Deutschland einigen Menschen geläufig sind. Begnadete Offensivspielerinnen, Idole, Fußballmillionärinnen. Auch Megan Rapinoe gehört in diese Kategorie. Und doch hat sie etwas an sich, das sie abhebt.

Rapinoe liest das Spiel, verteilt die Bälle und gehört gemeinsam mit Portlands Tobin Heath und Chelseas Magdalena Eriksson zu den drei besten Eckballkünstlerinnen der Welt. Ihre größte Stärke aber ist ihre Unausrechenbarkeit. Gegenspielerinnen verzweifeln regelmäßig an Rapinoes schlitzohrigen Pässen. Sie kann aus jeder Position aufs Tor schießen oder eine Mitspielerin bedienen. Mit 33 Jahren ist Megan Rapinoe aktuell in der Form ihres Lebens.

Sportbegeistert und vielseitig war die Kalifornierin schon immer. Zusammen mit ihrer Zwillingsschwester Rachael spielte sie von klein auf Fußball, vorwiegend in Mannschaften, die ihr Vater trainierte. Auch in Basketball und im Laufen brachten die Schwestern Rapinoe gute Leistungen.

Engagiert für LGBT-Rechte und Frauenfußball

Die NWSL wurde 2013 als Nachfolgerin der beiden ebenfalls professionellen Vorgängerligen WUSA (Women’s United Soccer Association, 2001-2003) und WPS (Women’s Professional Soccer, 2009-2011) ins Leben gerufen. Rapinoe spielte bis zur Schließung der WPS für drei verschiedene Franchises, wechselte 2011 für zwei Spiele zu Sydney FC und kehrte anschließend in die USA zurück, um sich auf die Olympischen Spiele 2012 vorzubereiten. Das im US-Sport gängige Draft-System, in dem Spieler*innen einem Team zugewiesen werden, brachte Rapinoe in der allerersten Saison der NWSL nach Seattle. Seitdem spielt sie für Reign FC, die bis letzte Saison noch Seattle Reign hießen.

2013 und 2014 lief sie außerdem für Olympique Lyon auf und stand unter anderem in dem Champions-League-Finale, das Lyon gegen den VfL Wolfsburg verlor. Der Spielmodus der NWSL ermöglicht es Spielerinnen, jedes Jahr für mehrere Monate ins Ausland zu wechseln. Neben der französischen und der schwedischen Liga – früher auch der Bundesliga – ist die australische W-League seit einigen Jahren das beliebteste Ziel vieler NWSL-Spielerinnen.

Megan Rapinoe gehört zu den bekanntesten Persönlichkeiten Seattles. Sie engagiert sich seit Jahren für LGBT-Rechte und Frauensport in Seattle. Und mit Basketballstar Sue Bird hat sie eine Lebenspartnerin, die ihr in ihren Kämpfen um Gleichberechtigung kompromisslos zur Seite steht. Der aktuellste dieser Kämpfe hat jüngst erneut weltweit Schlagzeilen gemacht: Bereits vor den Olympischen Spielen 2016 legten Megan Rapinoe, Alex Morgan, Carli Lloyd, Becky Sauerbrunn und Hope Solo (Karriere beendet) bei der Equal Employment Opportunity Commission (Bundesbehörde zur Durchsetzung von Bürgerrechtsgesetzen gegen Diskriminierung am Arbeitsplatz) offiziell Beschwerde wegen Lohndiskriminierung ein. Sie verdienten oft nur die Hälfte oder weniger als die Hälfte als die Spieler der Männernationalmannschaft.

So würden das Team um Megan Rapinoe gerne wieder jubeln. (Foto: Tom Seiss)

Eine Kommission erteilte den Spielerinnen im Februar 2019 das Recht, zu klagen. Am 8. März 2019 reichten dann alle aktuellen Nationalspielerinnen der USA eine Sammelklage gegen die United States Soccer Federation, den US-amerikanischen Fußballverband, ein. Rapinoe und ihre 27 Teamkolleginnen machen den Verband für systematische Diskriminierung aufgrund des Geschlechts verantwortlich. Im Vergleich mit der in den USA weniger erfolgreichen Männerfußballnationalmannschaft hätten die Frauen erheblich schlechtere Reise- und Trainingsbedingungen. Außerdem erhielten sie geringere Prämien, obwohl sie höhere Einnahmen und Zuschauerzahlen generierten. Eine Entscheidung über die Klage steht noch aus. Sie wird vermutlich erst nach der Weltmeisterschaft in Frankreich fallen.

Das Turnier in Frankreich wird Rapinoes dritte und wahrscheinlich letzte Weltmeisterschaft sein. Als amtierende Weltmeisterinnen und Weltranglistenerste sind die Amerikanerinnen der klare Titelfavorit. Nach den französischen Fans haben sich amerikanische Fans mit Abstand die meisten WM-Tickets gesichert – das Gruppenspiel USA gegen Schweden war als eine der ersten Begegnungen ausverkauft. Viel Druck für die Frauen von Trainerin Jill Ellis. Nach einer mühelosen WM-Qualifikation, bei der bis auf Kanada kein Gegner eine ernsthafte Herausforderung war, gerieten die dreimaligen Weltmeisterinnen Anfang des Jahres bei einem Testspiel gegen Frankreich ins Straucheln.

Auch der heimische „SheBelievesCup“ – einem aus vier Nationalteams bestehenden Einladungsturnier – konnte nicht gewonnen werden. Angesichts der individuellen Stärke der Spielerinnen zeigten die USA erstaunliche Abwehrschwächen. Der Offensive fehlte häufig die gewohnte Durchschlagskraft. Megan Rapinoe ist tapfer und sie ist frei. Es steht außer Frage, dass sie dazu in der Lage ist, gleichzeitig Vorkämpferin für sozialen Wandel zu sein und den Titel zurück in die USA zu holen.


Zur Person: Ellen Hanisch schreibt als Journalistin über den nationalen und internationalen Fußball. Sie gehört zum Podcast-Kollektiv FRÜF und betreibt die Seite Fußballthesen.

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Thailand: Mit einem Sieg das Minimalziel erreichen

Thailand, das Land des Lächelns. Thailand, das Land, das zum zweiten Mal in Folge seine Frauen-Nationalmannschaft zu einer Fußball-WM schickt. Was das miteinander zu tun hat? Beides spiegelt nicht die Realität und die eigentlichen Verhältnisse wider. Nicht jede*r Thai wird einem auf den Straßen Bangkoks mit einem echten Lächeln begegnen. Und nur, weil das Team sich zweimal nacheinander für eine WM qualifizieren konnte, heißt es nicht, dass sich im Land des Asienmeisters von 1983 sportlich etwas tut.

Aufgrund der Kräfteverhältnisse im asiatischen Frauenfußball war klar, dass man es 2015 nur über ein Spiel um Platz 5 gegen den Erzrivalen aus Vietnam nach Kanada schaffen könnte. Vier Jahre später hatte Thailand viel leichteres Spiel – und Losglück. Vor den Philippinen und Jordanien sicherte man sich Platz 2 in der Vorrunde der Asienmeisterschaft und hatte sich damit schon für Frankreich qualifiziert. Wären die Thais an der Stelle Vietnams in der anderen Gruppe mit Japan, Australien und Südkorea gewesen, hätten sie diesen Sommer wohl allenfalls eine Urlaubsreise nach Europa buchen können.

International erfahrenes Team

Hoffte man nach 2015 im Zuge der erstmaligen Teilnahme an einer WM auf einen Schub im eigenen Land, so muss man konstatieren, dass dieser ausblieb. Es regiert Stillstand statt Fortschritt. Das Interesse am Frauenfußball ist fast nicht existent und der Verband tut wenig bis nichts, um dies zu ändern. Eine nationale Liga findet nur sporadisch statt und hat eher Alibicharakter, um zum Beispiel die FIFA als Geldgeber zufriedenzustellen.

Das macht sich auch am Team von Trainerin Nuengruethai Sathongwien, welches im Großen und Ganzen fast noch das gleiche ist wie in Kanada, bemerkbar. Ohnehin besteht es im Kern aus Spielerinnen, die so schon seit den frühen 2000er Jahren zusammenspielen. Entsprechend international erfahren ist die Mannschaft um Kapitänin Sunisa Srangthaisong, die mit über 100 Länderspielen hervorsticht.

Das thailändische Nationalteam im Jahr 2015. (Foto: Sven Beyrich)

Erstmals bei der WM dabei sein wird Pitsamai Sornsai. Die inzwischen 30-Jährige galt einst als eines der größten Sturmtalente und ist mit über 45 Toren die erfolgreichste Torschützin Thailands. 2013 wechselte sie nach Japan und zog sich dort gleich in einer der ersten Saisonspiele eine schwere Knieverletzung zu. Nachdem sie sich zurückgekämpft hatte, erlitt sie das gleiche Schicksal erneut, was ihre Hoffnung auf eine Teilnahme an der WM 2015 zunichtemachte. Der Australier Spencer Prior, Trainer der Nationalmannschaft von 2016 bis 2017, formte aus der einstigen Stürmerin eine Verteidigerin mit Drang für die Offensive. Unter der alten-neuen Cheftrainerin Sathongwien wird Sornsai inzwischen sowohl im Mittelfeld als auch wieder im Sturm eingesetzt. Neu im Team ist unter anderem die Thai-Amerikanerin Miranda Nild die mit ihrer großen und wuchtigen Statur eine neue physische Komponente in das Angriffsspiel der Thailänderinnen bringt.

Die Elf definiert sich über Kampfgeist und mannschaftliche Geschlossenheit. Vor allem, wenn es gegen überlegene Gegner geht. An guten Tagen bringen sie dann schon mal Australien an den Rand einer Niederlage, wie zuletzt im Halbfinale der Asienmeisterschaft. Gegen gleichwertige oder schwächere Gegner zeigt Thailand gerne sein spielerisches Potenzial, welches von vielen Ballstafetten und Kurzpassspiel geprägt ist, solange sie nicht dabei gestört werden. Im Mittelfeld zieht Silawan Intamee die Fäden, die ihre Stärken auch und vor allem bei Standards hat. Bei Kontern sollte man auf Kanjana Sungngoen achten. Inzwischen 32 Jahre alt, hat sie von ihrer Schnelligkeit auf dem Flügel im Vergleich zu 2015 nur wenig eingebüßt.

In Sachen Gegnerinnen kann einem die Nationalmannschaft Thailands fast ein wenig leidtun: Zwar gelang vor vier Jahren der erste historische Sieg bei einer WM, man traf aber bei der Premiere gleich auf den damaligen Weltranglistenbesten – Deutschland. Dazu gesellten sich Norwegen und die Elfenbeinküste. Ganz schön hart für einen Neuling. Dass es noch einmal eine Spur härter geht, zeigte die Auslosung zur WM 2019. Abermals ist es an Thailand, sich mit der Nummer 1 der Welt zu messen – diesmal werden es die USA sein. Und sowohl Schweden als auch Chile sind, was die Schwierigkeit angeht, erneut eine Steigerung zu 2015.

Die gute Nachricht für Thailand bei dieser WM lautet, dass man das Turnier nach den beiden harten Spielen und zu erwartenden Niederlagen gegen die USA und Schweden mit einem positiven Abschluss verlassen könnte, in dem man den letzten Gruppengegner, Chile, bezwingt. Wie schon 2015 hätte man so das Minimalziel erreicht und könnte Frankreich mit einem Lächeln verlassen. Das Traumziel Achtelfinale wird aber mindestens noch weitere vier Jahre auf sich warten müssen. Dann aber mit einer neuen Generation an Spielerinnen.



Zur Person: Sven Beyrich ist Experte in Sachen asiatischem und Frauen-Fußball und eine Hälfte des Podcasts Lottes Erbinnen.

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Chile: Heimvorteil für die Torhüterin Christiane Endler

Der chilenische Fußball fiel in der jüngeren Vergangenheit durch Überraschungssiege bei der Copa America gegen den Favoriten Argentinien auf. Blickt man etwas weiter zurück in die 1990er Jahre, kommen Erinnerungen an Ivan „der Schreckliche“ Zamorano hoch, der beim FC Sevilla, bei Real Madrid sowie Inter Mailand vor allem per Kopf für Torgefahr sorgte. Und das bei 1,78m Körpergröße.

Bei den chilenischen Frauen sucht man vergebens eine Nachfolgerin für Zamorano. Zumindest im Sturm. Im Tor steht dagegen mit Christiane Endler eine Weltklasse-Spielerin. Die chilenische Nationaltorhüterin hat eine illustre Reise hinter sich, hat sie doch bereits für Everton und Colo-Colo in ihrem Heimatland Chile gespielt, bevor sie im Dienste von Chelsea den europäischen Fußball hautnah erlebte. Nach erneut Colo-Colo, dann Valencia in Spanien, trägt sie nun seit 2017 die Nummer 16 im Tor der Frauen von Paris Saint-Germain.

Ihr Name klingt sehr deutsch: Endlers Vater ist Deutscher, ihre Mutter Chilenin. Schon früh zeigte sich ihr sportliches Talent und sie entschied sich letztlich für den Fußball. Einer ihrer früheren Trainer entschied sich, sie als Torhüterin aufzustellen. Es zahlte sich aus, denn 2008, als 17-Jährige, spielte Endler bei der U-20 WM im eigenen Land. Damals musste ihre Mannschaft mächtig Lehrgeld zahlen: Alle drei Vorrundenspiele gingen verloren. England, Neuseeland und Nigeria waren zu stark. Im Spiel gegen England stand 2008 auch eine gewisse Steph Houghton auf dem Platz, die ihre Mannschaft 2019 in Frankreich als Kapitänin aufs Feld führen wird.

Hält bei PSG und in der Nationalmannschaft den Kasten sauber: Christiane Endler. (Foto: Tom Seiss)

Die Pariser stehen währenddessen vor einem Luxusproblem, denn mit Christiane Endler und der Polin Katarzyna Kiedrzynek stehen zwei der besten Torhüterinnen im Dienste von PSG. Natürlich belebt Konkurrenz das Geschäft – und ganz unzufrieden ist Endler nicht mit der Situation, denn nur so kann sie sich weiterentwickeln. Es herrscht eine gesunde Rivalität und beide Spielerinnen arbeiten zusammen, um sich zu verbessern, so Endler. Bevor sie nach Paris zog, wurde sie in Spanien für Valencia spielend zur besten Torhüterin gewählt. Dort hatte sie die beste Gegentore-pro-Spiel-Quote während der Saison 2016/17: Nur neun Tore kassierte sie, in 23 Spielen.

Zuversicht trotz Mangels an Erfahrung

Auch in diesem Jahr wurde sie von ihren Kolleginnen und Trainern zur besten Torhüterin der Saison gewählt. Zuvor wurde sie zwischen 2008 und 2017 zur besten chilenischen Spielerin gekürt. Zudem hat Endler mehrfach die Meisterschaft in Chile gewonnen, sowie auch die Copa Libertadores mit ihrem Heimatverein Colo-Colo. Ganz in der Tradition ihrer deutschen Vorfahren wird ihr Spiel mit dem von Manuel Neuer verglichen und obendrein ist Oliver Kahn ihr Vorbild.

Für sie ist PSG einer der größten Clubs der Welt, und somit war der Wechsel nur logisch. Aber wie sieht es aus mit PSG? Im Fußball zählen nur Titel; davon hat PSG außer einem Pokalsieg 2018 wenig vorzuweisen. Auch in der abgelaufenen Spielzeit war Lyon in der Meisterschaft einfach stärker und deklassierte PSG um fünf Punkte im Titelrennen. In der Champions League war im Viertelfinale gegen Chelsea Schluss. Das Ausscheiden war besonders bitter, da Chelsea erst in der Nachspielzeit zum 1:2 verkürzen konnte und somit über die Auswärtstorregel weiterkam. Trotzdem gehört Paris Saint-Germain zu einer der Top-Adressen im Fußball, auch bei den Frauen. Weshalb es für Endler klar war, nach Frankreich zu wechseln.

Chile wird zum ersten Mal bei einer WM dabei sein und Endler ist zuversichtlich, dass die Mannschaft sich gut schlagen wird, trotz des Mangels an Erfahrung. Sie spricht in einem Interview davon, dass ihr Team sich auf das Turnier freue, fügt aber auch hinzu, dass die Gruppe mit den USA, Thailand und Schweden keine einfache sei. Endler selbst wird beim Turnier einen Heimvorteil haben, spielt sie doch in Paris und kennt demzufolge die Stadien und die Atmosphäre.

Zur Person: Christoph Wagner forscht, schreibt über Fußball und gehört zur Redaktion von 120minuten.

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Schweden: Die Welt verbessern, den Titel gewinnen

Die schwedische Frauenfußball-Nationalmannschaft möchte bei dieser Weltmeisterschaft endlich wieder zu den Top-Teams gehören. Unterlag man bei der letzten WM in Kanada 2015 im Achtelfinale mit 1:4 ausgerechnet Deutschland, so soll dieses Jahr der Titel her. Dabei wird Nilla Fischer vom Bundesligisten VfL Wolfsburg eine wichtige Rolle spielen. Die 34-Jährige ist eine, die vorangeht – auf und neben dem Platz. 2001 debütierte das gerade einmal 16 Jahre junge Talent während eines Wintertrainingslagers gegen Norwegen in der schwedischen A-Nationalmannschaft. Insgesamt kommt die Innenverteidigerin seitdem auf 175 Einsätze für die A-Nationalmannschaft. Ihren größten Erfolg mit der „Natio“ feierte sie bei den Olympischen Spielen 2016 in Rio de Janeiro, als sie im Schweden-Dress die Silbermedaille gewann – auch damals unterlag man im Finale den Deutschen mit 1:2.

Über Verums GOIF und Vittsjö GIK gelang ihr 2000 der Wechsel zum Kristianstad DFF, bei dem sie erstmals in Schwedens höchster Frauen-Spielklasse auflief. Nur drei Jahre später schaffte sie den Sprung zu Malmö FF, jetzt bekannt als FC Rosengård. 2010 gewann sie mit dem Klub ihre erste schwedische Meisterschaft und verteidigte den Titel prompt im Jahr darauf, 2012 folgte der Wechsel zu Linköpings FC. Fischer, die sich zu einer gestandenen Innenverteidigerin entwickelte, machte mit tollen Leistungen auf sich aufmerksam und wurde zur Saison 2013/2014 vom damaligen Wolfsburg-Trainer Ralf Kellermann, der gleichzeitig als sportlicher Leiter agierte, ablösefrei in die Autostadt gelotst – für beide Seiten ein wahrer Glücksgriff. Fischer etablierte sich unmittelbar als Führungsspielerin und war jahrelang Kapitänin der „Wölfinnen“. Mit dem VfL holte sie in sechs Jahren satte zehn Titel: einmal die Champions League, viermal die Deutsche Meisterschaft und stolze fünfmal den DFB-Pokal.

Starke Performance auf und neben dem Platz: Nilla Fischer. (Foto: Tom Seiss)

Während die schwedische Liga zwischen 2002 und 2008 lange zu einer der besten der Welt zählte – Umeå IK stand in der Zeit fünf Mal im Finale Women’s Cup – und Spielerinnen wie Marta ausbildete, muss sich die „Damallsvenskan“ (Dam = Frauen und Allsvenskan = Name der Herren-Liga) mittlerweile hintenanstellen. Länder wie Deutschland, England, Spanien und Frankreich haben wirtschaftlich aufgeholt und locken mit ihren attraktiven Gesamtpaketen die Top-Talente der schwedischen Liga. Infolge der Abwanderung prominenter schwedischer Spielerinnen aus der geringer budgetierten Damallsvenskan, bauen die Teams nun vermehrt auf die Ausbildung und Förderung ihrer eigenen Jung-Talente. Die Spannung in der Liga ist jedoch auch ohne prominente schwedische Weltklassespielerinnen garantiert: So schaffte es beispielsweise ein gesetzter Abstiegskandidat wie Limhamn Bunkeflo die vermeintlich „Großen“ des FC Rosengård zu Hause mit 3:2 zu schlagen. 2018 wurde mit Piteå IF eine Mannschaft Meister, deren Spielerinnen parallel zum Sport arbeiten beziehungsweise studieren.

Engagement über das Spiel hinaus

Auch wenn es sich bei Fußball um eine Berufung handelt, so gibt es Momente, in denen der Sport in den Hintergrund gerät. Und so ist Fußball nicht mehr alles im Leben der Nummer 4 des VfL Wolfsburg. Die Prioritäten der Abwehrspielerin änderten sich am 25. Dezember 2017, als Ehefrau Maria Michaela, die sie 2013 heiratete, Söhnchen Neo zur Welt brachte. „Neo rules the world“, sagte sie damals in einem Interview. Daraus resultierte auch der Entschluss, nach der laufenden Saison nach Schweden zurückzukehren. Bei den Wolfsburgerinnen lief ihr Vertrag ursprünglich regulär noch bis 2020, die Innenverteidigerin machte aber von der Ausstiegsklausel Gebrauch, die ihr eine vorzeitige Rückkehr nach Schweden zur Saison 2019/2020 ermöglichte. Sie unterschrieb einen Zwei-Jahres-Kontrakt bei Linköpings FC. „Ich habe sonst immer meine Entscheidungen als Fußballerin getroffen, dieses Mal habe ich mich aber als Mutter zu diesem Schritt entschlossen, weil es für uns wichtig ist, dass unser Sohn im familiären Umfeld aufwächst“, begründete die 34-Jährige den vorzeitigen Wechsel zurück in die Damallsvenskan.

Fischer wird nicht nur spielerisch eine große Lücke hinterlassen. Auch menschlich hat sie viel bewegt – in Wolfsburg und ganz Deutschland, in Teilen sogar auf der ganzen Welt: Seit dieser Saison laufen alle Spielführer*innen des VfL Wolfsburg mit einer Regenbogen-Kapitänsbinde auf. Der Verein will damit ein klares Zeichen gegen Ausgrenzung und Homophobie und für die Vielfalt im Fußball setzen. Initiiert hat das ganze Fischer, die sich seit Jahren für die Rechte und die Anerkennung Homosexueller einsetzt. Im März 2017 trat die Fußballerin im Rahmen der „Internationalen Wochen gegen Rassismus“ an ihren Verein heran und bat darum, eine Regenbogen-Kapitänsbinde tragen zu dürfen. „Der Regenbogen symbolisiert Stolz, Vielfalt und Respekt füreinander. Im Fußball machen wir uns oft gegen Rassismus stark, was großartig ist. Aber mir ist es wichtig, das große Ganze zu betrachten, und da müssen wir auch Homophobie und Sexismus ins Blickfeld nehmen“, sagte sie damals.

„Hört niemals auf, Fußball zu spielen und hört niemals auf, für Gleichberechtigung zu kämpfen.“ (Foto: Tom Seiss)

Als sie 2018 zu Schwedens Fußballerin des Jahres und zur besten Verteidigerin Schwedens gekürt wurde, hielt sie bei der Gala des schwedischen Fußball-Verbandes eine bewegende Rede und sprach über die ungleiche Bezahlung im Männer- und Frauensport: „Ungerechtigkeit tut weh! Würde ich heute hier als Mann stehen, mit der Karriere, die ich gehabt habe, bräuchte ich mir keine ökonomischen Sorgen mehr machen, auch meine Kinder nicht. Wir spielen, weil wir den Sport lieben. Deshalb möchte ich euch Mädchen sagen: Hört niemals auf, Fußball zu spielen und hört niemals auf, für Gleichberechtigung zu kämpfen.“

Fischer hat die Ansichten einer ganzen Stadt nachhaltig verändert. Sie hat etwas bewegt. Sie hat unermüdlich gekämpft und sich eingesetzt. Sie hat eine Verbindung hergestellt, denn der Regenbogen, ein starkes Zeichen für Akzeptanz, ist aus Wolfsburg nicht mehr wegzudenken. Diese Werte verkörpert sie auch als eine der Leistungsträgerinnen der schwedischen Frauenfußball-Nationalmannschaft. Es ist davon auszugehen, dass die Innenverteidigerin auch bei der nun anstehenden Weltmeisterschaft in Frankreich, die wohl gleichzeitig ihr letztes großes Turnier sein wird, ein weiteres (Ausrufe-) Zeichen setzen wird. Sie wird alles dafür geben, mit ihrem Team in diesem Jahr endlich den lange ersehnten ersten Weltmeistertitel zu gewinnen – und ihre internationale Karriere noch ein (letztes) Mal zu krönen.


Zur Person: Jasmina Schweimler schreibt als Journalistin unter anderen für die WAZ und den Sportbuzzer über Frauenfußballer und gehört zum Podcast-Kollektiv-FRÜF.

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Hier geht’s zu den anderen Gruppen:

WM 2019 – 24 Spielerinnen, die die Welt verändern – Gruppe E

Eine lebende Legende, eine 22jährige Stürmerin, die bereits ein Buch veröffentlicht hat, eine Naturgewalt und eine große Unbekannte – die Paarungen in Gruppe E versprechen schon allein aufgrund der ganz unterschiedlichen Protagonistinnen jede Menge Unterhaltung. Das Topspiel der Gruppe lautet Kanada gegen die Niederlande, letztere sind immerhin amtierende Europameisterinnen.

Christine Sinclair – Die Bomberin aus Burnaby

Bei der Frage nach dem besten Nationalmannschaftsstürmer aller Zeiten wird manch einer sicher reflexhaft Gerd Müller antworten. Oder vielleicht Cristiano Ronaldo. Naheliegende Gedanken, zweifelsohne. Doch Gerd Müller ist nicht mal in mehr Deutschland der treffsicherste Internationale. Miroslav Klose hat den Münchner kurz vor seinem Karriereende überholt und insgesamt 71 mal für Deutschland getroffen. Ronaldo liegt mit 85 Toren hinter Ali Daei (109) auf Platz zwei der Liste – zumindest bei den Männern. Denn die erfolgreichsten Schützen bei den Nationalmannschaften sind allesamt Frauen. Gleich 17 Damen haben mehr als 100 Mal für ihr Land getroffen. Über allen steht die US-Amerikanerin Abby Wambach mit 184 Treffern.

Noch. Denn bei der Weltmeisterschaft in Frankreich könnte es ein Wachablösung geben. Die Kanadierin Christine Sinclair schickt sich an, die Spitzenposition in der ewigen Bestenliste zu übernehmen. Aktuell steht die Stürmerin, die 1983 in Burnaby geboren wurde, bei 181 Toren für Kanada.

“Nur noch zehn”

Die Frage nach dem Rekord verfolgt Sinclair schon eine ganze Weile. Als sie ihren 175. Treffer erzielte, riefen ihre Mitspielerinnen: “Nur noch zehn”. Seit vergangenem Herbst ist das Thema omnipräsent. Und scheint Kanadas Kapitänin ein wenig zu nerven. “Hey, du könntest die meisten internationalen Tore aller Zeiten geschossen haben” sagte sie dem Portal Maclean’s. “Das wäre ein schöner Nebeneffekt. Aber darauf lag nie mein Fokus.” Sinclair hofft, die Marke bald erreicht zu haben, damit sie und ihre Teamkolleginnen sich dann wieder auf das Wesentliche konzentrieren können.

Das Wesentliche ist die Weltmeisterschaft in Frankreich. Dort will die 35-Jährige mit ihrem Team möglichst weit kommen. Selbst der Titelgewinn erscheint nicht völlig utopisch. Immerhin gewann Kanada bei den Olympischen Spielen in Rio und London die Bronzemedaille und erreichte bei der Heim-WM vor vier Jahren das Halbfinale. Zudem hat Sinclair mit dem FC Gold Pride, Western New York Flash, und mit dem Portland Thorns FC insgesamt vier Meisterschaften in der amerikanischen Profiliga gewonnen.

Ungewöhnliche Abgeklärtheit

An Erfolge mit der Nationalmannschaft war in keinster Weise zu denken, als Sinclair vor gut 20 Jahren ihre Profikarriere begann. Entdeckt wurde sie vom Norweger Even Pellerud, dem damaligen Nationaltrainer Kanadas. Mit 16 lief sie das erste Mal für ihr Land auf – beim Algarve-Cup in Portugal. Bereits im zweiten Länderspiel gegen Norwegen gelang ihr der erste Treffer. Schon damals bewies Sinclair eine für ihr Alter ungewöhnliche Abgeklärtheit, erinnern sich Weggefährtinnen.

So berichtet die frühere kanadische Nationaltorhüterin Karina LeBlanc von einer Trainingszene, in der Sinclair mit extremer Ruhe von der Ecke des Fünf-Meter-Raums gegen sie traf. “Normalerweise würden Jugendliche den Ball in der Position einfach auf das Tor hämmern. Das macht es für die Torhüter leicht, sich davor zu werfen. Aber Sinclair agierte gelassen, als wäre sie schon ewig dabei”, so LeBlanc.

Keine einfachen Tore

Als Sinclairs Karriere begann, spielte Kanada in der Frauen-Fußballwelt nur die zweite Geige. Wenn überhaupt. Denn hin und wieder setzte es gegen die “Großen” richtige Klatschen. Auch wenn Kanada mittlerweile auf Platz 5 der Weltrangliste steht, ist es doch sehr erstaunlich, dass Sinclair auf diese hohe Zahl an Toren kommt. Kanadas Nationaltrainer Kenneth Heiner-Moller sagt: “Die USA gehörten schon immer zu den führenden Nationen im Frauen-Fußball. Deshalb haben sie früher auch oft zweistellig gewonnen. So kam Wambach zu vielen einfachen Treffern.” Dagegen habe Sinclar für ihre Treffer sehr hart arbeiten müssen.

Die Beste der Welt

Sinclair zeichnet sich auch dadurch aus, dass sie sich selbst nicht so wichtig nimmt. Der Teamerfolg steht für sie über allem. Wenn eine Mitspielerin besser postiert ist, verzichtet die Stürmerin uneigennützig auf den Abschluss. Als sie 2017 mit dem Order of Canada geehrt wurde, erzählte sie ihren Teamkolleginnen nicht mal davon. Und Sinclair ist nicht nur eine Angreiferin mit Torgarantie, sondern auch eine exzellente Spielmacherin. 56 Assists belegen das.

Die frühere US-Nationaltorhüterin Hope Solo lobte sie 2014 deshalb in höchsten Tönen: “Sie liest das Spiel, sie passt, bereitet Treffer vor und ist gefährlich, sobald sie an den Ball kommt. Ich schaue zu ihr auf und bewundere sie als Spielerin.” Solo hielt Sinclair damals für die beste Spielerin der Welt – eine Einschätzung, der heute sicher immer noch viele folgen würden.

Ein Vorbild für Kanada

Und auch wenn Christine Sinclair der Torrekord nicht sonderlich wichtig ist, gibt es doch einige, die sich sehr darüber freuen würden. Zum Beispiel der Trainer des kanadischen Männerteams, John Herdman: “Wir wollen,dass man sich an sie als die Beste aller Zeiten erinnert. So dass Kanada sagen kann: Wir haben das geschaffen. Und weil wir eine Spielerin wie sie hervorgebracht haben, können wir noch mehr Spielerinnen wie sie entwickeln.” Sollte Sinclair den Torrekord aber doch verpassen und auch nicht Weltmeisterin werden, wird sich an ihrer Bedeutung für den Sport nichts ändern. Denn Christine Sinclair ist schon jetzt ein Idol, an dass man sich noch in Jahrzehnten erinnern wird – Geschichtsbücher hin, Bestenliste her.

Zur Person: Oliver Leiste ist Redaktionsmitglied bei 120minuten und als Sportjournalist für MDR Sachsen und MDR Sachsen-Anhalt tätig.

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Gaëlle Enganamouit – erste afrikanische Torschützenkönigin der höchsten schwedischen Liga

Gaëlle Enganamouit ist eine Naturgewalt. Sie rauscht über das Spielfeld, unbeirrt und zielstrebig, das gegnerische Tor im Visier. Gegenspielerinnen betrachtet die kamerunische Starstürmerin dabei zuweilen als Hindernisse, die aus dem Weg geräumt werden müssen – Fans des FFC Frankfurt erinnern sich bis heute an das denkwürdige Champions-League-Viertelfinale im März 2016 gegen den FC Rosengård. Enganamouit, von ihren Fans liebevoll freight train (Güterzug) getauft, war in beiden Spielen derart unbeirrt und zielstrebig, dass sie im Rückspiel das gesamte Frankfurter Stadion am Bretanobad gegen sich aufbrachte.

Gaëlle Enganamouit im Spiel gegen den FFC Frankfurt 2016 (Foto: Tom Seiss)

Schon als Kind war Gaëlle Enganamouit nicht zu bremsen. Sie wollte Fußball spielen und sie tat es. Nicht einfach, in einer Gesellschaft, die für Mädchen vieles vorsah, von dem nichts auch nur im Entferntesten mit Fußball zu tun hatte. Gaëlle war die einzige von sechs Schwestern, die mit einem Ball und den beiden Brüdern die Nachbarschaft in Kameruns Hauptstadt Yaoundé aufmischte. Die Eltern waren wenig begeistert, sie sahen die Schulausbildung ihrer jüngsten Tochter in Gefahr. Und sie sollten recht behalten.

Als Enganamouit bei der WM 2007 Schwedens Mittelfeldregisseurin Caroline Seger im Fernsehen sah, fasste sie den Entschluss, eines Tages in Schweden zu spielen. Seger war überall und dirigierte mit nur 22 Jahren das Spiel ihrer Nationalmannschaft. Zwei Jahre darauf schloss Enganamouit sich dem Hauptstadtclub Lorema FC Filles de Yaoundé an und der Schulabschluss war endgültig vom Tisch.

Seitdem ist Gaëlle Enganamouit eine Fußballweltreisende. Sie ist eine, die auffällt: 2012 schoss sie in ihrem ersten Spiel für den serbischen Verein Spartak Subotica 3 Sekunden nach Anpfiff ein Tor. Wie leider oft, wenn es um Frauenfußball geht, taucht der Treffer in den wenigsten Rekordtorlisten auf. Er ist aber auf YouTube zu sehen. Mit dem Wechsel zu Eskilstuna United erfüllte sich 2014 Enganamouits Traum von Schweden. In der Saison 2015 wurde sie mit 18 Treffern die erste afrikanische Torschützenkönigin der höchsten schwedischen Liga Damallsvenskan. Auf Platz 2 mit 17 Treffern – die Dänin Pernille Harder.

Bei der im selben Jahr ausgetragenen Weltmeisterschaft in Kanada knüpfte Enganamouit für ihr Nationalteam nahtlos an ihre herausragenden Leistungen in der schwedischen Liga an. Ihr erstes Länderspiel war ein 0:5 gegen Brasilien bei den Olympischen Spielen 2012. Das erste WM-Spiel überhaupt für „Les Lionnes Indomptables“ (Die unbezähmbaren Löwinnen) war gleichzeitig Enganamouits 23. Geburtstag. Mit einem Hattrick und zwei Assists katapultierte sie sich am 9. Juni 2015 in die Herzen der kamerunischen Fans.

Überhaupt, die WM 2015: Kamerun überraschte mit dem sensationellen Einzug ins Achtelfinale. In Gruppe C besiegten sie Ecuador und die als stärker eingeschätzte Schweiz und rangen dem damaligen Weltmeister Japan ein 1:2 ab. Das Aus im Achtelfinale gegen China war dann nicht mehr von Bedeutung. Die unbezähmbaren Löwinnen hatten der Welt gezeigt, wozu sie fähig waren: mitreißender Offensivfußball, Siegeswille und mit Ngono Mani und Gaëlle Enganamouit zwei der auffälligsten Spielerinnen des Turniers.

Noch im WM-Jahr wurde Gaëlle Enganamouit zu Afrikas Fußballerin des Jahres gewählt. Der kamerunische Ausnahmesstürmer Samuel Eto’o, neben der brasilianischen Weltfußballerin Marta eins der Fußballidole der 26-Jährigen, bedankte sich öffentlich bei Enganamouit und ihren Teamkolleginnen. Sie verkörperten die Wiedergeburt des kamerunischen Fußballs. Vor der Weltmeisterschaft waren zu den Länderspielen der unbezähmbaren Löwinnen höchstens 100 Zuschauer*innen gekommen. 2016, beim Afrika-Cup im eigenen Land, drängten sich bereits fünf Stunden vor Anpfiff des Finals gegen Nigeria (0:1) 40.000 Menschen ins Stadion.

Wird sich die WM in Frankreich ein weiteres Mal positiv auf den Frauenfußball in Kamerun auswirken? Die Bemühungen des Verbands scheinen vier Jahre nach der WM 2015 noch nicht weitreichend genug. Die heimische Liga „Championnat féminin D1“ ist weit davon entfernt, allen Spielerinnen professionelle Rahmenbedingungen und eine angemessene Bezahlung zu bieten. In den letzten beiden Jahren brachten mehrere kleinere Verletzungen Unruhe in Gaëlle Enganamouits Karriere. Nach einem Jahr bei Dalian Quanjian in der chinesischen Liga (2017-2018), einer Saison bei Avaldsnes IL in Norwegen (2018) und einem kurzen Aufenthalt bei Málaga CF Femenino 2019, ist die 26-Jährige zurzeit ohne Verein.

Enganamouits konnte sich dafür voll und ganz auf die WM-Vorbereitung mit Kamerun konzentrieren, das Anfang April erstmals am Vier-Nationen-Turnier in China teilgenommen und hinter den Gastgeberinnen den zweiten Platz belegt hat. Vor dem Turnier in Frankreich stehen die Kamerunerinnen auf Platz 46 der Weltrangliste. Gruppe E gehört mit Kanada, Kamerun, Neuseeland und den Europameisterinnen aus den Niederlanden zu einer der schwierigeren Gruppen. Der erneute Einzug ins Achtelfinale wäre eine kleine Sensation.

Gaëlle Enganamouit selbst denkt bereits an die Zukunft des kamerunischen Fußballs: Sie hat Anfang des Jahres die erste Fußballakademie für Frauen des Landes gegründet – die Rail Football Academy. Mit Gaëlle im Team könnten in diesem Sommer in Frankreich unbezähmbare Löwinnen brüllen.

Zur Person: Ellen Hanisch schreibt als Journalistin über den nationalen und internationalen Fußball. Sie gehört zum Podcast-Kollektiv FRÜF und betreibt FUSSBALLTHESEN.

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Neuseeland – die große Unbekannte

Von den „Football Ferns“, wie die neuseeländische Frauen-Nationalmannschaft genannt wird, spielen zahlreiche Spielerinnen im Ausland: Wer sein fußballerisches Talent entwickeln will, bleibt nicht. Einige Ehemalige und Aktive haben auch den Weg in die deutsche Frauenbundesliga gefunden. Unter anderem spielte die Rekordtorschützin der Neuseeländerinnen, Amber Hearn, viele Jahre in Jena, Nationalspielerin Paige Satchell spielt ab der Saison 2019/20 für die Frauen des SC Sand. In der abgelaufenen Saison war außerdem Meikayla Jean-Maree Moore in der AFBL aktiv.

Meikayla Moore wurde am 4. Juni 1996 Jahren in Christchurch geboren. Im Januar 2018 kam Moore, die zuvor ausschließlich in der heimischen National League Women gespielt hatte, zum 1. FC Köln und verstärkte dort die Abwehr der Rheinländerinnen. Nach dem Abstieg des FC in jener Saison wechselte Moore nach Duisburg zum MSV. Dort spielt die Neuseeländerin mit der Rückennummer 5 eine gewichtige Rolle: In den meisten Saisonspielen stand sie über die vollen 90 Minuten auf dem Platz. Zwei Spiele verpasste sie, da sie zu der Zeit mit der neuseeländischen Nationalmannschaft an der Ozeanien-Meisterschaft teilnahm. Für die Neuseeländerinnen, für die sie 2013 im Spiel gegen China ihr Debüt gab, bestritt Moore bisher 34 Partien in der A-Nationalmannschaft und schoss für die Ferns drei Tore.

Ein Tor schoss Moore auch bei den Zebras in der Bundesliga: Am 4. November 2018 köpfte sie nach einem Freistoß der Österreicherin Barbara Dunst direkt in das Tor der eingewechselten Mary Earps – der erste Gegentreffer für die Wölfinnen in der abgelaufenen Saison. Es war ein Spiel, das bei der 1,73 Meter großen Rechtsverteidigerin doch Eindruck hinterlassen hat: Auf die Frage, welche Partie sie gerne wiederholen würde, antwortete die Neuseeländerin auf dem vereinsinternen Social-Media-Kanal Instagram, dass sie gerne diese wiederholen würde, um noch ein zweites Tor für ein Unentschieden gegen die amtierenden deutschen Meisterinnen zu schießen.

Neben der Fußballkarriere studiert die Neuseeländerin per Fernkurs Gesundheitswissenschaften an der Massey University (Neuseeland). Nach der aktiven Zeit möchte sie im medizinischen Bereich arbeiten, um anderen Menschen zu helfen.

An der Fußball-Weltmeisterschaft der Frauen darf eine Mannschaft der Oceania Football Confederation (OFC) teilnehmen. Für die WM in Frankreich qualifizierte sich Neuseeland – wie schon für die Turniere 1991, 2007, 2011 und 2015 – durch den ungefährdeten Sieg der Ozeanien-Meisterschaft. Bei den bisherigen Weltmeisterschaften kam Neuseeland jedoch nie über die Vorrunde hinaus: Noch nie hat die Mannschaft ein Spiel bei einer Weltmeisterschaft gewonnen – trotz der bisher vier Teilnahmen. Das erste von drei Remis, ein 2:2 gegen Mexiko, errang das Team 2011 in Sinsheim bei der WM in Deutschland. In Frankreich nehmen die Ferns nun in der Gruppe E einen erneuten Anlauf gegen Kanada, Kamerun und die amtierenden Europameisterinnen aus den Niederlanden.

Etwas erfolgreicher als die A-Nationalmannschaft war im vergangenen Jahr das U17 Team. Bei der WM in Uruguay erreichten die Junior-Ferns überraschend den 3. Platz und setzen sich unerwartet gegen Japans und Kanadas Juniorinnen durch.

Im Gegensatz zur WM stellt die kontinentale Meisterschaft für die Neuseeländerinnen keine Schwierigkeit dar – jedenfalls seitdem die Australierinnen 2007 in den asiatischen Verband (AFC) gewechselt sind. Sechs der elf Ozeanien-Meisterschaften konnten die Ferns gewinnen. Die Meisterschaft 2018 in Neukaledonien gewannen sie durch einen ungefährdeten 8:0 Sieg gegen die Fidschi. Durch den Mangel an ernsthaften Pflichtspielgegnern außerhalb der WM fällt es aber schwer, die Leistungen des Teams einzuschätzen. Das letzte Testspiel gegen Norwegen gewannen die Neuseeländerinnen allerdings 1:0. Das lässt hoffen, dass sie vielleicht bei dieser WM ihren ersten Sieg einfahren könnten. Das Spiel gegen Kamerun ist dabei übrigens das erste WM-Spiel der Ferns gegen eine afrikanische Mannschaft.

Die nationale Frauenliga in Neuseeland – National Women’s League – ist in der Frauenfußballwelt nicht für ihr hohes Niveau bekannt. Sie besteht aus sieben Teams, die allerdings die sieben Regionalverbände vertreten und gegeneinander antreten. Im National Women’s League Grand Final treten die zwei besten Teams gegeneinander an. Die Liga ist stark im Wandel, änderte bisher regelmäßig die Regularien und hat sich zum Ziel gesetzt, im Jahr 2020 auch eine Club-Fußball-Liga wie bei den Herren aufzubauen. Vielleicht zieht es dann auch nicht mehr die Talente in die ausländischen Ligen in Übersee.

In einem aber sind die Neuseeländer vielen anderen voraus: New Zealand Football (NZF), der neuseeländische Fußballverband, führte im Sommer 2018 die Regel ein, dass Frauen und Männer im Fußball gleichgestellt sind. Dies bedeutet, die Frauen erhalten die gleichen Prämien und Regelungen für Bildrechte und müssen auch nicht Holzklasse fliegen, während die Herren First Class genießen. Das ist sehr löblich und sollte unbedingt mehr Nachahmer finden.

Weniger löblich ist allerdings, dass der Verband lange brauchte, um die Probleme des damaligen Trainers Andreas Heraf mit dem Team anzugehen. Der ehemalige Coach war erst nach Protesten von Seiten der Spielerinnen im Juli 2018 beurlaubt worden. Diese hatten sich über das vergiftete Arbeitsklima beschwert, dabei war unter anderem von Mobbing und Belästigung die Rede. Seit November 2018 trainiert der Schotte Tom Sermanni die Ferns.

Zur Person: Juliane Meuser ist Podcasterin, Gelegenheitsbloggerin und Frauenfußballfan. Zu hören ist sie unter anderem bei Lottes Erbinnen und bei FRÜF – Frauen reden über Fußball.

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Vivianne Miedema will aus dem Schatten von Robben und van Persie

Es war durchaus bezeichnend, dass in diesem Jahr gleich zwei Holländer*innen mit dem “Player of the year”-Award der englischen Fußballspieler-Vereinigung ausgezeichnet wurden. Vivianne Miedema von den Arsenal Women wurde als beste Frau geehrt, Liverpools Virgil van Dijk bekam den Preis bei den Männern. Nach einigen Jahren Tristesse ist niederländischer Fußball derzeit wieder ziemlich angesagt. Die Männer haben sich für das Finalturnier der Uefa Nations League qualifiziert. Die Frauen sind amtierende Europameisterinnen. 2017 gewannen sie die kontinentalen Wettkämpfe im eigenen Land. Es war der erste Titel überhaupt für die holländischen Damen.

Der Sieg gegen Dänemark im Finale von Eschede, der anschließend von zehntausenden Niederländer*innen gefeiert wurde, war so etwas wie der Durchbruch der Oranje Leeuwinnen, der orangenen Löwinnen, wie das Team in den Niederlanden genannt wird. Bis dato stand das Frauenteam immer im Schatten der Männer. Mit der EM änderte sich das. Im klassischen 4-3-3-System der Niederlande spielten sich die Damen in die Herzen ihrer Landsleute. Dass die Männer die Europameisterschaft 2016 verpasst hatten und sich bereits andeutete, dass sie auch die WM in Russland verpassen würden, half dabei sicher.

Miedema und Martens statt Robben

Seit dieser Zeit tragen weibliche Fußballfans immer öfter die Namen von Vivianne Miedema oder Lieke Martens auf ihren Trikots und nicht wie vorher Arjen Robben. Eine Entwicklung, die Miedema sehr gefällt. Die 22-jährige Stürmerin, die für die Arsenal-Frauen spielt, hofft, dass sie und ihre Mitspielerinnen Vorbilder für die kommenden Generationen sein können.

Vivianne Miedema, die mit vollem Namen Anna Margaretha Marina Astrid Miedema heißt, geht dabei mit gutem Beispiel voran. Seit der EM 2017 gehört sie zu den Topstars der Holländerinnen. In dieser Saison hat sie Arsenal mit 20 Toren in 17 Spielen zur Meisterschaft in England geschossen. Zuvor spielte sie für den FC Bayern und gewann dort ebenfalls zwei Mal die nationale Meisterschaft. Sie verließ die Münchner, weil ihr die Spielweise nicht offensiv genug war. Miedema ist sich sicher, dass die Philosophie von Arsenal besser zu passt – und die Torquote gibt ihr recht.

Vivianne Miedema im Dress des FC Bayern München (Foto: Tom Seiss)

Angeborener Killerinstinkt

Es ist vor allem ihr Killerinstinkt vor dem Tor, der sie auszeichnet. Manche behaupten, der wäre angeboren. Weil schon ihr Vater ein erfolgreicher Fußballer war und auch ihr Bruder professionell kickt. Ihre Mutter spielte auf hohem Niveau Hockey. Schon als kleines Mädchen liebte Vivianne Miedema den Fußball. Mit ihren Eltern besuchte sie regelmäßig die Spiele von Feyenoord Rotterdam. Robin van Persie war damals ihr Vorbild. Weibliche Idole gab es in den Niederlanden damals nicht. Zu unbedeutend war der Frauenfußball in den Niederlanden.

Weil Miedema deutlich länger mit Jungs zusammen gespielt hat als die meisten Mädchen, hat sie gelernt sich durchzusetzen. “Da waren viele gute Jungs dabei”, erinnert sich die 22-Jährige in einem Gespräch mit dem “Guardian”. “Manche spielen heute auf europäischem Top-Niveau. Das hat mir sehr geholfen.” Sie rät jungen Spielerinnen deshalb so lange wie möglich mit Jungs zusammen zu spielen.

Miedema fordert gleiche Bezahlung

Doch es sind nicht nur ihre Tore und ihr Auftreten im Spiel, die Vivianne Miedema zum Vorbild machen. Es ist auch ihre Haltung außerhalb des Platzes. Sie hofft, dass sie gemeinsam mit ihren Teamkolleginnen die Bedingungen für die mehr als 150.000 Frauen (Stand 2017), die in den Niederlanden Fußball spielen, nachhaltig verbessern kann.

Ganz selbstbewusst fordert sie in einem Porträt bei fifa.com vom Niederländischen Fußballverband die gleiche Bezahlung wie die männlichen Nationalspieler. “Immerhin waren in den vergangenen Jahren deutlich erfolgreicher als die Männer, die sich für zwei große Turniere nicht qualifiziert haben.” Und für die bezahle der Verband Millionen, so Miedema.

Schwung mitnehmen

Als nächstes steht nun die WM in Frankreich vor der Tür. Es mutet etwas seltsam an, dass die amtierenden Europameisterinnen, die zudem eine der besten Stürmerinnen der Welt in ihren Reihen haben, dabei nicht unbedingt zu den Favoriten zählen. Doch weil die Qualifikation für die Weltmeisterschaft erst in den Play-offs gegen die Schweiz gesichert wurde, werden den orangenen Löwinnen eher Außenseiterchancen eingeräumt.

Vivianne Miedema hofft dennoch, dass ihr Team den Schwung der EM weiter nutzen kann. Mit guten Leistungen bei der WM in Frankreich wollen die Holländerinnen die Entwicklung des Frauenfußballs in ihrer Heimat weiter vorantreiben. Damit irgendwann nicht nur die beste Spielerin und der Topspieler ganz selbstverständlich nebeneinander stehen. Sondern damit irgendwann alle kickenden Frauen die gleiche Wertschätzung bekommen, wie ihre männlichen Kollegen.

Zur Person: Oliver Leiste ist Redaktionsmitglied bei 120minuten und als Sportjournalist für MDR Sachsen und MDR Sachsen-Anhalt tätig.

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Hier geht’s zu den anderen Gruppen:

WM 2019 – 24 Spielerinnen, die die Welt verändern – Gruppe D

Die Favoritenrollen in Gruppe D sind klar verteilt: Japan, WM-Zweiter 2015 und England, damals Dritter werden den Gruppensieg unter sich ausspielen. Alles andere wäre eine Überraschung. Interessant wird es zu sehen, wie Argentinien sich schlagen wird, die derzeit mehr Probleme mit dem Verband als mit Gegnern haben. Und dann ist da noch Schottland, die zum ersten Mal dabei sind.

Steph Houghton – Fußball ist nicht alles

Der moderne Fußball kommt aus England, weshalb dort sehr oft davon gesprochen wird, Fußball käme nach Hause, wenn ein Turnier ansteht; entweder in Form der Trophäe. Oder das Mutterland richtet das Turnier selber aus, wie zuletzt 1996. Dieser Spruch “Football’s coming Home” bezieht sich dabei ausschließlich auf die männliche Version. Bisher war das halbwegs nachvollziehbar, waren doch die Frauen unter ferner liefen zu suchen bei den großen Turnieren. Während vor allem die USA und Deutschland, aber auch Frankreich und Japan zu den Top-Mannschaften gehören, ist die englische Nationalmannschaft erst in den letzten Jahren auf dem großen Parkett präsent. Wie die Herren hat auch der Frauenfußball in England spät den internationalen Fußball entdeckt.

Dabei fing es schon sehr früh an. Um die Jahrhundertwende zum 20. Jahrhundert gab es erste lose Frauenmannschaften. Nach dem 1. Weltkrieg sorgten dann Dick, Kerr Ladies F.C. aus Preston für Furore, bzw. für das spätere Verbot des Frauenfußballs in England. So war es jenes Team, welches eine französische Auswahl vor 25000 Zuschauern mit 2-0 besiegte. Es war das erste internationale Spiel von Frauenmannschaften. Doch der Zauber war bald vorbei, denn 1921 hat die FA es den Frauen verboten, auf ihren Plätzen zu spielen; dieses Verbot sollte erst 1971 aufgehoben werden. Die Dick, Kerr Ladies existierten bis 1965 und spielten dabei 828 Partien, von denen sie 758 gewannen. Nur 24 gingen verloren.

Steph Houghton, England vs Australia, Craven Cottage am 09.10.2018. Foto: EL Loko via WikiCommons, (CC BY 4.0)

Der Fußball der Frauen wird in England zunehmend populärer; nicht erst seit dem überraschenden dritten Platz bei der WM 2015 in Kanada, als man im Spiel gegen Deutschland, den vermeintlichen Favoriten nicht einfach nur eiskalt überraschte, sondern keine Chance ließ. Die Women’s Super League erfreut sich wachsender Begeisterung und seit September 2018 besitzen alle Clubs und Teams den Vollprofi-Status.

Eine, die schon bei der WM 2015 dabei war und in diesem Jahr die Löwinnen als Favorit auf das Spielfeld führen könnte, ist Steph Houghton von Manchester City. Ursprünglich aus Durham streift sie seit 2014 das himmelblaue Trikot über und hat es für England bereits in den Club der Hunderter geschafft, was nicht vielen vorbehalten ist.

Etwas macht Houghton aber außergewöhnlich und das hat mit ihrem Ehemann, Stephen Darby, zu tun. Dieser erklärte im September 2018 sein Karriereende. Aus gutem Grund.

Er leidet an der Motoneuron-Krankheit für die es bisher keine Heilungsmöglichkeiten gibt. Was hat das nun mit Steph Houghton und der WM zu tun? Ganz einfach, für sie ist es selbstverständlich, dass sie eben NICHT in Frankreich dabei sein kann, sollte es ihrem Ehemann nicht gut gehen. Dabei hat sie die volle Unterstützung des Nationaltrainers, Phil Neville, der ihr Zeit einräumte, sich auf die Situation einzustellen:

“Fußball ist nicht so wichtig, wie die Situation, die Steph gerade durchmacht.”

Es ist aber ihr Mann, Stephen, der ihr sagt weiterzumachen, auch um mal rauszukommen. Mit so einer Situation umzugehen, dazu gehört Stärke. Die hat Houghton und sie ist dadurch noch besser geworden, konstatiert Neville: “Sie ist derzeit so stark wie nie.” In der Liga ist City Tabellenzweiter mit einem Spiel weniger und dem Tabellenführer Arsenal auf den Fersen.

Ist es vorstellbar, dass ein Thomas Müller oder Timo Werner wegen ihrer Frauen auf ein Turnier verzichten würden?

Für Houghton könnte es eine sehr erfolgreiche Saison werden; am 4. Mai steht das Pokalfinale gegen West Ham an, die Liga wird eine Woche später entschieden. Es wird zum direkten Showdown zwischen Arsenal und Man City kommen. Danach geht es zur WM und um einen möglichen dritten Titel für die Spielführerin von England.

Englands Löwinnen von 2019 sind ohne Zweifel unter den Favoriten für die WM im Juni. Erst im März hat das Team den SheBelieves Cup gewonnen, dabei Brasilien und Japan geschlagen und gegen den amtierenden Weltmeister USA ein 2-2 geholt. Der Titelgewinn würde eine erneute Welle der Euphorie für Fussball auslösen, da sind sich alle Beobachter einig. Steph Houghton wäre neben Bobby Moore ein weiterer Fixstern in Englands Fußball Olymp.



Zur Person: Christoph Wagner ist Teil der 120minuten-Redaktion und beschäftigt sich dort mit historischen Themen.

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Erin Cuthbert – schottisches Vorbild

“Sie ist gewieft, sie ist selbstbewusst, sie ist entschlossen – eine echte Kämpferin mit großem Siegeswillen. Das sind genau die schottischen Eigenschaften, die wir sehen wollen.”

Das sagt Schottlands Nationaltrainerin Shelley Kerr über Erin Cuthbert, die mit gerade 20 Jahren bereits als Aushängeschild im schottischen Frauenfußball gilt. Ihr Debüt in der A-Nationalmannschaft gab die Spielerin der Chelsea FC Women am 7. Juni 2016 in einem EM-Qualifikationsspiel gegen Weißrussland. Cuthbert war es auch, die bei der anschließenden Endrunde im zweiten Turnierspiel gegen Portugal das allererste Europameisterschaftstor der Schottinnen erzielte, als sie nach 68 Minuten zum zwischenzeitlichen Ausgleich netzen konnte. Verloren ging die Partie dennoch mit 1:2, auch das 1:0 im abschließenden Gruppenspiel (Cuthberts erstem über 90 Minuten im Dress der Nationalmannschaft) gegen Spanien reichte nicht zum Weiterkommen.

Erin Cuthbert Foto: Pandagrenade via WikiCommons, (CC BY-SA 4.0)

Dementsprechend sind die Erinnerungen an die Europameisterschaft der Frauen 2017 für Erin Cuthbert auch mit gemischten Gefühlen verbunden. Klar, sie hatte ein historisches Tor erzielt, dennoch lief für das Team insgesamt nicht alles nach Plan. Bei der Weltmeisterschaft in Frankreich soll sich das nun ändern:

“Die EURO ging nun gar nicht nach unserem Geschmack los. Aber es waren damals auch zahlreiche Umstände gegen uns. Einige wichtige Spielerinnen fehlten verletzt und es gab noch weitere Probleme”, so Cuthbert.

“Seitdem haben wir uns als Team aber enorm weiter entwickelt. Wir wissen, dass es schwer wird, aber ich bin zuversichtlich, dass wir eine gute Visitenkarte abgeben werden.” (FIFA.com).

Diese Zuversicht ist alles andere als unbegründet, löste die erstmalige Qualifikation der Schottinnen für eine Weltmeisterschaft doch eine gute Portion Euphorie in Glasgow, Edinburgh, Dundee und umzu aus:

“Ich kann mich nicht erinnern, dass in Schottland jemals so viel über Frauenfussball gesprochen wurde. Dabei schwingen aufrichtiger Respekt und jede Menge Freude mit. Den Menschen wird klar, dass wir alle sehr stolz auf diese Frauen sein dürfen. Die Leute zählen schon jetzt die Tage bis zum ersten Spiel, das ist einfach grandios.”(Singer-Songwriterin Amy Macdonald im Interview mit FIFA.com)

Der schottische Nationalstolz, der inzwischen auch durch die Fußballfrauen transportiert wird und den Erin Cuthbert so eindrucksvoll vorlebt, ist für Trainerin Shelley Kerr einer von vier Faktoren für den derzeitigen Erfolg. Darüber hinaus musste das Team auf dem Weg nach Frankreich immer wieder Rückschläge wegstecken, an denen die Mannschaft wachsen und ihren Charakter unter Beweis stellen konnte. Vier der sieben Siege in der Qualifikation konnte das Team nach einem Rückstand einfahren; mentale Stärke und Belastbarkeit sind also ein weiterer Faktor, der für die Schottinnen spricht. Darüber hinaus profitiert der Frauenfußball im Land von dem Umstand, dass der weit überwiegende Teil der nominierten Spielerinnen inzwischen unter professionellen Bedingungen trainiert und spielt. Ein großer Teil des Kaders steht bei englischen Teams unter Vertrag, Kapitänin Rachel Corsie schnürt gar für den Utah Royals FC aus der amerikanischen National Women’s Soccer League die Fußballschuhe. Schließlich gilt auch die offensive Spielweise, die Shelley Kerr ihrer Mannschaft verpasst hat, als einer der Schlüssel zum schottischen Fußballerfolg.

Ob diese vier Faktoren ausreichen werden, um den großen Rivalen aus England im Auftaktspiel der Gruppe D am 9. Juni zu bezwingen und damit möglicherweise den Grundstein für ein erfolgreiches Turnier zu legen, wird sich allerdings noch zeigen müssen. Die Bilanz spricht hier eindeutig für die englischen Kolleginnen: 25 Mal gab es die Paarung Schottland – England im Frauenfußball bisher, zweimal konnten die Schottinnen gewinnen, einmal ein Unentschieden erkämpfen, 22 Mal ging die Mannschaft als Verlierer vom Platz.

Fakt ist auf jeden Fall, dass die schottische Nationalmannschaft die Reise nach Frankreich nicht als touristischen Ausflug versteht, sondern durchaus Ambitionen hat, dort eine gute Rolle zu spielen.

“Es gibt nichts Größeres als eine Weltmeisterschaft. Wir sind sehr stolz und hoffen, dass wir nicht nur Mädchen verstärkt für den Fussball begeistern können. Wir wollen das Land hinter uns bringen. Es soll Spaß machen, diese Mannschaft zu unterstützen.”(Mittelfeldspielerin Caroline Weir bei FIFA.com)

Und auch Erin Cuthbert kündigt an, dass die Mannschaft in Frankreich nicht nur das Teilnehmerinnenfeld komplettiert:

“Wir werden kämpfen. Keine Mannschaft wird es gegen uns leicht haben.”

Zur Person: Alex Schnarr ist Teil der 120minuten-Redaktion und beschäftigt sich dort mit den gesellschaftlichen Zusammenhängen in und um den Fußball.

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Argentinien – Macarena Sánchez siegt abseits des Platzes

Unabhängig, wie die Spiele der argentinischen Nationalmannschaft bei der Weltmeisterschaft 2019 in Frankreich verlaufen werden: Die Fußballerinnen aus Südamerika haben bereits gewonnen – außerhalb des Platzes. Für diesen Erfolg ist eine Frau verantwortlich, die beim Turnier in Frankreich gar nicht Teil des Nationalteams ist: Macarena Sánchez.

Die 27-jährige Fußballerin Macarena Sánchez hat ein bewegtes Halbjahr hinter sich. Anfang 2019 wurde sie von ihrem damaligen Verein Deportivo UAI Urquiza aus der Hauptstadt Buenos Aires suspendiert – aus sportlichen Gründen so die offizielle Verlautbarung. In der argentinischen Liga, in der die meisten Frauen kein Gehalt erhalten und ihre Reisekosten zu Auswärtsspielen teilweise selbst tragen müssen, kein gänzlich ungewöhnlicher Vorgang.
Allerdings scheint es so, als ob ein anderer Grund den Ausschlag für die Trennung gab. Denn Sánchez ist gewillt, die Zustände im argentinischen Frauenfußball zu ändern: Weg vom amateurhaften Sport, hin zum professionellen, zum gleichberechtigen Fußball. In einem Land, in dem der Fußball so stark mit dem gesellschaftlichen Leben verwoben ist, dass sich durch den Sport dieselben patriarchischen Strukturen ziehen, wie im politischen und gesellschaftlichen Leben.

Macarena Sanchez Foto: TitiNicola via Wiki Commons, (CC BY-SA 4.0)

Anzeichen für die These des Rauswurfs aufgrund nichtsportlicher Gründe ist die Tatsache, dass Sánchez in der Öffentlichkeit über die Missstände als fußballspielende Frau anprangerte und eine Klage gegen ihren ehemaligen Klub Deportivo UAI Urquiza ankündigte. Ein Verein, der zu diesem Zeitpunkt den in der dritten Liga spielenden Männern feste Gehälter bezahlte, während den in der Copa Liberatores spielenden Frauen gerade mal die Reisekosten bezuschusst wurden – bei Sánchez mit 400 Pesos monatlich, umgerechnet knapp 10 Euro. Wie dies mit den FIFA Regularien einher gehen soll, in denen die Gleichberechtigung der Geschlechter verankert sind, fragte sich nicht nur Sánchez und richtete sich in ihrem Statement auch gegen den argentinischen Verband.

Professionalität ist gleichbedeutend mit Gleichberechtigung

Sánchez wollte ihren Auftritt nicht missverstanden wissen als Forderung nach Heroisierung und dem Verdienst von Millionen, wie bei den Männern üblich. Vielmehr wollte sie den Weg zum professionellen Fußball für Frauen in Argentinien ebnen. Ihre beinahe trivial klingenden Forderungen: Bereitstellung von Trainingsplätzen zu humanen Zeiten, Übernahme der Kosten für die Ausrüstung, der Versicherung im Krankheitsfall und auch der Reisekosten zu Auswärtsspielen. Bei Männern eine unausgesprochene Selbstverständlichkeit. 2017 streikten sogar die besten Spielerinnen des Landes, die Nationalspielerinnen, da sie auf ihr Stipendium in Höhe von umgerechnet 7 Euro warten mussten.

Natürlich sollte professioneller Sport auch professionell bezahlt werden. Daraus macht Sánchez kein Geheimnis. Durch mehr Bezahlung könnten die Frauen ihren Lebensunterhalt verdienen, sich voll und ganz auf den Sport konzentrieren und so wiederum ausreichend trainieren um sich zu verbessern und wiederum mehr Erfolge zu feiern. Freilich eine diskutable Argumentationskette, aktuell vor allem aber nur Wunschdenken.

3 kleine Schritte zum großen Ziel

Unterstützung bekam Sánchez in den Monaten nach ihrem öffentlichen Auftritt von Anwältinnen und Frauenrechtsbewegungen wie „La Nuestra“, die sie in ihrem Handeln bestärkten und auch für das entsprechende Echo im Land sorgten. Der Umstand, dass Sánchez – mitten in der Saison entlassen – nicht mehr innerhalb der Liga wechseln durfte, half ihr sicherlich den Schritt in die Öffentlichkeit zu wagen. Denn sie, die Frieda Kahlo auf ihrem Arm tätowiert hat, musste auf keine Interessen mehr achten. Dieser Schritt war von Erfolg gekrönt.

Nun, einige Monate später hat sich einiges verändert. Im März 2019 kündigte der Verband an, dass zur kommenden Liga-Spielzeit ab Juni jedes Team mindestens acht Spielerinnen mit professionellen Verträgen ausgestattet haben muss. Welche Punkte dieser Vertrag beinhalten muss, bleibt allerdings offen. Der Verband in Person von Präsident Claudio Tapia sicherte zu, dass (zunächst) in Buenos Aires ein Trainingszentrum gebaut wird. So sollen Spielerinnen und Vereine, die keine eigene Trainingsstätte besitzen, die Voraussetzungen für ein professionelles Training bekommen. Zudem durfte am 9. März 2019 erstmals die Frauenmannschaft der Boca Juniors in La Bombonera spielen – im Vorfeld eines Ligaspiels der Männer gegen San Lorenzo. Die Partie, live im nationalen Fernsehen übertragen, gegen Lanus gewannen sie überlegen mit 5:0.

Zur richtigen Zeit am richtigen Ort?

Selbstredend reicht ein Livespiel im Fernsehen oder der Bau eines Trainingskomplexes in der Hauptstadt nicht, um den Frauenfußball in Argentinien zu professionalisieren. Auch die Mindestzahl von acht Profiverträgen scheint im ersten Moment wie ein Schlag ins Gesicht. Wer es vergessen haben mag: Auch eine Frauenfußballmannschaft besteht aus mindestens elf Spielerinnen. Und noch vor einem Jahr, 2018, gab der Verband ein Russland-Handbuch für die argentinischen Fans im Vorfeld der Weltmeisterschaft heraus, indem sich explizite Flirttipps zu russischen Frauen befanden.

Doch in diesem patriarchisch strukturierten Land, in dem bislang nur der Männerfußball zählte, hat der Frauenfußball seinen Weg in die Öffentlichkeit gefunden. Sei es durch ein Livespiel im Fernsehen, sei es durch die rebellierende Macarena Sánchez, die mittlerweile bei San Lorenzo unter Vertrag steht. Offensichtlich kam Sánchez mit ihren Überzeugungen und ihrem Willen zur Veränderung zur rechten Zeit. Ein Beleg? Sánchez‘ neuer Boss Matias Lammens, der Präsident von San Lorenzo, einst nicht unbedingt als Verfechter des Frauenfußballs in Erscheinung getreten, zieht mit einer fortschrittlichen Frauenrechtsagenda in den Bürgermeisterwahlkampf von Buenos Aires (die Wahl ist im Oktober). Da scheint die Einstellung der Frauenfußballrechtlerin Sánchez im eigenen Verein sicherlich keine falsche Entscheidung, um die Wählerschicht für sich zu gewinnen.

Auch wenn teilweise politische Motive für die Einstellung Sánchez‘ nicht unwahrscheinlich erscheinen, so lässt sich davon unabhängig konstatieren: Frauenfußball und die die Frage der Gleichberechtigung ist ein Faktor im öffentlichen Diskurs Argentiniens geworden. Und davon kann der argentinische Frauenfußball profitieren. Denn erst so lassen sich die drängenden Fragen nachhaltig thematisieren.

Gewonnen haben die Spielerinnen (teilweise) schon

Unbestritten ist dies aber nur der erste Schritt in die richtige Richtung. Die März-Ankündigungen muss der Verband nun umsetzen und zeigen, dass es ihm mit dem Aufbau einer professionellen Frauenfußballliga ernst ist. Die Qualifikation zur Weltmeisterschaft, der ersten nach zwölf Jahren, zeigt, dass die Weltspitze für die argentinischen Fußballerinnen nicht allzu weit entfernt ist. In einer Gruppe mit dem Vizeweltmeister Japan und dem WM-Dritten von 2015, England sowie Schottland wird der Einzug in die KO-Runde zwar nicht einfach.
Doch unabhängig vom Resultat haben die argentinischen Fußballerinnen schon vor dem Turnier gewonnen – und zwar an Anerkennung, auch dank Macarena Sánchez. Sicherlich hätte sie auch nichts gegen ein Weiterkommen ihrer Kolleginnen, genauso wie der Großteil der knapp 45 Millionen anderen fußballverrückten Argentinier und Argentinierinnen. Dann dürfte auch der Prozess der Professionalisierung des argentinischen Frauenfußballs zügiger vorangehen.



Zur Person: Jerome Grad ist Teil der 120minuten-Redaktion.

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Ein Mix aus Routine und Neulingen soll Dauerteilnehmer Japan Erfolg bringen

Der Tag, an dem der Kader für ein anstehendes Turnier bekanntgegeben wird, birgt für einige Spieler*innen Bestätigung oder positive Überraschungen – für andere wiederum grenzenlose Enttäuschung. Das war auch am 10. Mai bei der Veröffentlichung des japanischen Kaders für die WM in Frankreich nicht anders. Eine, die sich bis zuletzt Hoffnungen darauf gemacht hatte, diesmal beim Turnier für ihr Land auflaufen zu dürfen, ist Hikaru Naomoto, die in der zu Ende gegangenen Saison in der Allianz Frauen-Bundesliga für den SC Freiburg aufgelaufen ist.

Zwar schaffte es die Mittelfeldspielerin auch 2015 nicht in den Kader des einzigen asiatischen Landes, das bisher an allen Weltmeisterschaften teilgenommen hat, sie war aber bei den Asienmeisterschaft 2014 und 2018 ebenso im Team wie beim Tournament of Nations 2017. Bei diesem Turnier landete „Nadeshiko Japan“ allerdings auf dem letzten Platz – bei der WM 2015 hatte es die Mannschaft noch ins Finale geschafft.

Im abschließenden Freundschaftsspiel der Vorbereitung für die WM in Frankreich, das Japan am 9. April gegen Deutschland bestritt (2:2), wurde Naomoto in der 83. Minute eingewechselt. Für die Weltmeisterschaft nun verzichtet Trainerin Asako Takakura auf die 25-jährige Spielerin, die mit uns im Interview über ihre Karriere ebenso wie den Stellenwert von Frauenfußball in ihrer Heimat spricht.

Hikaru Naomoto beim Spiel gegen SGS Essen am 27. April 2019. (Foto: SC Freiburg)

Ihre erste Saison in Freiburg ist gerade zu Ende. Was war in der Bundesliga so, wie Sie es sich vorgestellt haben? Wovon wurden Sie vielleicht auch überrascht?
Wie ich erwartet habe, wird in Deutschland mit mehr Geschwindigkeit und mehr Kraft gespielt. Und ich war sehr erstaunt, dass auch in der AFBL sehr viele Spielerinnen mit einer guten Technik spielen und jede Mannschaft auch im Passspiel sehr sicher ist.

Wie wird die AFBL in Japan wahrgenommen? Welche anderen Ligen stehen im Fokus?
Die AFBL hat im Allgemeinen mehr Tempo und es wird mit mehr Power gespielt. Das wird sowohl von den Fans, als auch von anderen Spielern so gesehen. Außerdem werden unter anderem die amerikanische Liga und spanische Liga verfolgt, da dort auch Japanerinnen spielen.

Sie kamen in 19 Ligaspielen und drei DFB-Pokal-Begegnungen zum Einsatz. Wie wohl fühlen Sie sich im Team?
Im Team fühle ich mich sehr wohl. Das Level ist sehr hoch und es ist nicht einfach, in die Startformation zu kommen. Aber auch der Kampf um die Stammplätze macht sehr viel Spaß!

Was sind, bezogen auf Ihr eigenes Spiel bzw. Ihre Rolle im Team, Unterschiede zwischen der Liga-Mannschaft und der Nationalmannschaft?
Ich denke, meine Aufgabe ist es, gute Pässe zu spielen, schnelle und richtige Entscheidungen zu treffen und in bestimmten Situationen Ruhe ins Spiel zu bringen. In der Nationalmannschaft kann ich es nicht genau sagen …

Sie haben bei der U-17-Weltmeisterschaft 2010 in Trinidad und Tobago das Finale erreicht. Wie sehr hat dieses Turnier Sie als junge Spielerin beeindruckt?
Dass wir es bis in das Finale schaffen würden, hätten wir nie gedacht. Und ich bin sehr daran gewachsen. Anfangs waren wir zwar zufrieden, eine Medaille gewonnen zu haben, aber direkt nach dem Spiel haben wir gedacht, dass es nur etwas zählt, wenn wir die Goldmedaille holen.

In der abgelaufenen Saison kam Naomoto auf 19 Einsätze, 13 davon in der Startelf. (Foto: SC Freiburg)

Bei der U-20-Weltmeisterschaft 2012 in Japan wurden Sie mit Ihrem Team Dritter. Wie groß war die Begeisterung für das Turnier im eigenen Land?
Alle waren sehr begeistert und mit einem Mal waren wir für eine zeitlang berühmt. Die Zahl der Fans hat ungemein zugenommen und ich hatte sogar manchmal Angst, alleine auf die Straße zu gehen …

Welchen Stellenwert genießt der Frauenfußball aktuell in Japan, auch verglichen mit dem in Deutschland? Wo könnten die beiden Länder voneinander lernen?
Ich denke, dass der Frauenfußball unter den Frauen-Sportarten sehr beliebt ist. Die Deutschen können von den Japanern vielleicht die Schnelligkeit dabei abschauen, Entscheidungen zu treffen. Und die Japaner können noch lernen, wie man Zweikämpfe führt – und natürlich den Zug zum Tor!

Ärgert es Sie persönlich, dass der Stellenwert des Frauenfußballs oftmals immer noch hinter dem des Männerfußballs zurücksteht?
Ich finde es schon sehr ärgerlich, dass – vor allem in Japan, wo die Frauen seit Jahren gute Ergebnisse erzielen – der Unterschied beim Stellenwert so groß ist. Schließlich sind wir 2011 auch Weltmeister geworden!

Wer ist aus Ihrer Sicht Favorit auf den Titel?
Frankreich und Deutschland.

Vielen Dank für das Gespräch.



Zur Person: Mara Pfeiffer schreibt unter anderem für die Allgemeine Zeitung, den Freitag und den ballesterer. Sie gehört zur Redaktion von 120minuten und dem FRÜF-Kollektiv.

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Hier geht’s zu den anderen Gruppen:

WM 2019 – 24 Spielerinnen, die die Welt verändern – Gruppe C

Die Liebe zum Spiel ist das verbindende Element in der Gruppe C. Tiffany Cameron besingt sie und die Brasilianerin Formiga hat auch mit 41 noch lange nicht genug vom Fußball. Während Sam Kerr nach Turbulenzen mit Australien auf ein Wunder hofft, träumt Barbara Bonansea von neuen Jubelmomenten.

Sam Kerr – Turbulenzen und die Hoffnung auf ein Wunder

Australien – berühmt für seine Kängurus, Bumerangs, Barbecues – und für seine außergewöhnlichen Fußballer*innen. Sam Kerr aus der kleinen Stadt East Freemantle ist vielleicht die außergewöhnlichste aller außergewöhnlichen Fußballer*innen, die Australien je hervorgebracht hat.

Sie stammt aus einer Familie erfolgreicher Sportler, sowohl ihr Vater als auch ihr Bruder waren professionelle „Australian-Rules“-Footballer. Kerr spielt in der australischen W-League. Seit Gründung der Liga im Jahr 2008 steht sie, abgesehen von zwei Jahren bei Sydney FC, für Perth Glory unter Vertrag. Die reguläre Saison der W-League findet von November bis Februar statt. Anschließend spielen die vier besten der aktuell neun Teams in einer Playoff-Runde um den Titel „W-League Champion“. Kerr spielt außerdem von April bis Oktober in der amerikanischen Profiliga NWSL, aktuell für die Chicago Red Stars.

Seitdem bricht sie alle Rekorde:

  • Die meisten Tore in der NWSL.
  • Die meisten Tore in einem NWSL-Spiel.
  • Die meisten Tore in einer NWSL-Saison.
  • Die meisten Tore in der W-League.
  • Die meisten Tore in einer W-League-Saison.
  • Sam Kerr ist erst 25 Jahre alt.

Mit der nach Australiens inoffizieller Nationalhymne „Waltzing Matilda“ benannten Nationalmannschaft „Matildas“ bricht Kerr diesen Sommer mit großen Hoffnungen zur WM nach Frankreich auf. Bei den letzten drei Weltmeisterschaften kam ihr Land jedes Mal bis ins Viertelfinale. 2019 könnte der Durchbruch gelingen. Mit einer Fülle an talentierten Spielerinnen, die genau zum richtigen Zeitpunkt den Höhepunkt ihrer spielerischen und persönlichen Reife erreicht haben, glaubt Australien an den Einzug ins WM-Finale.

Sam Kerr und ihre Mitspielerinnen gehen mit viel Erfahrung in die WM.

Spielerinnen in den besten Jahren

Die Ex-Potsdamerin Elise Kellond-Knight hat trotz ihrer erst 28 Jahre bereits 106 Länderspiele absolviert. Die defensive Mittelfeldspielerin wurde 2011 und 2015 ins All-Star- Team der WM gewählt. Verteidigerin Clare Polkinghorne steht bei 116 Länderspielen und ist gerade erst 30 Jahre alt geworden. Sie hat zwei Weltmeisterschaften für die Matildas gespielt, bei denen sie der nahezu unüberwindbare Fels der Abwehr war, aber auch torgefährlich. Die Mischung aus Erfahrung und Spielerinnen in den besten Jahren – erfahren und auf der Höhe ihrer körperlichen Leistungsfähigkeit – könnte Australien zu einer Mannschaft machen, mit der gerechnet werden muss.

Dieser Zustand ist umso erstaunlicher, wenn man sich die Entwicklung des Frauenfußballs in Australien vor Augen führt. Zwar fanden schon 1921 Spiele vor mehr als 10.000 Zuschauer*innen statt. Die erste professionelle Liga wurde aber erst 1996 gegründet. Schon acht Jahre nach ihrer Gründung wurde sie zusammen mit der National Soccer League der Männer aufgrund mangelndem Sponsoring wieder aufgelöst. Nachdem die Matildas bei der WM 2007 das Viertelfinale erreichten, sprach sich der damalige Cheftrainer Tom Sermanni (aktuell Trainer Neuseelands) dafür aus, erneut eine professionelle Liga ins Leben zu rufen. Der australische Fußballverband FFA (Football Federation Australia) stimmte zu und gründete 2008 die W-League.

Stabile Liga weckt Interesse

Seitdem gedeiht die Liga mit einer Stabilität, welche der vorherigen Liga fehlte. Die nun stattfindende Professionalisierung und die Vermarktung der Liga haben für ein steigendes Interesse gesorgt. Das Durchschnittsgehalt der Spielerinnen ist 2018 von 15.500 australischen Dollar auf 17.400 Dollar gestiegen, das Mindestgehalt liegt aktuell bei 10.000 Dollar. Die Gehaltsobergrenze hat sich von 2015 bis zum Saisonstart 2017/18 von 150.000 Dollar auf 300.000 australische Dollar verdoppelt.

Die WM-Vorbereitung der Matildas wurde durch eine Kontroverse überschattet, die im Rauswurf des langjährigen Cheftrainers Alen Stajcic mündete. Stajcic gibt bis heute an, das einzige Mal, dass er mit der FFA über die mutmaßlich kaputte Stimmung innerhalb der Mannschaft gesprochen habe, sei während eines 20-minütigen Gesprächs am Tag vor seiner Entlassung gewesen. Die FFA gibt an, es habe Hinweise darauf gegeben, dass sich in den fünf Jahren unter Stajcic eine dysfunktionale Teamkultur entwickelt habe.

Vom Weg abgekommen

Die Mannschaft solle in der WM-Vorbereitung wieder auf den richtigen Weg gebracht werden. Die FFA selbst scheint etwas vom Weg abgekommen zu sein. So sieht es zum Beispiel zurzeit danach aus, dass die A-League der Männer zeitnah eine von der FFA unabhängige Organisation werden könnte. Mit der Verlängerung der Sponsorenpartnerschaft der Matildas mit dem Immobilienunternehmen Westfield und einem weiteren, noch nicht bekannt gegebenen Rekord-Sponsor in Aussicht, gibt es aber auch gute Nachrichten.

Trotzdem haben die Matildas mit dem ehemaligen australischen Nationalspieler Ante Milicic lediglich einen Interimstrainer, der sie durchs Turnier in Frankreich führen wird. Diese womöglich instabile Situation könnte sich fatal auf Australiens Siegeschancen auswirken.

Andererseits könnte die Mannschaft aber auch von jemandem profitieren, der die Dinge einfach gestaltet und sich komplett auf die taktische Ausrichtung konzentriert. Es wird sich früh genug zeigen, in welche Richtung sich die Matildas unter Milicic entwickeln. Aber eines ist gewiss – mit einer Ausnahmeerscheinung wie Sam Kerr in der Mannschaft und erfahrenen Spielerinnen wie Kellond-Knight und Clare Polkinghorne, besteht immer die Chance auf ein Wunder. 2019 könnte das Jahr werden, in dem die Matildas die Welt auf den Kopf stellen.

Zur Person: Ellen Hanisch schreibt als Journalistin über den nationalen und internationalen Fußball. Sie gehört zum Podcast-Kollektiv FRÜF und betreibt FUSSBALLTHESEN.

Foto: Thewomensgame / Wikimedia Commons

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Barbara Bonansea und der Traum von Juventus Turin

Vier “Scudetti” (italienische Meistertitel), drei italienische Pokalsiege, drei italienische Super-Cups und eine Schlüsselrolle bei Juventus sowie bei der italienischen Nationalmannschaft. Barbara Bonansea, geboren und aufgewachsen in der Nähe von Turin, wurde im Trikot des FC Turin groß, aber um sich einen Namen im italienischen Fußball zu machen, musste sie nach Brescia gehen. In fünf Spielzeiten von 2012 bis 2017 mit Le Rondinelle, wie Brescia Calcio genannt wird, spielte Bonansea eine Schlüsselrolle bei den beiden ersten Meisterschaften der Klubgeschichte.

Barbara Bonansea (links) hat Italien zur WM geschossen.

Die Titel verhalfen ihr zu ihrem Debüt auf europäischer Ebene in der Champions League und brachte ihr Angebote von namhaften europäischen Teams ein. Aber seit ihrer Kindheit hatte Bonansea einen Traum – das Trikot von Juventus überzustreifen.

Im Sommer 2017 wurde dieser Traum Wirklichkeit als Juve mit der Übernahme der Lizenz von Cuneo Calcio seine ersten Schritte im Frauenfußball machte und sich sofort anschickte eine führende Rolle zu übernehmen, getreu dem Motto der Turiner: “Gewinnen ist nicht wichtig, es ist das Einzige, was zählt.”

Hilft Titelkampf der Nationalmannschaft?

Dank ihrer Qualitäten auf dem linken Flügel – sie kann für Überraschungsmomente sorgen, geht oft ins Eins-gegen-eins und hilft auch in der Defensive mit – wurde Bonansea zu einer Schlüsselspielerin in Rita Guarinos Kader.

Zusammen mit der Kapitänin der Nationalmannschaft Sara Gama, mit Aurora Galli, Valentina Cernoia und Christina Gelli hat Bonansea mit Juventus Historisches erreicht: in den ersten zwei Spielzeiten wurde Juventus italienischer Meister. Vor allem der zweite Titel war hart erkämpft. Im Titelrennen mit Milan und der Fiorentina konnte der Scudetto erst am letzten Spieltag mit einem Punkt Vorsprung errungen werden. Der intensive Titelkampf könnte positive Auswirkungen auf die Nationalmannschaft haben. Bonansea bezeichnet es als “einen Traum” im Trikot der Azzurra spielen zu dürfen, insbesondere in Anbetracht der bevorstehenden WM in Frankreich.

Bonansea schießt Italien zur WM

Am 8. Juni 2018 erzielte Bonansea das letzte der drei Tore im entscheidenden Spiel gegen Portugal (3:0 in Florenz), das Italien zur Buchung des WM-Tickets für Frankreich verhalf, und beendete damit eine zwanzigjährige Abwesenheit. Die letzte und einzige Teilnahme war in den USA 1999. Das Tor war wichtig und sorgte für überbordende Emotionen, die in einer Jubeltraube aus Spielerinnen und Fans im Artemo Franchi Stadion gipfelte.

Auf dem Weg zur Weltmeisterschaft machte sich Bonansea einen Namen als vielseitige Spielerin. Sie hinterließ einen bleibenden Eindruck bei den Freundschaftsspielen 2019 indem sie zwei Treffer in den vier Spielen beim Cyprus Cup im Februar erzielte (gegen Mexiko und Thailand). Das Turnier beendete Italien auf einem bitteren zweiten Platz hinter Nordkorea. Im Elfmeterschießen, dem ein 3:3 Unentschieden nach einem 120-Minuten-Marathon vorausging, verschoss Bonansea als einzige Spielerin.

Der Turnierausgang war so etwas wie ein kleiner Betriebsunfall – für die Nationalmannschaft und auch Bonansea – während das Team weiterhin auf einer Welle der Euphorie schwimmt. Die Auswahl von Milena Bertolini kann auf viel Unterstützung in Italien setzen, das schlechte Abschneiden der Herren in Russland 2018 hat mehr Interesse auf den Frauenfußball gelenkt.

Eine neue Ära

Juventus aber auch andere große italienische Klubs wie der AC Mailand, AS Rom, Florenz und Inter, das gerade gerade aus der Zweitklassigkeit aufgestiegen ist, haben sich entschieden in den Frauenfußball zu investieren und diesem zu Wachstum zu verhelfen. Ein Beispiel? Am 24. März fand das entscheidende Match um die Meisterschaft zwischen Juve und der Fiorentina im Turiner Allianz Stadium statt, das sonst für Cristiano Ronaldo und sein Team “reserviert” ist. Die Partie war mit 39.000 Zuschauern ausverkauft – zum ersten Mal in der Geschichte des italienischen Frauenfußballs und obendrein ein Zuschauerrekord. Das Spiel könnte man also als möglichen Beginn einer neuen Ära deuten.

Der Frauenfußball kann darauf aufbauen und für das bevorstehende Turnier auf einen  Enthusiasmus hoffen, wie ihn nur eine Weltmeisterschaft hervorzurufen vermag. Nach einer Saison mit 13 Treffern, der viertbeste Wert ligaweit und ein Tor weniger als Juves Top-Scorerin Aluko, ist Bonansea bereit für die große Fußballbühne und das wichtigste Turnier ihrer bisherigen Karriere. Sie hofft auf eine weitere Jubeltraube – ganz genau wie in Florenz vor fast einem Jahr.

Zur Person: Fabio Fava ist Journalist und Kommentator und arbeitet für Eurosport und DAZN.

Foto: Threecharlie/ Wikimedia Commons

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Formiga – Die ewige Antreiberin

Miraildes Maciel Mota hätte eine der vielen afrikanisch-stämmigen Frauen sein können, die die Hügel von Salvador, Bahia, im Nordosten von Brasilien, hoch- und runterlaufen. Sie hätte ein traditionelles Leben – Arbeit, Familie und Kinder – unter der heißen Sonne führen können. Doch ihr Talent und ihre Leidenschaft für Fußball haben ihr Leben völlig umgekrempelt. Formiga – der Name, unter dem sie weltweit bekannt ist – ist derzeit die einzige Fußballerin, die an sechs Ausgaben der Olympischen Spiele teilgenommen hat – an allen, seit Frauenfußball olympisch wurde. Wie Marta, Pelé, Garrincha und Ronaldo ist Formiga zur Legende in der Geschichte des brasilianischen Fußballs geworden. Mehr als 160 Mal ist sie für das Nationalteam aufgelaufen (und überbietet damit Cafu als der brasilianische Spieler, der das Trikot am häufigsten getragen hat). Jetzt, da die Frauen-Weltmeisterschaft der FIFA in Frankreich ansteht, will sie weitere Rekorde brechen: Sie will die erste Spielerin sein, die an sieben Frauen-Weltmeisterschaften teilgenommen hat und zugleich die älteste Teilnehmerin in der Geschichte des Wettbewerbs sein.

Formiga wurde im März 1978 geboren. Ihr Talent für den Sport zeigte sich früh. Sie beneidete ihren Bruder um sein Geschenk – einen Ball. Ihre einzige Option war, einer Puppe den Kopf abzureißen, um irgendetwas Rundes zum Kicken zu haben. Sie ist von zu Hause abgehauen, um barfuß mit Jungs auf Bolzplätzen in ihrem Stadtviertel zu spielen. Weil sie dafür geschlagen wurde, musste sie das verheimlichen. Denn ihre fünf Brüder waren nicht damit einverstanden, dass sich die Jüngste und die einzige Tochter der Familie ein Hobby aussuchte, das nur für Jungs reserviert war: Fußball spielen.

Den Spitznamen Formiga, was auf Portugiesisch Ameise bedeutet, hat sie in dieser Zeit bekommen. Ein dünnes, kleines Mädchen, das auf dem Feld rauf und runter läuft, den Ball beherrscht und dribbelt wie ein echter Mittelfeldspieler. Die brasilianische Sportlerin begann als 12-Jährige, auf Amateurniveau zu spielen. Mit 15 startete ihre Karriere als Profifußballerin, beim Sao Paulo Football Club. Dann war es nur noch eine Frage der Zeit, bis sie ausgewählt wurde, für die Seleção zu spielen, das brasilianische Frauen-Nationalteam.

Seitdem hat Formiga für verschiedene Teams in Brasilien, Schweden und in den USA gespielt. Derzeit spielt sie in Frankreich bei Paris Saint-Germain. Als Mittelfeldspielerin im brasilianischen Nationalteam hat sie drei Goldmedaillen in den Pan-Amerikanischen Spielen geholt: 2003 in Santo Domingo, 2007 in Rio und 2015 in Toronto. Silber gewann sie bei den Olympischen Spielen in Athen 2004 und 2008 in Peking. Außerdem wurde sie 2007 Vize-Weltmeisterin bei der Frauen-WM in China.  

Aber nicht nur ihre glänzende Karriere beeindruckt diejenigen, die ihre Geschichte hören. Der Weg zum Erfolg war nicht leicht. Dennoch ist sie ihn ohne Fehltritte gegangen. Die Sportlerin berichtet von Situationen, in denen ihr Rassismus begegnet ist. Während eines Spiels in Caçador, einer Stadt im Süden Brasiliens, in Santa Catarina, hörte sie 90 Minuten lang, wie ein Zuschauer sie und ihre Mitspielerinnen als Affen bezeichnete – leider eine Situation, mit der sich afro-brasilianische Spieler häufig konfrontiert sehen. Ihre Reaktion? Formiga erklärt sie für einen brasilianischen Blog: „Ich habe das Team gebeten, ruhig zu bleiben. Wir sollten uns nur auf das konzentrieren, was auf dem Spielfeld passiert. Darum haben wir gut gespielt, wir haben das Spiel gewonnen und am Ende hat uns der Zuschauer gefragt, ob er mit uns ein Foto machen darf. Und ich habe Ja gesagt.“ Ein Sieg innerhalb und außerhalb der vier Linien.

Der Rücktritt vom Rücktritt

Formiga war mehr als 20 Jahre ein essentieller Bestandteil im brasilianischen Mittelfeld. Trotz ihrer aufopferungsvollen Karriere im Nationalteam ist es der Sportlerin nicht gelungen, zu sehen, wie die brasilianischen Träume wahr werden: Brasilien hat weder die WM noch die Olympischen Spiele gewonnen.

2016, nachdem die Canarinhas von Kanada in den Olympischen Spielen in Rio besiegt wurden, gab sie im Alter von 38 Jahren ihren Rücktritt bekannt. Zutiefst bewegt wandte sie sich in einem TV-Interview an die Brasilianer: „Ich bitte euch nur darum, uns nie aufzugeben. Denn wir werden nie aufgeben.“

Doch mit 40 Jahren hat sie sich nochmal neu entschieden. Wegen einer weiteren Gelegenheit, den brasilianischen Traum 2019 bei der WM in Frankreich zu verfolgen und weil der Nachwuchs beim brasilianischen Frauenteam fehlte, hat sie ihre Entscheidung rückgängig gemacht. Sie wird das gelbe Trikot nochmals tragen. „Ich bin nur zurückgekommen, weil es nötig war. Die Seleção hatte niemanden für meine Position, niemanden, der meinen Stil spielt. Der Trainer sagte, er braucht mich. Die Seleção musste sich für die WM qualifizieren. Ich habe lange darüber nachgedacht. Der Gedanke, dass Brasilien die WM  verpassen könnte, hat mich belastet und letztlich habe ich entschieden, zu helfen. Ich hatte nicht beabsichtigt, weiterzumachen und die WM zu spielen, aber Grenzen zu überwinden, treibt mich an“, erklärte die Mittelfeldspielerin in einem Interview für die FIFA.

Erwartungen für die Frauen-WM und brasilianischen Fußball

Auch wenn es ihre siebte Teilnahme bei einem großen internationalen Turnier ist, sagt Formiga: „Die Gefühle sind dieselben wie beim ersten Mal. Ich bin froh, mit den Mädels hier zu sein, gesund, und dass ich an Verbesserungen im Frauenfußball arbeiten und um den so ersehnten Titel kämpfen kann.“ Obwohl die Seleção zuletzt neun Niederlagen am Stück in Freundschaftsspielen einstecken musste und das Team angezweifelt wird, ist Formiga optimistisch: „Wir können ohne Zweifel diese WM gewinnen. Frankreich ist einer der größten Gegner unserer Hoffnungen. Sie könnten definitiv gewinnen. Trotzdem sind die Leute wirklich glücklich und gespannt. Es wird ein wunderbares Turnier.“

In den vergangenen Jahren sind in Brasilien Debatten über Sexismus und Frauen im Sport lauter geworden. Formiga sieht Vorurteile noch immer als die größte Hürde für Profisportlerinnen in ihrem Land. „Heutzutage hat das stark abgenommen, aber es ist immer noch da. Es gibt immer noch zu wenig Medieninteresse. Generell wird über Frauenfußball immer nur berichtet, wenn die Olympischen Spiele sind oder etwas Negatives passiert ist“, sagte Formiga einer brasilianischen Zeitung. Wenn sie letztlich tatsächlich ihre Profikarriere beendet, will sie Fußballlehrerin werden und als Teil des Trainerteams die Frauennationalmannschaft unterstützen. Das wäre ihre Art, weiter für ihre Träume und Fortschritt zu kämpfen.

Persönlichkeiten wie Formiga, Marta und Cristiane stehen stellvertretend für die Welt des Sports und inspirieren andere Mädchen. Ihre Geschichten öffnen Türen für die Geschichten anderer und wirken auf diese Weise aus von selbst gegen Sexismus im Fußball.

An den Wänden des Fußballmuseums im Pacaembu-Stadion in Sao Paulo kann man den Namen Miraildes Maciel Mota und ihre Geschichte lesen. Trotzdem ist Formiga ein Genie, das immer noch nicht die Anerkennung in der Welt des Sports hat, die es verdient. Doch eines wissen wir sicher über sie: Nachdem sie so viele Hindernisse überwunden hat, um dort zu sein, wo sie nun steht, gibt es keine Hürde, die sie nicht überkommen kann. Und sie wird sicherlich alles tun, um in der Geschichte des Fußballs ihre Spuren zu hinterlassen.

 

Der Text in der englischen Originalfassung/ English original version

Formiga: the Brazilian genius who has beaten racism, sexism and poverty to be one of the biggest female footballers in history

Miraildes Maciel Mota could have been one of the several afro-descendent women walking up and down the hills of Salvador, Bahia, in the Northeast region of Brazil, managing a traditional life of work, family and children under the hot sun. However, the talent and passion for football changed her life for good. Formiga – as she is worldwide known – is, nowadays, the only female footballer to have ever been to six editions of Olympic Games, all the editions since the female category became an Olympic sport. Along names like Marta, Pelé, Garrincha and Ronaldo, Formiga has made her place to the history of Brazilian’s football as a legend, collecting more than 160 games for the national team (overmatching Cafu as the Brazilian player who has worn this uniform most times). Now, with the FIFA Women’s World Cup in France just around the corner, she is ready to break other records: becoming the first player to go to seven Women’s World Cups and being the oldest female in the competition’s history.

Formiga was born in March, 1978, and her grit for the sport manifested very early. Envying the brother’s gift – a ball – her only option was taking off the doll’s head to have something rounded to kick. She used to run away from home to play barefoot with other boys in improvised pitches made of earth in her neighborhood. Having being beaten sometimes for that, everything had to be done in secret, as her five brothers did not approve the idea the youngest and only girl of the family would spend time doing something that was meant to be only for boys: play football.

The nickname Formiga (ant, in Portuguese) comes from that time: a skinny short girl running here and there in the field with the ball dominated on her feet dribbling magically like a real midfielder. The Brazilian athlete started to play as an amateur when she was 12 years old and at 15 her professional career was launched at Sao Paulo Football Club. It was just a matter of time until she was called to play at the “Seleção”, the Brazilian national female team.

Since then, Formiga has played for different teams in Brazil, Sweden and USA and currently plays for Paris Saint-Germain, in France. Acting as a midfielder for Brazil National Team, she won three golden medal during the Pan-American Games in Santo Domingo 2003, Rio 2007 and Toronto 2015, silver medal for Olympic Games in Athens 2004 and Beijing 2008 and silver medal for FIFA Women’s World Cup in China 2007.

However, not only the brilliant career impresses everyone who gets the opportunity to know her story. The path towards success wasn’t simple and, still, she made it with no frailties. The athlete reports situations when racism was on the table. During a match in Caçador, a city from the South of Brazil, in Santa Catarina, she played 90 minutes hearing a fan calling her and her colleagues as “monkeys” – unfortunately, a common situation experienced by other Brazilian and afro-descendent players. The answer for that? Formiga explains well to a Brazilian blog: “I asked the team to be calm. We should focus only on what was happening in the field. As result, we played well, we won the game and then the fan asked us to take a picture with him. And I accepted”. A mastery in and out the four lines.  

The retirement no retirement

Formiga has been an essential part of Brazil’s midfield for more than twenty years. Despite the devoted career for the national football, the athlete was unable to see Brazilian dreams coming true: putting Brazil and its people in the highest place of a podium for either the World Cup or the Olympic Games.

In 2016, after the Canarinhas were defeated by Canada during the Rio 2016 Olympic Games, she announced her retirement at the age of 38. Deeply moved, she did a request to Brazilian people during a TV interview: “I only ask you all to never give up on us, because we will never give up”.

However, at 40 years old she changed her mind. The new opportunity to keep pursuing Brazil’s dream at the FIFA Women’s World Cup 2019 in France and the lack of options for the renewal of the Brazilian women’s team made her to abort her previous decision and wear the yellow jersey once again: “I only came out of retirement due to necessity. The Seleção did not have anybody in my position, anyone who played in my style. The coach said he needed me. The Seleção needed to qualify for the World Cup. I gave it a lot thought. The thought of Brazil missing out of the World Cup, it weighed heavily on me and eventually I decided to help. I had no intention to carry on and play in the World Cup, but breaking barriers spurs me on”, explained the midfielder during an interview for FIFA.

Expectations for the World Cup and for the Female’s football in Brazil

At her seventh participation for the world tournament, Formiga affirms: “the emotion is the same just as if it was the first time. I am happy to be here with the girls, with health, working for improvements into the female football and fighting for the so desired title”. Although the Seleção comes from a sequence of nine consecutive defeats on friendly games and has its credibility questioned, Formiga is optimistic: “We can, without doubt, win this World Cup. France are one of the biggest threats to our hopes. They could definitely win it. Nevertheless, people are really happy and excited. It is going to be a wonderful tournament”.

During the last years, Brazil has faced a crescent discussion about sexism and the presence of women in sports. She still sees prejudice as one of the greatest barriers for the female sport in the country. “Nowadays, that has greatly diminished, but it still exists. There is still lack of media interest. Generally, women’s football only becomes news when it is in the Olympics or when it has negative news”, said Formiga to a Brazilian newspaper. When she finally retires, she expects to study to become a coach and then take a role into the technical staff for the National female team. It would be her way to keep fighting for her dreams and improvements.

Names like Formiga, Marta and Cristiane bring representativeness to the world of sports and help other girls to be inspired by those idols. Their stories open doors to other stories and it is, per se, a fight against sexism in football.

At the walls of the Museum of Football, at Pacaembu Stadium, in Sao Paulo, you can read the name of Miraildes Maciel Mota and her journey. However, Formiga is a genius who still doesn’t get the deserved recognition in the world sports. Yet, there is one thing we are all sure about her: after facing and beating so many barriers to be where she stands now, there is no difficulty she cannot overcome and she will, for sure, make everything to let her mark to the History of World football.  

Zur Person: Rosiane Siqueira wohnt in London und schreibt als freie Autorin über den brasilianischen Fußball. Übersetzt wurde der Text von Maria Hendrischke, die für MDR Sachsen-Anhalt tätig ist.

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Tiffany Cameron – Aus Liebe zum Spiel

Tiffany Cameron wurde 1991 in Toronto geboren. Sie bestritt sechs Freundschaftsspiele für Kanada, spielte in der Bundesliga für die TSG Hoffenheim, USV Jena, Mönchengladbach, war in Zypern und Schweden aktiv und wurde 2016 mit dem F.C. Ramat HaSharon in israelische Meisterin – dort erzielte sie in 23 Spielen 38 Tore. Seit Februar 2019 spielt sie für die jamaikanische Auswahl, die 2014 neu gegründet wurde und die erste WM-Teilnahme vor sich hat.

Tiffany Cameron hat auch schon in Jena gespielt.

Wie lief die Saison bisher für sie und wie war das Ankommen bei ihrem neuen Verein in Norwegen?

Mein Verein Stabæk hat zwei Meisterschaften gewonnen, in der Champions League gespielt und sich so einen Namen gemacht. Wir spielen sehr körperlich und haben eine gute Mischung aus jungen talentierten und erfahrenen Spielerinnen. Wir befinden uns dieses Jahr im Umbruch und hatten deshalb nicht den besten Start. Ich bin aber optimistisch, dass die zweite Saisonhälfte besser laufen wird.

Unterscheidet sich ihre Rolle im Nationalteam von der in Ihrem aktuellen Verein?

Ich würde sagen, dass ich sowohl bei Stabæk als auch bei der jamaikanischen Auswahl die gleiche Rolle ausfülle. In beiden Teams gehöre ich zu den erfahrenen Spielerinnen und meine Aufgabe ist es, die jüngeren zu führen und zu ermutigen – und natürlich meine Stärken auf den Platz zu bringen und damit das Spiel zu beeinflussen.

Sie haben schon bei vielen Vereinen gespielt. In der Bundesliga sind sie nach Abstiegen gewechselt, ihren Verein in Israel haben sie nach nur 22 sehr erfolgreichen Spielen verlassen. Wie kommt es, dass sie so oft den Verein gewechselt haben?  

Ich bin der Typus Spielerin, der stets eine Chance ergreift, wenn ich mich dadurch verbessern kann. Zwei von drei Mannschaften, für die ich in der Bundesliga gespielt habe, sind unglücklicherweise abgestiegen. Erstklassig zu spielen, hat für mich immer höchste Priorität, deshalb habe ich mich entschieden zu wechseln. Obwohl ich eine sehr erfolgreiche Saison in Israel gespielt habe, mir eine Vertragsverlängerung angeboten wurde und ich in der Champions League hätte spielen können, bin ich zurück in die Bundesliga gewechselt, als ich die Möglichkeit hatte – das konnte ich mir nicht entgehen lassen.

Bei einigen Klubs habe ich sehr gute Erfahrungen gemacht, anderswo hat es nicht so gut gepasst. Ich bin keine Spielerin, die bei einem Verein bleibt, wenn ich nicht das Gefühl habe, dass ich auf und neben dem Platz meine beste Seite zeigen kann. Im Ausland zu spielen hat seine Härten, aber verschiedene Kulturen und Spielstile kennenzulernen war sehr wichtig für meine Entwicklung als professionelle Fußballerin.     

Sie schreiben auch Songs und setzen sich darin mit dem Fußball auseinander. Welche Botschaft möchten Sie mit “For the love of the game” vermitteln?

In meinem neuen Song geht es um das Überwinden von Widrigkeiten, das Verfolgen von Zielen und sich bewusst zu machen, dass Frauen, obwohl der Kampf für die Gleichstellung der Geschlechter anhält, auch stolz auf ihre Leistungen und ihr tägliches Engagement für den Fußball sein sollten. Der Song ist ein Vehikel für weibliches Empowerment und ich habe beschlossen, ihn zu veröffentlichen, weil die Frauen-Weltmeisterschaft bevorsteht und sie dazu beitragen wird, weibliche Athletinnen auf der ganzen Welt zu ermutigen und zu fördern.

Sie haben einige Zeit in Deutschland gespielt. Welche Erinnerungen verbinden Sie mit der Bundesliga und worauf mussten sie sich in Deutschland erstmal einstellen?

Wenn ich an meine Zeit in der Bundesliga zurückdenke, denke ich oft daran, welche Freude es war mit technisch so versierten Fußballerinnen zu spielen. Jedes Spiel hatte Wettkampfcharakter. Als ich nach Deutschland wechselte, habe ich damit gerechnet, dass eine Herausforderung technischer und taktischer Natur auf mich wartete und ich mich dadurch als Spielerin verbessern kann. Ich war sehr beeindruckt von der Qualität des Fußballs und es war mir ein Vergnügen mehrere Jahre in der Bundesliga spielen zu dürfen.

Die jamaikanische Auswahl wurde erst vor wenigen Jahren wieder ins Leben gerufen. Sie haben bereits für Kanada Auswahlspiele bestritten. Warum haben Sie sich für Jamaika entschieden?

Ich hatte das Gefühl, dass es an der Zeit war, eine neue Herausforderung zu suchen. Die Möglichkeit, für Jamaika zu spielen, ergab sich für mich zu einem besonderen Zeitpunkt. Es ist das erste Mal in der Geschichte, dass Jamaika an der WM teilnimmt, und ich habe das Gefühl, dass ich mit meiner Erfahrung dazu beitragen kann, das Team zu verstärken. Als mir ein Mitarbeiter des Trainerstabs das Angebot unterbreitete, für Jamaika zu spielen, konnte ich diese Gelegenheit nicht ungenutzt lassen.

Ich bin stolz darauf, wenn ich die junge Generation inspirieren und fördern kann. So bringe ich mich als eine der erfahreneren Spielerinnen im Kader ein. Im März spielte ich mein zweites Freundschaftsspiel für Jamaika, durfte von Anfang an auflaufen und bereitete ein Tor gegen Chile vor. Wir haben das Spiel mit 3-2 gewonnen und die Atmosphäre war toll. Obwohl ich neu im Team bin, hat es nicht lange gedauert, eine positive Verbindung zu meinen Teamkollegen aufzubauen. Ich bin froh, dass das so gut geklappt hat und ich zu unserem Sieg beitragen konnte.

Wie würden sie die Entwicklung des jamaikanischen Frauenfußballs in den letzten fünf Jahren, insbesondere der Nationalmannschaft, beschreiben? Wie populär sind die Reggae Girlz in Jamaika bzw. wie hat sich die Popularität entwickelt?

Die Entwicklung des jamaikanischen Fußballs hat einen langen Weg hinter sich. Vor einigen Jahren existierte die Frauenmannschaft für ein paar Jahre schlichtweg nicht. Cedella Marley und die Bob Marley Foundation halfen, die Frauen-Nationalmannschaft zu finanzieren und das brachte Einiges wieder in Gang. Wenn sie nicht wären, wären wir nicht hier, deshalb bin ich sehr dankbar für ihre kontinuierliche Unterstützung. Jetzt spüren wir in Jamaika und im Rest der Welt eine enorme Unterstützung, vor allem nach der Qualifikation für die Weltmeisterschaft. Unsere beiden Siege gegen Chile im Februar und März waren fantastisch und wir haben dafür viel Support von unseren Fans bekommen. Unser Popularität in Jamaika ist in die Höhe geschnellt!

Können Sie die Spielphilosophie der Reggae Girlz kurz erläutern?

Wir sind für unsere Kreativität und harte Arbeit auf dem Platz bekannt. Die Zuschauer*innen können sich darauf gefasst machen, gut unterhalten zu werden, wenn wir spielen.

Welche Erwartungen haben Sie an die Weltmeisterschaft in Frankreich? Welche Chancen rechnen Sie sich für die Gruppenspiele aus?

Wir werden wohl als Underdogs wahrgenommen werden, da wir das Team mit der schlechtesten Weltranglistenplatzierung (Rang 53) im Turnier sind. Die Zuschauer*innen können von uns erwarten, dass wir mit dem Herzen spielen und als wäre jedes Spiel unser letztes. Das ist unsere Mentalität, und wenn wir uns daran halten, werden wir auch über die Gruppenphase hinauskommen.

Die Antworten in der englischen Originalfassung/ English original version

1. Stabaek FC won two titles in the Toppserien and have played in Champions league matches gaining a respectful name for themselves. We play physical and are a team with several talented young players mixed with some experienced players. We are rebuilding this year, so we haven’t been off to the best start, but I am optimistic that the second half of season will be much better!

2. I would say my role on the Jamaican national team and on Stabaek FC are similar. On both teams I am one of the more experienced players and my role is to help lead and encourage my younger teammates along with showing my strengths on the field and making a positive impact.

3. I’m the type of player that will take on opportunities that will help improve my game. Two out of three of the clubs I played for in the Bundesliga unfortunately ended up getting relegated. Playing in a top league has always been my priority, so I chose to move on. Although I had a very successful season in Israel and had the choice of extending my contract and also playing in champions league again, when an opportunity to play back in the Bundesliga was presented to me, I couldn’t pass that up. I had great experiences playing for some clubs and others I didn’t have the best experiences. I am not the type of player to settle if I know that the environment I’m in won’t help me be the best version of myself both on and off the field. Playing away from home comes with hardships and is a journey, but experiencing different cultures and playing styles has been essential to furthering my development as a professional footballer.

4. My new song, For The Love of The Game, focuses on overcoming adversity, striving toward your goals and remembering that though the fight for gender equality continues, women should also be proud of their accomplishments and their every day commitment to the game. It’s a female empowerment anthem and I decided to release it because the Women’s World Cup is coming up and it will help encourage and pump up female athletes around the world.

5. When I think of my memories playing in the Bundesliga I think about how much of a pleasure it was to play with such technical players. Every game was always competitive. When I moved to Germany I expected to be challenged both technically and tactically and improve as a footballer. I was extremely impressed with the quality of football there and it was a pleasure to play there for a few years.

6. I felt like it was time to start a new challenge in my football career. The option to play for Jamaica was presented to me at a special time. With the Women’s World Cup approaching, it’s the first time in history that Jamaica will be competing in this tournament and I feel like with my experience I can help strengthen the team if selected. When I was contacted by one of Team Jamaica’s coaching staff members about the possibility to represent Jamaica, I couldn’t pass up the opportunity. Inspiring and encouraging the younger generation is something I take pride in doing, so being one of the more experienced players on the squad allows me to give back in this way. In March I played my second international friendly for Jamaica and got my first start and assist against Chile. We won that game 3-2 and it was a great atmosphere to be in. Although I am new to the team, I am happy that it didn’t take long to develop a positive connection with my teammates and I am glad that I was able to help contribute to our win.

7./ 8.  The development of Jamaican football has came a long way. A few years ago the women’s team did not exist for quite some time. Cedella Marley and the Bob Marley Foundation helped fund the women’s national team program and get it running again. If it weren’t for them, we wouldn’t be here so I commend them for their continuous support for our team. Now there is tremendous support across Jamaica and the rest of the world especially after qualifying for the World Cup. Our two victories against Chile back in February and March were amazing and we had a lot of love and support from our fans. I must say in terms of popularity it has sky rocketed in Jamaica!

9. We are known for our creativity on the field and how hard we work. Expect to be entertained when you watch us play!

10. We are expected to be looked at as underdogs since we are the lowest ranked country in the tournament. The public eye can expect us to play with our hearts as if every game is our last game playing football. That’s the mentality we will have and if we stick with that, we will make it out of the group stages. 

Zur Person: Die Fragen stellte Endreas Müller, der zur Redaktion von 120Minuten gehört.

Foto: Sandro Halank/ Wikimedia Commons

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WM 2019 – 24 Spielerinnen, die die Welt verändern – Gruppe A

Mit Norwegen und Nigeria treffen in WM-Gruppe A zwei Nationalteams aufeinander, die bisher noch keine einzige Fußball-Weltmeisterschaft der Frauen verpasst haben. Reichlich Erfahrung also, was man von Gastgeber Frankreich (bisher 14 WM-Partien) und den Südkoreanerinnen (7 Weltmeisterschaftsspiele) nicht unbedingt behaupten kann. Trotzdem dürften Les Bleues die Favoritenrolle für sich reklamieren, wenngleich Nationaltrainerin Corinne Diacre wohl nicht ganz zu unrecht von einer “schwierigen Gruppe” spricht.

Corinne Diacre – Pionierin, Trainerin, Hoffnungsträgerin

“Je größer die Herausforderung ist, desto größer wird meine Bereitschaft, sie anzunehmen”, so Corinne Diacre im Juni 2017 in einem Beitrag für das Socrates-Magazin. Zu jenem Zeitpunkt steht die heutige französische Nationaltrainerin noch bei Clermont Foot unter Vertrag und trainiert dort die Männer – als erste Französin im heimischen Profifußball überhaupt.

Ohnehin ist “Erste” ein Label, das zu vielen Punkten in Diacres Karriere passt. 2014 war sie die erste Frau, die das höchste Übungsleiter*innen-Diplom in Frankreich erwarb und mit dem sie fortan auch im professionellen (Männer-)Fußball arbeiten konnte. Im November 2002 erzielte sie das Siegtor in einem Qualifikationsspiel gegen England, das der französischen Frauen-Nationalmannschaft das erste WM-Ticket in der Geschichte des Verbandes sicherte. Diacre war außerdem die erste Frau, die über 100 Mal für Frankreich spielte, bis 2008 war sie Rekordnationalspielerin ihres Landes. Es ist sicherlich nicht vermessen, zu behaupten, dass Corinne Diacre im französischen (Frauen-)Fußball eine Vorreiterinnen-Rolle einnimmt.

Dass das nicht immer einfach ist, illustrieren Erinnerungen an ihre Anfangszeit bei Clermont:

“Die ersten Wochen verliefen alles andere als positiv. Nach fünf Spieltagen unter meiner Regie hatten wir keinen Sieg errungen. Ich spürte bereits die Egos mancher Spieler und die Unzufriedenheit mir gegenüber, weil ich eine Frau bin. Der Druck war immens. Für ein halbes Dutzend unserer Spieler war ich nicht wirklich legitim, eine solche Position auszuüben, nur mit dem Argument, dass ich eine Frau bin.” (Socrates-Magazin)

Mit dem Druck weiß Diacre umzugehen. Einerseits, weil Clermont nicht ihr erster Trainerinnen-Job ist, andererseits, weil sie sich während ihrer gesamten Zeit im Club der Rückendeckung von Vereinspräsident Claude Michy sicher sein kann. Im Winter trennt sich Diacre von fünf Spielern und führt den Verein in ihrem ersten Jahr zum Klassenerhalt. In der darauffolgenden Saison spielt Clermont lange um den Aufstieg in die Ligue 1 mit und wird am Ende Siebenter – ein großer Erfolg für einen Verein, der mit verhältnismäßig geringen Mitteln auskommen muss. Für Diacre persönlich bringt die gute Arbeit bei Clermont die Auszeichnung als “Bester Zweitligatrainer des Jahres” (sic!) im Dezember 2015.

Die Fußballleidenschaft wurde Diacre in die Wiege gelegt: Ihr Vater arbeitete als Sportlehrer und nahm seine Tochter regelmäßig mit auf den Fußballplatz. Bald beginnt die heutige Trainerin selbst mit dem Kicken und spielt ab ihrem 12. Lebensjahr in gemischten Mannschaften. Das ist Mitte der 80er Jahre, der Frauenfußball in Frankreich steckt allenfalls in den Kinderschuhen.

“Am Anfang waren meine Eltern nicht gerade begeisterte Anhänger des Frauenfussballs. Aber mein Vater, der ein leidenschaftlicher Fußballanhänger ist, wurde bald auf mein fußballerisches Talent aufmerksam. Seitdem hat er mich eigentlich nur unterstützt, ohne jemals Druck auf mich auszuüben.” (FIFA.com)

Die Unterstützung geht so weit, dass die Eltern ihre Tochter 220 Kilometer nach Soyaux fahren, damit sie dort in einer reinen Frauenfußball-Mannschaft spielen kann. Diacre tut das von 1988 bis 2007, die Association Sportive Jeunesse Soyaux ist der einzige Verein im Erwachsenenbereich, für den sie die Töppen schnürt. In dieser Zeit erlebt sie die Entwicklung des französischen Frauenfußballs hautnah mit; mehr noch: sie ist eine der Protagonistinnen, die ihn in dieser Zeit deutlich prägen. Dass Diacre als Spielerin nie einen Titel gewann, stört sie rückblickend nicht:

“Ich habe nichts gewonnen. Es ist kaum zu glauben, aber ich habe weder mit meinem Klub noch mit der französischen Nationalmannschaft einen Titel gewonnen. Für mich ist das nicht frustrierend. Ich hätte jederzeit zu einem größeren und finanzkräftigeren Verein als Soyaux wechseln können, das stimmt. Auch wurde mir angeboten, in der U.S.-Liga zu spielen, aber ich habe das abgelehnt. Auch diese Entscheidung habe ich mir, wie übrigens alle, die ich in meinem Leben getroffen habe, reiflich und lange überlegt.” (FIFA.com)

Wie lange die Entscheidung reifte, Clermont Foot im September 2017 zu verlassen und den Cheftrainerinnen-Posten der Nationalmannschaft zu übernehmen, ist nicht überliefert. Bekannt ist hingegen, dass der französische Verband Diacre bereits ein Jahr zuvor als Nachfolgerin von Philippe Bergeroo verpflichten wollte. “Man geht im September nicht von Bord seines Schiffes”, hatte die Trainerin seinerzeit noch gesagt, zwölf Monate später dann aber doch beim Verband angeheuert. Davon, dass auch diese Entscheidung reiflich überlegt war, darf allerdings ausgegangen werden.

Die Mission für Diacre und ihr Team im Sommer 2019 ist eindeutig: Bei der Heim-Weltmeisterschaft soll der Titel her, nachdem die Mannschaft bei den letzten Turnieren jeweils im Viertelfinale gescheitert war. Insofern ist dieser Job nun die bisher vielleicht größte Herausforderung in der Karriere der Corinne Diacre. Mit Blick auf ihre bisherige Laufbahn und die letzten Ergebnisse des französischen Nationalteams spricht vieles dafür, dass die Ex-Nationalkapitänin und -Rekordspielerin auch dieser Herausforderung gewachsen sein wird.


Zur Person: Alex Schnarr ist Teil der 120minuten-Redaktion und beschäftigt sich dort mit den gesellschaftlichen Zusammenhängen in und um den Fußball.

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Cho So-hyun – “Ich muss auf dem Platz eine Anführerin sein”

Cho So-hyun wird die koreanische Auswahl in Frankreich als Kapitänin aufs Feld führen. Das Turnier in Frankreich ist die zweite WM-Teilnahme für Südkorea. Wir sprachen mit Cho So-hyun über ihren Wechsel nach England, ihren Spielstil und die Erwartungen an das WM-Turnier.

Was war Ihr Beweggrund, von Korea nach Europa zu wechseln und insbesondere zu West Ham?

Es war immer mein Ziel, in England zu spielen. Ich habe gespürt, dass ich mich durch einen Wechsel hierher als Spielerin weiterentwickeln kann. Ich erhoffe mir auch, dass ich anderen koreanischen Spielerinnen zeigen kann, dass es möglich ist, in Europa Fuß zu fassen. Ich denke, es würde unserer Nationalmannschaft helfen, wenn mehr Spielerinnen hier aktiv wären. Es gab Interesse von anderen englischen Klubs, aber nachdem ich mit meinem Agenten gesprochen hatte, war klar, wie stark das Interesse von West Ham war, und dass ich gut ins Team passen würde. Der Manager suchte eine Box-to-Box-Spielerin für das Mittelfeld – meine Paraderolle. Es fühlte sich gut an, bei West Ham zu unterschreiben. Ich denke, wir haben bereits durch das Erreichen des FA-Cup-Finals bewiesen, dass der Wechsel für alle Beteiligten ein Erfolg war.

Cho So-hyun im FA-Cup-Finale gegen Manchester City (Foto: Tom Seiss)

Wie würden Sie Ihren Spielstil beschreiben?

Ich gebe immer mein Bestes. Ich bin Kapitänin der koreanischen Auswahl und muss auf dem Platz eine Anführerin sein. Mir wird nachgesagt, dass ich den Ball gut behaupten kann, über ein gutes Passspiel verfüge und das Spiel lesen kann. Koreanische Spielerinnen sind immer zurückhaltend und haben Freude am Fußball. Wir haben immer ein Lächeln im Gesicht – auch in schwierigen Situationen. In England hat man sich über mein Lächeln gewundert, als ich zum entscheidenden Elfmeter anlief, der uns das FA Cup Finale sicherte – ich war dabei nicht nervös und schoss den Elfmeter wie jeden anderen.

Füllen Sie im Verein eine andere taktische Rolle oder Position als in der Nationalmannschaft aus?

Am liebsten spiele ich als Acht. Als ich zu West Ham kam, gab es einige Verletzte im defensiven Mittelfeld, deshalb habe ich in einigen Spielen eher auf der Sechs gespielt. Das wird sich ändern, sobald die verletzten Spielerinnen zurück im Team sind. West Ham wird mich auf der Acht spielen lassen und ich kann das Bindeglied zwischen Abwehr und Angriff sein. In der Nationalmannschaft hatte ich eine eher defensivere Rolle, da wir eine sehr junge Mannschaft haben und der Trainer meine Erfahrung in der Defensive benötigte. Das ist nicht meine Lieblingsposition, aber ich stelle mich immer in den Dienst der Mannschaft und spiele dort, wo ich dem Team weiterhelfen kann – auch wenn das bedeutet, meine Qualitäten in der Offensive nicht voll ausspielen zu können.

Wie konnten Sie sich so schnell einen Stammplatz bei West Ham sichern?

Wegen meiner Erfahrung wurde mit mir von Anfang an als Stammspielerin geplant. Am besten gewöhnt man sich an den englischen Fußball, indem man Spielerfahrung auf dem Platz sammelt und Pflichtspiele bestreitet. Ich bin noch damit beschäftigt, mich an den Fußball hier zu gewöhnen und weiß, dass ich mich noch verbessern kann. Meine besten Leistungen für West Ham werde ich erst noch zeigen.

Können Sie beschreiben wie sich der koreanische Fußball seit Ihrem ersten A-Länderspiel 2007 entwickelt hat?

Die letzte Weltmeisterschaft hat uns Selbstbewusstsein eingeimpft, aber im Achtelfinale wurden uns Grenzen aufgezeigt. Frankreich spielte sehr guten Fußball und wir lernten, dass wir uns noch entwickeln müssen. Wir können uns mit unserem aktuellen Leistungsstand noch nicht zufrieden geben.

Wie schneidet die koreanische WK League im Vergleich zur englischen Liga ab?

Der englische Fußball ist schneller, das gilt auch für das Umschalten zwischen Abwehr und Angriff. In der koreanischen Liga wird mehr Wert auf Taktik gelegt und viel am Spielaufbau gearbeitet. Auch die Kommunikation läuft ganz anders ab. Koreanische Spielerinnen wollen keinen Ärger machen. Wenn jemand einen Fehler macht, dann nehmen wir das hin und versuchen einfach, zu helfen. Englische Spielerinnen äußern sich viel öfter, wenn ihnen etwas nicht passt. Es wird viel Wert darauf gelegt zu zeigen, was man selbst auf dem Platz möchte und was man von seinem Team erwartet. Die koreanische und die englische Herangehensweise – beides hat Vor- und Nachteile.

Wie populär ist Frauenfußball in Südkorea und hat es in den letzten Jahren diesbezüglich eine Entwicklung gegeben?

Es hat in letzter Zeit keine großen Veränderungen gegeben. Der Fußball muss sich immer noch weiter entwickeln. Wie in England gibt es große Unterschiede in der Bezahlung und der Behandlung zwischen weiblichen und männlichen Fußballer*innen. Das macht sich in Korea, wo das Interesse am Frauenfußball nicht so ausgeprägt ist, noch stärker bemerkbar. So gibt es zum Beispiel Gehaltsobergrenzen, die auch für die Nationalmannschaft gelten.

Können Sie die Spielphilosophie der koreanischen Auswahl erläutern – gibt es einen bestimmten Stil, den Ihr Coach etablieren möchte?

Wir befinden uns gerade im Umbruch. Mehr junge Spielerinnen werden in die Auswahl berufen, um sich dort weiterzuentwickeln. Als wir mehrere Verletzte hatten, bedeutete das, dass ich in einigen Freundschaftsspielen defensiver spielen musste, weil hinten die Erfahrung fehlte. Nichtsdestotrotz, sobald die Stammspielerinnen zurückkehren, werde ich auch wieder im Mittelfeld spielen, wo ich am effektivsten bin. Meine Aufgabe ist es oft, das Team anzutreiben und die Intensität unseres Spiels hoch zu halten – dafür muss ich mit gutem Beispiel vorangehen.

Welche Erwartungen haben Sie an das Turnier in Frankreich? Denken Sie, die koreanische Auswahl kann besser abschneiden als 2015?

Unser erstes Spiel haben wir gegen den Gastgeber – das wird eine schwierige Aufgabe, um ehrlich zu sein. Aber wir sehnen uns danach, uns mit spielstarken Teams zu messen. Ich freue mich auf das Spiel gegen Frankreich und kann es kaum erwarten. Bei der letzten WM in Kanada haben wir es bis ins Achtelfinale geschafft. Ich hoffe, dass wir diesmal eine Runde weiterkommen und ich in einem wichtigen Spiel ein Tor erzielen kann.

Zur Person: Das Interview hat die 120minuten-Redaktion geführt.

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Caroline Graham Hansen – Top-Vorbereiterin mit klarer Haltung

2017 gab die damals gerade 22-jährige Weltfußballerin Ada Martine Stolsmo Hegerberg ihren vorzeitigen Rücktritt aus der norwegischen Nationalmannschaft bekannt. Zuvor waren die Norwegerinnen, die sich in der Qualifikation den Gruppensieg erkämpft hatten und damit zum Kreis der potenziellen Titelaspirantinnen zählten, bereits in der Vorrunde der Europameisterschaft punkt- und torlos ausgeschieden – ein historisches Novum.

2019 meldeten sich die Norwegerinnen dann eindrucksvoll zurück: Nachdem sie am 4. September 2018 durch einen 2:1- Sieg gegen die amtierenden Europameisterinnen aus den Niederlanden die direkte Qualifikation für die Weltmeisterschaft in Frankreich geschafft hatten, sicherten sie sich ein halbes Jahr später den Sieg beim Algarve-Cup mit einem souveränen 3:0-Sieg gegen Polen.

Doch nicht etwa die amtierende Gewinnerin des Ballon d’Or hat den Norwegerinnen die Teilnahme an der Weltmeisterschaft in Frankreich oder den Titel beim Algarve-Cup gesichert – ihren Namen sucht man dort ebenso vergeblich wie in dem von Trainer Martin Sjögren veröffentlichten Kader für die bald beginnende Weltmeisterschaft in Frankreich. Wie kam es dazu, dass eine derart erfolgreiche Spielerin wie Ada Hegerberg im Team fehlt?

Ada Hegerberg (Foto: Tom Seiss)

Nach der verpatzten Europameisterschaft 2017 wäre es für Hegerberg aufgrund ihrer Referenzen ein Leichtes gewesen, an der Weltmeisterschaft 2019 teilzunehmen. Ein Rücktritt vom Rücktritt wurde ihr seitens des norwegischen Fußballverbandes mehrfach angeboten – bislang jedoch erfolglos. Es drängt sich die Frage auf: Wieso?

Hegerberg wollte mit ihrem Rücktritt ein Zeichen setzen. Sie sprach sich offen gegen den norwegischen Verband aus und forderte mehr Gleichberechtigung und bessere Bezahlung, prangerte an, dass man den Frauenfußball in Norwegen nicht genügend respektieren würde. Nur wenige Monate später einigte sich der norwegische Verband NFF mit dem Spielerverband NISO auf bessere Bezahlung für die Fußballerinnen.

Das Honorar der Frauenfußball-Nationalmannschaft wurde dem der Herren angeglichen. Wie der NFF damals mitteilte, sollen die Fußballerinnen für ihre Länderspiel-Einsätze insgesamt sechs Millionen norwegische Kronen bekommen, was in etwa 640.000 Euro entspricht. Außerdem tritt das norwegische Team der Herren knapp über eine halbe Million Kronen ab, die die Auswahl durch Werbeaktivitäten einnimmt.

Die gleiche Bezahlung sei zwar ein erster Schritt, aber die strukturellen Probleme lägen tiefer: „Ich wäre nicht die Spielerin, die ich heute bin, wenn ich nicht für meine Werte, meine Leidenschaft und meinen Glauben einstehen würde. Manchmal muss man schwierige Entscheidungen treffen, um sich selbst treu zu bleiben“, erläuterte Hegerberg in einem Interview mit The Guardian. Derzeit ist eine Einigung zwischen Hegerberg und dem Norges Fotballforbund nicht absehbar.

Die sportliche Lücke, die Hegerberg in der Nationalmannschaft hinterlassen hat, musste jedoch geschlossen und andere Spielerinnen mussten in die Verantwortung genommen werden. Eine davon ist Caroline Graham Hansen vom frisch gekrönten deutschen Double-Gewinner VfL Wolfsburg. Die 24-Jährige zählt schon lange zu den besten Spielerinnen der Welt, überzeugt mit ihrer unverwechselbaren Technik. Die in Oslo geborene Flügelflitzerin kann jedes Spiel entscheiden und ihre Mitspielerinnen in Szene setzen, glänzt aber auch selbst mit einem starken Abschluss.

In der vergangenen Frauen-Bundesliga-Saison bereitete sie stolze 28 Treffer vor und bildete gemeinsam mit Pernille Harder und Ewa Pajor das gefährlichste Offensiv-Trio der Liga. Hansen, die ihre Nichtteilnahme an der Weltmeisterschaft vier Jahre zuvor aufgrund eines anhaltenden Patellaspitzensyndroms noch mit „Natürlich bin ich enttäuscht, aber ich habe die besten Jahre noch vor mir“, kommentierte, ist bereit bei ihrer nun anstehenden ersten WM mit der A-Nationalmannschaft zu zeigen, was sie 2015 mit diesen „besten Jahre[n]“ meinte.

Hansen, die bis 2010 für Lyn Oslo spielte, wechselte wenige Monate nach ihrem 15. Geburtstag zum norwegischen Erstliga-Frauenfußball-Verein Stabæk FK in Bærum. Gleich in ihrem ersten Jahr bei Stabæk FK konnte sie die Meisterschaft in der Toppserien gewinnen. 2013 wagte Hansen dann den Schritt von Stabæk FK in die Damallsvenskan zu Tyresö FF, wo sie an der Seite von Ikonen wie Marta und Caroline Seger spielen durfte. Jedoch währte dieses Glück nicht lange, denn der Verein musste kurze Zeit später Insolvenz anmelden.

Es folgte eine kurze Rückkehr zu Stabæk FK, ehe sich Hansen 2014 für einen Wechsel in die Allianz Frauen-Bundesliga zum VfL Wolfsburg entschied. In fünf Jahren reifte sie dort zu der Führungsspielerin heran, die sie heute ist. Mit den Wölfinnen durfte sie drei Mal die Meisterschale und fünf Mal den DFB-Pokal in die Luft stemmen.

Caroline Graham Hansen im Spiel gegen den FC Bayern München (Foto: Tom Seiss)

Doch Hansen verdiente sich nicht nur auf dem Feld Respekt, sondern bewahrt auch daneben ihre klare Haltung. Im März 2018 kritisierte die 24-Jährige öffentlich FIFA-Chef Gianni Infantino. Infantino hatte im Iran das Derby zwischen den Männerteams Esteghlal und Persepolis Teheran besucht, bei dem 35 Frauen der Zutritt zum Stadion verwehrt wurde. Die Frauen wurden vor dem Stadion festgenommen und abgeführt. „Es ist sehr hoffnungslos, an einem Sport festzuhalten, bei dem unsere Hauptverantwortlichen sich dafür entscheiden, ein Land zu unterstützen, das Frauen unterdrückt, weil sie Frauen sind“, erklärte Hansen damals.

Infantino, der sich nach dem Spiel noch mit dem iranischen Präsidenten Rohani traf, versuchte diesen zwar zu einem Umdenken zu bewegen und auch Frauen den Zutritt zu Fußballspielen der Männer zu gewähren, verkündete aber gleichzeitig, dass die Fifa keinerlei Sanktionen wegen dieser Vorkommnisse gegen den Iran verhängen werde. Hansen rief daraufhin am letztjährigen Weltfrauentag via Twitter zur Solidarität mit Frauen weltweit auf, die nur deswegen benachteiligt werden, weil sie Frauen sind. Sie rief dazu auf, dass diese Frauen, die sie als ihre größten Vorbilder bezeichnete, nicht aufgeben – und weiterhin für ihre Rechte kämpfen sollten.

Klar ist schon jetzt: Die überwiegend in der Toppserien aktiven Spielerinnen der norwegischen Frauenfußballnationalmannschaft werden alles dafür tun, nach dem Gewinn des Algarve-Cups ihren zweiten Titel in diesem Jahr zu gewinnen, um so die Schmach der letzten Europameisterschaft endgültig vergessen zu machen. Die Chancen für die derzeit auf Platz zwölf in der Fifa-Weltrangliste gesetzten Norwegerinnen stehen hierfür auch dank Spielerinnen wie Caroline Graham Hansen, die zur kommenden Saison zum FC Barcelona wechselt, nicht schlecht. Immerhin haben sie der Offensivspielerin in gewisser Weise auch die Qualifikation zu bedanken: die 24-Jährige stand in allen acht Quali-Spielen auf dem Platz und erzielte sechs Tore.

Zur Person: Jasmina Schweimler schreibt als Journalistin unter anderen für die WAZ und den Sportbuzzer über Frauenfußballer und gehört zum Podcast-Kollektiv-FRÜF.

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Faith Ikidi – Routine, Ruhe und Erfahrung

„Gibt nicht auf, der Anfang ist immer schwer!“ Solche Motivationssprüche zieren in den vergangenen Wochen häufig das Instagram-Profil der nigerianischen Nationalspielerin Faith Ikidi. „Nicht das Ergebnis, das wir wollten, aber wir werden weiter hart arbeiten“, steht unter einem Mannschaftsfoto, das sie nach der 1:2-Niederlage im Vorbereitungsspiel gegen Kanada gepostet hat. Die nigerianische Nationalmannschaft hat es nicht immer leicht: Auf dem afrikanischen Kontinent ist sie unbestritten das beste Frauen-Team. International lässt der Erfolg jedoch auf sich warten. Mit der WM in Frankreich nehmen sie zum achten Mal an einer Weltmeisterschaft teil. Nur einmal, 1999, schafften sie es über die Vorrunde hinaus bis ins Viertelfinale.

Auch in der WM-Gruppe für dieses Turnier zählen sie deutlich zu den Underdogs: Frankreich, Norwegen und Korea lauten die Namen ihrer Gegnerinnen. Nur sechs der nigerianischen Nationalspielerinnen spielen im eigenen Land – der Rest verdient sein Geld im Ausland. So zog Asisat Oshoala dieses Jahr mit dem FC Barcelona ins Champions-League-Finale ein. Und Ikidi ist schon seit vielen Jahren in der schwedischen „Damallsvenskan“ zuhause – und verzeichnet immer mehr Erfolge.

Gemeinsam mit jungen, talentierten Spielerinnen zu spielen, macht sie froh. Das sagte Faith Ikidi vor drei Jahren gegenüber dem nigerianischen Guardian. Heute ist sie nach wie vor Teil des Nationalteams und nach Kapitänin Onome Ebi eine der Mannschaftsältesten. 2004 lief sie das erste Mal für ihre Nationalmannschaft auf. Sie ist die Routinier. Die Abwehrspielerin, die Ruhe und jahrelange Erfahrung in die Mannschaft bringt. Doch beim Afrika-Cup in Ghana im vergangenen Jahr musste sie sowohl im Halbfinale als auch im Finale auf der Bank sitzen. Ihre Mannschaft gewann den Pokal trotzdem.

Mit der Vorbereitung zur WM in Frankreich tauchte sie wieder in der Startelf auf: immer als Verteidigerin, mal innen, mal außen. Ikidi hat eine bemerkenswerte Vita – aber leicht hatte sie es trotzdem nicht immer. Im Jahr 2006 waren Ikidi, Maureen Mmadu und Yinka Kudaisi – beides ebenfalls nigerianische Nationalspielerinnen – die ersten Spielerinnen mit afrikanischem Hintergrund, die es in die schwedische Liga schafften und um die Meisterschaft mitspielen durften. Damals standen alle drei bei QBIK Karlstadt unter Vertrag und machten direkt eine schlechte Erfahrung: Sie hatten gerade der Nationalmannschaft geholfen, zum fünften Mal den Afrika-Cup zu gewinnen, waren noch vor Ort und feierten, als sie erfuhren, dass ihr Club ihre Verträge beendet hat. Sie hatten ohne Erlaubnis des Clubs in ihrem Heimatland gespielt. Diese hätten sie aber gebraucht, da die Afrikameisterschaft nicht im internationalen Spielkalender steht.

Aus heutiger Sicht ein klarer Fall von Diskriminierung, denn das Turnier fungiert als Qualifikation für die Weltmeisterschaft. Der nigerianische Fußballverband bat den schwedischen Verein, das nicht durchzuziehen, doch die Spielerinnen verloren diesen Kampf. Im Nachhinein entschädigte der Verband seine Spielerinnen für das verlorene Gehalt durch den Verlust ihres Jobs mit 10.000 US-Dollar pro Person.

Für Ikidi hatte das auch fünf Jahre später noch Folgen: Während sie nach QIBK zuerst bei Eskilstuna United DFF, dann bei Linköpings FC und ab 2011 Piteå IF spielte, pausierte sie in der Nationalmannschaft: Der Zeitplan der schwedischen Liga ist mit dem des Nationalteams nicht mehr vereinbar. „Viele Leute sagen, dass die Verpflichtung gegenüber der Nation zuerst kommt. Da stimme ich zu. Aber ich will, dass diese Menschen auch wissen, dass es die Clubs sind, die unser Gehalt zahlen“, sagte sie rückblickend gegenüber dem Guardian. Erst ab 2016 ist sie wieder Teil des Kaders. Sie handelt jedoch vorsichtiger, wenn sie für das Nationalteam einberufen wird.

Und das, obwohl die „Super Falcons“, wie die Mannschaft auch genannt wird, in Nigeria ein echtes Vorbild sind: Die Frauennationalmannschaft gilt als das beste Team auf dem afrikanischen Kontinent und viele Mädchen und Frauen schauen zu den Spielerinnen auf, auch, weil sie Vorurteile und Rollenklischees bekämpfen. Dreizehn Mal wurde der Africa-Cup bereits gespielt, elf Mal haben sie ihn gewonnen. So triumphierten die Super Falcons gegen Südafrika im vergangenen Jahr beim Elfmeterschießen im Finale im Accra Sports Stadium in Ghana. Die Super Falcons sind durch ihre Erfolge bekannt und genießen ein gewisses Ansehen unter den Nigerianer*innen.

Was Geld und den eigene Wert betrifft, sind die Spielerinnen ebenfalls ein Vorbild: Als sie 2016 keine Siegprämie für den Afrika-Cup erhalten sollten, protestierten sie gegen den Verband, indem sie zehn Tage lang in einem Hotel in Abuja verharrten und nicht gehen wollten, bevor sie bezahlt würden. Auch Ikidi nahm an der Aktion teil. Der Protest hatte seine Berechtigung: Während die Männermannschaft für jede WM-Teilnahme Boni erhielt, sollten die Frauen bei ihrem zehntem Africa-Cup-Titel leer ausgehen. Für einen Tag organisierten sie sogar einen Protest-Marsch, für den sie mit Plakaten am Parlament vorbeizogen. Dieser zeigte seine Wirkung: Die Regierung gab dem Verband Geld, so dass am Ende jede Spielerin 23.650 Dollar erhielt.

Die Infrastruktur vor Ort ist allerdings immer noch schlecht. Nur sechs Nationalspielerinnen spielen in der nigerianischen Liga. Sie bekommen zwar ein festes Gehalt, doch manchmal kann der Club nicht zahlen und ihr Lohn wird erst später ausgezahlt. Auch bietet die nigerianische Liga wenig Attraktivität, da es lediglich die Ligaspiele gibt, aber keine Pokalspiele oder etwas, das mit der Champions-League vergleichbar wäre.

Erfolge verzeichnet Ikidi nicht nur mit den Super Falcons: 2015 bekam sie die Auszeichnung zur Abwehrspielerin des Jahres in Schweden. Mit Pitea IF holte sie 2018 für den Club erstmals den Meistertitel in der Schwedischen Liga. Und beim entscheidenden Meisterschaftsspiel zeigte Ikidi eine so gute Leistung, dass sie zur Spielerin des Spiels gewählt wurde. Ob sie das bei der kommenden WM als eine der Ältesten auch schaffen kann? Wir werden sehen.

Zur Person: Tamara Keller ist Journalistin und schreibt für die Badische Zeitung. Zu hören ist sie bei FRÜF – Frauen reden über Fußball.

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It’s A Different World: Frauen im Fußball

Eigentlich sollte es längst selbstverständlich sein, dass Fußball nicht nur ein Männer-, sondern auch ein Frauensport ist. Sei es in Sachen Spieler*innen, Fans oder Funktionäre. Die Realität sieht oft leider anders aus. Wie also können Frauen im Fußball sichtbarer werden? Der Frage geht dieser Text aus dem „Zeitspiel“-Magazin nach.

„Das soll unser Fußball sein?“ „Nein! Setzt euch gegen Sexismus ein.“ Tolle Choreo in Freiburg. (Foto: Nordtribuene.org)

von Mara Pfeiffer, 120minuten.github.io | April 2019

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