Die andere WM

Bekanntermaßen findet alle vier Jahre die Fußball-Weltmeisterschaft statt. Längst ist die Veranstaltung weit mehr als ein sportlicher Wettstreit der Auswahlspieler verschiedener Nationen; inzwischen werden Milliarden mit Infrastruktur- und Werbemaßnahmen umgesetzt  und die Partien mit riesigem medialem Aufwand begleitet. Die Top-Spieler sind fast schon selbstverständlich Fußball-Millionäre, die weniger bekannten Kicker hoffen über die Bühne “Fußball-WM” auf den großen Durchbruch und einen lukrativen Vertrag in einer der europäischen Topligen. Um als Fan dabei zu sein, muss man sich für Ticket-Verlosungen anmelden bzw. einen ‘Ticketantrag’ [PDF] stellen, nur um dann für einen halbwegs annehmbaren Platz, zum Beispiel  in einem Spiel der K.O.-Runde, ein kleines Vermögen hinzulegen. Was erstaunlicherweise aber kaum jemand weiß: Im Fußball gibt es noch eine andere Weltmeisterschaft. Eine, die jedes Jahr stattfindet, am jeweiligen Austragungsort eine große Anzahl an Zuschauer*innen begeistert und bei der es nicht einmal etwas kostet, die Spiele zu besuchen. Eine Weltmeisterschaft vor allem, bei der nicht der unbedingte Erfolg und definitiv nicht das große Geld im Fokus stehen, sondern ganz andere Werte. Die Rede ist vom Homeless World Cup, der Obdachlosen-Weltmeisterschaft im Straßenfußball.

Autor: Alexander Schnarr, nurderfcm.de

Homeless World Cup 2013 in Poznan/Polen, (c) Lars Wehrmann

Homeless World Cup 2013 in Poznan/Polen, (c) Lars Wehrmann

Der Homeless World Cup

Die Weltmeisterschaft der Obdachlosen ist nichts weniger als eine weltweite soziale Bewegung – die 2001 in einer Bar in Kapstadt ihren Anfang nahm. Aus der Idee eines Freundschaftsspiels zwischen Straßenzeitungs-Verkäufer*innen aus Österreich und Schottland erwuchs ein internationales Fußballturnier, das zum ersten Mal 2003 in Graz stattfand und seither jedes Jahr in einer anderen Stadt ausgerichtet wird, zuletzt in Santiago de Chile. 2015 wird das Turnier in Amsterdam stattfinden. Das Teilnehmer*innenfeld rekrutiert sich inzwischen aus Mannschaften aus 74 Ländern, die einwöchigen Veranstaltungen ziehen mehrere zehntausend Zuschauer*innen in ihren Bann.

Die Idee hinter dem Homeless World Cup ist dabei so einfach wie genial: Der Fußball soll Menschen in schwierigen Lebensverhältnissen Inspiration und Kraft geben, die Obdachlosigkeit und häufig auch den Substanzen-Missbrauch hinter sich zu lassen und ihr Leben zu ändern. Gleichzeitig und gleichsam wichtig dient die Veranstaltung auch dazu, das Thema “Wohnungslosigkeit” ins öffentliche Bewusstsein zu rücken und denjenigen Menschen eine Plattform und Stimme zu geben, die aus ganz unterschiedlichen Gründen am Rande der Gesellschaft stehen. Um als Spieler*in teilnehmen zu können, muss man im Jahr vor der Weltmeisterschaft nach jeweils nationaler Lesart als wohnungslos gegolten oder in den zwei Jahren vor der Veranstaltung Wohnungslosigkeit erfahren und an Alkohol- oder Drogenrehabilitationsprogrammen teilgenommen haben. Teilnehmen kann außerdem, wer seinen Lebensunterhalt als Straßenzeitungs-Verkäufer*in bestreitet oder einen nicht bestätigten Asylantrag hat. Das Mindestalter beträgt 16 Jahre, jeder Akteur darf nur einmal im Leben beim Homeless World Cup aufdribbeln.

Gespielt wird 4 gegen 4 in zwei Halbzeiten über jeweils sieben Minuten. Das Spielfeld ist dementsprechend mit 22 Metern Länge und 16 Metern Breite natürlich deutlich kleiner als ein normales Fußballfeld und auch die Regeln unterscheiden sich etwas: Zwar gibt es auch im Straßenfußball für ein gewonnenes Spiel drei Punkte, dafür aber kein Unentschieden. Sofern nach der regulären Spielzeit kein Sieger ermittelt wurde, gibt es einen “sudden death penalty shootout”, bei dem die Siegermannschaft zwei, das unterlegene Team einen Punkt zugesprochen bekommt.

Neben dem Turnier selbst besteht die ‘Bewegung Homeless World Cup’ aus dem Supporters Club als Mitglieder-, Spenden- und Kommunikationsplattform und aus der Homeless World Cup Foundation, in der die Netzwerkarbeit mit über 70 nationalen Partnerorganisationen zusammenläuft. Für letztgenannte ist die Obdachlosen-WM das Highlight des Jahres, bietet das Turnier doch eine hervorragende Möglichkeit, die nationale und lokale Basisarbeit auf einer internationalen Plattform sichtbar zu machen und den Spielerinnen und Spielern des eigenen Landes eine ganz besondere Erfahrung zu ermöglichen.

Anstoß! e.V.

Der deutsche Partner des Homeless World Cup ist Anstoß! e.V. mit Sitz in Kiel. Der Verein hat es sich zur Aufgabe gemacht, “langfristig und deutschlandweit sozial benachteiligten und armen Menschen den Zugang zum Sport zu ermöglichen sowie ein Sportprogramm aufzubauen, das der Arbeit aller sozialen Einrichtungen dient”, wie man im Booklet zur Deutschen Meisterschaft im Straßenfußball 2015 in Aachen nachlesen kann. Das Vehikel ist, wie der Name schon vermuten lässt, auch hier der Fußball, genauer: der Straßenfußball, über den Menschen in besonderen Lebenssituationen Bestätigung erfahren, Gemeinschaft erleben und nicht zuletzt ihr Selbstbewusstsein und Selbstwertgefühl steigern. Konkret sind die ausnahmslos ehrenamtlichen Mitarbeiter*innen von Anstoß! e.V. vor allem mit Netzwerkarbeit beschäftigt:  Neben der Gewinnung und Beratung neuer sozialer Einrichtungen der Obdachlosen- und Suchthilfe, die sich mit dem Gedanken tragen, ein eigenes Straßenfußball-Team auf die Beine zu stellen, stehen hier insbesondere die Organisation regionaler Straßenfußballturniere (so genannter “Regionalserien”) und als große Aufgabe natürlich die Durchführung der Deutschen Meisterschaft im Straßenfußball im Mittelpunkt.

Darüber hinaus haben die Mitarbeiter*innen jüngst ein Trainingshandbuch erarbeitet, um den Sozialarbeiter*innen vor Ort, die letzten Endes in Städten wie Nürnberg, Frankfurt, Leipzig oder Hamburg mit den Spielerinnen und Spielern arbeiten, “etwas an die Hand zu geben”, wie mir Katrin Kretschmer von Anstoß! e.V. im Gespräch berichtet. Mitunter ist es nämlich gar nicht so einfach, die Arbeit mit wohnungslosen und/oder suchtkranken Menschen in sozialen Einrichtungen über das Medium ‘Straßenfußball’ als Teil der sozialarbeiterischen Tätigkeit sichtbar zu machen. Das Trainingshandbuch war hier also ein wichtiger Meilenstein, mit dem die Engagierten vor Ort ihre wichtige Arbeit auch innerhalb der einzelnen Einrichtungen noch besser legitimieren können.

Aber zurück zum Homeless World Cup. Als Fußballfan, der im Zusammenhang mit Länderspielen inzwischen Privatfernsehen-Beschallung und “Die Mannschaft”-Marketing-Sprech über sich ergehen lassen muss, liegt natürlich der Gedanke nahe, dass hierfür aus den Besten der Besten der Allerbesten Deutschlands eine Auswahlmannschaft rekrutiert wird, deren Aufgabe dann darin besteht, das Land bei den interkontinentalen Titelkämpfen würdig zu vertreten und natürlich den Titel zu holen. Und bei den Stichworten “Regionalserien” und “Deutsche Meisterschaft” drängt sich einem mehr oder weniger unvermittelt ein pyramidenförmiges System der Bestenauslese auf, bei dem Gewinnen alles ist und die, die hinten runter fallen, es eben nicht geschafft haben. Nicht so beim Straßenfußball.

“Road To Amsterdam” oder: Die Deutsche Meisterschaft im Straßenfußball

Werte. Dieser eingangs bereits genutzte Begriff ist es vor allem, auf den man immer wieder stößt, wenn man sich mit dem Thema ‘Straßenfußball und Sozialarbeit’ beschäftigt. Während es anderswo um den totalen Erfolg oder eben ganz einfach um den schnöden Mammon geht, stehen beim Homeless World Cup und damit auch bei Anstoß! e.V. Werte wie gegenseitiger Respekt, Anerkennung, Kooperation und Fairness im Vordergrund. So verwundert es auch nur auf den ersten Blick, dass die oben bereits angesprochenen “Regionalserien” (wie zum Beispiel der “Sporziale Straßenfußballcup” in Hamburg) eben keine Qualifikationsveranstaltungen für die Deutsche Meisterschaft sind. Vielmehr geht es darum, Straßenfußball-Mannschaften einer Region die Möglichkeit zu geben, sich im sportlichen Wettstreit miteinander zu messen und sich dabei gleich noch zu vernetzen und auszutauschen. Da die Teams allesamt zu Einrichtungen in sozialer Trägerschaft gehören, sind großartige Reisen oder gar ein deutschlandweiter Ligabetrieb finanziell nicht drin; stattdessen trifft man sich halt, unterstützt von Anstoß! e.V., auf regionaler Ebene und spielt eben einfach Fußball.

Termine für die kommenden Regionalturniere 2015
3. Oktober: Mühlen Cup bei Herzosägmühle | ab Oktober: Liga Sporziale in Hamburg | 14. November: Hunte Cup in Oldenburg | Dezember: Süddeutsche Meisterschaft in Nürnberg

Ähnlich familiär wie im sportlichen Wettstreit selbst geht es auch bei der Auswahl der Mannschaften vonstatten, die bei den regionalen Turnieren letzten Endes gegeneinander antreten. Die werden nämlich von Anstoß! e.V. und den entsprechenden Einrichtungen vor Ort eingeladen. Neben den bereits bekannten Teams werden auch immer wieder neue Mannschaften und ihre (Träger-)Einrichtungen angesprochen, um die Idee der Sozialarbeit im Medium des Straßenfußballs noch bekannter zu machen. Der gleiche Gedanke steht auch bei der Organisation der jährlich stattfindenden Deutschen Meisterschaft im Straßenfußball im Vordergrund:

Die Initiative geht hier in der Regel von Mannschaften bzw. Einrichtungen aus, die bereits am nationalen Turnier teilgenommen haben und sich gut vorstellen könnten, eine solche Veranstaltung auch in ihre Stadt zu holen. Für 2016 wird voraussichtlich Frankfurt am Main der Austragungsort sein. Die entsprechenden Partner vor Ort melden sich dann bei Anstoß! e.V., der gemeinsam mit dem lokalen Ausrichter die Veranstaltung plant, organisiert und koordiniert. Katrin Kretschmer erzählt mir, dass der Verein natürlich bestrebt ist, die DM immer in einer möglichst großen Stadt durchzuführen, um das Thema noch stärker auch in die allgemeine Öffentlichkeit zu bringen. (Trotzdem gab es auch städtetechnisch schon kleinere, aber nicht weniger feine Turniere.)

Deutsche Meisterschaft 2015 in Aachen (c) Lars Wehrmann

Deutsche Meisterschaft 2015 in Aachen (c) Lars Wehrmann

Die Organisation so einer verhältnismäßig großen Veranstaltung folgt dann in der Regel immer dem gleichen Ablauf. Es gilt zunächst erst einmal, sicherzustellen, dass auch genügend Personal vor Ort verfügbar ist, um die Veranstaltung überhaupt durchführen zu können. Dann ist es natürlich äußerst hilfreich, auch die Stadt als Unterstützerin mit im Boot zu haben. Schließlich muss sich um Spenden und einen geeigneten Spielort gekümmert werden, auch die Unterbringung der Spieler*innen muss gesichert sein. Wichtig ist es hier, sich nicht nur um überdachte Schlafgelegenheiten zu kümmern, sondern zum Beispiel auch das Zelten zu ermöglichen – längst nicht jede/r Straßenfußballer*in möchte nämlich in festen Räumlichkeiten übernachten.

Auch die Teams, die letzten Endes bei der Deutschen Meisterschaft aufdribbeln, werden eingeladen; welche Spieler*innen und Mannschaften die einzelnen Einrichtungen entsenden, entscheiden letzten Endes die Sozialarbeiter*innen und Trainer*innen vor Ort. Ein Teilnahmelimit an Deutschen Meisterschaften gibt es, anders als beim Homeless World Cup, bei dem jede/r Aktive nur einmal mitspielen kann, nicht – schließlich ist ja Integration und nicht Ausschluss das erklärte Ziel von Anstoß! e.V.

Wer letzten Endes beim Homeless World Cup für die “Deutsche Nationalmannschaft im Straßenfußball” (hier Bilder vom Trainingslager in Regesbostel) aufläuft, entscheidet sich auch bei der Deutschen Meisterschaft; insofern ist das Turnier in gewisser Weise am Ende schon auch eine Sichtungsveranstaltung. Aber darum geht es nicht vorrangig, wie Katrin Kretschmer betont. Tatsächlich stehen der Spaß am Sport, der gegenseitige Respekt und der (sportlich) faire Umgang miteinander im Mittelpunkt, wie auch ein Blick auf das Regelwerk eindrucksvoll belegt (ein Regelwerk im Übrigen, das in enger Abstimmung zwischen Sozialarbeiter*innen, den Mitarbeiter*innen von Anstoß! e.V. und den Spielerinnen und Spielern (!) entstanden ist):

Oberste Priorität hat hier das Fair Play, das Spiel soll ausschließlich mit technischen und taktischen Mitteln gewonnen werden können. Zu Beginn des Turniers erhält jede Mannschaft 10 Fair-Play-Punkte, Regelverstöße sowie gelbe und rote Karten führen zu Punktabzügen. Das Team, das am Ende der Veranstaltung die meisten Punkte auf seinem Konto behalten hat, gewinnt einen eigens ausgelobten Fair-Play-Pokal. Auch der Einsatz von Leih-Spielern ist möglich: Hat ein Team zu Spielbeginn weniger als 6 Personen (Torwart plus drei Feldspieler plus Auswechselspieler) zur Verfügung, können Spieler aus anderen Mannschaft ausgeliehen werden, von denen dann während der Begegnung maximal zwei gleichzeitig eingesetzt werden können. Auch diese Regelung belegt eindrucksvoll, dass es eben vor allem darum geht, gemeinsam zu kicken und Spaß zu haben. Klar ist es am Ende schön, das Spiel auch zu gewinnen, dennoch stehen eher die Zusammenarbeit und das gemeinsame Erlebnis im Mittelpunkt.

Eine weitere Besonderheit übrigens, die auch für den Homeless World Cup gilt: Alle Mannschaften sind über die gesamte Turnierdauer im Einsatz, niemand scheidet nach der Vorrunde aus und muss den Rest der Veranstaltung dann als Zuschauer*in verbringen. Platzierungsrunden und eine ganze Reihe unterschiedlicher Preise und Auszeichnungen sorgen dafür, dass die Motivation und der Spaß bis zum Schluss hochgehalten werden.

Und die teilnehmenden Teams? Die leben den Gemeinschaftsgedanken und lassen es sich aber natürlich auch nicht nehmen, die eine oder andere augenzwinkernde Kampfansage an die Konkurrenz zu schicken:

“Unser Team ist seit 2010 bei der Deutschen Meisterschaften und regionalen Turnieren präsent. Wir trainieren einmal pro Woche und jeder ist bei uns willkommen. Wir freuen uns sehr nach Aachen zu kommen, um wieder zu zeigen, dass den „Franken“ das Fairplay am Herzen liegt. Und da wir schon einen Fairplay Pokal aus DM in Bremen haben, holen wir uns dieses Jahr einfach der Pokal für ersten Platz ;-)” – Team “8 auf Kraut” aus Nürnberg im Booklet zur DM in Aachen 2015.

Das "Team Germany" (c) Lars Wehrmann

Das berufene “Team Germany” am Ende der DM 2015 in Aachen (c) Lars Wehrmann

Besondere Herausforderungen

Der explizite Schwerpunkt auf Fair Play und die Gemeinschaft hat sich im Übrigen nicht ganz zufällig entwickelt. Bis 2014 nahm nämlich die Deutsche Meisterschaft im Straßenfußball eine Entwicklung, die wir alle auch aus dem Profifußball zur Genüge kennen: Die Professionalisierung der ganzen Veranstaltung nahm zu, schnell sah man sich in einem ungesunden Kreislauf des “höher, schneller, weiter!” gefangen. Und ehe die Teams und die Veranstalter realisierten, was eigentlich passiert, war plötzlich der kompetitive Gedanke fast schon wichtiger geworden als der soziale und ging es stärker ums Gewinnen, als allen Beteiligten eigentlich lieb war. Die Lösung? Natürlich, das Netzwerk. Zusammen mit den Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern vor Ort in den Einrichtungen sowie den Spieler*innen, die bei den Turnieren ja letzten Endes im Mittelpunkt stehen, erarbeitete man eine Neuausrichtung, stärkte den Fair-Play-Gedanken und sorgte so dafür, dass bei der letzten Veranstaltung in Aachen 2015 wieder ein deutlich familiäreres Klima herrschte.

In der Arbeit bei Anstoß! e.V. stehen die Ehrenamtler*innen aber trotz dieser gelungenen Intervention noch vor einigen anderen Herausforderungen. Eine hat natürlich, daran kommt man auch im Straßenfußball nicht vorbei, mit Geld zu tun. Die Arbeit des Vereins ist spendenfinanziert, und trotz der Unterstützung von beispielsweise der Aktion Mensch, der Fußballvereine Holstein Kiel, dem HSV und Werder Bremen, dem Schleswig-Holsteinischen Fußballverband und punktuell (und v.a. in materieller Hinsicht) der DFB-Stiftung Egidius Braun und der Sepp-Herberger-Stiftung gilt es, mit den vorhandenen Ressourcen gut zu haushalten. Dies trifft insbesondere auch für die Teilnahme am Homeless World Cup zu. Nur, weil es jedes Jahr gelingt, ein eigenes “Team Germany” auf die Beine zu stellen, heißt das noch lange nicht, dass diese Mannschaft dann tatsächlich auch am Turnier teilnehmen kann – Reisekosten, Verpflegung und ein gemeinsames Trainingslager wollen schließlich auch irgendwie gestemmt werden. Möglichkeiten, den Verein und damit ja irgendwie auch die ureigene (Straßen-)Fußball-Nationalmannschaft durch eine Spende zu unterstützen, findet man übrigens hier.

Darüber hinaus ist es nach wie vor (wie schon erwähnt) nicht ganz so leicht für Sozialarbeiter*innen vor Ort, die Fußballangebote schaffen, dass ihre Arbeit auch tatsächlich als Arbeit anerkannt wird. Verwunderlich eigentlich, wo die integrative Kraft des Fußballspiels ja längst bekannt ist. Wo bitte sonst von den Kurven der Republik bis in die Kreisklasseteams der Nachbarschaft kommen so viele unterschiedliche Menschen zusammen, deren kleinster gemeinsamer Nenner der Sport ist? Auch hier, also bei der Stärkung der Sozialarbeit durch Fußball, engagiert sich Anstoß! e.V. dauerhaft. Eng damit im Zusammenhang steht die Nutzbarmachung des in den letzten Jahren gewonnenen Know-hows auf nationaler und internationaler Ebene sowohl für das eigene Team als auch für die Partnerinnen und Partner. Der ‘European Street Soccer Coach’ als gemeinsame Initiative ist hier eine Idee des Best-Practice-Sharing in Fragen wie Trainingsgestaltung, Fair-Play-Realisierung, der Einbindung von Frauen sowie der Organisation von Veranstaltungen. Es ist sicherlich nicht übertrieben, zu sagen, dass es rund um den organisierten Straßenfußball in Deutschland in nächster Zeit wohl nicht langweilig werden wird.

Ausblick

Wenn ab 12. September 2015 in Amsterdam vor zehntausenden begeisterten Zuschauern beim Homeless World Cup 2015 wieder der Ball rollt, liegt hinter allen an der Veranstaltung direkt Beteiligten, sei es auf oder neben dem Spielfeld, bereits ein ganz großes Stück harter Arbeit. Wie viel, kann man von außen nur in Ansätzen erahnen und es ist schade und eigentlich schon schändlich, dass so viel Engagement so wenig mediale Resonanz erfährt.

Ob das “Team Germany”, das sich auch in diesem Jahr wieder auf den Weg zur WM machen wird, großartige Titelchancen hat, darf einigermaßen bezweifelt werden – in den vergangenen 12 Jahren schaffte man es nicht unter die Top 3, dominierten eher die Teams aus Italien, Brasilien, Chile und Schottland (je 2 Siege), aber auch jene aus Afghanistan (!), der Ukraine, Österreich und Russland.

Die brasilianische Mannschaft mit dem Siegerpokal 2013 (c) Lars Wehrmann

Die brasilianische Mannschaft mit dem Siegerpokal 2013 (c) Lars Wehrmann

Und da ist er ja dann doch wieder, der Leistungsgedanke. Einer, der aber im Kontext des Homeless World Cup eine gänzlich anderen Bedeutung erhalten sollte. Schließlich haben die Mitglieder unseres “Team Germany” eine entscheidende, riesige Leistung schon vollbracht: Sie haben über den Sport wieder Anschluss gefunden, sind Teil einer großen Gemeinschaft, kämpfen füreinander, lachen miteinander und nehmen ihr (sportliches) Schicksal selbst in die Hand.

Und wenn das nicht weitaus mehr zählt, als Stadionneubauten, Sponsorenverträge und wahnwitzige Transfererlöse, dann weiß ich auch nicht.

1 Kommentare

  1. Pingback: #Link11: Das 7. Siegel | Fokus Fussball

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.