Frauen in Schaltzentralen des Fußballs: Allein unter Männern

Noch nie wurde im Fußball so intensiv über die Unterschiede zwischen Männern und Frauen diskutiert wie in diesem Sommer während der Weltmeisterschaft in Frankreich. Jenseits der Lohnungleichheit sind in den Führungsetagen und Trainerteams des Fußballs kaum Frauen vertreten. In etlichen Ländern fehlen sogar grundlegende Strukturen für Mädchen- und Frauenfußball. Wie kann der beliebteste Sport weiblicher und damit demokratischer werden? Teil 12 und Abschluss der Themenreihe „Fußball und Menschenrechte.“

Autor: Ronny Blaschke, ronnyblaschke.de

Karen Espelund hatte schlaflose Nächte. Sie entwickelte Ideen, Themen, neue Ansätze, aber oft stieß sie auf Widerstände. Vor mehr als dreißig Jahren war Espelund die erste Frau im Vorstand des norwegischen Fußballverbandes. „Ich wollte nicht das Maskottchen der Männer sein“, sagt sie. „Leider müssen Frauen in Gremien immer wieder ihre Kompetenz unter Beweis stellen. Man muss ziemlich hart arbeiten und besser vorbereitet sein.“ Espelund setzte sich durch, erzeugte Sichtbarkeit für Frauen in Führungsriegen. 1999 wurde sie Generalsekretärin des norwegischen Verbandes. Zwischen 2012 und 2016 saß sie im Exekutivkomitee der Uefa.

Doch noch immer ist Karen Espelund eine von wenigen Ausnahmen. Nur 3,7 Prozent der Führungspositionen im europäischen Spitzenfußball werden von Frauen besetzt, so eine Studie des internationalen Netzwerkes Fare, Football Against Racism in Europe aus dem Jahr 2014. In den Klubs der Bundesliga, im DFB und in der Deutschen Fußball-Liga sitzen knapp 250 Personen in Aufsichtsräten, Präsidien, Vorständen. Mehr als 95 Prozent: Männer.

Karen Espelund war mehr als 20 Jahre in einer Führungsposition beim norwegischen Fußballverband tätig, Foto: Ronny Blaschke

Karen Espelund profitierte Ende der 1980er Jahre von einer neuen Frauenquote im norwegischen Verband. Inzwischen müssen mindestens zwei Frauen im Vorstand sitzen. Aktuell sind es vier Männer und vier Frauen. „Ob bei der Rekrutierung von Mitarbeitern, bei Ausschreibungen oder Wahlperioden: Häufig suchen wir nach Personen, die uns ähnlich sind“, sagt Karen Espelund. „Eine Quote kann traditionelle Strukturen brechen. Alle Forschungen zeigen: Diversität führt zu den besten Ergebnissen in jeder Organisation.“

Nur eine Frau im DFB-Präsidium

Auch dank Karen Espelund ist der norwegische Verband in Fragen der Geschlechtergerechtigkeit weiter als andere Organisationen der Fußballindustrie. Die ehemalige Spielerin Lise Klaveness ist für sämtliche Nationalteams verantwortlich. Nationalspielerinnen erhalten seit 2017 die gleichen Prämien wie ihre männlichen Kollegen. Und dennoch wird die Debatte weiter intensiv geführt, etwa durch Weltfußballerin Ada Hegerberg, die wegen der „jahrelangen Benachteiligung“ gegenüber männlichen Spielern nicht mehr für das norwegische Nationalteam spielen möchte. Besonders intensiv wird die Debatte von den Weltmeisterinnen aus den USA mit ihrer Kapitänin Megan Rapinoe geführt, aber in den meisten anderen Ländern findet eine solche Debatte gar nicht erst statt.

Es dauerte lange, bis andere Verbände dem norwegischen Erfolgsmodell folgten. Die Fifa wünscht sich für ihr Führungsgremium mindestens sechs Frauen. Sie hält sich jedoch mit Forderungen und Empfehlungen gegenüber ihren mehr als 200 nationalen Mitgliedsverbänden zurück. Der DFB hat nur eine Frau in seinem Präsidium, Hannelore Ratzeburg, und die ist zuständig für Mädchen- und Frauenfußball.

Auch wegen der gesetzlichen Quote ist der Frauen-Anteil in Führungspositionen der Wirtschaft gestiegen: In Ostdeutschland auf 44 Prozent, im Westen auf 27 Prozent. Und im Fußball? Anfang 2018 kandidierte beim des FSV Mainz 05 die Juristin Eva-Maria Federhenn für den Vorstandsvorsitz. Etliche Fans sprachen ihr die Kompetenz ab, weil sie eine Frau ist. Solche Äußerungen seien keine Seltenheit, sagt Katharina Dahme. Die Aufsichtsratschefin des Regionalligisten SV Babelsberg wurde mal in einer VIP-Raum eines Stadions von einem Funktionär des gegnerischen Klubs kritisch gemustert. „Ich habe gesagt, dass ich Mitglied im Aufsichtsrat bin“, sagt Dahme. „Dann war er sehr erschrocken und hat deutlich gemacht, dass Frauen im Fußball nichts zu suchen hätten.“

In den ersten vier deutschen Ligen ist Katharina Dahme neben Sandra Schwedler beim FC St. Pauli die einzige Frau, die an der Spitze eines Aufsichtsrates steht. Der DFB hatte 2016 mit dem Deutschen Olympischen Sportbund ein Leadership-Programm gestartet. 24 Frauen wurden mit Führungsaufgaben vertraut gemacht. Einige der 21 Landesverbände im Fußball haben danach eigene Programme entwickelt. Katharina Dahme findet, dass sich auch die großen Klubs öffnen sollten. Noch haben engagierte Frauen in deren Gremien den Status von Exotinnen, und so geben sie den Druck manchmal auch untereinander weiter. „Manche Klubs geben sich vielleicht schon zufrieden mit einer Frau im Gremium“, sagt Dahme. „Aber wir sollten nach mehr Kandidatinnen suchen. Oft sind Frauen eher skeptisch und müssen anders ermuntert werden. Männer dagegen sind oft überzeugt, dass sie das können.“

Die erste Chefin eines israelischen Profiklubs

Seit September 2018 erzeugt eine Wanderausstellung Aufmerksamkeit für Frauen im Fußball, ihr Titel: „FanTastic Females. Football Her Story“. Die Fotos und Kurzfilme porträtieren mehr als achtzig Frauen aus 21 Ländern: Ultras, Aktivistinnen, Führungskräfte. „Das Projekt ist wunderbar, denn es nimmt unsere Leidenschaft in allen Facetten ernst“, sagt die Israelin Daphna Goldschmidt, einer der Porträtierten mit einer seltenen Biografie im Fußball.

Daphna Goldschmidt führt als erste Frau einen israelischen Profiverein, Foto: Ronny Blaschke

Mit Anfang zwanzig gehörte Daphna Goldschmidt 2007 zu den Gründerinnen ihres Vereins. Sie besuchte jedes Spiel von Hapoel Katamon Jerusalem. Sie sang, klatschte, hüpfte auf der Tribüne, wurde zu einem der einflussreichsten Vereinsmitglieder. Doch sie zögerte mehr als drei Jahre, um für den Vorstand zu kandidieren. „Das einzige, was mich davon abhielt, war die Angst, nicht gewählt zu werden und keinen Erfolg zu haben“, sagt Goldschmidt. Vor anderthalb Jahren wurde Daphna Goldschmidt zur Vorsitzenden von Hapoel Katamon Jerusalem gewählt. Als erste Frau führt sie einen Profiverein in Israel. „Das öffnet vielleicht auch anderen Frauen die Tür, die vielleicht gar nicht glauben, dass ein solcher Weg möglich ist.“

Hapoel Katamon hat sich in den vergangenen Jahren aus der fünften in die zweite Männerliga vorgearbeitet, aber Goldschmidt beschreibt lieber die sozialen Projekte: Sprachkurse für Einwanderer, Turniere für jüdische und muslimische Jugendliche. Goldschmidt hat es dabei nicht immer leicht, zum Beispiel bei Treffen mit Funktionären anderer Vereine. „Es ist immer noch seltsam, in einem Konferenzraum die einzige Frau zu sein“, erzählt sie. „Manchmal sagt mir jemand, ich hätte diese oder jene Entscheidung nur getroffen, weil ich eine Frau bin. Dann entgegne ich: Haben Sie ein Argument, das relevanter ist?“ Eine Antwort erhält sie darauf dann nicht mehr.

Kaum Trainerinnen in der Frauen-Bundesliga

Und wie sieht es an den Seitenlinien aus? Im deutschen Männerfußball hatten zuletzt zwei Trainerinnen für Schlagzeilen gesorgt: Imke Wübbenhorst übernahm 2018  vorübergehend den Fünftligisten BV Cloppenburg, die ehemalige Nationalspielerin Inka Grings den Viertligisten SV Straelen. Beide Beispiele täuschen darüber hinweg, dass Frauen im Trainingswesen eine Nebenrolle spielen. Bei der Weltmeisterschaft in Frankreich vor wenigen Wochen wurden neun der 24 Teams von einer Frau trainiert.

Deutlicher wird der Unterschied in Deutschland: In der Frauen-Bundesliga wurden zuletzt zwei der zwölf Teams von einer Frau trainiert. Eine von ihnen: Carmen Roth beim SV Werder Bremen. Der Verein wollte ihren Vertrag früh verlängern, doch Roth lehnte nach langem Bedenken ab. Sie kehrt zurück nach München, nimmt dort ihren unbefristeten Job bei einer Versicherung wieder auf. Ihr Arbeitgeber hatte sie für den Fußball zwei Jahre lang freigestellt. „Ich bin ein Sicherheitsmensch“, sagt Carmen Roth. „Man verdient zwar auch im Frauenfußball inzwischen ganz gut, aber man ist nicht dauerhaft abgesichert. Ich möchte nicht mit fünfzig dastehen und keinen Job zu haben.“

Carmen Roth hat fast 150 Bundesligapartien bestritten, die meisten für den FC Bayern. Schon als Spielerin arbeitete sie bei der Versicherung. Sie hatte den Wunsch, Bundesliga-Trainerin zu werden. Dafür benötigte sie drei Lizenzen: C, B und A. Carmen Roth nahm für die mehrwöchigen Kurse jeweils ihren Jahresurlaub. Ehemaligen Nationalspielerinnen wird der Einstieg ins Trainingswesen hingegen erleichtert, sie können den Grundlagenkurs überspringen. Carmen Roth plädiert dafür, dass auch ehemaligen Bundesliga-Spielerinnen ohne Länderspielerfahrung der Einstieg ins Trainingswesen erleichtert werden solle: „Eine Spielerin, die dreißig oder vierzig Stunden pro Woche arbeiten geht, leistet mehr als eine Spielerin, die sich nur auf den Fußball konzentrieren kann.“

Eine Frau führt ein Männerteam in Hongkong zur Meisterschaft

Noch höher sind die Anforderungen bei der mehrmonatigen Ausbildung zum „Fußball-Lehrer“ beim DFB. In der Regel war unter den 25 Teilnehmenden pro Jahrgang höchstens eine Frau. Die Ursachen dafür liegen bereits an der Basis: In den vergangenen Jahren haben sich mehr Frauen um die C-Lizenz bemüht, die unterste Kategorie, meist für Kinder- und Jugendfußball. Eine Stufe höher, an der Schwelle zum Leistungssport, sinkt der weibliche Anteil enorm. Das liege nicht an der fehlenden Bereitschaft der Frauen, sagt die Berliner Trainerin und Aktivistin Johanna Small: „Man ist als Frau in diesen Kursen schnell in einer Sonderrolle. Wir merken, wenn man einen Kurs nur für Frauen gibt, dass da wesentlich größeres Interesse ist.“

Beim DFB werden auch die Nationalteams der Juniorinnen von Frauen trainiert. In anderen Ländern ist das noch lange keine Selbstverständlichkeit. Bei der WM vor vier Jahren in Kanada wurden acht der 24 Teams von Frauen trainiert. Nun in Frankreich waren es neun. Im professionellen Männerfußball lassen sich Trainerinnen an einer Hand abzählen. Corinne Diacre betreute in Frankreich den Zweitligisten Clermont Foot. 2017 übernahm sie das Frauen-Nationalteam.

Chan Yuen Ting führte das Herren-Team des Eastern SC in Hongkong zur Meisterschaft, Foto: Ronny Blaschke

Internationale Aufmerksamkeit zog Chan Yuen Ting in Hongkong auf sich. Als Trainerin führte sie das Männerteam des Eastern SC zur Meisterstadt des Stadtstaates, im Alter von 27 Jahren. Für die BBC gehörte Chan Yuen Ting 2016 zu den 100 einflussreichsten Frauen der Welt. „In der asiatischen Champions League haben wir viele Spiele hoch verloren“, erzählt sie. „Die Kritik in den Medien war enorm. Doch ich wollte meine Linie beibehalten. Dabei ist es wichtig, gegenüber den Spielern die richtige Balance zu finden. Ich diskutiere mit jedem. Aber es gibt auch feste Regeln.“

Chan Yuen Ting ist eine zierliche Frau, etwa 1,60 Meter groß. In ihrem Team wurde sie von vier Assistenztrainern unterstützt, es gab noch eine Frau, eine Physiotherapeutin. Die Hälfte der Spieler war älter als Chan Yuen Ting. Bei Auswärtsspielen in der Champions League wurde sie als Vorbild gefeiert. Doch nach zwei Jahren gab die studierte Sport- und Gesundheitsmanagerin ihren Posten auf. Sie wollte die höchste Lizenz im asiatischen Trainingswesen erwerben. „Meine Eltern wollten nicht, dass ich im Fußball arbeite“, sagt Chan Yuen Ting. „Wir haben uns oft gestritten, denn wenn ich etwas unbedingt will, kann ich ziemlich stur sein. Nach einigen Jahren haben sie gemerkt, dass ich mich durch Fußball weiter entwickeln kann. Inzwischen kommen sie öfter ins Stadion uns schauen unsere Spiele.“

„Bei den meisten Verbänden ist Frauenfußball nur ein Häkchen“

Durch welche Strukturen können solche Karrieren wahrscheinlicher werden? Die Fifa schreibt bei der U17-WM der Frauen pro Team mindestens eine Trainerin und eine Medizinerin vor. Die Uefa fördert Einstiegskurse in Osteuropa. Aber reicht das? Wie lässt sich schon im Breiten- oder Schulsport das Interesse von Mädchen für ein späteres Engagement im Fußball wecken? Seit ihrer Premiere 1991 ist die WM der Frauen gewachsen: Erst 12, dann 16 und nun zum zweiten Mal 24 Teams. Doch das Wachstum täuscht darüber hinweg, dass Frauenfußball in etlichen Regionen noch keine langfristige Basis hat: auf dem Balkan, in der arabischen Welt, in vielen Ländern Afrikas.

Khalida Popal hat etliche Verbesserungsvorschläge. Sie ist in Kabul aufgewachsen, liebt den Fußball seit ihrer Kindheit. Nach der Schule kickte sie mit ihren Brüdern und anderen Jungen auf der Straße. Doch in Afghanistan empfinden viele Menschen Fußballerinnen als Provokation. So musste Khalida Popal früh das Improvisieren lernen. „Viele Leute sagten, ich solle in der Küche arbeiten und nicht an Fußball denken. Die Jungs wollten nicht mehr mit mir spielen. Ich habe mich in anderen Schulen umgehört und vielen Mädchen ging es wie mir.“ 2004 suchten Khalida Popal und ihre Freundinnen ein Trainingsgelände. Sie wurden beschimpft, bedroht, mit Müll beworfen. Einen sicheren Platz erhielten sie auf einem Nato-Gelände. 2007 formten sie ein afghanisches Nationalteam, Khalida Popal wurde Kapitänin, später Teammanagerin. Dem ersten Länderspiel in Pakistan folgte ein Turnier in Bangladesch.

Khalida Popal gründete ein afghanisches Frauen-Nationalteam, Foto: Ronny Blaschke

Doch Khalida Popal und ihre Mitstreiterinnen waren weitgehend auf sich gestellt. „Es ist die grundsätzliche Denkweise im Fußball, die uns das Leben schwer macht“, sagt Popal. „Bei der Fifa und den meisten Verbänden ist Frauenfußball nur ein Häkchen, eine lästige Verpflichtung. Für uns waren die Funktionäre gar nicht erreichbar, wir mussten immer wieder nachhaken. Frauenfußball ist für viele Verbandsleute eine Durchgangsstation in ihrer Karriere. Wenn es nach mir ginge, würden wir unsere eigene Fifa haben, mit Leuten, die sich tatsächlich für Frauenfußball interessieren.“

Mit Fußball gegen kulturelle Barrieren

Caitlin Fisher setzt sich für die Gleichbehandlung weiblicher Profi-Spielerinnen ein, Foto: Ronny Blaschke

2011 spielten in Afghanistan 1.000 Frauen Fußball. Khalida Popal erhielt Morddrohungen. Sie floh nach Dänemark, unterstützte aus der Ferne das Nationalteam. Ihre Erfahrungen sind keine Seltenheit, das zeigt ein Bericht von FIFPro von 2017. Die Profivereinigung hatte weltweit 3.600 Spielerinnen befragt. Fast die Hälfte von ihnen erhält von ihren Klubs keinen Lohn. Unter Nationalspielerinnen erhält ein Drittel keine Prämien. Von denjenigen mit Einkommen berichten fast vierzig Prozent von verspäteten Zahlungen, schriftliche Verträge gibt es oft gar nicht. „Wir haben im Frauenfußball eine lange Geschichte der Ungerechtigkeit“, sagt Caitlin Fisher von FIFPro. „Das drückt sich in den Ländern unterschiedlich aus. Durch ungleiche Bezahlung, aber auch durch schlechte Spielfelder, eine veraltete Ausstattung oder fehlende Wettbewerbe. Manche Nationalteams müssen für ihre Auswärtsspiele tagelang im Bus sitzen.“ Vieles von dem führt dazu, dass neunzig Prozent der Befragten ein vorzeitiges Ende ihrer Laufbahn in Erwägung ziehen.

Die mehr als 200 Mitgliedsverbände der Fifa sind verpflichtet, auch den Frauenfußball zu fördern. Doch im Jahr 2013 beispielsweise haben nur 97 von ihren ein Frauen-Länderspiel ausgetragen. Die Fifa hat ihre Entwicklungsprogramme zuletzt erweitert. Bestimmte Förderungen sind an Nachwuchsturniere oder Trainingscamps von Mädchen und Frauen gebunden. So können Kontinental- und Nationalverbände jährlich mehrere Millionen Dollar zusätzlich erhalten. Die langjährige Trainerin Monika Staab ist aktuell in Gambia in Westafrika aktiv und sagt: „Es gibt zu wenig Programme, um das auch zu fördern. Oft hat man das Gefühl, das Fördergeld kommt nicht an den richtigen Stellen an. Erst letztes Jahr hat der afrikanische Kontinentalverband ein Frauen-Komitee erstellt. Das ist schade, denn das Potenzial für Frauenfußball in Afrika ist groß.“

Monika Staab bildet Trainer*innen aus, Foto: Ronny Blaschke

Monika Staab war in den vergangenen zwölf Jahren in vielen Ländern unterwegs, auch als Trainerin in Bahrain und Katar. 2018 wurde sie nach Gambia entsandt, vom Auswärtigen Amt und vom Deutschen Olympischen Sportbund. Von den zwei Millionen Einwohnern in Gambia sind 44 Prozent jünger als 14. Monika Staab bildet Trainer und Sportlehrer fort, knüpft Kontakte zwischen Fußballverband und Schulministerium. „Meine Aufgabe ist, den Mädchen das Selbstvertrauen zu vermitteln. Dass sie sich ein bisschen gegen das Klischees und die kulturellen Barrieren auflehnen. Und dass sie dieses Selbstvertrauen dann auch mit in die Schule oder ins Studium nehmen.“

Etliche NGOs übernehmen Aufgaben der Verbände

Unabhängige Expertinnen für Frauenfußball sind in Entwicklungsländern selten. Auch deshalb bleiben gefährliche Netzwerke unerkannt. Seit Anfang des Jahres wurden in mindestens fünf Ländern Vorwürfe gegen Trainer und Betreuer geäußert, wegen Belästigung und sexualisierter Gewalt. In Afghanistan soll der Verbandspräsident Keramuddin Karim Jugendspielerinnen vergewaltigt haben. Die Aktivistin Khalida Popal machte das ganze öffentlich. Weltweite Medienberichte folgten, schließlich wurde Keramuddin Karim von der Fifa lebenslang gesperrt. Khalida Popal sagt: „Viele der Nationalverbände in unterentwickelten Ländern werden wie die Mafia geführt. Wir wollten die Vergewaltigungen früher öffentlich machen, aber viele E-Mails gingen verloren. Die Funktionäre schützen sich wie eine Bruderschaft. Frauen aus Afghanistan wurde lange nicht gehört. Im Gegenteil: Sie mussten sich rechtfertigen, als wären sie Beschuldigte.“

Laut der Studie der Profivereinigung FIFPro haben 18 Prozent der befragten Spielerinnen Sexismus erlebt. 3,5 Prozent berichteten von gewaltsamen Übergriffen. Die großen Fußballverbände haben bislang wenig Stellung dazu bezogen. Vielleicht sind auch deshalb etliche NGOs für Frauen im Fußball entstanden. „Discover Football“, „Women win“ oder „Right to play“. Khalida Popal hat in Dänemark eine Initiative für geflüchtete Frauen gegründet. Ihr Titel: „Girl Power“.


Autor und Themenreihe

Ronny Blaschke beschäftigt sich als Journalist mit den gesellschaftlichen Hintergründen des Sports, u. a. für die Süddeutsche Zeitung, den Deutschlandfunk und die Deutsche Welle. Mit seinen Büchern stieß er wichtige Debatten an, zuletzt mit „Gesellschaftsspielchen“ zur sozialen Verantwortung des Fußballs.


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Kategorie q 120minuten

Endreas Müller heißt in Wirklichkeit ganz anders und beschäftigt sich schon länger mit Fußball im Allgemeinen und dem Bloggen im Besonderen. Vor einiger Zeit stellte er sich gemeinsam mit Christoph Wagner die Frage, warum es eigentlich in der deutschen Blogosphäre noch keine Plattform für lange Fußballtexte gibt – die Idee von ‚120minuten’ war geboren.

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