a Oliver Leiste – 120minuten https://120minuten.github.io Lange Texte. Über den Fußball. Thu, 20 Jun 2019 13:14:14 +0000 de-DE hourly 1 https://wordpress.org/?v=5.4.2 73012590 WM 2019 – 24 Spielerinnen, die die Welt verändern – Gruppe E https://120minuten.github.io/wm-2019-gruppe-e/ https://120minuten.github.io/wm-2019-gruppe-e/#respond Wed, 05 Jun 2019 07:00:28 +0000 https://120minuten.github.io/?p=6054 Weiterlesen]]> Eine lebende Legende, eine 22jährige Stürmerin, die bereits ein Buch veröffentlicht hat, eine Naturgewalt und eine große Unbekannte – die Paarungen in Gruppe E versprechen schon allein aufgrund der ganz unterschiedlichen Protagonistinnen jede Menge Unterhaltung. Das Topspiel der Gruppe lautet Kanada gegen die Niederlande, letztere sind immerhin amtierende Europameisterinnen.

Christine Sinclair – Die Bomberin aus Burnaby

Bei der Frage nach dem besten Nationalmannschaftsstürmer aller Zeiten wird manch einer sicher reflexhaft Gerd Müller antworten. Oder vielleicht Cristiano Ronaldo. Naheliegende Gedanken, zweifelsohne. Doch Gerd Müller ist nicht mal in mehr Deutschland der treffsicherste Internationale. Miroslav Klose hat den Münchner kurz vor seinem Karriereende überholt und insgesamt 71 mal für Deutschland getroffen. Ronaldo liegt mit 85 Toren hinter Ali Daei (109) auf Platz zwei der Liste – zumindest bei den Männern. Denn die erfolgreichsten Schützen bei den Nationalmannschaften sind allesamt Frauen. Gleich 17 Damen haben mehr als 100 Mal für ihr Land getroffen. Über allen steht die US-Amerikanerin Abby Wambach mit 184 Treffern.

Noch. Denn bei der Weltmeisterschaft in Frankreich könnte es ein Wachablösung geben. Die Kanadierin Christine Sinclair schickt sich an, die Spitzenposition in der ewigen Bestenliste zu übernehmen. Aktuell steht die Stürmerin, die 1983 in Burnaby geboren wurde, bei 181 Toren für Kanada.

“Nur noch zehn”

Die Frage nach dem Rekord verfolgt Sinclair schon eine ganze Weile. Als sie ihren 175. Treffer erzielte, riefen ihre Mitspielerinnen: “Nur noch zehn”. Seit vergangenem Herbst ist das Thema omnipräsent. Und scheint Kanadas Kapitänin ein wenig zu nerven. “Hey, du könntest die meisten internationalen Tore aller Zeiten geschossen haben” sagte sie dem Portal Maclean’s. “Das wäre ein schöner Nebeneffekt. Aber darauf lag nie mein Fokus.” Sinclair hofft, die Marke bald erreicht zu haben, damit sie und ihre Teamkolleginnen sich dann wieder auf das Wesentliche konzentrieren können.

Das Wesentliche ist die Weltmeisterschaft in Frankreich. Dort will die 35-Jährige mit ihrem Team möglichst weit kommen. Selbst der Titelgewinn erscheint nicht völlig utopisch. Immerhin gewann Kanada bei den Olympischen Spielen in Rio und London die Bronzemedaille und erreichte bei der Heim-WM vor vier Jahren das Halbfinale. Zudem hat Sinclair mit dem FC Gold Pride, Western New York Flash, und mit dem Portland Thorns FC insgesamt vier Meisterschaften in der amerikanischen Profiliga gewonnen.

Ungewöhnliche Abgeklärtheit

An Erfolge mit der Nationalmannschaft war in keinster Weise zu denken, als Sinclair vor gut 20 Jahren ihre Profikarriere begann. Entdeckt wurde sie vom Norweger Even Pellerud, dem damaligen Nationaltrainer Kanadas. Mit 16 lief sie das erste Mal für ihr Land auf – beim Algarve-Cup in Portugal. Bereits im zweiten Länderspiel gegen Norwegen gelang ihr der erste Treffer. Schon damals bewies Sinclair eine für ihr Alter ungewöhnliche Abgeklärtheit, erinnern sich Weggefährtinnen.

So berichtet die frühere kanadische Nationaltorhüterin Karina LeBlanc von einer Trainingszene, in der Sinclair mit extremer Ruhe von der Ecke des Fünf-Meter-Raums gegen sie traf. “Normalerweise würden Jugendliche den Ball in der Position einfach auf das Tor hämmern. Das macht es für die Torhüter leicht, sich davor zu werfen. Aber Sinclair agierte gelassen, als wäre sie schon ewig dabei”, so LeBlanc.

Keine einfachen Tore

Als Sinclairs Karriere begann, spielte Kanada in der Frauen-Fußballwelt nur die zweite Geige. Wenn überhaupt. Denn hin und wieder setzte es gegen die “Großen” richtige Klatschen. Auch wenn Kanada mittlerweile auf Platz 5 der Weltrangliste steht, ist es doch sehr erstaunlich, dass Sinclair auf diese hohe Zahl an Toren kommt. Kanadas Nationaltrainer Kenneth Heiner-Moller sagt: “Die USA gehörten schon immer zu den führenden Nationen im Frauen-Fußball. Deshalb haben sie früher auch oft zweistellig gewonnen. So kam Wambach zu vielen einfachen Treffern.” Dagegen habe Sinclar für ihre Treffer sehr hart arbeiten müssen.

Die Beste der Welt

Sinclair zeichnet sich auch dadurch aus, dass sie sich selbst nicht so wichtig nimmt. Der Teamerfolg steht für sie über allem. Wenn eine Mitspielerin besser postiert ist, verzichtet die Stürmerin uneigennützig auf den Abschluss. Als sie 2017 mit dem Order of Canada geehrt wurde, erzählte sie ihren Teamkolleginnen nicht mal davon. Und Sinclair ist nicht nur eine Angreiferin mit Torgarantie, sondern auch eine exzellente Spielmacherin. 56 Assists belegen das.

Die frühere US-Nationaltorhüterin Hope Solo lobte sie 2014 deshalb in höchsten Tönen: “Sie liest das Spiel, sie passt, bereitet Treffer vor und ist gefährlich, sobald sie an den Ball kommt. Ich schaue zu ihr auf und bewundere sie als Spielerin.” Solo hielt Sinclair damals für die beste Spielerin der Welt – eine Einschätzung, der heute sicher immer noch viele folgen würden.

Ein Vorbild für Kanada

Und auch wenn Christine Sinclair der Torrekord nicht sonderlich wichtig ist, gibt es doch einige, die sich sehr darüber freuen würden. Zum Beispiel der Trainer des kanadischen Männerteams, John Herdman: “Wir wollen,dass man sich an sie als die Beste aller Zeiten erinnert. So dass Kanada sagen kann: Wir haben das geschaffen. Und weil wir eine Spielerin wie sie hervorgebracht haben, können wir noch mehr Spielerinnen wie sie entwickeln.” Sollte Sinclair den Torrekord aber doch verpassen und auch nicht Weltmeisterin werden, wird sich an ihrer Bedeutung für den Sport nichts ändern. Denn Christine Sinclair ist schon jetzt ein Idol, an dass man sich noch in Jahrzehnten erinnern wird – Geschichtsbücher hin, Bestenliste her.

Zur Person: Oliver Leiste ist Redaktionsmitglied bei 120minuten und als Sportjournalist für MDR Sachsen und MDR Sachsen-Anhalt tätig.

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Gaëlle Enganamouit – erste afrikanische Torschützenkönigin der höchsten schwedischen Liga

Gaëlle Enganamouit ist eine Naturgewalt. Sie rauscht über das Spielfeld, unbeirrt und zielstrebig, das gegnerische Tor im Visier. Gegenspielerinnen betrachtet die kamerunische Starstürmerin dabei zuweilen als Hindernisse, die aus dem Weg geräumt werden müssen – Fans des FFC Frankfurt erinnern sich bis heute an das denkwürdige Champions-League-Viertelfinale im März 2016 gegen den FC Rosengård. Enganamouit, von ihren Fans liebevoll freight train (Güterzug) getauft, war in beiden Spielen derart unbeirrt und zielstrebig, dass sie im Rückspiel das gesamte Frankfurter Stadion am Bretanobad gegen sich aufbrachte.

Gaëlle Enganamouit im Spiel gegen den FFC Frankfurt 2016 (Foto: Tom Seiss)

Schon als Kind war Gaëlle Enganamouit nicht zu bremsen. Sie wollte Fußball spielen und sie tat es. Nicht einfach, in einer Gesellschaft, die für Mädchen vieles vorsah, von dem nichts auch nur im Entferntesten mit Fußball zu tun hatte. Gaëlle war die einzige von sechs Schwestern, die mit einem Ball und den beiden Brüdern die Nachbarschaft in Kameruns Hauptstadt Yaoundé aufmischte. Die Eltern waren wenig begeistert, sie sahen die Schulausbildung ihrer jüngsten Tochter in Gefahr. Und sie sollten recht behalten.

Als Enganamouit bei der WM 2007 Schwedens Mittelfeldregisseurin Caroline Seger im Fernsehen sah, fasste sie den Entschluss, eines Tages in Schweden zu spielen. Seger war überall und dirigierte mit nur 22 Jahren das Spiel ihrer Nationalmannschaft. Zwei Jahre darauf schloss Enganamouit sich dem Hauptstadtclub Lorema FC Filles de Yaoundé an und der Schulabschluss war endgültig vom Tisch.

Seitdem ist Gaëlle Enganamouit eine Fußballweltreisende. Sie ist eine, die auffällt: 2012 schoss sie in ihrem ersten Spiel für den serbischen Verein Spartak Subotica 3 Sekunden nach Anpfiff ein Tor. Wie leider oft, wenn es um Frauenfußball geht, taucht der Treffer in den wenigsten Rekordtorlisten auf. Er ist aber auf YouTube zu sehen. Mit dem Wechsel zu Eskilstuna United erfüllte sich 2014 Enganamouits Traum von Schweden. In der Saison 2015 wurde sie mit 18 Treffern die erste afrikanische Torschützenkönigin der höchsten schwedischen Liga Damallsvenskan. Auf Platz 2 mit 17 Treffern – die Dänin Pernille Harder.

Bei der im selben Jahr ausgetragenen Weltmeisterschaft in Kanada knüpfte Enganamouit für ihr Nationalteam nahtlos an ihre herausragenden Leistungen in der schwedischen Liga an. Ihr erstes Länderspiel war ein 0:5 gegen Brasilien bei den Olympischen Spielen 2012. Das erste WM-Spiel überhaupt für „Les Lionnes Indomptables“ (Die unbezähmbaren Löwinnen) war gleichzeitig Enganamouits 23. Geburtstag. Mit einem Hattrick und zwei Assists katapultierte sie sich am 9. Juni 2015 in die Herzen der kamerunischen Fans.

Überhaupt, die WM 2015: Kamerun überraschte mit dem sensationellen Einzug ins Achtelfinale. In Gruppe C besiegten sie Ecuador und die als stärker eingeschätzte Schweiz und rangen dem damaligen Weltmeister Japan ein 1:2 ab. Das Aus im Achtelfinale gegen China war dann nicht mehr von Bedeutung. Die unbezähmbaren Löwinnen hatten der Welt gezeigt, wozu sie fähig waren: mitreißender Offensivfußball, Siegeswille und mit Ngono Mani und Gaëlle Enganamouit zwei der auffälligsten Spielerinnen des Turniers.

Noch im WM-Jahr wurde Gaëlle Enganamouit zu Afrikas Fußballerin des Jahres gewählt. Der kamerunische Ausnahmesstürmer Samuel Eto’o, neben der brasilianischen Weltfußballerin Marta eins der Fußballidole der 26-Jährigen, bedankte sich öffentlich bei Enganamouit und ihren Teamkolleginnen. Sie verkörperten die Wiedergeburt des kamerunischen Fußballs. Vor der Weltmeisterschaft waren zu den Länderspielen der unbezähmbaren Löwinnen höchstens 100 Zuschauer*innen gekommen. 2016, beim Afrika-Cup im eigenen Land, drängten sich bereits fünf Stunden vor Anpfiff des Finals gegen Nigeria (0:1) 40.000 Menschen ins Stadion.

Wird sich die WM in Frankreich ein weiteres Mal positiv auf den Frauenfußball in Kamerun auswirken? Die Bemühungen des Verbands scheinen vier Jahre nach der WM 2015 noch nicht weitreichend genug. Die heimische Liga „Championnat féminin D1“ ist weit davon entfernt, allen Spielerinnen professionelle Rahmenbedingungen und eine angemessene Bezahlung zu bieten. In den letzten beiden Jahren brachten mehrere kleinere Verletzungen Unruhe in Gaëlle Enganamouits Karriere. Nach einem Jahr bei Dalian Quanjian in der chinesischen Liga (2017-2018), einer Saison bei Avaldsnes IL in Norwegen (2018) und einem kurzen Aufenthalt bei Málaga CF Femenino 2019, ist die 26-Jährige zurzeit ohne Verein.

Enganamouits konnte sich dafür voll und ganz auf die WM-Vorbereitung mit Kamerun konzentrieren, das Anfang April erstmals am Vier-Nationen-Turnier in China teilgenommen und hinter den Gastgeberinnen den zweiten Platz belegt hat. Vor dem Turnier in Frankreich stehen die Kamerunerinnen auf Platz 46 der Weltrangliste. Gruppe E gehört mit Kanada, Kamerun, Neuseeland und den Europameisterinnen aus den Niederlanden zu einer der schwierigeren Gruppen. Der erneute Einzug ins Achtelfinale wäre eine kleine Sensation.

Gaëlle Enganamouit selbst denkt bereits an die Zukunft des kamerunischen Fußballs: Sie hat Anfang des Jahres die erste Fußballakademie für Frauen des Landes gegründet – die Rail Football Academy. Mit Gaëlle im Team könnten in diesem Sommer in Frankreich unbezähmbare Löwinnen brüllen.

Zur Person: Ellen Hanisch schreibt als Journalistin über den nationalen und internationalen Fußball. Sie gehört zum Podcast-Kollektiv FRÜF und betreibt FUSSBALLTHESEN.

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Neuseeland – die große Unbekannte

Von den „Football Ferns“, wie die neuseeländische Frauen-Nationalmannschaft genannt wird, spielen zahlreiche Spielerinnen im Ausland: Wer sein fußballerisches Talent entwickeln will, bleibt nicht. Einige Ehemalige und Aktive haben auch den Weg in die deutsche Frauenbundesliga gefunden. Unter anderem spielte die Rekordtorschützin der Neuseeländerinnen, Amber Hearn, viele Jahre in Jena, Nationalspielerin Paige Satchell spielt ab der Saison 2019/20 für die Frauen des SC Sand. In der abgelaufenen Saison war außerdem Meikayla Jean-Maree Moore in der AFBL aktiv.

Meikayla Moore wurde am 4. Juni 1996 Jahren in Christchurch geboren. Im Januar 2018 kam Moore, die zuvor ausschließlich in der heimischen National League Women gespielt hatte, zum 1. FC Köln und verstärkte dort die Abwehr der Rheinländerinnen. Nach dem Abstieg des FC in jener Saison wechselte Moore nach Duisburg zum MSV. Dort spielt die Neuseeländerin mit der Rückennummer 5 eine gewichtige Rolle: In den meisten Saisonspielen stand sie über die vollen 90 Minuten auf dem Platz. Zwei Spiele verpasste sie, da sie zu der Zeit mit der neuseeländischen Nationalmannschaft an der Ozeanien-Meisterschaft teilnahm. Für die Neuseeländerinnen, für die sie 2013 im Spiel gegen China ihr Debüt gab, bestritt Moore bisher 34 Partien in der A-Nationalmannschaft und schoss für die Ferns drei Tore.

Ein Tor schoss Moore auch bei den Zebras in der Bundesliga: Am 4. November 2018 köpfte sie nach einem Freistoß der Österreicherin Barbara Dunst direkt in das Tor der eingewechselten Mary Earps – der erste Gegentreffer für die Wölfinnen in der abgelaufenen Saison. Es war ein Spiel, das bei der 1,73 Meter großen Rechtsverteidigerin doch Eindruck hinterlassen hat: Auf die Frage, welche Partie sie gerne wiederholen würde, antwortete die Neuseeländerin auf dem vereinsinternen Social-Media-Kanal Instagram, dass sie gerne diese wiederholen würde, um noch ein zweites Tor für ein Unentschieden gegen die amtierenden deutschen Meisterinnen zu schießen.

Neben der Fußballkarriere studiert die Neuseeländerin per Fernkurs Gesundheitswissenschaften an der Massey University (Neuseeland). Nach der aktiven Zeit möchte sie im medizinischen Bereich arbeiten, um anderen Menschen zu helfen.

An der Fußball-Weltmeisterschaft der Frauen darf eine Mannschaft der Oceania Football Confederation (OFC) teilnehmen. Für die WM in Frankreich qualifizierte sich Neuseeland – wie schon für die Turniere 1991, 2007, 2011 und 2015 – durch den ungefährdeten Sieg der Ozeanien-Meisterschaft. Bei den bisherigen Weltmeisterschaften kam Neuseeland jedoch nie über die Vorrunde hinaus: Noch nie hat die Mannschaft ein Spiel bei einer Weltmeisterschaft gewonnen – trotz der bisher vier Teilnahmen. Das erste von drei Remis, ein 2:2 gegen Mexiko, errang das Team 2011 in Sinsheim bei der WM in Deutschland. In Frankreich nehmen die Ferns nun in der Gruppe E einen erneuten Anlauf gegen Kanada, Kamerun und die amtierenden Europameisterinnen aus den Niederlanden.

Etwas erfolgreicher als die A-Nationalmannschaft war im vergangenen Jahr das U17 Team. Bei der WM in Uruguay erreichten die Junior-Ferns überraschend den 3. Platz und setzen sich unerwartet gegen Japans und Kanadas Juniorinnen durch.

Im Gegensatz zur WM stellt die kontinentale Meisterschaft für die Neuseeländerinnen keine Schwierigkeit dar – jedenfalls seitdem die Australierinnen 2007 in den asiatischen Verband (AFC) gewechselt sind. Sechs der elf Ozeanien-Meisterschaften konnten die Ferns gewinnen. Die Meisterschaft 2018 in Neukaledonien gewannen sie durch einen ungefährdeten 8:0 Sieg gegen die Fidschi. Durch den Mangel an ernsthaften Pflichtspielgegnern außerhalb der WM fällt es aber schwer, die Leistungen des Teams einzuschätzen. Das letzte Testspiel gegen Norwegen gewannen die Neuseeländerinnen allerdings 1:0. Das lässt hoffen, dass sie vielleicht bei dieser WM ihren ersten Sieg einfahren könnten. Das Spiel gegen Kamerun ist dabei übrigens das erste WM-Spiel der Ferns gegen eine afrikanische Mannschaft.

Die nationale Frauenliga in Neuseeland – National Women’s League – ist in der Frauenfußballwelt nicht für ihr hohes Niveau bekannt. Sie besteht aus sieben Teams, die allerdings die sieben Regionalverbände vertreten und gegeneinander antreten. Im National Women’s League Grand Final treten die zwei besten Teams gegeneinander an. Die Liga ist stark im Wandel, änderte bisher regelmäßig die Regularien und hat sich zum Ziel gesetzt, im Jahr 2020 auch eine Club-Fußball-Liga wie bei den Herren aufzubauen. Vielleicht zieht es dann auch nicht mehr die Talente in die ausländischen Ligen in Übersee.

In einem aber sind die Neuseeländer vielen anderen voraus: New Zealand Football (NZF), der neuseeländische Fußballverband, führte im Sommer 2018 die Regel ein, dass Frauen und Männer im Fußball gleichgestellt sind. Dies bedeutet, die Frauen erhalten die gleichen Prämien und Regelungen für Bildrechte und müssen auch nicht Holzklasse fliegen, während die Herren First Class genießen. Das ist sehr löblich und sollte unbedingt mehr Nachahmer finden.

Weniger löblich ist allerdings, dass der Verband lange brauchte, um die Probleme des damaligen Trainers Andreas Heraf mit dem Team anzugehen. Der ehemalige Coach war erst nach Protesten von Seiten der Spielerinnen im Juli 2018 beurlaubt worden. Diese hatten sich über das vergiftete Arbeitsklima beschwert, dabei war unter anderem von Mobbing und Belästigung die Rede. Seit November 2018 trainiert der Schotte Tom Sermanni die Ferns.

Zur Person: Juliane Meuser ist Podcasterin, Gelegenheitsbloggerin und Frauenfußballfan. Zu hören ist sie unter anderem bei Lottes Erbinnen und bei FRÜF – Frauen reden über Fußball.

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Vivianne Miedema will aus dem Schatten von Robben und van Persie

Es war durchaus bezeichnend, dass in diesem Jahr gleich zwei Holländer*innen mit dem “Player of the year”-Award der englischen Fußballspieler-Vereinigung ausgezeichnet wurden. Vivianne Miedema von den Arsenal Women wurde als beste Frau geehrt, Liverpools Virgil van Dijk bekam den Preis bei den Männern. Nach einigen Jahren Tristesse ist niederländischer Fußball derzeit wieder ziemlich angesagt. Die Männer haben sich für das Finalturnier der Uefa Nations League qualifiziert. Die Frauen sind amtierende Europameisterinnen. 2017 gewannen sie die kontinentalen Wettkämpfe im eigenen Land. Es war der erste Titel überhaupt für die holländischen Damen.

Der Sieg gegen Dänemark im Finale von Eschede, der anschließend von zehntausenden Niederländer*innen gefeiert wurde, war so etwas wie der Durchbruch der Oranje Leeuwinnen, der orangenen Löwinnen, wie das Team in den Niederlanden genannt wird. Bis dato stand das Frauenteam immer im Schatten der Männer. Mit der EM änderte sich das. Im klassischen 4-3-3-System der Niederlande spielten sich die Damen in die Herzen ihrer Landsleute. Dass die Männer die Europameisterschaft 2016 verpasst hatten und sich bereits andeutete, dass sie auch die WM in Russland verpassen würden, half dabei sicher.

Miedema und Martens statt Robben

Seit dieser Zeit tragen weibliche Fußballfans immer öfter die Namen von Vivianne Miedema oder Lieke Martens auf ihren Trikots und nicht wie vorher Arjen Robben. Eine Entwicklung, die Miedema sehr gefällt. Die 22-jährige Stürmerin, die für die Arsenal-Frauen spielt, hofft, dass sie und ihre Mitspielerinnen Vorbilder für die kommenden Generationen sein können.

Vivianne Miedema, die mit vollem Namen Anna Margaretha Marina Astrid Miedema heißt, geht dabei mit gutem Beispiel voran. Seit der EM 2017 gehört sie zu den Topstars der Holländerinnen. In dieser Saison hat sie Arsenal mit 20 Toren in 17 Spielen zur Meisterschaft in England geschossen. Zuvor spielte sie für den FC Bayern und gewann dort ebenfalls zwei Mal die nationale Meisterschaft. Sie verließ die Münchner, weil ihr die Spielweise nicht offensiv genug war. Miedema ist sich sicher, dass die Philosophie von Arsenal besser zu passt – und die Torquote gibt ihr recht.

Vivianne Miedema im Dress des FC Bayern München (Foto: Tom Seiss)

Angeborener Killerinstinkt

Es ist vor allem ihr Killerinstinkt vor dem Tor, der sie auszeichnet. Manche behaupten, der wäre angeboren. Weil schon ihr Vater ein erfolgreicher Fußballer war und auch ihr Bruder professionell kickt. Ihre Mutter spielte auf hohem Niveau Hockey. Schon als kleines Mädchen liebte Vivianne Miedema den Fußball. Mit ihren Eltern besuchte sie regelmäßig die Spiele von Feyenoord Rotterdam. Robin van Persie war damals ihr Vorbild. Weibliche Idole gab es in den Niederlanden damals nicht. Zu unbedeutend war der Frauenfußball in den Niederlanden.

Weil Miedema deutlich länger mit Jungs zusammen gespielt hat als die meisten Mädchen, hat sie gelernt sich durchzusetzen. “Da waren viele gute Jungs dabei”, erinnert sich die 22-Jährige in einem Gespräch mit dem “Guardian”. “Manche spielen heute auf europäischem Top-Niveau. Das hat mir sehr geholfen.” Sie rät jungen Spielerinnen deshalb so lange wie möglich mit Jungs zusammen zu spielen.

Miedema fordert gleiche Bezahlung

Doch es sind nicht nur ihre Tore und ihr Auftreten im Spiel, die Vivianne Miedema zum Vorbild machen. Es ist auch ihre Haltung außerhalb des Platzes. Sie hofft, dass sie gemeinsam mit ihren Teamkolleginnen die Bedingungen für die mehr als 150.000 Frauen (Stand 2017), die in den Niederlanden Fußball spielen, nachhaltig verbessern kann.

Ganz selbstbewusst fordert sie in einem Porträt bei fifa.com vom Niederländischen Fußballverband die gleiche Bezahlung wie die männlichen Nationalspieler. “Immerhin waren in den vergangenen Jahren deutlich erfolgreicher als die Männer, die sich für zwei große Turniere nicht qualifiziert haben.” Und für die bezahle der Verband Millionen, so Miedema.

Schwung mitnehmen

Als nächstes steht nun die WM in Frankreich vor der Tür. Es mutet etwas seltsam an, dass die amtierenden Europameisterinnen, die zudem eine der besten Stürmerinnen der Welt in ihren Reihen haben, dabei nicht unbedingt zu den Favoriten zählen. Doch weil die Qualifikation für die Weltmeisterschaft erst in den Play-offs gegen die Schweiz gesichert wurde, werden den orangenen Löwinnen eher Außenseiterchancen eingeräumt.

Vivianne Miedema hofft dennoch, dass ihr Team den Schwung der EM weiter nutzen kann. Mit guten Leistungen bei der WM in Frankreich wollen die Holländerinnen die Entwicklung des Frauenfußballs in ihrer Heimat weiter vorantreiben. Damit irgendwann nicht nur die beste Spielerin und der Topspieler ganz selbstverständlich nebeneinander stehen. Sondern damit irgendwann alle kickenden Frauen die gleiche Wertschätzung bekommen, wie ihre männlichen Kollegen.

Zur Person: Oliver Leiste ist Redaktionsmitglied bei 120minuten und als Sportjournalist für MDR Sachsen und MDR Sachsen-Anhalt tätig.

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WM 2019 – 24 Spielerinnen, die die Welt verändern – Gruppe C https://120minuten.github.io/wm-2019-gruppe-c/ https://120minuten.github.io/wm-2019-gruppe-c/#respond Mon, 03 Jun 2019 07:00:26 +0000 https://120minuten.github.io/?p=6050 Weiterlesen]]> Die Liebe zum Spiel ist das verbindende Element in der Gruppe C. Tiffany Cameron besingt sie und die Brasilianerin Formiga hat auch mit 41 noch lange nicht genug vom Fußball. Während Sam Kerr nach Turbulenzen mit Australien auf ein Wunder hofft, träumt Barbara Bonansea von neuen Jubelmomenten.

Sam Kerr – Turbulenzen und die Hoffnung auf ein Wunder

Australien – berühmt für seine Kängurus, Bumerangs, Barbecues – und für seine außergewöhnlichen Fußballer*innen. Sam Kerr aus der kleinen Stadt East Freemantle ist vielleicht die außergewöhnlichste aller außergewöhnlichen Fußballer*innen, die Australien je hervorgebracht hat.

Sie stammt aus einer Familie erfolgreicher Sportler, sowohl ihr Vater als auch ihr Bruder waren professionelle „Australian-Rules“-Footballer. Kerr spielt in der australischen W-League. Seit Gründung der Liga im Jahr 2008 steht sie, abgesehen von zwei Jahren bei Sydney FC, für Perth Glory unter Vertrag. Die reguläre Saison der W-League findet von November bis Februar statt. Anschließend spielen die vier besten der aktuell neun Teams in einer Playoff-Runde um den Titel „W-League Champion“. Kerr spielt außerdem von April bis Oktober in der amerikanischen Profiliga NWSL, aktuell für die Chicago Red Stars.

Seitdem bricht sie alle Rekorde:

  • Die meisten Tore in der NWSL.
  • Die meisten Tore in einem NWSL-Spiel.
  • Die meisten Tore in einer NWSL-Saison.
  • Die meisten Tore in der W-League.
  • Die meisten Tore in einer W-League-Saison.
  • Sam Kerr ist erst 25 Jahre alt.

Mit der nach Australiens inoffizieller Nationalhymne „Waltzing Matilda“ benannten Nationalmannschaft „Matildas“ bricht Kerr diesen Sommer mit großen Hoffnungen zur WM nach Frankreich auf. Bei den letzten drei Weltmeisterschaften kam ihr Land jedes Mal bis ins Viertelfinale. 2019 könnte der Durchbruch gelingen. Mit einer Fülle an talentierten Spielerinnen, die genau zum richtigen Zeitpunkt den Höhepunkt ihrer spielerischen und persönlichen Reife erreicht haben, glaubt Australien an den Einzug ins WM-Finale.

Sam Kerr und ihre Mitspielerinnen gehen mit viel Erfahrung in die WM.

Spielerinnen in den besten Jahren

Die Ex-Potsdamerin Elise Kellond-Knight hat trotz ihrer erst 28 Jahre bereits 106 Länderspiele absolviert. Die defensive Mittelfeldspielerin wurde 2011 und 2015 ins All-Star- Team der WM gewählt. Verteidigerin Clare Polkinghorne steht bei 116 Länderspielen und ist gerade erst 30 Jahre alt geworden. Sie hat zwei Weltmeisterschaften für die Matildas gespielt, bei denen sie der nahezu unüberwindbare Fels der Abwehr war, aber auch torgefährlich. Die Mischung aus Erfahrung und Spielerinnen in den besten Jahren – erfahren und auf der Höhe ihrer körperlichen Leistungsfähigkeit – könnte Australien zu einer Mannschaft machen, mit der gerechnet werden muss.

Dieser Zustand ist umso erstaunlicher, wenn man sich die Entwicklung des Frauenfußballs in Australien vor Augen führt. Zwar fanden schon 1921 Spiele vor mehr als 10.000 Zuschauer*innen statt. Die erste professionelle Liga wurde aber erst 1996 gegründet. Schon acht Jahre nach ihrer Gründung wurde sie zusammen mit der National Soccer League der Männer aufgrund mangelndem Sponsoring wieder aufgelöst. Nachdem die Matildas bei der WM 2007 das Viertelfinale erreichten, sprach sich der damalige Cheftrainer Tom Sermanni (aktuell Trainer Neuseelands) dafür aus, erneut eine professionelle Liga ins Leben zu rufen. Der australische Fußballverband FFA (Football Federation Australia) stimmte zu und gründete 2008 die W-League.

Stabile Liga weckt Interesse

Seitdem gedeiht die Liga mit einer Stabilität, welche der vorherigen Liga fehlte. Die nun stattfindende Professionalisierung und die Vermarktung der Liga haben für ein steigendes Interesse gesorgt. Das Durchschnittsgehalt der Spielerinnen ist 2018 von 15.500 australischen Dollar auf 17.400 Dollar gestiegen, das Mindestgehalt liegt aktuell bei 10.000 Dollar. Die Gehaltsobergrenze hat sich von 2015 bis zum Saisonstart 2017/18 von 150.000 Dollar auf 300.000 australische Dollar verdoppelt.

Die WM-Vorbereitung der Matildas wurde durch eine Kontroverse überschattet, die im Rauswurf des langjährigen Cheftrainers Alen Stajcic mündete. Stajcic gibt bis heute an, das einzige Mal, dass er mit der FFA über die mutmaßlich kaputte Stimmung innerhalb der Mannschaft gesprochen habe, sei während eines 20-minütigen Gesprächs am Tag vor seiner Entlassung gewesen. Die FFA gibt an, es habe Hinweise darauf gegeben, dass sich in den fünf Jahren unter Stajcic eine dysfunktionale Teamkultur entwickelt habe.

Vom Weg abgekommen

Die Mannschaft solle in der WM-Vorbereitung wieder auf den richtigen Weg gebracht werden. Die FFA selbst scheint etwas vom Weg abgekommen zu sein. So sieht es zum Beispiel zurzeit danach aus, dass die A-League der Männer zeitnah eine von der FFA unabhängige Organisation werden könnte. Mit der Verlängerung der Sponsorenpartnerschaft der Matildas mit dem Immobilienunternehmen Westfield und einem weiteren, noch nicht bekannt gegebenen Rekord-Sponsor in Aussicht, gibt es aber auch gute Nachrichten.

Trotzdem haben die Matildas mit dem ehemaligen australischen Nationalspieler Ante Milicic lediglich einen Interimstrainer, der sie durchs Turnier in Frankreich führen wird. Diese womöglich instabile Situation könnte sich fatal auf Australiens Siegeschancen auswirken.

Andererseits könnte die Mannschaft aber auch von jemandem profitieren, der die Dinge einfach gestaltet und sich komplett auf die taktische Ausrichtung konzentriert. Es wird sich früh genug zeigen, in welche Richtung sich die Matildas unter Milicic entwickeln. Aber eines ist gewiss – mit einer Ausnahmeerscheinung wie Sam Kerr in der Mannschaft und erfahrenen Spielerinnen wie Kellond-Knight und Clare Polkinghorne, besteht immer die Chance auf ein Wunder. 2019 könnte das Jahr werden, in dem die Matildas die Welt auf den Kopf stellen.

Zur Person: Ellen Hanisch schreibt als Journalistin über den nationalen und internationalen Fußball. Sie gehört zum Podcast-Kollektiv FRÜF und betreibt FUSSBALLTHESEN.

Foto: Thewomensgame / Wikimedia Commons

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Barbara Bonansea und der Traum von Juventus Turin

Vier “Scudetti” (italienische Meistertitel), drei italienische Pokalsiege, drei italienische Super-Cups und eine Schlüsselrolle bei Juventus sowie bei der italienischen Nationalmannschaft. Barbara Bonansea, geboren und aufgewachsen in der Nähe von Turin, wurde im Trikot des FC Turin groß, aber um sich einen Namen im italienischen Fußball zu machen, musste sie nach Brescia gehen. In fünf Spielzeiten von 2012 bis 2017 mit Le Rondinelle, wie Brescia Calcio genannt wird, spielte Bonansea eine Schlüsselrolle bei den beiden ersten Meisterschaften der Klubgeschichte.

Barbara Bonansea (links) hat Italien zur WM geschossen.

Die Titel verhalfen ihr zu ihrem Debüt auf europäischer Ebene in der Champions League und brachte ihr Angebote von namhaften europäischen Teams ein. Aber seit ihrer Kindheit hatte Bonansea einen Traum – das Trikot von Juventus überzustreifen.

Im Sommer 2017 wurde dieser Traum Wirklichkeit als Juve mit der Übernahme der Lizenz von Cuneo Calcio seine ersten Schritte im Frauenfußball machte und sich sofort anschickte eine führende Rolle zu übernehmen, getreu dem Motto der Turiner: “Gewinnen ist nicht wichtig, es ist das Einzige, was zählt.”

Hilft Titelkampf der Nationalmannschaft?

Dank ihrer Qualitäten auf dem linken Flügel – sie kann für Überraschungsmomente sorgen, geht oft ins Eins-gegen-eins und hilft auch in der Defensive mit – wurde Bonansea zu einer Schlüsselspielerin in Rita Guarinos Kader.

Zusammen mit der Kapitänin der Nationalmannschaft Sara Gama, mit Aurora Galli, Valentina Cernoia und Christina Gelli hat Bonansea mit Juventus Historisches erreicht: in den ersten zwei Spielzeiten wurde Juventus italienischer Meister. Vor allem der zweite Titel war hart erkämpft. Im Titelrennen mit Milan und der Fiorentina konnte der Scudetto erst am letzten Spieltag mit einem Punkt Vorsprung errungen werden. Der intensive Titelkampf könnte positive Auswirkungen auf die Nationalmannschaft haben. Bonansea bezeichnet es als “einen Traum” im Trikot der Azzurra spielen zu dürfen, insbesondere in Anbetracht der bevorstehenden WM in Frankreich.

Bonansea schießt Italien zur WM

Am 8. Juni 2018 erzielte Bonansea das letzte der drei Tore im entscheidenden Spiel gegen Portugal (3:0 in Florenz), das Italien zur Buchung des WM-Tickets für Frankreich verhalf, und beendete damit eine zwanzigjährige Abwesenheit. Die letzte und einzige Teilnahme war in den USA 1999. Das Tor war wichtig und sorgte für überbordende Emotionen, die in einer Jubeltraube aus Spielerinnen und Fans im Artemo Franchi Stadion gipfelte.

Auf dem Weg zur Weltmeisterschaft machte sich Bonansea einen Namen als vielseitige Spielerin. Sie hinterließ einen bleibenden Eindruck bei den Freundschaftsspielen 2019 indem sie zwei Treffer in den vier Spielen beim Cyprus Cup im Februar erzielte (gegen Mexiko und Thailand). Das Turnier beendete Italien auf einem bitteren zweiten Platz hinter Nordkorea. Im Elfmeterschießen, dem ein 3:3 Unentschieden nach einem 120-Minuten-Marathon vorausging, verschoss Bonansea als einzige Spielerin.

Der Turnierausgang war so etwas wie ein kleiner Betriebsunfall – für die Nationalmannschaft und auch Bonansea – während das Team weiterhin auf einer Welle der Euphorie schwimmt. Die Auswahl von Milena Bertolini kann auf viel Unterstützung in Italien setzen, das schlechte Abschneiden der Herren in Russland 2018 hat mehr Interesse auf den Frauenfußball gelenkt.

Eine neue Ära

Juventus aber auch andere große italienische Klubs wie der AC Mailand, AS Rom, Florenz und Inter, das gerade gerade aus der Zweitklassigkeit aufgestiegen ist, haben sich entschieden in den Frauenfußball zu investieren und diesem zu Wachstum zu verhelfen. Ein Beispiel? Am 24. März fand das entscheidende Match um die Meisterschaft zwischen Juve und der Fiorentina im Turiner Allianz Stadium statt, das sonst für Cristiano Ronaldo und sein Team “reserviert” ist. Die Partie war mit 39.000 Zuschauern ausverkauft – zum ersten Mal in der Geschichte des italienischen Frauenfußballs und obendrein ein Zuschauerrekord. Das Spiel könnte man also als möglichen Beginn einer neuen Ära deuten.

Der Frauenfußball kann darauf aufbauen und für das bevorstehende Turnier auf einen  Enthusiasmus hoffen, wie ihn nur eine Weltmeisterschaft hervorzurufen vermag. Nach einer Saison mit 13 Treffern, der viertbeste Wert ligaweit und ein Tor weniger als Juves Top-Scorerin Aluko, ist Bonansea bereit für die große Fußballbühne und das wichtigste Turnier ihrer bisherigen Karriere. Sie hofft auf eine weitere Jubeltraube – ganz genau wie in Florenz vor fast einem Jahr.

Zur Person: Fabio Fava ist Journalist und Kommentator und arbeitet für Eurosport und DAZN.

Foto: Threecharlie/ Wikimedia Commons

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Formiga – Die ewige Antreiberin

Miraildes Maciel Mota hätte eine der vielen afrikanisch-stämmigen Frauen sein können, die die Hügel von Salvador, Bahia, im Nordosten von Brasilien, hoch- und runterlaufen. Sie hätte ein traditionelles Leben – Arbeit, Familie und Kinder – unter der heißen Sonne führen können. Doch ihr Talent und ihre Leidenschaft für Fußball haben ihr Leben völlig umgekrempelt. Formiga – der Name, unter dem sie weltweit bekannt ist – ist derzeit die einzige Fußballerin, die an sechs Ausgaben der Olympischen Spiele teilgenommen hat – an allen, seit Frauenfußball olympisch wurde. Wie Marta, Pelé, Garrincha und Ronaldo ist Formiga zur Legende in der Geschichte des brasilianischen Fußballs geworden. Mehr als 160 Mal ist sie für das Nationalteam aufgelaufen (und überbietet damit Cafu als der brasilianische Spieler, der das Trikot am häufigsten getragen hat). Jetzt, da die Frauen-Weltmeisterschaft der FIFA in Frankreich ansteht, will sie weitere Rekorde brechen: Sie will die erste Spielerin sein, die an sieben Frauen-Weltmeisterschaften teilgenommen hat und zugleich die älteste Teilnehmerin in der Geschichte des Wettbewerbs sein.

Formiga wurde im März 1978 geboren. Ihr Talent für den Sport zeigte sich früh. Sie beneidete ihren Bruder um sein Geschenk – einen Ball. Ihre einzige Option war, einer Puppe den Kopf abzureißen, um irgendetwas Rundes zum Kicken zu haben. Sie ist von zu Hause abgehauen, um barfuß mit Jungs auf Bolzplätzen in ihrem Stadtviertel zu spielen. Weil sie dafür geschlagen wurde, musste sie das verheimlichen. Denn ihre fünf Brüder waren nicht damit einverstanden, dass sich die Jüngste und die einzige Tochter der Familie ein Hobby aussuchte, das nur für Jungs reserviert war: Fußball spielen.

Den Spitznamen Formiga, was auf Portugiesisch Ameise bedeutet, hat sie in dieser Zeit bekommen. Ein dünnes, kleines Mädchen, das auf dem Feld rauf und runter läuft, den Ball beherrscht und dribbelt wie ein echter Mittelfeldspieler. Die brasilianische Sportlerin begann als 12-Jährige, auf Amateurniveau zu spielen. Mit 15 startete ihre Karriere als Profifußballerin, beim Sao Paulo Football Club. Dann war es nur noch eine Frage der Zeit, bis sie ausgewählt wurde, für die Seleção zu spielen, das brasilianische Frauen-Nationalteam.

Seitdem hat Formiga für verschiedene Teams in Brasilien, Schweden und in den USA gespielt. Derzeit spielt sie in Frankreich bei Paris Saint-Germain. Als Mittelfeldspielerin im brasilianischen Nationalteam hat sie drei Goldmedaillen in den Pan-Amerikanischen Spielen geholt: 2003 in Santo Domingo, 2007 in Rio und 2015 in Toronto. Silber gewann sie bei den Olympischen Spielen in Athen 2004 und 2008 in Peking. Außerdem wurde sie 2007 Vize-Weltmeisterin bei der Frauen-WM in China.  

Aber nicht nur ihre glänzende Karriere beeindruckt diejenigen, die ihre Geschichte hören. Der Weg zum Erfolg war nicht leicht. Dennoch ist sie ihn ohne Fehltritte gegangen. Die Sportlerin berichtet von Situationen, in denen ihr Rassismus begegnet ist. Während eines Spiels in Caçador, einer Stadt im Süden Brasiliens, in Santa Catarina, hörte sie 90 Minuten lang, wie ein Zuschauer sie und ihre Mitspielerinnen als Affen bezeichnete – leider eine Situation, mit der sich afro-brasilianische Spieler häufig konfrontiert sehen. Ihre Reaktion? Formiga erklärt sie für einen brasilianischen Blog: „Ich habe das Team gebeten, ruhig zu bleiben. Wir sollten uns nur auf das konzentrieren, was auf dem Spielfeld passiert. Darum haben wir gut gespielt, wir haben das Spiel gewonnen und am Ende hat uns der Zuschauer gefragt, ob er mit uns ein Foto machen darf. Und ich habe Ja gesagt.“ Ein Sieg innerhalb und außerhalb der vier Linien.

Der Rücktritt vom Rücktritt

Formiga war mehr als 20 Jahre ein essentieller Bestandteil im brasilianischen Mittelfeld. Trotz ihrer aufopferungsvollen Karriere im Nationalteam ist es der Sportlerin nicht gelungen, zu sehen, wie die brasilianischen Träume wahr werden: Brasilien hat weder die WM noch die Olympischen Spiele gewonnen.

2016, nachdem die Canarinhas von Kanada in den Olympischen Spielen in Rio besiegt wurden, gab sie im Alter von 38 Jahren ihren Rücktritt bekannt. Zutiefst bewegt wandte sie sich in einem TV-Interview an die Brasilianer: „Ich bitte euch nur darum, uns nie aufzugeben. Denn wir werden nie aufgeben.“

Doch mit 40 Jahren hat sie sich nochmal neu entschieden. Wegen einer weiteren Gelegenheit, den brasilianischen Traum 2019 bei der WM in Frankreich zu verfolgen und weil der Nachwuchs beim brasilianischen Frauenteam fehlte, hat sie ihre Entscheidung rückgängig gemacht. Sie wird das gelbe Trikot nochmals tragen. „Ich bin nur zurückgekommen, weil es nötig war. Die Seleção hatte niemanden für meine Position, niemanden, der meinen Stil spielt. Der Trainer sagte, er braucht mich. Die Seleção musste sich für die WM qualifizieren. Ich habe lange darüber nachgedacht. Der Gedanke, dass Brasilien die WM  verpassen könnte, hat mich belastet und letztlich habe ich entschieden, zu helfen. Ich hatte nicht beabsichtigt, weiterzumachen und die WM zu spielen, aber Grenzen zu überwinden, treibt mich an“, erklärte die Mittelfeldspielerin in einem Interview für die FIFA.

Erwartungen für die Frauen-WM und brasilianischen Fußball

Auch wenn es ihre siebte Teilnahme bei einem großen internationalen Turnier ist, sagt Formiga: „Die Gefühle sind dieselben wie beim ersten Mal. Ich bin froh, mit den Mädels hier zu sein, gesund, und dass ich an Verbesserungen im Frauenfußball arbeiten und um den so ersehnten Titel kämpfen kann.“ Obwohl die Seleção zuletzt neun Niederlagen am Stück in Freundschaftsspielen einstecken musste und das Team angezweifelt wird, ist Formiga optimistisch: „Wir können ohne Zweifel diese WM gewinnen. Frankreich ist einer der größten Gegner unserer Hoffnungen. Sie könnten definitiv gewinnen. Trotzdem sind die Leute wirklich glücklich und gespannt. Es wird ein wunderbares Turnier.“

In den vergangenen Jahren sind in Brasilien Debatten über Sexismus und Frauen im Sport lauter geworden. Formiga sieht Vorurteile noch immer als die größte Hürde für Profisportlerinnen in ihrem Land. „Heutzutage hat das stark abgenommen, aber es ist immer noch da. Es gibt immer noch zu wenig Medieninteresse. Generell wird über Frauenfußball immer nur berichtet, wenn die Olympischen Spiele sind oder etwas Negatives passiert ist“, sagte Formiga einer brasilianischen Zeitung. Wenn sie letztlich tatsächlich ihre Profikarriere beendet, will sie Fußballlehrerin werden und als Teil des Trainerteams die Frauennationalmannschaft unterstützen. Das wäre ihre Art, weiter für ihre Träume und Fortschritt zu kämpfen.

Persönlichkeiten wie Formiga, Marta und Cristiane stehen stellvertretend für die Welt des Sports und inspirieren andere Mädchen. Ihre Geschichten öffnen Türen für die Geschichten anderer und wirken auf diese Weise aus von selbst gegen Sexismus im Fußball.

An den Wänden des Fußballmuseums im Pacaembu-Stadion in Sao Paulo kann man den Namen Miraildes Maciel Mota und ihre Geschichte lesen. Trotzdem ist Formiga ein Genie, das immer noch nicht die Anerkennung in der Welt des Sports hat, die es verdient. Doch eines wissen wir sicher über sie: Nachdem sie so viele Hindernisse überwunden hat, um dort zu sein, wo sie nun steht, gibt es keine Hürde, die sie nicht überkommen kann. Und sie wird sicherlich alles tun, um in der Geschichte des Fußballs ihre Spuren zu hinterlassen.

 

Der Text in der englischen Originalfassung/ English original version

Formiga: the Brazilian genius who has beaten racism, sexism and poverty to be one of the biggest female footballers in history

Miraildes Maciel Mota could have been one of the several afro-descendent women walking up and down the hills of Salvador, Bahia, in the Northeast region of Brazil, managing a traditional life of work, family and children under the hot sun. However, the talent and passion for football changed her life for good. Formiga – as she is worldwide known – is, nowadays, the only female footballer to have ever been to six editions of Olympic Games, all the editions since the female category became an Olympic sport. Along names like Marta, Pelé, Garrincha and Ronaldo, Formiga has made her place to the history of Brazilian’s football as a legend, collecting more than 160 games for the national team (overmatching Cafu as the Brazilian player who has worn this uniform most times). Now, with the FIFA Women’s World Cup in France just around the corner, she is ready to break other records: becoming the first player to go to seven Women’s World Cups and being the oldest female in the competition’s history.

Formiga was born in March, 1978, and her grit for the sport manifested very early. Envying the brother’s gift – a ball – her only option was taking off the doll’s head to have something rounded to kick. She used to run away from home to play barefoot with other boys in improvised pitches made of earth in her neighborhood. Having being beaten sometimes for that, everything had to be done in secret, as her five brothers did not approve the idea the youngest and only girl of the family would spend time doing something that was meant to be only for boys: play football.

The nickname Formiga (ant, in Portuguese) comes from that time: a skinny short girl running here and there in the field with the ball dominated on her feet dribbling magically like a real midfielder. The Brazilian athlete started to play as an amateur when she was 12 years old and at 15 her professional career was launched at Sao Paulo Football Club. It was just a matter of time until she was called to play at the “Seleção”, the Brazilian national female team.

Since then, Formiga has played for different teams in Brazil, Sweden and USA and currently plays for Paris Saint-Germain, in France. Acting as a midfielder for Brazil National Team, she won three golden medal during the Pan-American Games in Santo Domingo 2003, Rio 2007 and Toronto 2015, silver medal for Olympic Games in Athens 2004 and Beijing 2008 and silver medal for FIFA Women’s World Cup in China 2007.

However, not only the brilliant career impresses everyone who gets the opportunity to know her story. The path towards success wasn’t simple and, still, she made it with no frailties. The athlete reports situations when racism was on the table. During a match in Caçador, a city from the South of Brazil, in Santa Catarina, she played 90 minutes hearing a fan calling her and her colleagues as “monkeys” – unfortunately, a common situation experienced by other Brazilian and afro-descendent players. The answer for that? Formiga explains well to a Brazilian blog: “I asked the team to be calm. We should focus only on what was happening in the field. As result, we played well, we won the game and then the fan asked us to take a picture with him. And I accepted”. A mastery in and out the four lines.  

The retirement no retirement

Formiga has been an essential part of Brazil’s midfield for more than twenty years. Despite the devoted career for the national football, the athlete was unable to see Brazilian dreams coming true: putting Brazil and its people in the highest place of a podium for either the World Cup or the Olympic Games.

In 2016, after the Canarinhas were defeated by Canada during the Rio 2016 Olympic Games, she announced her retirement at the age of 38. Deeply moved, she did a request to Brazilian people during a TV interview: “I only ask you all to never give up on us, because we will never give up”.

However, at 40 years old she changed her mind. The new opportunity to keep pursuing Brazil’s dream at the FIFA Women’s World Cup 2019 in France and the lack of options for the renewal of the Brazilian women’s team made her to abort her previous decision and wear the yellow jersey once again: “I only came out of retirement due to necessity. The Seleção did not have anybody in my position, anyone who played in my style. The coach said he needed me. The Seleção needed to qualify for the World Cup. I gave it a lot thought. The thought of Brazil missing out of the World Cup, it weighed heavily on me and eventually I decided to help. I had no intention to carry on and play in the World Cup, but breaking barriers spurs me on”, explained the midfielder during an interview for FIFA.

Expectations for the World Cup and for the Female’s football in Brazil

At her seventh participation for the world tournament, Formiga affirms: “the emotion is the same just as if it was the first time. I am happy to be here with the girls, with health, working for improvements into the female football and fighting for the so desired title”. Although the Seleção comes from a sequence of nine consecutive defeats on friendly games and has its credibility questioned, Formiga is optimistic: “We can, without doubt, win this World Cup. France are one of the biggest threats to our hopes. They could definitely win it. Nevertheless, people are really happy and excited. It is going to be a wonderful tournament”.

During the last years, Brazil has faced a crescent discussion about sexism and the presence of women in sports. She still sees prejudice as one of the greatest barriers for the female sport in the country. “Nowadays, that has greatly diminished, but it still exists. There is still lack of media interest. Generally, women’s football only becomes news when it is in the Olympics or when it has negative news”, said Formiga to a Brazilian newspaper. When she finally retires, she expects to study to become a coach and then take a role into the technical staff for the National female team. It would be her way to keep fighting for her dreams and improvements.

Names like Formiga, Marta and Cristiane bring representativeness to the world of sports and help other girls to be inspired by those idols. Their stories open doors to other stories and it is, per se, a fight against sexism in football.

At the walls of the Museum of Football, at Pacaembu Stadium, in Sao Paulo, you can read the name of Miraildes Maciel Mota and her journey. However, Formiga is a genius who still doesn’t get the deserved recognition in the world sports. Yet, there is one thing we are all sure about her: after facing and beating so many barriers to be where she stands now, there is no difficulty she cannot overcome and she will, for sure, make everything to let her mark to the History of World football.  

Zur Person: Rosiane Siqueira wohnt in London und schreibt als freie Autorin über den brasilianischen Fußball. Übersetzt wurde der Text von Maria Hendrischke, die für MDR Sachsen-Anhalt tätig ist.

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Tiffany Cameron – Aus Liebe zum Spiel

Tiffany Cameron wurde 1991 in Toronto geboren. Sie bestritt sechs Freundschaftsspiele für Kanada, spielte in der Bundesliga für die TSG Hoffenheim, USV Jena, Mönchengladbach, war in Zypern und Schweden aktiv und wurde 2016 mit dem F.C. Ramat HaSharon in israelische Meisterin – dort erzielte sie in 23 Spielen 38 Tore. Seit Februar 2019 spielt sie für die jamaikanische Auswahl, die 2014 neu gegründet wurde und die erste WM-Teilnahme vor sich hat.

Tiffany Cameron hat auch schon in Jena gespielt.

Wie lief die Saison bisher für sie und wie war das Ankommen bei ihrem neuen Verein in Norwegen?

Mein Verein Stabæk hat zwei Meisterschaften gewonnen, in der Champions League gespielt und sich so einen Namen gemacht. Wir spielen sehr körperlich und haben eine gute Mischung aus jungen talentierten und erfahrenen Spielerinnen. Wir befinden uns dieses Jahr im Umbruch und hatten deshalb nicht den besten Start. Ich bin aber optimistisch, dass die zweite Saisonhälfte besser laufen wird.

Unterscheidet sich ihre Rolle im Nationalteam von der in Ihrem aktuellen Verein?

Ich würde sagen, dass ich sowohl bei Stabæk als auch bei der jamaikanischen Auswahl die gleiche Rolle ausfülle. In beiden Teams gehöre ich zu den erfahrenen Spielerinnen und meine Aufgabe ist es, die jüngeren zu führen und zu ermutigen – und natürlich meine Stärken auf den Platz zu bringen und damit das Spiel zu beeinflussen.

Sie haben schon bei vielen Vereinen gespielt. In der Bundesliga sind sie nach Abstiegen gewechselt, ihren Verein in Israel haben sie nach nur 22 sehr erfolgreichen Spielen verlassen. Wie kommt es, dass sie so oft den Verein gewechselt haben?  

Ich bin der Typus Spielerin, der stets eine Chance ergreift, wenn ich mich dadurch verbessern kann. Zwei von drei Mannschaften, für die ich in der Bundesliga gespielt habe, sind unglücklicherweise abgestiegen. Erstklassig zu spielen, hat für mich immer höchste Priorität, deshalb habe ich mich entschieden zu wechseln. Obwohl ich eine sehr erfolgreiche Saison in Israel gespielt habe, mir eine Vertragsverlängerung angeboten wurde und ich in der Champions League hätte spielen können, bin ich zurück in die Bundesliga gewechselt, als ich die Möglichkeit hatte – das konnte ich mir nicht entgehen lassen.

Bei einigen Klubs habe ich sehr gute Erfahrungen gemacht, anderswo hat es nicht so gut gepasst. Ich bin keine Spielerin, die bei einem Verein bleibt, wenn ich nicht das Gefühl habe, dass ich auf und neben dem Platz meine beste Seite zeigen kann. Im Ausland zu spielen hat seine Härten, aber verschiedene Kulturen und Spielstile kennenzulernen war sehr wichtig für meine Entwicklung als professionelle Fußballerin.     

Sie schreiben auch Songs und setzen sich darin mit dem Fußball auseinander. Welche Botschaft möchten Sie mit “For the love of the game” vermitteln?

In meinem neuen Song geht es um das Überwinden von Widrigkeiten, das Verfolgen von Zielen und sich bewusst zu machen, dass Frauen, obwohl der Kampf für die Gleichstellung der Geschlechter anhält, auch stolz auf ihre Leistungen und ihr tägliches Engagement für den Fußball sein sollten. Der Song ist ein Vehikel für weibliches Empowerment und ich habe beschlossen, ihn zu veröffentlichen, weil die Frauen-Weltmeisterschaft bevorsteht und sie dazu beitragen wird, weibliche Athletinnen auf der ganzen Welt zu ermutigen und zu fördern.

Sie haben einige Zeit in Deutschland gespielt. Welche Erinnerungen verbinden Sie mit der Bundesliga und worauf mussten sie sich in Deutschland erstmal einstellen?

Wenn ich an meine Zeit in der Bundesliga zurückdenke, denke ich oft daran, welche Freude es war mit technisch so versierten Fußballerinnen zu spielen. Jedes Spiel hatte Wettkampfcharakter. Als ich nach Deutschland wechselte, habe ich damit gerechnet, dass eine Herausforderung technischer und taktischer Natur auf mich wartete und ich mich dadurch als Spielerin verbessern kann. Ich war sehr beeindruckt von der Qualität des Fußballs und es war mir ein Vergnügen mehrere Jahre in der Bundesliga spielen zu dürfen.

Die jamaikanische Auswahl wurde erst vor wenigen Jahren wieder ins Leben gerufen. Sie haben bereits für Kanada Auswahlspiele bestritten. Warum haben Sie sich für Jamaika entschieden?

Ich hatte das Gefühl, dass es an der Zeit war, eine neue Herausforderung zu suchen. Die Möglichkeit, für Jamaika zu spielen, ergab sich für mich zu einem besonderen Zeitpunkt. Es ist das erste Mal in der Geschichte, dass Jamaika an der WM teilnimmt, und ich habe das Gefühl, dass ich mit meiner Erfahrung dazu beitragen kann, das Team zu verstärken. Als mir ein Mitarbeiter des Trainerstabs das Angebot unterbreitete, für Jamaika zu spielen, konnte ich diese Gelegenheit nicht ungenutzt lassen.

Ich bin stolz darauf, wenn ich die junge Generation inspirieren und fördern kann. So bringe ich mich als eine der erfahreneren Spielerinnen im Kader ein. Im März spielte ich mein zweites Freundschaftsspiel für Jamaika, durfte von Anfang an auflaufen und bereitete ein Tor gegen Chile vor. Wir haben das Spiel mit 3-2 gewonnen und die Atmosphäre war toll. Obwohl ich neu im Team bin, hat es nicht lange gedauert, eine positive Verbindung zu meinen Teamkollegen aufzubauen. Ich bin froh, dass das so gut geklappt hat und ich zu unserem Sieg beitragen konnte.

Wie würden sie die Entwicklung des jamaikanischen Frauenfußballs in den letzten fünf Jahren, insbesondere der Nationalmannschaft, beschreiben? Wie populär sind die Reggae Girlz in Jamaika bzw. wie hat sich die Popularität entwickelt?

Die Entwicklung des jamaikanischen Fußballs hat einen langen Weg hinter sich. Vor einigen Jahren existierte die Frauenmannschaft für ein paar Jahre schlichtweg nicht. Cedella Marley und die Bob Marley Foundation halfen, die Frauen-Nationalmannschaft zu finanzieren und das brachte Einiges wieder in Gang. Wenn sie nicht wären, wären wir nicht hier, deshalb bin ich sehr dankbar für ihre kontinuierliche Unterstützung. Jetzt spüren wir in Jamaika und im Rest der Welt eine enorme Unterstützung, vor allem nach der Qualifikation für die Weltmeisterschaft. Unsere beiden Siege gegen Chile im Februar und März waren fantastisch und wir haben dafür viel Support von unseren Fans bekommen. Unser Popularität in Jamaika ist in die Höhe geschnellt!

Können Sie die Spielphilosophie der Reggae Girlz kurz erläutern?

Wir sind für unsere Kreativität und harte Arbeit auf dem Platz bekannt. Die Zuschauer*innen können sich darauf gefasst machen, gut unterhalten zu werden, wenn wir spielen.

Welche Erwartungen haben Sie an die Weltmeisterschaft in Frankreich? Welche Chancen rechnen Sie sich für die Gruppenspiele aus?

Wir werden wohl als Underdogs wahrgenommen werden, da wir das Team mit der schlechtesten Weltranglistenplatzierung (Rang 53) im Turnier sind. Die Zuschauer*innen können von uns erwarten, dass wir mit dem Herzen spielen und als wäre jedes Spiel unser letztes. Das ist unsere Mentalität, und wenn wir uns daran halten, werden wir auch über die Gruppenphase hinauskommen.

Die Antworten in der englischen Originalfassung/ English original version

1. Stabaek FC won two titles in the Toppserien and have played in Champions league matches gaining a respectful name for themselves. We play physical and are a team with several talented young players mixed with some experienced players. We are rebuilding this year, so we haven’t been off to the best start, but I am optimistic that the second half of season will be much better!

2. I would say my role on the Jamaican national team and on Stabaek FC are similar. On both teams I am one of the more experienced players and my role is to help lead and encourage my younger teammates along with showing my strengths on the field and making a positive impact.

3. I’m the type of player that will take on opportunities that will help improve my game. Two out of three of the clubs I played for in the Bundesliga unfortunately ended up getting relegated. Playing in a top league has always been my priority, so I chose to move on. Although I had a very successful season in Israel and had the choice of extending my contract and also playing in champions league again, when an opportunity to play back in the Bundesliga was presented to me, I couldn’t pass that up. I had great experiences playing for some clubs and others I didn’t have the best experiences. I am not the type of player to settle if I know that the environment I’m in won’t help me be the best version of myself both on and off the field. Playing away from home comes with hardships and is a journey, but experiencing different cultures and playing styles has been essential to furthering my development as a professional footballer.

4. My new song, For The Love of The Game, focuses on overcoming adversity, striving toward your goals and remembering that though the fight for gender equality continues, women should also be proud of their accomplishments and their every day commitment to the game. It’s a female empowerment anthem and I decided to release it because the Women’s World Cup is coming up and it will help encourage and pump up female athletes around the world.

5. When I think of my memories playing in the Bundesliga I think about how much of a pleasure it was to play with such technical players. Every game was always competitive. When I moved to Germany I expected to be challenged both technically and tactically and improve as a footballer. I was extremely impressed with the quality of football there and it was a pleasure to play there for a few years.

6. I felt like it was time to start a new challenge in my football career. The option to play for Jamaica was presented to me at a special time. With the Women’s World Cup approaching, it’s the first time in history that Jamaica will be competing in this tournament and I feel like with my experience I can help strengthen the team if selected. When I was contacted by one of Team Jamaica’s coaching staff members about the possibility to represent Jamaica, I couldn’t pass up the opportunity. Inspiring and encouraging the younger generation is something I take pride in doing, so being one of the more experienced players on the squad allows me to give back in this way. In March I played my second international friendly for Jamaica and got my first start and assist against Chile. We won that game 3-2 and it was a great atmosphere to be in. Although I am new to the team, I am happy that it didn’t take long to develop a positive connection with my teammates and I am glad that I was able to help contribute to our win.

7./ 8.  The development of Jamaican football has came a long way. A few years ago the women’s team did not exist for quite some time. Cedella Marley and the Bob Marley Foundation helped fund the women’s national team program and get it running again. If it weren’t for them, we wouldn’t be here so I commend them for their continuous support for our team. Now there is tremendous support across Jamaica and the rest of the world especially after qualifying for the World Cup. Our two victories against Chile back in February and March were amazing and we had a lot of love and support from our fans. I must say in terms of popularity it has sky rocketed in Jamaica!

9. We are known for our creativity on the field and how hard we work. Expect to be entertained when you watch us play!

10. We are expected to be looked at as underdogs since we are the lowest ranked country in the tournament. The public eye can expect us to play with our hearts as if every game is our last game playing football. That’s the mentality we will have and if we stick with that, we will make it out of the group stages. 

Zur Person: Die Fragen stellte Endreas Müller, der zur Redaktion von 120Minuten gehört.

Foto: Sandro Halank/ Wikimedia Commons

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Hier geht’s zu den anderen Gruppen:

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https://120minuten.github.io/wm-2019-gruppe-c/feed/ 0 6050
Frank Noack: “Erwarte keine Dankbarkeit vom Fußball” https://120minuten.github.io/frank-noack-erwarte-keine-dankbarkeit-vom-fussball/ https://120minuten.github.io/frank-noack-erwarte-keine-dankbarkeit-vom-fussball/#respond Thu, 07 Mar 2019 23:31:55 +0000 https://120minuten.github.io/?p=5774 Weiterlesen]]> Seit 20 Jahren berichtet Frank Noack für die Lausitzer Rundschau über Energie Cottbus. Der Journalist hat den Verein in glamouröse Bundesligastadien begleitet, war aber auch auf besseren Bezirkssportanlagen in der Regionalliga und im Landespokal dabei. Einen festen Sitzplatz mit Stromanschluss weiß er deshalb sehr zu schätzen. Im Interview spricht er über Autorisierungen, veränderte Arbeitsaufgaben und neue Recherchemöglichkeiten.

Sportreporter Frank Noack berichtet über Energie Cottbus – auf Amateursportplätzen zum Teil auch unter widrigen Bedingungen.

120minuten.github.io | März 2019

Welche Rolle spielt Journalismus im Fußball?

Unsere Aufgabe hat sich gewandelt, weil viele Vereine durch eigene Kanäle einen Teil der Berichterstattung übernehmen. Doch gerade was die Bewertung und Einschätzung von Sachverhalten angeht, ist der Journalismus nach wie vor ganz wichtig, um nicht das Ungefilterte aus den Vereinen zu übernehmen.

Spieler und Vereine präsentieren sich zunehmend selbst auf Social-Media-Plattformen. Erleichtert oder erschwert das deine Arbeit?

Sowohl als auch. Das kann man nicht richtig mit ja oder nein beantworten. Natürlich geht ein Stück weit Exklusivität verloren, wenn zum Beispiel eine Pressekonferenz live im Internet übertragen wird oder die Vereine eigene Interviews mit Neuzugängen machen. Mit so etwas konnte man früher als Journalist punkten. Das ist heute deutlich schwerer.

Der Vorteil ist aus meiner Sicht, dass das Informationsangebot aber viel größer geworden ist. Weil die Vereine die Informationen verteilen, hat man viel mehr Quellen. Dazu kommt, dass auch die Spieler viel in den Netzwerken unterwegs sind. Für die Recherche hat man viel mehr Möglichkeiten.

Den Rhythmus der Zeitung gibt es nicht mehr. Wichtig ist, dass wir das Online-Angebot schnell bestücken. Es geht um Aktualität und darum, Informationen schnell rauszubringen. Da hat das Internet mittlerweile eine große Funktion.

Welches Verhältnis habt ihr bei der Lausitzer Rundschau zu den Pressesprechern von Energie, aber auch zu Pressesprechern allgemein?

Da kann ich in all den Jahren nur Positives berichten, egal ob erste, zweite oder dritte Liga. Klar, der Verein ist in der 3. Liga mehr auf unsere Berichte angewiesen, als er es zu Bundesligazeiten war. Weil der Fokus da ein anderer, deutschlandweiter war. Das ist jetzt nicht mehr so der Fall. Das Verhältnis zu den Pressesprechern war aber in all den Jahren immer gut. Selbst zu Erstligazeiten hatten wir keine Probleme, einen Zugang zur Mannschaft zu finden oder Interviews zu bekommen. Diese Hürde kenne ich in Cottbus nicht. Das ist sehr angenehm.

Das zeigt sich auch, wenn man den Vergleich sieht, als Cottbus und Dynamo Dresden auf Augenhöhe waren. Wenn man dann gesehen hat, wie die Begleitung der Mannschaften in den Trainingslagern abgelaufen ist. Da hatten wir es deutlich leichter als die Kollegen von der Sächsischen Zeitung. Das weiß ich sehr zu schätzen.

Habt ihr Probleme mit Autorisierungen – insbesondere wenn ihr über frühere Energieprofis bei größeren Vereinen berichtet?

Von den Pressestellen wird sehr selten eingegriffen. Das beschränkt sich auf kleinere Korrekturen. Größere Dissonanzen gab es wirklich nur ganz selten – auch bei der Interview-Autorisierung. Letztlich ist es wichtig, das gesprochene Wort sauber und korrekt aufzuschreiben. Dann lohnt es sich auch, bei der Autorisierung dafür zu kämpfen

In anderen Sportarten sind die Akteure deutlich zugänglicher. Würdest du dir wünschen, dass es im Fußball auch wieder so ist?

Ich erwarte in dem Sinne keine Dankbarkeit vom Fußball. Am Ende ist es ein Geben und Nehmen. Wenn der Fokus größer ist als in anderen Sportarten, dann sind die Stückchen vom Kuchen für alle ein bisschen kleiner. Das ist normal.

Die Fragen stellte Oliver Leiste. Das Interview war Teil der Recherche für den Longread “Mehr Einordnung wagen: Warum Lokaljournalismus im Fußball weiter wichtig ist“.

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https://120minuten.github.io/frank-noack-erwarte-keine-dankbarkeit-vom-fussball/feed/ 0 5774
Mehr Einordnung wagen: Warum Lokaljournalismus im Fußball weiter wichtig ist https://120minuten.github.io/warum-lokaljournalismus-im-fussball-weiter-wichtig-ist/ https://120minuten.github.io/warum-lokaljournalismus-im-fussball-weiter-wichtig-ist/#comments Wed, 27 Feb 2019 08:00:00 +0000 https://120minuten.github.io/?p=5752 Weiterlesen]]> Um den Fußballjournalismus steht es nicht zum Besten. Die Vereine versuchen sich auf vielen verschiedenen Kanälen selbst darzustellen und damit vorzugeben, wie über sie berichtet werden darf. Technische Veränderungen eröffnen ihnen dabei neue Möglichkeiten. Doch sind die veränderten Arbeitsbedingungen für die schreibenden Journalist*innen wirklich ein Problem? Oder bieten sie auch Chancen? Welchen Weg kann der Lokaljournalismus im Fußball gehen, um weiter interessant zu bleiben? Eine Einordnung.

Kiebitze auf dem Trainingsgelände Lezama von Athletic, Quelle: Ronny Blaschke

Oliver Leiste, 120minuten.github.io | Februar 2019

Der Fußballjournalismus hat Probleme. Das legen zahlreiche Studien und Berichte der vergangenen Monate nahe. “Diese zentrale Bedeutung von kritischem Sportjournalismus schlägt sich […] nur unzureichend in der Praxis nieder”, stellt etwa Tonio Postel fest. Dieser hat sich in einem Report für die Otto-Brenner-Stiftung ausführlich mit der Situation des Journalismus im modernen Fußball beschäftigt. Er sieht die kritische Berichterstattung in Gefahr – auch wenn es einzelne, positive Ausnahmen gebe.

Die Probleme haben verschiedene Ursachen. Eine erhöhte Arbeitsbelastung der Journalist*innen gehört genauso dazu wie Konkurrenz durch neue Medienformate und die Vereine selbst. Außerdem nehmen  die Klubs zunehmend Einfluss auf die Berichterstattung.

Weniger Journalisten, größere Erwartungen

Eine Ursache für die veränderte Bedeutung des Journalismus im Fußball ist laut Postel die Arbeitssituation vieler Journalist*innen – insbesondere bei lokalen Medien. “Aufgrund schlechter Bezahlung und prekärer Arbeitsverhältnisse, aber auch aus Sorglosigkeit, vermischen viele (freie) Sportjournalisten Journalismus und Public Relations (PR).”1 Für die schlechten Arbeitsverhältnisse, insbesondere im Lokalbereich, gibt es zwei Gründe. Einerseits wurden die (Sport-)Redaktionen in den vergangenen Jahren stark verkleinert. Frei gewordene Stellen wurden oft nicht wieder besetzt. Nicht selten gab es auch Entlassungen. Für die verbliebenen Redakteur*innen erhöhte sich die Arbeitsbelastung dadurch automatisch.

In Postels Report erklärt etwa Jan Christian Müller von der Frankfurter Rundschau:

“Wenn ich auf meine Anfänge Mitte der 1980er Jahre zurückblicke, war es üblich, dass stolze, selbstbewusste Sportredaktionen mit 12 bis 15 Redakteuren einem Bundesligaverein, der mit nur einem Pressesprecher ausgestattet war, gegenüberstanden. Es hat sich erstmal das personelle Verhältnis geändert, weil viele Zeitungsredaktionen geschrumpft und die Pressestellen gewachsen sind.“

Heute sei man froh, wenn drei Redakteure im Büro säßen, so Müller. Tiefschürfende, längerfristige Recherchen, die früher einfacher waren, seien so kaum noch realisierbar, erklärt der Journalist.2

“Es geht um Aktualität”

Durch technische Veränderungen im Internet ergaben sich auch neue Möglichkeiten der Berichterstattung. Damit entstanden aber auch neue Aufgaben, die von den Reporter*innen “nebenbei” noch mit zu erledigen sind. “Den Rhythmus der Zeitung gibt es nicht mehr”, sagt Frank Noack, der als Sportredakteur für die Lausitzer Rundschau in Cottbus arbeitet:

“Wichtig ist, dass wir das Online-Angebot schnell bestücken. Es geht um Aktualität und darum, Informationen schnell rauszubringen. Da hat das Internet mittlerweile eine große Funktion.”

Das merkt man besonders an den Spieltagen. Viele Lokalmedien begleiten die Spiele ihrer besten Fußballvereine mit einem Liveticker. Ein fertiger Spielbericht bei Abpfiff einer Partie ist längst Standard. Hinzu kommen Stimmen zum Spiel, Spielernoten, erste Diagnosen bei Verletzungen und Randgeschichten. Alles in Form einzelner Texte, die innerhalb kürzester Zeit nach dem Spiel produziert werden müssen. Außerdem müssen die Journalisten noch verschiedene Social-Media-Kanäle betreuen. Teilweise kümmert sich ein Reporter während eines Spiels also um fünf verschiedene Dinge. Gleichzeitig. Oft folgen dann noch eine Analyse für die Zeitung und ein weiterer Artikel für den nächsten Tag. Kein Vergleich zu früheren Zeiten, als die Lokalberichterstattung zu einem Fußballspiel aus einem Spielbericht am nächsten Tag und vielleicht einem weiteren Text am Folgetag bestand.

Blogs und internationale Medien sorgen für Konkurrenz

Mit diesen und weiteren Elementen, etwa Videos, versuchen die lokalen Medien gegen eine Vielzahl von konkurrierenden Angeboten zu bestehen. Zunächst mal natürlich gegen überregionale Zeitungen und Fernsehsender. Doch diese Konkurrenten gibt es schon lange. Lokale und überregionale Medien sprechen in der Regel unterschiedliche Zielgruppen an, auch wenn sie im Internetzeitalter teilweise um die gleichen Nutzer buhlen. In den vergangenen Jahren hat sich die Medienlandschaft jedoch weiter gewandelt. Blogs und Onlineportale berichten ebenfalls tagesaktuell von den Entwicklungen im Fußball.

Mit der zunehmenden Vermarktung der Bundesliga im Ausland ist auch dort das Medieninteresse gewachsen. Und alle wollen das Gleiche: Interviews und exklusive Informationen. Deshalb ist zumindest bei den Topklubs der Bundesliga nahezu folgerichtig, dass die Zugänge der Medienschaffenden zu den Spielern eingeschränkt werden. Wenn viel mehr Parteien als früher etwas vom “Fußball-Kuchen” abbekommen wollen, werden die Stücken für jeden einzelnen Mitbewerber eben kleiner. Das hat auch Gianni Costa, Ressortleiter Sport bei der Rheinischen Post, beobachtet:

“Auf die Vereine im direkten Verbreitungsgebiet – Borussia Mönchengladbach, Fortuna Düsseldorf und Bayer Leverkusen – haben wir schon noch ganz guten Zugriff. Aber wenn wir etwa bei Borussia Dortmund anfragen, müssen wir uns in eine lange Schlange einreihen.”

Diese werde immer länger, so Costa.

Denn es werden oft die bevorzugt, die den Fußballvereinen am meisten nutzen. Sprich: Die Fernsehsender, die mit ihren Millionen dafür sorgen, dass der Fußballzirkus in seiner heutigen Form überhaupt möglich ist. Selbst regionale Textmedien müssen da hinten an stehen.  

Vereine als Medienunternehmen

Auch die Vereine selbst sind mittlerweile zum Teil Konkurrenten lokaler Medien. Dabei sind eigene Fernsehsender der Klubs nur die Spitze der Entwicklung. Spielberichte, Interviews, den “Blick hinter die Kulissen” – all das findet man auf den Internetseiten der Fußballklubs, die zudem auf zahlreichen Social-Media-Plattformen aktiv sind. Es ist der Versuch, selbst zu bestimmen, wie das Bild des Vereins in der Öffentlichkeit aussieht. Im Report von Tonio Postel gibt etwa Christoph Pieper, Sprecher bei Zweitligist FC St. Pauli, zu, dass die Vereine “sozusagen in Konkurrenz mit den Medien stehen, weil wir selbst eine Art Medienunternehmen geworden sind, das seine Sicht der Dinge über die Webseite, Club-TV und soziale Medien verbreitet, um unseren Einfluss und Reichweite zu steigern.”3

Die exklusive Darstellung von Verein und einzelnen Spielern ist auch der Versuch, die Bindung zu den eigenen Fans zu stärken. Schon 2009 schrieb Markus Hörwick, der ehemalige Medienchef des FC Bayern:

“Während man früher auf die Veröffentlichung durch Journalisten angewiesen war, kann sich nun jeder Bundesliga-Verein selbst publizieren, und er wird dies natürlich in der für ihn bestmöglichen Darstellung tun.”4

“Müssen versuchen, Berichterstattung positiv zu beeinflussen”

Mit Autorisierungsprozessen versuchen die Vereine zudem, auch in nicht vereinseigenen Medien ihr Selbstbild durchzusetzen. Gedruckte Interviews und Zitate werden dabei vor der Veröffentlichung von Vereinsmitarbeitern überprüft und mit Änderungswünschen versehen. Für Pressesprecher Lars Töffling vom Halleschen FC ein ganz normaler Vorgang. Im MDR-Podcast “Der Badkurvenversteher” sagte Töffling jüngst:

Natürlich versuchen wir, das Ganze aber für uns so positiv wie möglich zu beeinflussen. Da muss ich nichts von Neutralität erzählen. Es ist meine Aufgabe, die Berichterstattung so positiv – oder zumindest brisanzfrei – wie möglich zu gestalten. Wenn es in meiner Macht liegt, greife ich da schon mal ein.”   

Wie sehr dann tatsächlich in die Texte eingegriffen wird, variiert aber stark. Töffling etwa setzt eher auf kleinere Formulierungsänderungen. “Wenn eine Aussage einmal in der Welt ist, kann ich sie ja nicht mit dem Lasso wieder einfangen”, sagt er. Frank Noack von der Lausitzer Rundschau hatte als Journalist noch nie große Probleme mit Autorisierungen – weder in Cottbus, noch bei Gesprächen mit Akteuren von Bundesligavereinen. Er sagt: “Von den Pressestellen wird sehr selten eingegriffen. Das beschränkt sich wirklich auf kleinere Korrekturen. Größere Dissonanzen gab es wirklich nur ganz selten auch bei der Interview-Autorisierung. Da sind wir in Cottbus vielleicht ein bisschen verwöhnt, aber Probleme gab es hier auch nie.”

Dass es auch anders geht, bewies vor einigen Jahren RasenBallsport Leipzig. Aus einem Interview, dass der Playboy mit Sportchef Ralf Rangnick führte, wurden ganze Passagen aus dem Text gestrichen. Glaubt man Schilderungen verschiedener Medienvertreter*innen, ist ein derartiges Vorgehen auch außerhalb von Leipzig kein Einzelfall.

Pressestellen verändern sich

In den vergangenen Jahren hat sich nicht nur die Arbeit der Journalist*innen verändert, sondern auch die der Pressesprecher, erzählt Lars Töffling. Früher koordinierte er die Medienarbeit bei Union Berlin und Energie Cottbus, seit 2016 ist er beim HFC aktiv:

Dieser Job hat sich generell extrem verändert. 2002 war das Kerngeschäft, die Presseanfragen zu koordinieren und zu begleiten. Das hat sich extrem gewandelt. Heute macht die Arbeit mit Journalisten nur noch zehn bis 20 Prozent aus. Damals gab es kein Facebook, Twitter oder YouTube. Das kam alles erst. Und so haben sich die Arbeitsbereiche verschoben.”

Der größte Unterschied: die Anzahl der Mitarbeiter. Während bei Borussia Dortmund oder Bayern München dutzende Mitarbeiter die Medienangebote der Vereine betreuen, ist Lars Töffling – von ein paar ehrenamtlichen Helfern abgesehen – beim HFC weitgehend auf sich allein gestellt.

Medienwandel bietet neue Recherchemöglichkeiten

Die Entwicklung bei den Vereinen erfreut Journalisten wie Frank Noack nur bedingt: “Natürlich geht ein Stück weit Exklusivität verloren, wenn zum Beispiel eine Pressekonferenz live im Internet übertragen wird oder die Vereine eigene Interviews mit Neuzugängen machen. Mit so etwas konnte man früher als Journalist punkten. Das ist heute deutlich schwerer.” Trotzdem kann der Reporter den Entwicklungen der vergangenen Jahre auch viel Positives abgewinnen:

“Der Vorteil ist aus meiner Sicht, dass das Informationsangebot viel größer geworden ist. Weil die Vereine die Informationen verteilen, hat man viel mehr Quellen. Dazu kommt, dass auch die Spieler viel in den Netzwerken unterwegs sind. Für die Recherche hat man viel mehr Möglichkeiten.”

Das sieht auch Daniel George so. Der 26-Jährige arbeitet als Fußballreporter für den Mitteldeutschen Rundfunk und ist durchaus begeistert von den Möglichkeiten, die ihm etwa Instagram bietet:

Das tägliche Scrollen durch den Feed gehört mittlerweile dazu. Die Kicker teilen sich über ihre Fotos mit. Sie kommentieren beispielsweise Beiträge von befreundeten Profis und liefern so Ansätze zur Recherche. Manchmal entdeckt man so auch kleine Skandale: Wenn sie krankgeschrieben sind, aber trotzdem fröhlich in Nachtclubs unterwegs sind und das auch noch in ihrer Insta-Story teilen.”

So ergeben sich für Journalist*innen neue Möglichkeiten, Geschichten zu erzählen, an die man bisher nur schwer heran kam.

Werden Lokaljournalisten beim Fußball noch gebraucht?

Es ist anzunehmen, dass die Autonomiebestrebungen der Fußballvereine weiter zunehmen werden. Und auch, dass sie noch mehr als bisher versuchen werden, zu kontrollieren, was über sie geschrieben und erzählt wird. Braucht der Fußball also noch Lokalreporter, die sich mit ihm beschäftigen?

Ja! Denn trotz der beschriebenen Entwicklungen bleiben die lokalen Medien für den Fußball, die Klubs und seine Fans wichtig.

Die Vereine sind auch in Zukunft auf die Veröffentlichungen der lokalen Medien angewiesen, wollen sie nicht nur die eigenen Fans, sondern breite Bevölkerungsschichten ansprechen. Denn die neuen Möglichkeiten von sozialen Medien ersetzen “keinesfalls gänzlich die Bedeutung der Massenmedien für die PR. Vielmehr ergänzen sie – als eine Art Riepl´sches Gesetz in der PR – diese, denn über Social Media können Themen zwar enorme Reichweiten erzielen, doch damit eine tatsächlich weite Verbreitung in der gesamten Gesellschaft erreicht wird, sind nach wie vor Medien als Transmissionsriemen von Bedeutung.”5 Zudem unterliegen Botschaften, die nicht von einer Organisation selbst kommen, sondern die Rezipienten via Massenmedien erreichen, nach wie vor einer erhöhten Glaubwürdigkeit, analysiert Fabian Kautz in seiner Dissertation “Sport-PR 2.0”.6

Für Fans und Fußballinteressierte, die die Entwicklung ihrer Lieblingsklubs nicht nur durch die rosarote – wahlweise auch grün-weiße, schwarz-gelbe oder königsblaue – Vereinsbrille verfolgen wollen, ist guter Lokaljournalismus unverzichtbar. Denn in der Regel wohnt der Großteil der Anhänger eines Klubs auch in dessen Region. Wer könnte Dinge also besser beobachten und bewerten, als Reporter*innen, die ebenfalls vor Ort sind und die nicht nur Spiele oder Trainings beobachten, sondern sich mit den verschiedensten Akteur*innen im Umfeld eines Vereins austauschen können.

Mehr Wertung, weniger Werbung

Zeitungen und deren Online-Auftritte sind eigentlich nicht als Verlautbarungsorgan oder Chroniken für Fußballvereine vorgesehen. In der Vergangenheit haben die Medien diese Rolle jedoch zu oft übernommen. Mittlerweile können die Vereine viele Inhalte schneller und mitunter sogar besser präsentieren. “Leider geht die Bedeutung [der Medien] zurück, weil viele Vereine durch eigene Kanäle einen Großteil der Berichterstattung übernehmen”,  bedauert Frank Noack.

Für den Fußballjournalismus kann das auf lange Sicht aber sogar ein Vorteil sein. Denn so bleiben idealerweise mehr Kapazitäten für journalistische Inhalte frei, die der Allgemeinheit und nicht nur den Klubs nutzen. Auch Noack sagt:

“Gerade was die Bewertung von Sachverhalten angeht, ist der Journalismus nach wie vor ganz wichtig, um das nicht das Ungefilterte aus den Vereinen zu übernehmen.”

Kritische Beobachtung, hintergründige Berichterstattung und die Einordnung von Sachverhalten – all das können lokale Fußballreporter*innen besser als jeder andere leisten, wenn sie dafür Raum bekommen und sich nicht vornehmlich um das Verkünden von Terminen und Ergebnissen konzentrieren müssen. Oder kurz gesagt: weniger Werbung, mehr Wertung. Ein Spagat, der für Medien nicht immer einfach ist. Wobei sich Kritik und eine insgesamt wohlwollende Betrachtung ja keineswegs ausschließen.

“Kritische, mehrdimensionale Sportberichterstattung muss – genau wie Qualitätsjournalismus im Allgemeinen – als Notwendigkeit für die gesamte Gesellschaft gesehen werden”, heißt es in Postels Report. Und weiter: “Dieser kontrollierende Anspruch als Korrektiv zu wirken ist unabdingbar für jeden Journalismus und als normative Position auch unabhängig von Einschaltquoten, Verkaufszahlen, oder Fans (mit womöglich anderen Erwartungen an den Sportjournalismus) aufrechtzuerhalten.”7

Wenn diese Grundsätze künftig bei regionalen Medienunternehmen wieder mehr Berücksichtigung finden, können sie auch  gegen die Konkurrenz in einer globalen Fußballwelt bestehen. Guter Lokaljournalismus im Fußball hilft am Ende allen.

Weiterlesen

  • Grimmer, Christoph G.: Kooperation oder Kontrolle? : Eine empirische Untersuchung zum Spannungsverhältnis von Pressesprechern in der Fußball-Bundesliga und Journalisten. 1. Aufl.. Köln: Herbert von Halem Verlag, 2014.
  • Horky, Thomas ; Horky, Thomas ; Stiehler, Hans-Jörg ; Schierl, Thomas: Die Digitalisierung des Sports in den Medien. 1. Aufl.. Köln: Herbert von Halem Verlag, 2018.
  • Kautz, Fabian: Sport-PR 2.0 : Der Einsatz von Social Media in professionellen Sportvereinen am Beispiel von Facebook und Twitter. Berlin Heidelberg New York: Springer-Verlag, 2018.
  • Postel, Tonio: Zwischen Fanreportern und Spielverderbern : Fußballjournalismus auf dem Prüfstand. 1. Aufl.. Frankfurt/ Main: Otto Brenner Stiftung, 2018.

Fußnoten

In unserer Reihe zum Sportjournalismus sind außerdem erschienen:

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https://120minuten.github.io/warum-lokaljournalismus-im-fussball-weiter-wichtig-ist/feed/ 2 5752
Ins Heft geschaut: ballesterer Nr. 137 https://120minuten.github.io/ins-heft-geschaut-ballesterer-nr-137/ https://120minuten.github.io/ins-heft-geschaut-ballesterer-nr-137/#respond Thu, 22 Nov 2018 11:40:21 +0000 https://120minuten.github.io/?p=5423 Weiterlesen]]> “Vereinte Nationen: Die Integrationsdebatte des Fußballs” – ballesterer, Ausgabe 137

Wenn wir in der 120minuten-Redaktion nicht gerade Themen recherchieren, Beiträge redigieren oder damit beschäftigt sind, die nächste Veröffentlichung vorzubereiten, lesen wir selbst gern und viel. Vorzugsweise natürlich Texte, die sich auf die eine oder andere Art und Weise mit dem Thema „Fußball“ beschäftigen. Großer Beliebtheit erfreut sich dabei in der Redaktion der „ballesterer“, ein Fußballmagazin aus Österreich, herausgegeben vom „Verein zur offensiven Erweiterung des Fußballhorizonts“. Sehr gefreut haben wir uns daher, dass wir bereits vor dem Erscheinen der aktuellen Ausgabe 137 einen Blick ins Heft werfen durften. Was drinsteht und warum Ihr den „ballesterer“ auf jeden Fall kaufen solltet, erfahrt Ihr im folgenden Text.

Dieser Tage beschäftigt der UN-Migrationspakt die Menschen in Deutschland, Österreich und vielen anderen Ländern Europas. Dabei handelt es sich um eine internationale Vereinbarung von rund 192 Staaten, die eine Grundlage für den Umgang mit dem weltumspannenden Phänomen Migration schaffen soll. Österreich kündigte zuletzt an, das Abkommen nicht zu unterzeichnen, in Deutschland wird heftig darüber gestritten. Passend zu dieser Debatte beschäftigt sich der ballesterer in seiner aktuellen Ausgabe mit dem Thema Fußball und Migration.

Die Ausgabe 137 des ballesterer könnte auch den Titel “Gegenpole des Fußballs” tragen. Denn in dem österreichischen Fußballmagazin spielen diesmal die neuesten Football-Leaks-Enthüllungen genauso eine Rolle, wie die integrative Arbeit, die an der Basis geleistet wird. In seinem Leitartikel erklärt Jakob Rosenberg, warum die Zeit für eine Super League noch nicht gekommen ist. Die mögliche Gründung einer eigenen Liga von Europas Spitzenvereinen sorgte zuletzt für viel Aufsehen. Dem gegenüber steht die Arbeit von kleinen Vereinen und ehrenamtlichen Helfern, die das leben, was man gemeinhin als die Werte des Fußballs annimmt. Benjamin Schacherl hat sich für die aktuelle Ausgabe ausführlich mit der integrativen Kraft des Fußballs beschäftigt.

Das Titelthema: Migration und Integration

„Fußball allein kann die Probleme der Welt nicht lösen“, sagte FIFA-General-
sekretärin Fatma Samoura anlässlich der Konferenz des Weltverbands zu Gleichheit und Inklusion im März. Dann fuhr sie fort: „Doch man kann die Kraft eines Sports, der Millionen Menschen begeistert und unabhängig von ihrem Hintergrund, ihrer Herkunft und ihrem Glauben zusammenbringt, nicht ignorieren. Es ist nur logisch, dass wir versuchen, den Fußball in den Dienst eines größeren Ganzen zu stellen.“

Mit diesen Worten wird das Titelthema eingeläutet und schnell wird deutlich, dass der Fußball diese großen Erwartungen nie vollumfänglich erfüllen kann. Doch die Gemeinschaft des Sports kann oft im Kleinen helfen. Das zeigt der Blick nach Wien und nach Berlin. In Österreichs Hauptstadt gibt es verschiedene Initiativen wie etwa “Kicken ohne Grenzen” die geflüchteten Menschen helfen, die Sorgen des Alltags beim Fußballspiel für ein paar Stunden hinter sich zu lassen. Auch Vereine wie der Slovan-Hütteldorfer AC leisten wichtige Integrationsarbeit. Migranten, die es zum Profi geschafft haben, dienen den Kindern der Vereine als Vorbild. In der Gemeinschaft fällt es vielen, die neu in einer Stadt oder einem Land sind, leichter, die Sprache zu lernen und Selbstbewusstsein zu entwickeln. Die Geschichten von Spieler*innen, Trainern und Betreuern unterstreichen die Bedeutung des Fußballs für Neuankömmlinge in Wien.

Der Blick geht auch nach Berlin – zu Türkiyemspor. Ursprünglich als Hobbymannschaft türkischer Einwanderer gegründet, klopfte der Verein als Regionalligist in den 2000ern sogar an die Tür zum Profifußball. Sprecher Harald Aumeier beschreibt im ballesterer das Gefühl, das lange bei den Mitgliedern von Türkiyemspor herrschte: „Es hat das Gefühl gegeben ‚Wir arbeiten und leben hier, bleiben aber immer die Ausgegrenzten. Doch im Fußball können wir auch einmal gewinnen.‘“ Ein Gefühl, das nach der Debatte um Mesut Özil wieder verstärkt worden sein dürfte. Im Laufe der Jahre hat der Verein jedoch nicht nur seinen Mitgliedern eine neue Heimat gegeben. Er hat auch angefangen, seinen Bezirk Kreuzberg und den Berliner Fußball zu verändern. Etwa im Bereich Mädchenfußball, der beim Verein lange selbst umstritten war. Doch dann übernahm Türkiyemspor eine Vorreiterrolle und viele Vereine zogen nach.

Wenn es um die Kernelemente von Integration geht, stehen meist Arbeit, Bildung, Wohnen im Vordergrund. In den vergangenen Jahren entwickelte sich zunehmend eine Erwartungshaltung an die Migranten, auch zügig Sprache und Werte der neuen Heimat zu lernen. Rechtliche Teilhabe bleibt für die Zugezogenen dagegen oft außen vor. Auch diesen Aspekt beleuchtet der ballesterer in Ausgabe 137. Unter anderem an der Frage, wie schwierig es ist, eine Spielgenehmigung für einen Spieler ohne EU-Pass zu bekommen. Kurz gesagt: sehr schwierig.

Und sonst so?

Die Weihnachtszeit steht bevor und beim ballesterer gibt es einen Adventskalender. Jeden Tag öffnet sich auf der Website ein Türchen mit Videos, Fotostrecken, Kommentaren und exklusiven Artikeln. Wir sind schon aufgeregt.
Außerdem erfahrt ihr unter anderem, warum das Wembley-Stadion fast verkauft worden wäre und was es mit dem Spielerberaterskandal in Belgien auf sich hat. Schaut mal rein!

Podcast “ballesterer in 120minuten”

Kurz vor Weihnachten erscheint wieder ein Podcast zur aktuellen Ausgabe. ballesterer in 120minuten soll das Kind in Zukunft heißen. Mit Benjamin Schacherl und weiteren Gästen diskutieren wir die Bedeutung des Fußballs für Migration und Integration. Wann die neue Folge erscheint, erfahrt ihr über unsere Social-Media-Kanäle. Oder wenn ihr unseren Podcast abonniert.

Wo ist das Ding? Da ist das Ding!

Den ballesterer 137 bekommt ihr ab 22.11. in Österreich im gut sortierten Zeitschriftenladen und einige Tage später in Deutschland im Bahnhofsbuchhandel. Alternativ könnt ihr das Heft auch bestellen, falls euch der Fußweg zu weit ist. Oder gleich abonnieren.

(Transparenzhinweis: Der aktuelle „ballesterer“ wurde uns von der Chefredaktion unentgeltlich und vorab zur Besprechung zur Verfügung gestellt.)

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Advent in den Blogs – Der Fußball-Weihnachtskalender https://120minuten.github.io/advent-in-den-blogs-der-fussball-weihnachtskalender/ https://120minuten.github.io/advent-in-den-blogs-der-fussball-weihnachtskalender/#comments Thu, 30 Nov 2017 18:15:50 +0000 https://120minuten.github.io/?p=3971 Weiterlesen]]>

Der Advent ist die Zeit des Friedens, der Besinnlichkeit und der Familie. Oder sollte es zumindest sein. Aber der Dezember ist auch eine Zeit des Fußballs und insbesondere der Adventskalender. Beides wollen wir in diesem Jahr kombinieren – mit dem Fußball-Weihnachtskalender “Advent in den Blogs”. Der Kalender ist ein gemeinsames Projekt verschiedener Blogger und Fußballbegeisterter.

Ab dem 1. Dezember gibt es täglich eine Geschichte – von Weihnachten, von Frieden oder von besonderen Begebenheiten des schönen Spiels. Es gibt neue Storys und solche, die einfach mal wieder erzählt werden wollen. Los geht es hier bei 120minuten.de mit vier Erzählungen – zwei von unseren Autoren und zwei von Clemens Kurek (@berlinscochise). Anschließend reichen wir den Staffelstab an Kees Jaratz weiter, seine vier Türchen findet Ihr dann auf dem Zebrastreifenblog. Es folgen vier Texte, die bei Cavanis Friseur erscheinen werden. Von dort wird der Ball zu turus.net weitergespielt. Danach übernimmt Nachspielzeiten. Kurz vor Weihnachten kommt der Kalender dann zurück nach Hause. Insgesamt vier Texte von Clemens Kurek und uns läuten dann das Finale vor den Festtagen ein.

Schlagt hoch den Ball, das Tor macht rein …

An dieser Stelle findet ihr täglich ein neues Türchen des Fußball-Weihnachtskalenders.

Tür 1: England – Deutschland, 1. Dezember 1954, Wembley
Tür 2: Der westfälische Fanfrieden von Preußen Münster
Tür 3: Football is our life oder: Welt in Bewegung
Tür 4: Mark E. Smith liest Fußballergebnisse
Tür 5: Duisburg – die Fußballmacht der Anfänge im Westen (im Zebrastreifenblog)
Tür 6: Mitten in das Schalker Herz (im Zebrastreifenblog)
Tür 7: Was macht Horace Wimp nur samstags? (im Zebrastreifenblog)
Tür 8: Dominique Menotti macht mit Fußball Krimikunst (im Zebrastreifenblog)
Tür 9: Die enttäuschende Karriere des Francis Jeffers (bei Cavanis Friseur)
Tür 10: Die Keeper, die Pep rief (bei Cavanis Friseur)
Tür 11: Acht Tore und viel Rot zum Boxing Day (bei Cavanis Friseur)
Tür 12: Chicharito packt den Sack aus (bei Cavanis Friseur)
Tür 13: TeBe vs. BFC: Knüppel aus dem Sack und gratis Pfeffi zum Nikolaus 2008 (bei turus.net)
Tür 14: 20. Dezember 2000: Ernemann schießt Union ins Glück und lässt sogar Journalisten Sitzkissen werfen (bei turus.net)
Tür 15: Ein Spiel, das alles veränderte: F.C. Hansa Rostock vs. Eintracht Frankfurt im Oktober 1995 (bei turus.net)
Tür 16: FC Schalke 04 vs. 1. FC Köln: Als die Nikoläuse vor 25 Jahren im Parkstadion Bambule machten (bei turus.net)
Tür 17: Die ersten Sportzeitschriften (auf Nachspielzeiten)
Tür 18: Als Fußball in Deutschland ein Massenphänomen wurde (auf Nachspielzeiten)
Tür 19: Wissenschaftliches Spiel – Kombinationsfußball (auf Nachspielzeiten)
Tür 20: What about sports? (auf Nachspielzeiten)
Tür 21: BSG Chemie Buna Schkopau – Eine persönliche Fußballerinnerung

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Beitragsbild: Richard Ernst Kepler – Im Landes des Christkinds [Public domain], via Wikimedia Commons

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https://120minuten.github.io/advent-in-den-blogs-der-fussball-weihnachtskalender/feed/ 7 3971
Schlafende Zwerge https://120minuten.github.io/schlafende-zwerge/ https://120minuten.github.io/schlafende-zwerge/#respond Wed, 27 Sep 2017 07:04:55 +0000 https://120minuten.github.io/?p=3764 Weiterlesen]]> Warum der Fußball im Baltikum nicht auf die Beine kommt

In der Champions League oder der Euro League sucht man nach Mannschaften aus dem Baltikum vergebens. Im Teilnehmerfeld der großen Nationenturniere sind sie ebenfalls eigentlich nie zu finden. Doch auch in Litauen, Lettland und Estland selbst spielt “König Fußball” fast keine Rolle. Neben einer schlechten Infrastruktur gibt es dafür auch gesellschaftliche Ursachen.

Autor: Oliver Leiste (120minuten.github.io)

Jedes Jahr im Juli, wenn die großen Fußballnationen noch tief in der Sommerpause, oder wahlweise in der Endphase einer Weltmeisterschaft stecken, beginnen fernab der öffentlichen Wahrnehmung die Qualifikationsrunden für Champions League und Euro League. In Deutschland bekommt man von diesen Spielen nur etwas mit, wenn entweder die Glagow Rangers am luxemburgischen Meister Düdelingen scheitern oder RB Salzburg mal wieder frühzeitig die Segel streicht. Von Levadia Tallinn oder Zalgiris Vilnius hört man jedoch selbst dann nicht. Auch von keiner anderen Mannschaft aus Estland, Lettland oder Litauen. Und wenn Ende August die Gruppen ausgelost werden, ist die Europapokal-Saison in diesen Ländern schon längst wieder beendet.

Das gleiche Bild zeigt sich bei Welt- oder Europameisterschaften. Teilnehmer aus dem Baltikum: Fehlanzeige. Ein einziges Mal gelang Lettland die Qualifikation für eine EM. 2004 war das. Damals trotzten die Letten in Portugal dem Vizeweltmeister Deutschland sogar ein 0:0 ab. Was hierzulande das Ende von Rudi Völlers Amtszeit einläutete, wurde in Lettland frenetisch gefeiert. Von solchen Sternstunden sind die Mannschaften des Baltikums heute weit entfernt. Was mit Sicherheit auch dazu beiträgt, dass sich in den baltischen Staaten kaum jemand für Fußball interessiert, wie drei Besuche vor Ort zeigen

Nomme Kalju  – Levadia Tallinn, August 2015

An einem sonnigen Mittwochabend empfängt der Tabellenvierte der estnischen Meistriliiga, Nomme Kalju, am Stadtrand von Tallinn den Vorjahresmeister Levadia Tallinn. Ein Spitzenspiel, sollte man meinen. Das Interesse ist überschaubar. Gut 1.000 Zuschauer haben sich auf einem schicken Sportplatz eingefunden, der in Deutschland vielleicht einem Oberligisten als Heimat dienen könnte. Der “Gästeblock” – ein fünf Meter breiter Bereich auf der einzigen Tribüne – bleibt an diesem Tag leer. Die Gästefans verfolgen das Spiel lieber hinter dem Zaun in einem Waldstück stehend. Gerade mal eine handvoll Levadia-Anhänger hat die Reise, die aus dem Stadtzentrum vielleicht 20 Minuten dauert, auf sich genommen. Am Ende quälen sich beide Mannschaften zu einem müden 0:0

Auf den zweiten Blick war das Match aus Zuschauersicht aber sogar tatsächlich ein Spitzenspiel. Denn im Schnitt schauen die Spiele der Meistriliiga etwa 250 Menschen. Der Fußballblog “The Ball is round” erstellte vor einiger Zeit eine Liste der am schlechtesten besuchten Spitzenligen Europas. Estland gewann in dieser unrühmlichen Kategorie. Auch Lettland und Litauen belegten vordere Platzierungen.

Im August 2015 empfängt Nomme Kalju den FC Levadia Tallinn.

Litauen – Schottland, September 2017

Weiter geht es in Litauen. In der WM-Qualifikation empfängt die Nationalmannschaft Schottland. Dass hier ein Länderspiel stattfindet, merkt man eigentlich nur an den Gästen. Die Straßen und Kneipen der Hauptstadt Vilnius sind schon zwei Tage vor dem Spiel voll mit Schotten. Ankündigungen oder Werbung für das Spiel sucht man dagegen vergebens. Fragt man die Litauer nach ihrer Nationalmannschaft, erntet man nur Schulterzucken. “Das interessiert hier eigentlich keinen”, sagt einer. Deutlich mehr Begeisterung weckt die gleichzeitig stattfindende Basketball-EM. Im Basketball gehört Litauen zur europäischen Spitze, bei den Spielen sind die Kneipen voll. Die Nationalspieler sind auf Werbetafeln und selbst in den Kneipengesprächen omnipräsent.

Fanmarsch von litauischen Fans vor dem Spiel gegen Schottland.

Am Spieltag besteht die “Tartan Army”, so heißen die Schottland-Fans aufgrund ihrer Kilts, aus etwa 2.500 Männern und Frauen. Gemeinsam marschieren sie vom Rathaus zum nahen Stadion. Auch auf litauischer Seite gibt es einen Fanmarsch. An ihm beteiligen sich weniger als 100 Menschen. Mit etwas Rauch und viel Getöse machen sie auf sich aufmerksam. Es bleibt ein kurzer Moment, in dem der neutrale Beobachter sieht, dass Litauen am heutigen Spiel beteiligt ist.

Weil nur 5.000 Zuschauer ins LFF-Stadion passen, stehen sich beim Spiel zwei einigermaßen gleich große Fanlager gegenüber. Das kleine Häufchen Litauer, das auch den Fanmarsch veranstaltet hat, versucht, die eigene Mannschaft zu unterstützen. Nennenswerte Beteiligung der anderen litauischen Anhänger gibt es nicht – kein Vergleich zur schottischen Wand hinter dem einen Tor. Auch die Infrastruktur wirkt sich negativ auf die Stimmung aus. Tribünen gibt es nur auf drei Seiten. Hinter dem zweiten Tor ist eine weitere Spielfläche. Dort sind die Merchandise-Stände aufgebaut. Auf dem Rest der Fläche spielen Kinder, und sogar einige Erwachsene, selbst. Zur Entwicklung einer packenden Länderspielatmosphäre trägt das sicher nicht bei. Insgesamt wirkt die gesamte Veranstaltung wie ein sehr gut besuchtes Oberligaspiel und nicht wie ein Qualifikationsspiel für eine Weltmeisterschaft. Schottland hat schließlich wenig Mühe und setzt sich mit 3:0 durch.

Fanblock der litauischen Fans beim Länderspiel gegen Schottland.

Lettland – Schweiz, September 2017

Das gleiche Bild zeigt sich wenige Tage später in Riga. Hier erwartet Lettland die Schweiz. In der Altstadt findet man ebenfalls Werbung für die Basketball-EM und zahlreiche Schweizer. Fußballinteressierte Letten trifft man erst unmittelbar vor dem Skonto Stadion. Trotzdem bleiben im Stadion an diesem Tag viele Plätze leer. Gut 7.600 Zuschauer sehen die Partie, für die Stimmung sind fast ausschließlich die 1.500 bis 2.000 Schweizer zuständig. Was sicher auch daran liegt, dass die lettische Mannschaft wie eine Amateurtruppe wirkt und gegen die Schweizer Bundesliga-Auswahl von Beginn an chancenlos ist. Am Ende hält sich die lettische Niederlage mit 0:3 noch in Grenzen.

Dass es auch anders geht, zeigte sich exakt ein Jahr vor diesem Fußballspiel. Im September 2016 wurde die Olympiaqualifikation im Eishockey ausgetragen. Wenige hundert Meter vom Skonto Stadion entfernt standen sich in der Arena Riga Lettland und Deutschland im entscheidenden Spiel gegenüber. Die Euphorie der Letten war riesig, die Atmosphäre in der Halle gigantisch. Auch wenn Deutschland am Ende mit 3:2 gewann, verging den etwa 500 DEB-Fans phasenweise Hören und Sehen ob des Krachs, den 10.000 Letten veranstalteten.

Die Letten sind, genau wie Litauer und Esten, sehr stolz auf ihre kleinen Länder und entsprechend begeisterungsfähig, wenn ihre Landsleute sportliche Höchstleistungen vollbringen. Doch im Fußball sucht man diese Begeisterung vergebens. Aber woran liegt es, dass Fußball im Baltikum überhaupt keine Rolle spielt? Bei der Beantwortung dieser Frage kommen verschiedene historische, gesellschaftliche und strukturelle Aspekte zum Tragen.

Basketball als zweite Religion

Estland, Lettland und Litauen waren bis 1991 Teil der Sowjetunion. Spitzenfußball wurde aber woanders gespielt. In Moskau natürlich, in Leningrad – dem heutigen Sankt Petersburg – oder in Kiew. Aus den baltischen Staaten war lediglich Zalgiris Vilnius einigermaßen regelmäßig in der Wysschaja Liga, der obersten Spielklasse, vertreten. Zwischen 1953 und 1989 kamen die Litauer auf elf Spielzeiten in der ersten Liga. Mannschaften aus Riga und Tallinn spielten dagegen zuletzt Anfang der sechziger Jahre in der Wysschaja Liga. Die fehlende Fußballtradition wirkt bis heute nach.

Basketball sorgt in Litauen für große Begeisterung. Fußball eher nicht.

Hinzu kommt, dass es in anderen Sportarten wesentlich öfter Erfolge zu feiern gibt. Schon zu Sowjetzeiten stellten Litauer den Großteil der Basketballnationalmannschaft. Die Vergleiche zwischen Zalgiris Kaunas und ZSKA Moskau waren mehr als nur Spiele. Sie gehörten zu den wenigen Gelegenheiten, bei denen das kleine baltische Land den großen Regenten in der Hauptstadt eins auswischen konnte und waren entsprechend prestigeträchtig. Seit der Unabhängigkeit gehört Litauen regelmäßig zu den Top-Teams im europäischen Basketball.

Das “Dream-Team” der USA ist wohl jedem Basketballfan ein Begriff. In Anlehnung an diese Super-Mannschaft erschien 2012 der Dokumentarfilm “The other Dream Team”. Er erzählt die Geschichte der litauischen Nationalmannschaft, die 1992 bei den Olympischen Spielen Bronze gewann. Kurz nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion wurde die Basketballmannschaft damit zum Symbol für Freiheit und die großen Hoffnungen des kleinen Landes.

Auch auf Vereinsebene sind die litauischen Mannschaften sehr erfolgreich. Kaunas kann in einer modernen Arena regelmäßig fünfstellige Zuschauerzahlen verzeichnen. Man spricht sogar von Basketball als zweiter Staatsreligion. Entsprechend träumen viele Kinder von einer Basketballkarriere. Das Nachwuchssystem ist deutlich besser aufgebaut als beim Fußball. Bis heute genießt der Sport einen sehr hohen Stellenwert in der Gesellschaft, weil er für Litauen die Chance bietet, der Welt zu zeigen, dass man in etwas gut ist. Und so als Projektionsfläche für den großen Nationalstolz dient.

Fußball, der Minderheitensport

Auch in Lettland ist Basketball sehr populär und gilt im Gegensatz zum Fußball als rein lettische Sportart. Im Eishockey hat Dinamo Riga in Lettland eine ähnliche Stellung wie Zalgiris Kaunas in Litauen. Schon zu Sowjetzeiten war Dinamo Riga sehr erfolgreich. Seit einigen Jahren spielt der Klub in der KHL, dem europäischen Pendant zur amerikanischen NHL. Spiele von Dinamo sind ein nationales Ereignis, vor allem, weil der Klub auch den Großteil der Nationalmannschaft stellt. Dem Vernehmen nach haben sich vor 1991 Basketballer und Eishockeyspieler in sehr unruhigen und gefährlichen Zeiten zur Unabhängigkeit Lettlands bekannt. Die Fußballer taten das nicht, was man ihnen bis heute übel nimmt.

Am Beispiel Lettlands zeigt sich ein weiteres Problem der russisch dominierten Fußballvergangenheit. Nach der Unabhängigkeit sollte Lettisch zur Amtssprache in der Nationalmannschaft werden. Das Problem: viele Spieler sprachen damals gar kein Lettisch. Daran hat sich bis heute nicht viel geändert. Auch die meisten Trainer beherrschten die Sprache nicht. Seit 1991 war Russisch nur einmal nicht Amtssprache in der Nationalmannschaft – als zwischen 1999 und 2001 mit Gary Johnson ein Engländer Nationaltrainer war. Im Futbolgrad-Blog erklärt Ruben Martinez, woran das liegt. In Lettland gibt es eine sehr große russische Minderheit. Etwa 30 Prozent der Einwohner des kleinen Landes sind russischstämmig. Während viele Letten Eishockey oder Basketball bevorzugen, ist Fußball der Lieblingssport der russischen Bevölkerungsgruppe. Entsprechend ist Russisch auch bei einem großen Teil der Spieler in der Nationalmannschaft und auch in der Virsliga, der höchsten Spielklasse Lettlands, verbreitet.

Für die Akzeptanz des Sports in Lettland ist das ein Problem. Die Repressionen der Sowjetzeit sind tief im kollektiven Gedächtnis verankert. Die nationale Identität Lettlands beruht im Wesentlichen auf diesen Erinnerungen und der Abgrenzung zu Russland. Der russisch dominierte Fußball taugt deshalb nicht als Identifikationsstifter und wird auch deswegen abgelehnt.

Im Fokus der Wettmafia

Ein weiterer Grund für die geringe Beliebtheit des Fußballs ist permanenter Wettbetrug. In Lettland wurden in den vergangenen Jahren drei Mannschaften aus der Virsliga ausgeschlossen. Sie hatten sich allzu offensichtlich an Spielmanipulationen beteiligt. Mehrere Verwarnungen und Gespräche brachten keine Verbesserung. In der Saison 2017 spielen deshalb nur noch sieben Mannschaften in der höchsten Liga Lettlands. Auch in den darunter folgenden Spielklassen mussten einige Vereine eliminiert werden. Der Deutsche Oliver Schlegl arbeitet als Spielerberater in Lettland. Knapp ein Jahr lang war er Geschäftsführer der Virsliga. Gemeinsam mit dem Autoren des Textes hat er die Länderspiele in Vilnius und Riga besucht. Davor und danach diskutierten beide sehr viel über den Fußball im Baltikum. Schlegl berichtet davon, dass er während seiner Zeit als Geschäftsführer fast wöchentlich Anrufe von Sportsradar, einem Schweizer Unternehmen, das den internationalen Wettmarkt überwacht, bekam. Immer wieder gab es Anzeichen, dass Spiele in Lettland verschoben werden sollten. Dabei ist es in Lettland seit wenigen Jahren sogar strafbar, sich an Spielmanipulationen zu beteiligen.

In den anderen baltischen Ländern sieht es nur unwesentlich besser aus. Estland hatte 2013 seinen letzten großen Wettskandal. Damals wurden elf Männer, darunter acht Fußballprofis, verhaftet, weil sie Spiele verschoben haben sollen. Darunter waren auch Qualifikationsspiele zur Euro League. 2014 veröffentlichte Transparency International eine Studie zu “Match fixing in Lithuania”. Befragt wurden Fußballer und Basketballer. 28 Prozent der Fußballer und 44 Prozent der Basketballspieler wussten, dass sich Mitspieler an solchen Aktivitäten beteiligt hatten. Viele waren schon selbst angesprochen worden. Auch in Litauen wurde 2017 ein Verein eliminiert.

Wettbetrug ist für die Spieler vor allem deshalb attraktiv, weil ihre Profigehälter meist sehr gering sind. Mit europäischen Spitzengehältern lassen sich die Summen nicht vergleichen, wohl eher mit der Regionalliga in Deutschland. Auch ist die Zahlungsmoral der Klubs bisweilen sehr schlecht, so dass die Spieler immer wieder sehr lange auf ihre Gehälter warten müssen. Mit ein paar verschobenen Spielen lässt sich oft ein vielfaches des eigentlichen Lohns verdienen.  

Fehlende Infrastruktur und fehlender Wille

Ins Skonto Stadion in Riga kann man vom angrenzenden Parkplatz hineinschauen.

In den Jahren nach der Unabhängigkeit gab es sicher wichtigere Probleme als den Aufbau professioneller Fußballstrukturen. Doch auch mehr als 25 Jahre nach der Loslösung von der Sowjetunion ist in den baltischen Staaten in Sachen Fußball noch nicht viel passiert. Oliver Schlegl ärgert sich darüber maßlos und führt zwei Beispiele an, die zeigen, dass es auch anders ginge. Island und Luxemburg haben es dem Fußball-Fachmann derzeit besonders angetan. Die Isländer haben vor etwa zehn Jahren in Fußballhallen investiert und damit ganzjährige Trainingsmöglichkeiten geschaffen. Auch die Trainerausbildung wurde verändert. Viele Isländer hospitierten in anderen europäischen Ländern. Die Folge: Die Dichte gut ausgebildeter Nachwuchstrainer ist so hoch wie nirgendwo sonst in Europa. Das Ergebnis konnte man in den vergangenen Qualifikationsrunden beobachten. Die WM 2014 verpasste Island noch knapp. Für die EM 2016 qualifizierten sich die Nordeuropäer dann sicher und schafften es sogar ins Viertelfinale. Dabei hat Island gerade mal 300.000 Einwohner. “Das ist ein Stadtteil von Riga”, bemerkt Schlegl.

Fußballzwerg Luxemburg machte zuletzt durch Achtungserfolge gegen Weißrussland und Frankreich auf sich aufmerksam. Hinter diesen Ergebnissen stecken nicht nur zwei gute Spiele, sondern eine langfristige Entwicklung. 2011 wurde der Deutsche Reinhold Breu zum technischen Direktor ernannt. Gemeinsam mit einem internationalen Team sollte er die Nachwuchsförderung im Großherzogtum reformieren. Bei diesem Vorhaben orientierte sich Breu an den Entwicklungen beim DFB in den frühen 2000ern. Im Nachwuchsbereich hat Luxemburg in den vergangenen Jahren deutliche Fortschritte gemacht. Das nächste Ziel ist es, diese in den Männerfußball zu übertragen.Vor einiger Zeit betrachtete das Online-Magazin “lessentiel” das Thema. Auch Ansgar Heck, einer von Breus Mitstreitern kam dabei zu Wort: “Jonas Hector ist in Deutschland aus der Oberliga in die Bundesliga gekommen. Solch ein vergleichbarer Fall ist in Luxemburg nicht möglich. Hier muss die Förderung fast ausschließlich über den Verband laufen”.

Eine Aussage, die sich gewiss auch auf die Nachwuchsentwicklung in den baltischen Staaten übertragen ließe. Doch in der Hinsicht passiert wenig. Gelder, die dem lettischen Verband von Fifa und Uefa für Talentförderung und Infrastruktur bereitgestellt werden – gut 7,5 Millionen Euro pro Jahr – versickern überwiegend in privaten Taschen, ist sich Oliver Schlegl sicher.  “Auch von dem Geld, dass eine Bank als Sponsor nach der EM 2004 zur Verfügung gestellt hat, ist nichts Sichtbares geblieben.” Deswegen hätte es von der Bank oder anderen größeren Sponsoren auch kein Interesse gegeben, sich nach Ablauf des Vertrags erneut zu engagieren.

Die Verantwortlichen in Lettland hätten sich viel zu lange auf dem Erfolg von 2004, der zudem noch auf der Ausbildung aus Sowjettagen beruhte,  ausgeruht, so Schlegl. Notwendige Veränderungen lassen seit Jahren auf sich warten. Die Trainings- und Spielbedingungen für die Vereine sind miserabel. Das Skonto Stadion ist das einzige Stadion im Land, das für internationale Spiele zugelassen ist. Fußballhallen gibt es kaum. In den langen Wintermonaten müssen sich teilweise drei Vereine gleichzeitig eine überdachte Spielfläche teilen. Theoretisch muss jeder Erstligaverein eine Jugendakademie betreiben. Doch zu Infrastruktur und Ausbildungsqualität gibt es keine Vorgaben. “Die Trainerausbildung ist eine Katastrophe” behauptet Schlegel. “Es gibt natürlich auch A- und B-Lizenzinhaber. Aber was man hier in diesen Lehrgängen lernt, ist nicht mit Deutschland vergleichbar. Das merkt man besonders am taktischen Können der Spieler.“ Einzige Ausnahme in Lettland ist der FK Metta aus Riga. Der Klub sieht sich als reiner Ausbildungsverein. Die erste Mannschaft ist nur Beiwerk, um dem Verein ein Gesicht zu geben. Schlegl glaubt, Metta ist die erfolgreichste Jugendakademie des gesamten Baltikums. In den lettischen Nachwuchs-Nationalmannschaften stellt Metta oft die meisten Spieler. “Auch wenn sie die 1. Mannschaft ziemlich vernachlässigen, ist das der Weg, den die Vereine hier gehen sollten”, glaubt Spielerberater Schlegl. Schließlich würden Spieler aus dem eigenen Nachwuchs für eine höhere Identifikation mit den Fans sorgen. Zudem könnten gut ausgebildete Fußballer Transfererlöse und damit die so dringend benötigten Einnahmen generieren. Zu guter Letzt würde auch die Nationalmannschaft profitieren, wenn es Letten schaffen, sich später bei guten internationalen Vereinen durchzusetzen.  “Doch leider” ergänzt Schlegl “macht sich darüber in Lettland kaum jemand Gedanken.”

Funktionärskrieg in Litauen

Aus Litauen hört man ähnliches. Auf der einen Seite gibt es Funktionäre, die vor allem aufgrund finanzieller Eigeninteressen Reformen blockieren. Verbandspräsident Edvinas Eimontas wollte dies nach seiner Wahl im Januar 2016 ändern. Doch den Kampf gegen die Gremien, die ihn ins Amt gehoben hatten, verlor er. Und damit auch seinen Posten.

Auf der anderen Seite wird die Nachwuchsentwicklung sträflich vernachlässigt. Zwar gibt es in Litauen Nachwuchstrainer. Viele von ihnen sind aber mittlerweile in die Jahre gekommen und nur die wenigsten nach modernen Standards ausgebildet. Junge Trainer sehen keine Perspektive im Fußball. Im Gegensatz zu den anderen baltischen Staaten, deren Ligen relativ ausgeglichen sind, dominiert Zalgiris Vilnius die A Lyga, die erste Liga Litauens, fast nach Belieben. Der fehlende Wettbewerb trägt auch nicht unbedingt zu großem Zuschauerinteresse bei.

Zwerge werden klein bleiben

Eine kleine aktive Szene unterstützt Nomme Kalju.

Zusammengefasst lässt sich festhalten, dass die Ausgangsbedingungen für den Fußball im Baltikum nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion nicht besonders gut waren. Das lag zum einen an fehlenden Strukturen, aber auch an der Beliebtheit anderer Sportarten wie Basketball oder Eishockey. Fehlende Erfolge und mangelndes Zuschauerinteresse stehen seitdem in einer Wechselbeziehung. Weil baltische Mannschaften international keine Rolle spielen, kommen kaum Zuschauer zu den Spielen. Aufgrund fehlender Atmosphäre im Stadion sind die Vereine und Nationalmannschaften jedoch uninteressant für größere Sponsoren. Deshalb fehlt es an Möglichkeiten, Infrastruktur aufzubauen und Trainer auszubilden. Diese wären jedoch die Grundlage für eine mittelfristige Entwicklung starker Nachwuchsmannschaften und im nächsten Schritt von international konkurrenzfähigen Spielern. Momentan scheint es in den baltischen Fußballverbänden niemanden zu geben, der die Beharrlichkeit hätte, entsprechende Strukturen über einen Zeitraum von mehreren Jahren zu entwickeln. Korruption und Spielmanipulationen tun ihr Übriges zum schlechten Ansehen des Sports in Estland, Lettland und Litauen.

Auch in den Medien spielt der Fußball kaum eine Rolle. Spiele werden nur sporadisch übertragen, in den Zeitungen finden sich nur selten große Berichte. Es fehlt also nicht nur an Publikum, es gibt auch keinen öffentlichen Druck, der manchmal nötig ist, um Veränderungen anzustoßen.

In Deutschland spricht man von “schlafenden Riesen”, wenn Vereine auf eine glorreiche Vergangenheit zurückblicken, nun aber in den Niederungen des Amateurfußballs verschwunden sind. Oft heißt es dann, man müsste diese Riesen nur aufwecken, um sie zu alter Größe zu führen. Was aber nur in den seltensten Fällen wirklich gelingt. Die baltischen Fußballverbände sind in der Hinsicht eher schlafende Zwerge. Sie waren noch nie besonders groß und werden so wenig beachtet, als lägen sie tief schlafend im dunklen Wald. Oliver Schlegl ist überzeugt, dass neue Erfolge baltischer Mannschaften auch wieder eine Begeisterungswelle auslösen könnten. So wie in Lettland 2004. Momentan lässt sich jedoch nicht erkennen, dass sich am aktuellen Zustand mittelfristig etwas ändern wird. Es gibt ein paar private Initiativen, um dem Fußball im Baltikum auf die Beine zu helfen. Doch solange die alten Funktionäre weitreichende Veränderungen blockieren, werden die schlafenden Zwerge wohl liegen bleiben. Und solange wird Fußball im Baltikum auch niemanden interessieren.


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Der Untergang des Orient https://120minuten.github.io/der-untergang-des-orient/ https://120minuten.github.io/der-untergang-des-orient/#comments Tue, 08 Aug 2017 07:00:44 +0000 https://120minuten.github.io/?p=3527 Weiterlesen]]> oder: Warum Leyton Orient erst einen dramatischen Absturz hinlegte und nun doch auf eine bessere Zukunft hofft

Wohl selten gab es im Fußball einen solchen Absturz zu sehen, wie ihn in den vergangenen drei Jahren Leyton Orient hingelegt hat. 2014 war man mit einem Bein schon in Englands zweiter Liga, der Championship. Drei Jahre später stieg der Club aus der 4. Liga ab und ist somit erstmals seit 112 Jahren nicht mehr der Teil der Football League, sprich Mitglied einer der vier obersten Ligen im englischen Fußball. Wie konnte es dazu kommen? Was ist passiert?

Autoren: Oliver Leiste und Christoph Wagner (120minuten.github.io)

Ein Fußballfeld in der Sonne, dahinter eine Tribüne mit dem Schriftzug Orient

Leyton Orient hat in den vergangenen Jahren einen dramatischen Absturz hingelegt.

London im Juni 2017: An einem sonnigen und ungewöhnlich warmen Tag ist der Treffpunkt die U-Bahn-Haltestelle Leyton. Dort wartet der 69-jährige Universitätsprofessor Dilwyn Porter und will uns seinen Fußballclub vorstellen: Leyton Orient. Nur wenige Gehminuten von der Haltestelle entfernt liegt, versteckt zwischen Wohnhäusern, das Matchroom Stadium – die Heimat der “O”s. So wird der Verein von seinen Fans genannt.

Am Stadion angekommen ist alles ruhig, fast schon gespenstisch. Logisch, es ist schließlich Sommerpause. Doch die Ruhe passt so gar nicht zur Situation des Vereins. Schließlich erlebt der kleine Club aus dem Osten Londons in jenen Tagen im Juni die wahrscheinlich gefährlichste Phase seiner Geschichte. Ein paar Wochen vorher wurde der Abstieg in die National League besiegelt. Erstmals seit 1905 gehört Leyton Orient damit nicht mehr zur Football League, dem vier Klassen umfassenden Profisystem des englischen Fußballs. Wenige Tage vor unserem Treffen war die Situation besonders heikel. Schließlich drohte dem Club aufgrund seiner Schulden die Auflösung. Die ausstehenden Zahlungen wurden von Besitzer Francesco Becchetti vor dem entscheidenden Gerichtstermin beglichen, die Zukunft der “O”s war danach jedoch ungewisser denn je. Becchetti hatte sich zuvor monatelang nicht im Stadion sehen lassen. Und als wir das Stadion besichtigten, konnte noch niemand abschätzen, wie es in den kommenden Wochen weitergeht. Ob es überhaupt weiter geht. In einer Phase, in der andere Vereine allmählich in die Vorbereitung starten, hatte Leyton Orient kaum mehr als eine handvoll Nachwuchsspieler unter Vertrag. Einen Trainer oder einen Sportdirektor gab es nicht. Selbst Geld, um die kleinen Traktoren zum Rasenmähen zu betanken, war nicht da. Tottenham Hotspur und Crystal Palace, zu denen der LOFC ein gutes Verhältnis pflegt, halfen mit ein paar Handrasenmähern aus.

Es ist noch gar nicht lange her, das stand Leyton Orient mit einem Bein in der Championship, Englands zweiter Liga. 2014 war das. Im Play-Off-Finale gegen Rotherham ging es ins Elfmeterschießen. Dort bewahrheitete sich einmal mehr eine der Grundregeln des Fanseins bei Orient: “Don’t follow Orient, they’ll break your heart.”

Auch in diesem Finale brachen die “O”s ihren Fans das Herz. Von fünf Versuchen traf Orient nur dreimal, Rotherham machte vier rein. Aus war der Traum von der 2. Liga. Doch viel schlimmer: Mit dem geplatzten Aufstieg begann der tiefe Fall des Vereins. Daran hatte der Italiener Francesco Becchetti, der den Club 2014 übernahm, sicher erheblichen Anteil. Für den Niedergang gibt es jedoch noch weitere Gründe, wie im Folgenden gezeigt wird. Um das Ausmaß des Absturzes zu verstehen, lohnt sich jedoch zunächst ein Blick in die Geschichte von Leyton Orient.

Historische Eckpfeiler

Gegründet wurde der Club von Mitgliedern des Glyn Cricket Clubs im Jahre 1881. Viele dieser Mitglieder waren einst Schüler am Homerton College im Londoner Bezirk Hackney. Der Tradition folgend findet auch heute noch alljährlich ein Spiel zwischen dem Leyton Orient Supporters Trust (LOST) und einer Mannschaft des Homerton College, das inzwischen in Cambridge angesiedelt ist, statt. Der Club erlebte eine Reihe von Namensänderungen. So hieß man zuerst Eagle Cricket (1886) und nur zwei Jahre später Orient Football Club.

Laut Clubhistoriker Neilson N. Kaufman geht der Name auf einen Mitarbeiter der P&O Peninsula & Orient Shipping Company zurück, der darauf drängte, Orient in den Namen aufzunehmen. Erst als man nach Leyton umzog, wurde aus Orient der Leyton Orient Football Club. Hier hat der Club nun seine Heimstatt gefunden und trägt seit 1937 seine Spiele im Matchroom Stadium in der Brisbane Road aus. Doch obwohl der Club sehr klein ist, sorgte er bisweilen für große Schlagzeilen. Am 30. April 1921 schrieb der Verein Geschichte, als kein Geringerer als der Prince of Wales – der zukünftige König Edward VIII. – dem Club einen Heimspielbesuch abstattete. Gegner Notts County wurde mit einer 0:3-Niederlage nach Hause in die Midlands geschickt. Es war das erste Mal, dass ein Mitglied der königlichen Familie einem Fußballspiel beiwohnte. Heute erinnert eine Gedenktafel am Clapton Stadium – auch bekannt als Millfields Road – an diesen Tag.

Im für England so wichtigen Jahr 1966 benannte man sich erneut um: aus Leyton Orient wurde, nachdem der Bezirk Leyton im größeren Bezirk Walthamstow aufging, Orient. In seiner Geschichte erlebte der Verein einige finanzielle Krisen, sportliche Höhepunkte waren dagegen selten. So war Orient genau eine Saison lang erstklassig: 1962/63. Mit einem Punktekonto von 21:63 wurde man abgeschlagen Letzter. Zumindest konnte man sich jedoch brüsten, den Lokalrivalen West Ham auf dessen Platz geschlagen zu haben. Danach ging es munter hoch und runter zwischen der vierten und der zweiten Liga im englischen Ligasystem, doch die Zuschauer kamen oft zu Zehntausenden. Die größten Erfolge gab es im FA-Cup: ein 3:2-Erfolg über Chelsea, nachdem diese bereits 2:0 führten und ein Halbfinale gegen Arsenal 1978 sind die herausragenden Ereignisse im Pokal. 1976/77 wurde man Zweiter im  Anglo-Scottish Cup.

Seit 1987 ist Leyton Orient Football Club wieder der offizielle Name. Die Auswirkungen der Kolonialgeschichte Großbritanniens führten 1994 erneut zu finanziellen Problemen Der Vereinsvorsitzende Tony Wood verlor sein Unternehmen durch den Bürgerkrieg in Ruanda und stand dem Verein nicht mehr zur Verfügung. Der Londoner Unternehmer und Sportpromoter Barry Hearn sprang ein und es folgte eine Zeit der relativen Stabilität in Liga drei und vier. 1999 und 2001 vergeigte Orient das Playoff Finale in der League Two, der vierten Liga. Erst 2005 gelang der Aufstieg in die League One, also Liga 3. Dort hielt sich der Verein bis 2015. Ein Jahr zuvor misslang der Aufstieg in die Championship und anschließend übernahm mit Becchetti der wahrscheinlich unfähigste Eigentümer der Clubgeschichte das Kommando. Der Einstieg des italienischen Geschäftsmanns sollte zu einem Schlüsselerlebnis für den Club werden.

Das Logo des Clubs Leyton Orient mit zwei Drachen.

Die Zukunft von Leyton Orient war im Sommer lange ungewiss.

2014-2017: Lange Krise und dramatische Wochen im Juni

Krise ist im Fußball ein häufig verwendetes Wort, das oft schon nach einer Serie von drei oder vier nicht gewonnenen Spielen bemüht wird. Bei Orient war die Negativentwicklung deutlich langwieriger. Seit dem Sommer 2014 gab es nahezu keine Woche, in der nicht negativ über den Club berichtet wurde. Das lag natürlich auch am sportlichen Verfall, vor allem aber an Clubbesitzer Becchetti. Das Playoff-Finale 2014 war der Höhepunkt der Mannschaft, die seit 2010 von Russell Slade trainiert wurde. Eine Chance, das Ergebnis zu verbessern, bekam er nicht. Am 24. September 2014 wurde er entlassen. Allein bis Weihnachten versuchten sich drei weitere Trainer im Matchroom Stadium. So begann der Abwärtsstrudel, der Orient langsam nach unten zog.

Francesco Becchetti ist ein Bau- und Abfallunternehmer, der zudem auch einen Fernsehkanal in Albanien unterhielt. Dieser wurde im Oktober 2015 eingestellt, nachdem die laufenden Kosten nicht gedeckt wurden. Zudem beantragte die albanische Staatsanwaltschaft einen Auslieferungsantrag, weil Becchetti Betrug vorgeworfen wurde. Kurz darauf folgte ein öffentlicher Ausraster, als er dem Cheftrainer Andy Hessenthaler nach dem Abpfiff eines Ligaspiels in den Hintern trat und dabei gefilmt wurde. Die Szene ist auch auf YouTube zu sehen. Becchetti gab später zu, sich unverhältnismäßig aufgeführt zu haben, was die Football Association (The FA) jedoch nicht davon abhielt, ihn für sechs Spiele zu sperren und eine Geldstrafe von 40.000 Pfund zu verhängen.

Personen, die Fußballclubs in England übernehmen wollen, müssen nachweisen, dass sie bestimmte Voraussetzungen und Eignungen mitbringen. Dazu gibt es den “fit and proper persons test”, der 2004 im Fußball eingeführt wurde und seither für Personen, die sich um Managementpositionen im Fußball in den obersten fünf englischen Ligen sowie der Conference und der schottischen Premier League bewerben, Pflicht ist. Um einen Club zu besitzen, ist es Voraussetzung, dass

  • der Eigentümer keine Anteile an anderen Vereinen hält, bzw. Einfluss auf einen anderen Club ausübt,
  • der Gesetzgeber die Ausübung der Rolle als Direktor eines Vereins nicht verbietet,
  • die Person sich nicht in einem Insolvenzverfahren befindet,
  • die Vereine, welche die Person/Personen vorher führte/n, während dieser Zeit nicht durch Insolvenzverfahren gegangen sind.

Für die Premier League gelten strengere Regeln. So muss ein Club jede Person nennen, die 10% oder mehr der Vereinsanteile hält. Die Football League sieht diesen Passus nicht vor. Interessant ist hierbei die Tatsache, dass es keinen Passus gibt, der sich zu etwaigen kriminellen Vorbelastungen äußert. Die britische Anwaltskanzlei SpringLaw hat sich dazu in einem kurzen Text geäußert. So wurde der italienische Geschäftsmann Massimo Cellino nicht als Eigentümer von Leeds United zugelassen, weil er in Italien wegen Betrugs vorbestraft war. Der britische Journalist David Conn sieht noch ein weiteres Problem mit diesem Test. Er argumentiert, dass die Pläne und Ziele, die ein Investor oder neuer Eigentümer haben könnte, nicht genau hinterfragt werden. Ebenso wird auch nicht geprüft, ob der zukünftige Eigentümer auch wirklich die finanziellen Mittel hat, um den Club nicht nur zu erwerben, sondern auch die laufenden Kosten decken zu können. Es gab einige Fälle, in denen die Übernahme eines Clubs abgelehnt wurde, weil der potenzielle Investor die Kriterien nicht erfüllte.

Im Fall von Orient und Becchetti hat der “fit and proper person test” versagt. Die Übernahme wurde damals durchgewunken, was heute als Fehlentscheidung gesehen werden muss. Denn auch wenn ein Fußballverein ein Wirtschaftsunternehmen ist, unterliegt er doch anderen Regeln als die Firmen, in denen Becchetti bis dato involviert war. Auf dem Papier war Becchetti eine geeignete Person, um einen Club zu führen. Die Entwicklung von Leyton Orient bewies das Gegenteil.

Sportlich entpuppte sich der Eigentümer schnell als ziemlich inkompetent. Sein Vorgänger war der Sportpromoter Barry Hearn, der in den achtziger Jahren erfolgreich wirkte und der es schaffte, den Club über einen langen Zeitraum zu stabilisieren. Glaubt man verschiedenen Beobachtern, verfügte Becchetti dagegen über keine nennenswerten Kenntnisse des Clubs, der Liga oder des englischen Fußballs insgesamt. Auch fehlte es ihm an Kontakten im Mutterland des Fußballs. Wichtige Positionen im Verein besetzte er mit Vertrauten und Gefolgsleuten, Widerstand gegen sein Gebahren gab es deshalb kaum. Für Becchetti war es selbstverständlich, sich in Belange der Mannschaft einzumischen. Ein Umstand, der es den Trainern auf dem “heißesten Stuhl Englands” – so nannten Medien die oft vakante Position – nicht leichter machte. Insgesamt dreizehn Trainerwechsel in drei Jahren sprechen eine deutliche Sprache.

Durch sein Verhalten geriet der Verein mächtig in Schieflage. Im Frühjahr gab es eine Abwicklungsandrohung vom Finanzamt. Insgesamt waren mehr als 250.000 Pfund an Steuern zu zahlen. Hinzu kamen 5,5 Millionen Pfund Schulden. Becchetti bekam schließlich noch etwas mehr Zeit um die Schulden zu begleichen. Im Juni sollte dann die endgültige Entscheidung fallen. Der Italiener war ein Mysterium, der nur selten direkt mit der Öffentlichkeit kommunizierte. In den vergangenen Monaten sprach er fast ausschließlich über einen seiner Mittelsmänner. Die Fans sahen dem Treiben des Inhabers lange tatenlos zu. Erst im Frühjahr, als die Zukunft von Leyton Orient akut gefährdet war, formierte sich Widerstand. Dieser äußerte sich unter anderem in einem Platzsturm beim Spiel gegen Colchester Ende April. Die Fans auf dem Feld äußerten mit Transparenten und Sprechchören ihren Unmut. Das Spiel wurde daraufhin in 85. Minute scheinbar abgebrochen, zwei Stunden später unter Ausschluss der Öffentlichkeit aber doch beendet.

Am 12. Juni stand dann die entscheidende Gerichtsverhandlung an. Während Becchetti sich auch diesmal nicht sehen ließ, strömten die Fans in großer Zahl in den Verhandlungssaal und auf den Vorplatz. Dort gab es dann die erlösende Nachricht. Der Besitzer hatte die Schulden beglichen, die angedrohte Liquidation des Vereins wurde nicht vollzogen. Doch überstanden war die kritische Phase damit noch nicht. Denn anschließend begann die Zeit, in der niemand wusste, was die Gerichtsentscheidung tatsächlich wert war. Der Club schwebte tagelang zwischen tot und lebendig. Fans wie Dilwyn Porter wussten nicht, wer eigentlich gerade verantwortlich war. Auch Roy Cliffdon vom Supporters Club konnte nicht helfen. Der Supporters Club betreibt unterhalb der Haupttribüne einen Pub, ist Anlaufpunkt für Fans und sammelt Geld, was dem Verein zur Verfügung gestellt wird. Durch die Nähe zum Stadion und den Vereinsmitarbeitern sind Leute wie Cliffdon normalerweise besonders gut über die Vorgänge im Verein informiert. Doch diesmal war auch er völlig ahnungslos. Die Situation war ähnlich chaotisch wie bei 1860 München nach dem Abstieg aus der zweiten Liga. Zwischendurch gab es auch Überlegungen des Leyton Orient Fans’ Trust (LOFT) – ein weiteres Fanbündnis neben dem Supporters Club, dass sich deutlich mehr in die Vereinspolitik einmischen will – in in der untersten Liga neu zu beginnen. Dazu kam es letztendlich nicht, denn zwei Wochen nach der Verhandlung gab es die erlösende Nachricht. Becchetti hatte den Verein verkauft – und die neuen Besitzer lassen auf eine bessere Zukunft hoffen.

Eine Tafel am Stadion zeigt statt des nächsten Gegners ein leeres Feld.

Viele Fans befürchteten im Sommer, dass künftig keine Spiele mehr im Matchroom Stadium stattfinden werden.

Hoffnung für den Moment

Der neue Inhaber ist Nigel Travis, der den Club an der Spitze eines Konsortiums führen will. Sein Vermögen hat er unter anderem als Vorstandsvorsitzender von “Dunkin’ Donuts” gemacht hat. Geboren wurde er im Osten Londons und war deshalb schon als Kind ein Anhänger Orients. Bei seinem Antritt erklärte Travis, dass er künftig auch einen Fanvertreter im Vorstand installieren möchte. Beim LOFT sorgte diese Ankündigung für viel Vorfreude. Kurz nach der Übernahme wurde Martin Ling als Sportdirektor vorgestellt. Ling spielte früher selbst für Orient und war schon einmal Sportdirektor, als der Club 2006 den Aufstieg in die League One schaffte. Der neue Trainer Steve Davis hat eine Mannschaft zusammengestellt, die von Experten als vielversprechend eingeschätzt wird. Auch wenn nach den Wirrungen der jüngsten Vergangenheit von einer direkten Rückkehr in die League Two niemand etwas wissen will. Stattdessen ist von einer Mittelfeldplatzierung und Konsolidierung die Rede. Dass einige Spiele der “O”s in den ersten Saisonwochen live im Fernsehen gezeigt werden, zeigt jedoch, dass der Club eigentlich eine Nummer zu groß ist für seine jetzige Umgebung. Die Vorfreude bei den Fans jedenfalls ist riesig, es wurden deutlich mehr Dauerkarten verkauft als in den vergangenen Jahren. Auch Dilwyn Porter blickt optimistisch in nähere Zukunft.

Spannend ist jedoch ein Blick auf die langfristige Perspektive von Leyton Orient. Denn auch wenn der Niedergang durch Francesco Becchetti dramatisch beschleunigt wurde, gab es doch auch schon vorher Entwicklungen, die den Verein vor enorme Herausforderungen stellten. Diese sind, aller aktuellen Euphorie zum Trotz, nach wie vor aktuell. In London gibt es gleich fünf Premier-League-Teams. Arsenal und Tottenham spielen in relativer Nähe des Matchroom Stadiums, West Ham in direkter Nachbarschaft. Von der Leyton-Tube-Station sieht man das Olympiastadion, in dem die “Hammers” ihre Heimspiele austragen. Die großen Clubs bekommen medial deutlich mehr Aufmerksamkeit. Für Orient ist dann oft nur in den Randspalten Platz. Auch die Gelegenheitszuschauer in der Stadt werden im Zweifelsfall ein Erstligaspiel einer Partie in der vierten oder fünften Liga vorziehen. Von den Touristen ganz zu schweigen. Welchen Effekt der Umzug West Hams ins Olympiastadion hat, lässt sich nicht direkt beziffern. Einfacher ist es für Leyton Orient dadurch sicher nicht geworden.

Hinzu kommt, dass sich das Viertel verändert hat. Früher war der Osten Londons ein Arbeiterbezirk, der vornehmlich von weißen Engländern bewohnt wurde. Dilwyn Porter, Inhaber Nigel Travis oder Roy Cliffdon vom Supporters Club, alle um die 70 Jahre alt, verbrachten hier ihre Kindheit und Jugend. Sie repräsentieren eine Gruppe, die Leyton Orient seit vielen Jahrzehnten die Treue hält. Selbst wenn ihr Lebensmittelpunkt längst woanders liegt. Nach dem zweiten Weltkrieg erlebte das Viertel einen enormen wirtschaftlichen Abschwung, viele verließen Leyton. Erst mit Entscheidung, im benachbarten Stratford im Osten Londons die Olympischen Spiele auszurichten, begann die Modernisierung. Die Mieten und Hauspreise waren in Leyton lange Zeit sehr günstig, was zur Folge hatte, dass sich Menschen aus aller Welt dort ansiedelten. Mittlerweile sind zwei Drittel der Bewohner schwarz, asiatisch oder gehören zu einer ethnischen Minderheit. Mehr als die Hälfte der Menschen in diesem Stadtteil sind unter 30. Durch Modernisierung und Gentrifizierung sind die Preise in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. Aufgrund der Entwicklung wäre auch das Stadiongelände ein lukratives Grundstück für neue Wohnungsbauten.

An der Internationalität Leytons haben die höheren Preise wenig geändert. Wohl aber an der Bedeutung von Orient. Viele der insbesondere asiatischen Bewohner interessieren sich kaum für Fußball. Und schon gar nicht für eine Mannschaft aus einer unteren Spielklasse. Stattdessen steht Cricket bei ihnen hoch im Kurs.

Leyton Orient hatte in den vergangenen Jahren zwar meist recht ordentliche, vierstellige Zuschauerzahlen, lebte zuletzt aber vor allem von der Tradition. Von Leuten wie Porter, die schon immer hingegangen sind und die dann später ihre Familien mitgebracht haben. Doch diese Generation, der auch der neue Inhaber angehört, wird den Club nicht mehr ewig tragen können. Im Sommer ist Leyton Orient dem schnellen Tod von der Schippe gesprungen. Doch wenn der langsame Tod des Vereins verhindert werden soll, braucht der Club eine jüngere Fangeneration, die Verantwortung übernimmt. Und auch wenn sich das Viertel stark verändert, braucht der Verein gerade dort großen Rückhalt. Die gespenstische Ruhe aus dem Juni ist am Matchroom Stadium einer spürbaren Aufbruchsstimmung gewichen. Und vielleicht kann Leyton Orient die nutzen, um den Verein fit für die Zukunft und für die nächsten hundert Jahre im englischen Profifußball zu machen.

Zwei ältere Männer stehen vor einer Treppe in einem Stadion.

Dilwyn Porter (l.) und Roy Cliffcon können nun wieder hoffnungsvoller in die Zukunft schauen.

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