Durch die Kreisligen Europas

Im letzten Sommer hat mein Sohn (5) den Fußball für sich entdeckt. Das Halbfinale Brasilien gegen Deutschland wurde in den darauffolgenden Wochen wieder und wieder nachgestellt, wobei mein Sohn logischerweise Deutschland war und mir die Rolle Brasiliens zugeteilt wurde. Das hat verdammt Spaß gemacht. Es hat mich nebenbei auch an meine Karriere als Spieler auf der lokalen Fußballbühne erinnert. Dabei spielten Niederlagen selbstverständlich eine nicht unerhebliche Rolle und sind doch so nebensächlich. 

Autor: Christoph Wagner, anoldinternational.co.uk

Was soll das hier?

Ich will hier versuchen, das vom Fußball festzuhalten, was ich als Spieler, als Quereinsteiger, erlebt habe und darüber Zeugnis ablegen. Dabei kommt keine Globetrotting-Biographie wie die eines Lutz Pfannenstiel heraus, der in mehr als 10 Ländern aktiv war und der erste und bisher einzige Spieler ist, der in allen 6 Kontinentalföderationen der FIFA gespielt hat. Ein Welttorhüter sozusagen. Dass in meiner bescheidenen Karriere trotzdem drei Länder zu Buche stehen, war Anlass, diese Zeilen zu verfassen. Wohl gemerkt, in allen drei Ländern habe ich auch ein Tor erzielt. Welcher Spieler auf diesem Niveau, der Kreisklasse, kann das von sich behaupten? Keines der Tore war ein Wunder- oder Traumtor. Sie waren mal spielentscheidend und mal nur das Tüpfelchen auf dem i für die gesamte Mannschaftsleistung. Eines steht fest, es war immer harte Arbeit, diese Buden zu machen. Was folgt, ist eine Aufreihung der Clubs und Teams, für die ich spielte, beginnend mit der SG Messtron in Magdeburg und schließend mit der Thekenmannschaft der irischen Bar Coolin’ in Paris.

Wie alles anfing: Die Schule (1996/97)

Es begann als entspannter Freitagabendkick in der 2. Hälfte der 90er Jahre. Als ehemalige Leichtathleten am Sportgymnasium Magdeburg hatten wir eine große Affinität für das runde Leder. Standen keine Wettkämpfe an, so stand ein sogenanntes ‘Schiebchen’ am Freitag auf dem Programm. Nach dem Abi war diese Freitagsrunde dann ein Weg, um in Kontakt zu bleiben und weiterhin etwas Sport zu treiben. Also spielten wir und erfrischten uns danach mit einem isotonischen Sportgetränk Marke Sternburg Export oder ähnlichem.

Im Folgenden will ich chronologisch vorgehen und jeden Verein oder jedes Team, dessen Trikot ich getragen habe, kurz vorstellen und mir wichtige Episoden etwas ausführlicher beschreiben. Das ergibt keine zusammenhängende Erzählung, sondern eher einen Flickenteppich an Erinnerungen und Anekdoten. Es beginnt in Magdeburg (1998 – 2001), schwenkt dann nach England (2001 – 2002), wieder zurück nach Magdeburg (2002 – 2005) und wieder England (2005 – 2009). Und die Karriere endet in Paris (2009 – 2014).

SG Messtron Magdeburg (1998 – 1999)

Wie das so ist, man lernt als Zivi andere Leute kennen, die auch mal mitkommen dürfen zum Spiel. Diese neuen wiederum kennen andere Menschen, die einen in einer Bierlaune mal fragen: “Haste nicht Lust Ligafußball zu spielen?” Klar hatte ich die und so kam ich zur Kleinfeldmannschaft der SG Messtron irgendwann um 1998 rum. Und auch in eine andere Welt. Die Freitagsrunde war Schönspielerei. Kleinfeld im Punktspielbetrieb war der raue Ligaalltag. Während man im Kreise der Freunde auch mal glänzen konnte, wurde in der Liga gnadenlos draufgehalten. Kein Platz zum Glänzen, geschweige denn überhaupt oder irgendwie frei bewegen. Da stand ständig jemand auf meinen Hacken. Hatte ich mal Glück und wurde angespielt, dauerte es nicht lange und entweder flog ich zur Seite oder wurde geschoben. Der Ball war jedenfalls weg. Und ich erstmal verärgert. Logischerweise half das nicht, sich auf das Spiel zu konzentrieren. Hier spielten Menschen, die seit Jahren, wenn nicht Jahrzehnten dieses Spiel und seine Regeln verinnerlicht hatten. Ich als Hallenspieler, noch dazu Quereinsteiger, hatte da gehörig das Nachsehen. Selbst bei älteren Semestern mit einigen Pfunden mehr hatten wir keine Chance. Jugendlicher Elan und Geschwindigkeit blieben gegen die Erfahrung auf der Strecke, wurden quasi abgedrängt.

Es ging rustikal zu und sicher ist die Stadtklasse auch heute noch kein Streichelzoo. Über die Monate stellte sich aber so etwas wie eine Routine ein. Nicht bei jedem Knuff war das Spielgerät weg. Die Ellenbogen wurden eingesetzt. Immer noch war ich aber wehrlos, wenn ein Gegenspieler das Gewicht einsetzte.

“Plump aber effektiv, Preise für Ästhetik gibt es nicht auf diesem Niveau.”

Die SG Messtron Magdeburg, beheimatet auf dem Sportplatz in der Dodendorfer Straße in Magdeburg-Reform, ist ein so kleiner Verein, dass er keine eigene Webseite hat. Wie oben bereits erwähnt, sprach mich jemand nach unserem Freitagsspielchen an und bekam alsbald eine Zusage. Der bekannteste ehemalige Messtron-Spieler ist wohl Christoph Menz, der im Alter von fünf Jahren eben dort mit dem Fußball spielen begann, bevor er als Siebenjähriger zum 1. FC Magdeburg ging. Von dort wechselte er 2000 zu Union nach Berlin. Inzwischen ist er bei Rot-Weiß-Erfurt gelandet.

Der Anfang meiner Laufbahn dort ist im Nebel versunken: ich weiß es nicht. Ich habe auch bisher keinen ehemaligen Mitspieler von damals treffen oder fragen können. Kurzum: die Umstellung vom harmlosen Spiel in der Halle auf Ligabetrieb war hart.

Eins gab es aber nur bei Messtron: einen Bonus. Für einen Sieg gab es einen 10-DM-Tankgutschein für Aral. Das passierte selten genug, aber es war ein besonderer Ansporn. Mitunter war so ein Gutschein auch ein Zahlmittel: Ein Paar Schienbeinschoner haben für einen Gutschein den Besitzer gewechselt. Aral war auch Trikotsponsor für die Kleinfeldmannschaft. Mehr Einblick hatte ich nicht in die Organisation des Vereins.

Bei Messtron erzielte ich auch mein erstes Tor. Es war ein ruppiges Spiel, wie nahezu jedes Spiel. Hier kam noch hinzu, dass die gegnerische Mannschaft durchaus ein Problem hatte mit uns. Sie kamen aus Olvenstedt. Dieser Ortsteil war damals noch als Nazihochburg verschrien. Der Gegner an dem Tag tat dieser Reputation alle Ehre. ‘Zecke’, ‘Linke Sau’ waren nur die Spitze des Vokabeleisberges, den wir für sie darstellten und an dem sie sich stießen. Umso süßer, dass wir sie kalt stellten. Und mehr noch, dass ich ein Tor beisteuern konnte.

Es hatte sich in den Spielen davor angedeutet, dass ein Tor kommen würde. Die Laufwege wurden besser und die Abstimmung passte zusehends. Und in eben jenem Spiel gegen Olvenstedt passierte es dann tatsächlich. Ein irgendwie gearteter Spielzug sah mich frei vor dem Tor, der Keeper kam raus und mit einem Lupfer mit dem Außenrist kullerte der Ball über den leicht morastigen Platz ins Tor. Die Freude war groß und die Erleichterung spürbar. In typischer Vollblut-Stürmermanier rutschte ich einen Meter auf den Knien oder zumindest so weit und so gut es ging auf diesem Platz. Da war es dann vollkommen egal, dass hinterher die Knie noch mehr bluteten und noch mehr schmerzten. Das Adrenalin hat alles überlagert in diesem einen Moment. Es kam sogar fast noch besser, denn kurze Zeit später hätte ich fast noch eins gemacht. Es sollte nicht sein. Dennoch, wir hatten gewonnen. Die Dusche danach tat gut. Und das Grinsen wollte mir einfach nicht aus dem Gesicht weichen.

Die Ampelmänner: Der FC Zukunft (1999 – 2001)

320px-Ampelmann.svgNach nur einer Spielzeit war es mit der SG Messtron auch schon wieder vorbei und ich zog weiter. Einer der jüngeren Clubs der städtischen Fußballgeschichte suchte Spieler für die Kleinfeldmannschaft: der FC Zukunft. Die ‘Ampelmänner’ waren ein Haufen Freunde, die irgendwann beschlossen, einen eigenen Verein zu gründen; seit 1997 ist dieser Verein nun also fest verankert im Magdeburger Fußballbetrieb und hat in der kurzen Geschichte bereits für einige Schlagzeilen gesorgt.

Der Name ‘Ampelmänner’ ist dabei leicht erklärt.  Jeder kennt sie, die kleinen Figuren, die uns an der Ampel sagen ‘Halt’ oder ‘Jetzt darfst Du gehen’. Der  FC Zukunft hat diese Ikone der Ostalgie adoptiert und bald war dieser Begriff unser Spitzname.

Einige Spielkameraden zogen von Messtron mit um: Schleechen, Kalli und Eric. Letzterer wurde bei Zukunft Torhüter, Kalli vorerst Abwehrchef sowie Sprachrohr und Schleechen, der Komiker, sollte irgendwann das beste und tollste Eigentor meiner Laufbahn erzielen. Dazu später mehr.

So eine neue Mannschaft braucht Zeit, um sich einzuspielen. Die Truppe war jünger und etwas dynamischer als die Messtroniker, was den Prozess des Zueinanderfindens vereinfachte. Der Unterschied zu Messtron war, dass wir, wenn auch Neulinge und meist alles Quereinsteiger, doch fester Bestandteil des Vereins waren, etwas, was bei Messtron eben nicht der Fall war. Wir haben nie mit einer der anderen Mannschaften trainiert, geschweige denn überhaupt trainiert. Bei Zukunft war das selbstverständlich. Allerdings auch erst in der zweiten Saison, als wir eine Trainingszeit auf dem Sportkomplex Bodestraße bekommen haben. Wirkliches Training war das auch nicht. Eher ein bisschen erwärmen, kleine technische Spielereien, bevor es dann zum Abschluss ein ‘Trainingsspiel’ gab. Danach ging es ins Bodeheim, die Kneipe direkt neben dem Platz, in der alle dort spielenden Mannschaften gern einkehrten, um sich zu erfrischen.

Wir spielten weiterhin auf Asche, diesmal auf der anderen Seite von Reform, in der Hermann-Hesse-Straße. Die Neubauten waren weiterhin unser Stadion, wie dieses Bild von der Dodendorfer Straße wunderbar unterstreicht.

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Der Sportplatz in der Dodendorfer Straße – jetzt bereits mit pflegeleichtem Kunstrasen.

Der Platz in der Hesse-Straße ist weiterhin ein Ascheplatz und heute die Spielstätte der Poor Pigs, einer Baseball-Mannschaft, der einzigen in Magdeburg.

In diesem Abschnitt zum FCZ werden mehr Namen fallen, denn die Erinnerung an den Verein ist durchaus mit Personen verbunden, die ich lange kenne und die mir wichtig waren.

Was soll ich sagen? Es war schön. Es war ein cooles Team, in dem wir auch im Privaten viel gemeinsam unternahmen. Wohl auch deshalb ist der gute Zusammenhalt der Mannschaft zu erklären. Der Anfang der ersten Saison war holprig, weil Spiele einfach verschenkt wurden. Gleich zu Beginn gab es eine Reihe von 3-2 Niederlagen, die allesamt erst kurz vor Spielende zustande kamen. Das hinterließ Spuren, hat uns aber nicht entmutigt. In einem solchen Spiel machte ich auch mal zwei Tore. Es hat nicht gereicht, aber es war knapp.

Im Training wurden wir von den Alteingesessenen herablassend behandelt und betrachtet. Das ist wohl so, wenn man irgendwo neu hinzukommt, dass man erstmal doof angeguckt wird. Es muss aber gereicht haben, was wir im Training ablieferten, denn immerhin hat uns der Trainer der ersten Mannschaft, ein gewisser Ulrich Brett, gebeten, doch mal bei einem Spiel auf der Bank Platz zu nehmen. Welch ein Aufstieg! Später wurde klar, dass es nur ein Trick war, den Gegner von der Qualität des Kaders zu überzeugen: wir saßen 90 Minuten auf der Bank oder versuchten uns mit kleinen Läufen und Passspielchen warm zu halten. Ein Trick um die Zweite bei Laune zu halten?

Es ging voran mit der Kleinfeldmannschaft und wir spielten gut mit. Zunehmend wurden auch mehr und mehr fähige Leute ins Boot geholt, sodass bei einigen Spielen auch mal mit drei oder vier Auswechselspielern begonnen wurde. Die Zahl schwankte natürlich Jahreszeit- und saisonbedingt. Im Spätsommer bis etwa Mitte Oktober, Anfang November waren wir ausreichend bestückt, später wurden es weniger, je weiter die Temperatur sank. Das war bei Weitem kein exklusives Problem des FC Zukunft, sondern länderübergreifend. In der Kälte rumstehen macht einfach auch keinen Spaß.

Schlimmer noch: Anderen bei der schönsten Sache der Welt zuzusehen und dabei zu frieren, muss furchtbar gewesen sein. Mir reichte das Bankdrücken für die 1. Mannschaft und ich zog die 7er-Variante auf dem Kleinfeld vor. Interessant ist auch, dass zunehmend mehr Leichtathleten aus der Freitagsrunde beim FC Zukunft mitmischten. Neben mir waren das Ruben, Torsten, Mirko und Maik. Man meinte, eingespielt zu sein, wir wurden aber eines besseren belehrt. Und das mehr als einmal.

Nach einer Saison Kleinfeld kam dann der Umstieg auf Großfeld, denn wir hatten die Leute, zumindest im Training und in den wärmeren Jahreszeiten. Zudem wollte die 1. ja auch den einen oder anderen abstellen. Leeres Geschwätz. Denn wer lässt sich schon zur 2. runterstellen, wenn er jahrelang in der 1. gespielt hat und zudem Gründungsmitglied des Vereins ist?

Im Sommer 2001 hieß es dann Abschied nehmen. England was calling. Als Bestandteil meines Anglistikstudiums hatte ich mich für ein Jahr England entschieden.

Das letzte Spiel für die Ampelmänner hinterließ einen bitteren Nachgeschmack. Wir hatten keinen Torhüter. Keiner in der Kabine hob den Arm, um sich freiwillig zu melden. Genau in dem Moment musste ich auf die Toilette. Als ich wiederkam war die Entscheidung gefallen: Ich wurde ins Tor gestellt. Mich störte das erst hinterher, denn ich war eh angeschlagen: ein blöder Zweikampf aus der Vorwoche hatte für einen dicken Oberschenkel gesorgt, was die Agilität einschränkte. Somit war die Entscheidung durchaus nachvollziehbar, nur die Art und Weise war Scheiße. Viel zu tun gab es nicht. Wir verloren 2-1 und bei den Gegentoren war ich machtlos. Für 2 Jahre war der FC Zukunft mein Zuhause. Als ich in England weilte, las ich regelmäßig die Ergebnisse und die Spielberichte auf der Webseite und kommentierte mit. Gleichzeitig entdeckte ich England und begann, mich wohl zu fühlen. Aber dazu mehr beim nächsten Mal.

Teil 2 lesen:

Durch die Kreisligen Europas – England

Im letzten Sommer hat mein Sohn (5) den Fußball für sich entdeckt. Das Halbfinale Brasilien gegen Deutschland wurde in den darauffolgenden Wochen wieder und wieder nachgestellt, wobei mein Sohn logischerweise… Weiterlesen

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