Zur weiteren Entwicklung des Fußballs – 95 Thesen

Den Fußball in all seinen Facetten abzubilden – das gleicht einem schwierigen, wenn nicht sogar unmöglichen, Unterfangen. Die unterschiedlichsten Bereiche machen diesen Sport aus, angefangen beim Profifußball, über Amateure, Fankultur, Politik, Gesellschaft hin zu Medien – die Liste ließe sich schier endlos fortsetzen. Hinzu kommt, dass der Fußball schon immer ständigen Veränderungen unterworfen gewesen ist. In unserer schnelllebigen Welt wandelt und entwickelt sich der Sport mit den Menschen und Institutionen, die ihn gestalten.

2017 ist das Jahr des 500. Jubiläums der Reformation. Dies wollen wir zum Anlass nehmen und, analog zu Martin Luthers 95 Thesen zur Kirche, Gedanken und Thesen zum Fußball formulieren. Im Zentrum der Betrachtung soll dabei die Frage stehen, wie sich bestimmte Teilbereiche des Sportes in den kommenden Jahren und Jahrzehnten weiterentwickeln könnten.

Dazu haben wir fast 20 Experten und Fußballfans befragt, die uns mit ihren (Hypo-)Thesen eine Denk- und Diskussionsgrundlage liefern.

Ziel dieser Thesen soll keinesfalls sein, allgemeingültige Fakten zu sammeln und diese als unabänderliche Tatsachen zu proklamieren. Vielmehr soll dieser Text Denkansätze liefern und eine Debatte über verschiedene Zusammenhänge rund um den Sport anregen.

Deswegen wollen wir auch die Leserinnen und Leser von 120minuten einladen, sich an diesem Projekt zu beteiligen. Unter den Thesen habt ihr die Möglichkeit über deren Inhalt abzustimmen und einen Kommentar zu hinterlassen. Unter dem Hashtag #Fussballthesen kann man mit den Autoren, unserer Redaktion und anderen Interessierten ins Gespräch kommen oder die einzelnen Thesen in den sozialen Medien teilen. Genauso wie der Fußball an sich, lebt diese Thesensammlung also von der Mitgestaltung.

Viel Spaß beim Lesen wünschen
Endreas Müller und Lennart Birth

Die Themenschwerpunkte

Die Rolle des Fußballs für das gesellschaftliche Zusammenleben

von Lennart Birth (@LennartBirth)

Der Fußball ist ein wichtiger Teil des gesellschaftlichen Zusammenlebens in Deutschland. Ob sich dies in der Zukunft verändern wird, versucht Lennart Birth herauszufinden:

#1Der Fußball bleibt beliebtester Sport in Deutschland. 

             59 Mal    3 Mal

#2Der Fußball wird auch in Zukunft eine herausragende Rolle im gesellschaftlichen Zusammenleben einnehmen. Sein integrativer Charakter bleibt bestehen. Wer den Sport spielt und lebt, findet Gemeinschaft und Identifikation. Der Effekt der Identitätsstiftung verstärkt sich in den kommenden Jahren weiter, weil sich die Menschen von anderen gesellschaftlichen Gruppen, wie Religionsgemeinschaften oder Parteien, abwenden.

             34 Mal    12 Mal

#3Dennoch wird gerade der Fußball auf höchster Ebene verstärkt eine gewisse Exklusivität ausbilden. Steigende Ticketpreise in der Bundesliga und den internationalen Wettbewerben werden den Zugang zu Profifußball für wachsende Teile der Bevölkerung verschließen. Fußball als Konsumprodukt wird nicht mehr auf die breite Masse ausgerichtet sein, sondern auf die zahlungskräftigsten Kunden.

             41 Mal    6 Mal

#4Die Zahl von Spielern mit Migrationshintergrund in den unteren Ligen wird in Deutschland weiter wachsen. Der Fußball ist dabei ein wichtiger Bestandteil der Integration. Geflüchtete werden sich in größerer Zahl in Vereinen engagieren und aktiv Amateurfußball spielen. Damit gehen große Chancen für kleinere Vereine insbesondere im ländlichen Raum einher, die im Zuge des demografischen Wandels mit wachsenden Nachwuchsproblemen kämpfen müssen.

             44 Mal    6 Mal

#5 Auch in Zukunft werden sich wenige Spieler während ihrer aktiven Laufbahn als homosexuell outen. Es bedarf weiterer Maßnahmen und Aufklärungsarbeit, um dies auf Dauer zu ändern. Der männlich dominierte Sport wird weiterhin nur langsam von seinem klassischen Bild des heterosexuellen Sportlers abrücken und sich vorerst weiter homosexuellen Einflüssen verschließen.

             31 Mal    4 Mal

Über den Autor: Lennart Birth hat erst vor kurzem begonnen, sich journalistisch intensiver mit dem Fußball auseinanderzusetzen. Er schreibt seit Anfang des Jahres für 120minuten, partizipiert dabei regelmäßig am Kalenderblatt und befasste sich in seinem ersten Longread mit der Frage, wie es um die Meinungsfreiheit im Stadion bestellt ist.

Thesen kommentieren

Die Soziale Verantwortung des Profifußballs

von Ronny Blaschke

“Tue Gutes und rede darüber” ist ein Credo der Öffentlichkeitsarbeit, das auch für Fußballvereine gilt. In seinem Buch “Gesellschaftsspielchen” nimmt Ronny Blaschke das soziale Engagement im Fußball genau unter die Lupe – etwas weniger PR und etwas mehr ernst gemeinte soziale Verantwortung wären angebracht:

#6 Immer mehr Menschen hinterfragen die Macht der Verbände und den Zweck großer Sportereignisse. Wenn der moralisch abgewirtschaftete Fußball stabil bleiben will, dann braucht er ein neues Narrativ. Das Potenzial ist da: seit der Weltmeisterschaft 2006 spannt sich ein zivilgesellschaftliches Netz um den Fußball, das aber noch unterhalb der Wahrnehmungsschwelle liegt. Neunzig Stiftungen nutzen den Fußball als Vermittlungsmedium. DFB und die Deutsche Fußball-Liga investieren Millionen in ihre Projekte. Der Fußball bildet in der Gesellschaftspolitik einen soliden Zweig. Aber die Milliardenindustrie braucht einen ganzheitlichen Ansatz, damit es dem Gemeinwohl besser geht.

             22 Mal    6 Mal

#7Die Vereine und Stiftungen des Profifußballs wendeten 2015/2016 rund 28 Millionen Euro für „freiwilliges soziales Engagement“ auf. Doch 28 Millionen Euro sind nicht mal ein Prozent des Gesamtumsatzes – der lag 2015/16 bei 3,24 Milliarden. Es geht nicht darum, wie Unternehmen einen Teil ihrer Gewinne an wohltätige Projekte weiterreichen. Es geht darum, wie genau sie diese Gewinne überhaupt erwirtschaften. Einerseits unterstützen alle Vereine Bildungsinitiativen für benachteiligte Kinder. Andererseits machen sie sich von Sportartikelherstellern abhängig, die junge Näherinnen in Niedriglohnländern ausbeuten. Mit dieser Doppelmoral muss Schluss sein.

             28 Mal    4 Mal

#8Laut der Bundesliga-Stiftung haben 18 der 36 Vereine eine „CSR-Organisationsstruktur“. Meist kümmern sich in den Klubs ein, zwei, vielleicht fünf Mitarbeiter um gesellschaftliche Themen – in Geschäftsstellen mit 80, 150 oder noch mehr Beschäftigten ist ihr Einfluss begrenzt. Bei den wenigen Vereinen, die sich mehr leisten, bleibt dadurch die Identifikation auch bei sportlichem Misserfolg hoch: bei Fans, Sponsoren und eigener Belegschaft. Wichtig ist die Suche nach Partnern, die nicht unbedingt am Fußball interessiert sind: Bildungsträger, Genossenschaftsbetriebe, Kulturvereine. Der Fußball ist von der Stadtgesellschaft nicht zu trennen.

             20 Mal    7 Mal

#9Die Bundesliga braucht einen nachhaltig engagierten Rekordmeister. Doch der FC Bayern geht eher einen traditionellen Weg: in Dutzenden Benefizspielen halfen die Münchener angeschlagenen Vereinen. 2005 gründeten sie den „FC Bayern Hilfe e.V.“, einen Verein, in dem Spenden gesammelt und verteilt werden. Viele der 400 Klubmitarbeiter sind mit Außendarstellung und Expansion beschäftigt, auch für Asien und Nordamerika. Man möge sich vorstellen, der FC Bayern würde seine Gesellschaftspolitik auch nach innen ausrichten: mit einer meinungsstarken CSR-Abteilung. Dann würde der Verein vielleicht merken, dass ein Trainingsspiel im Israel-feindlichen Saudi-Arabien an anderer Stelle ein bestehendes Projekt gegen Antisemitismus untergraben kann.

             22 Mal    8 Mal

#10Mit Idealismus allein lässt sich die Kommerzlogik nicht verändern. Ein Beispiel: Während der Finanzkrise 2009 war der FSV Mainz auf der Suche nach einem Hauptsponsor und fand Entega. Das Energieunternehmen wollte seinen Marktanteil behaupten und überwies fünf Millionen Euro pro Saison an Mainz. Mit dem Öko-Institut untersuchte Entega Stromverbrauch, Heizbedarf, Konsum, Essgewohnheiten oder Transportverhalten im Zusammenhang mit Mainz 05. Sie organisierten Fanzüge, warben für Fahrgemeinschaften, boten während der Partien kostenlose Fahrrad-Wartungen an. Der Verein konnte von dem Geld neue Spieler verpflichten, die Sympathiewerte von Entega stiegen, und das Wichtigste: sechzig Prozent der Mainzer Fans besuchen die Spiele nun mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Dieses Beispiel zeigt: die Verbindung von Sponsoring und Sozialem muss nicht unanständig sein.

             29 Mal    2 Mal

#11Niemand kann beziffern, wie viel Steuergeld indirekt in den Fußball fließt: in Polizeikosten, Stadienbauten, Fanprojekte oder Bürgschaften für klamme Vereine. Es spricht nichts dagegen, dass die Klubs ihr soziales Engagement mit einem nennenswerten Budget ausstatten, verwoben mit Verwaltung, Marketing und Fanabteilung. Der Fußball ist ein Unterhaltungsbetrieb, der für die Grundbedürfnisse unseres Lebens entbehrlich ist. Doch gerade weil er so ernst genommen wird wie kein anderes entbehrliches Gut, könnte er sich ernsthafter zu den Themen der Gegenwart verhalten. Dadurch würde der Fußball nicht weiter wachsen, aber er könnte einen anderen Wert für sich beanspruchen: Relevanz.

             18 Mal    5 Mal

Über den Autor: Ronny Blaschkes journalistische Arbeit befasst sich selten mit den rein sportlichen Aspekten des Fußballs. Er interessiert sich für die Rolle des Sports für unser Zusammenleben und befasst sich u.a. mit Rassismus, Gewalt und Diskriminierung im Fußball.

Thesen kommentieren

Die zukünftige Rolle des Amateurfußballs

von Hardy Grüne (@hardygruene)

Der Amateurfußball steht im Schatten der Profis. Hardy Grüne über seine Vision von Amateurvereinen der Zukunft:

#12Es gibt zwei voneinander unabhängige Fußballwelten. Die des Profifußballs und die des Amateurfußballs. Beide Welten sind komplett voneinander getrennt – sowohl von ihren Spielklassensystemen als auch verbandstechnisch.

             23 Mal    7 Mal

#13Profifußball findet in den großen Stadien, global und vor allem zur Unterhaltung der Bildschirm-Zuschauer weltweit statt. Er liefert einen hohen Unterhaltungswert, der durch berühmte Namen gesteigert wird. Leidenschaft ist für den Zuseher nicht notwendig. Zweck ist die passive Unterhaltung gegen Bezahlung.

             14 Mal    16 Mal

#14Der Amateurfußball findet regional und lokal statt. Er ist geprägt von Self-made-Vereinen, die entweder Fanvereine oder Community-Klubs sind. Man bringt sich persönlich ein, es gibt nur bedingt passive Zuschauer. Gelder werden zwar wegen des Zeitaufwands gezahlt, durch das inzwischen eingeführte bedingungslose Grundeinkommen sind sie aber nicht wesentlich. Zweck ist die Gemeinschaftserfahrung.

             9 Mal    15 Mal

#15Im Amateurfußball gibt es eine Ligapyramide bis hin zur deutschen Meisterschaft bzw. internationalen Vergleichen. Der Spielbetrieb ist nicht von kommerziellen Interessen geprägt, sondern von dem Bedürfnis nach gemeinsamen Begegnungen, Erfahrungen und Werten. Für die Spiele geht man persönlich in die Stadien, Übertragungen via Stream sind nur ein zusätzliches Angebot.

             8 Mal    15 Mal

#16Amateurvereine sind keine reinen Sportvereine sondern vielfältige Community-Klubs, von denen über die gesamte Woche gemeinschaftliche Erlebnisse angeboten werden. Ihr Zweck ist die Schaffung von gemeinsamen Erfahrungsräumen für Menschen aller Kulturen, Geschlechter und Altersklassen.

             11 Mal    11 Mal

#17Im höherklassigen Amateurfußball bilden sich regionale Mannschaften wie zum Beispiel der „FC Südniedersachsen“, in denen die talentiertesten Spieler eingesetzt werden. Diese Mannschaften bedienen für Spieler wie Publikum das Bedürfnis nach regionalem Halt in einer globalisierten Welt. Es geht nicht um Ausgrenzung gegenüber anderen, sondern um Identität und Zugehörigkeit seiner selbst. Das durchlässige System basiert nicht auf starren “historischen Wurzeln” sondern auf den Lebensrealitäten des Einzelnen.

             3 Mal    20 Mal

Über den Autor: Befasst man sich mit der Geschichte des Fußballs, so kommt man an Hardy Grüne nicht vorbei. Er ist Herausgeber des Zeitspiel-Magazins und hat an über 120 Fußballbüchern mitgearbeitet, eine Enzyklopädie des Weltfußballs und ein Standardwerk zum Fußball in Deutschland darunter. Neben der historischen Dimension des Fußballsports sind Fankultur und der Amateurbereich zwei weitere Themenfelder, denen sich Grüne immer wieder widmet.

Thesen kommentieren

Spitzenfußball auf Vereinsebene

von Dietfried Dembowski (@DID-Sport)

Die europäische Superliga wird kommen. Was Dietfried Dembowski ausspricht, wird vom Gerücht zum Gesetz – seine Gedanken zum Spitzenfußball auf Klubebene:

#18Die Fans, die jetzt um die Zukunft des alten Fußballs kämpfen, haben den Kampf schon längst verloren. Sie werden in wenigen Jahren aus den großen Stadien verschwinden.

             24 Mal    13 Mal

#19In einer europäischen Superliga wird ein Großteil der Vereine von großen Konzernen unterhalten werden, die sich aus einem Pool an Spielern aus ihren Farmteams in den nationalen Ligen bedienen werden.

             22 Mal    8 Mal

#20In dieser Liga wird es eine Gehaltsobergrenze für Vereine geben, um Wettbewerb sicherzustellen.

             18 Mal    12 Mal

#21Eine europäische Superliga wird erst dann zu einer echten Superliga, wenn sie in Konkurrenz mit anderen Superligen steht.

             7 Mal    17 Mal

#22Die Vereine der Superligen werden am Ende der Spielzeit einen Weltmeister ermitteln, und dieser Titel wird wichtiger als der WM-Titel werden.

             10 Mal    20 Mal

Über den Autor: Dietfried Dembowski weiß Bescheid. Der Ermittler ist eine Institution und hält nie mit seiner Meinung hinterm Berg. Auf der Suche nach Antworten auf die drängenden und nicht so drängenden Fragen des Fußballs ist an Dembowski kein Vorbeikommen.

Thesen kommentieren

Die deutsche Nationalmannschaft

von Trainer Baade (@trainerbaade)

Nach Jahren des Mittelmaßes ist die DFB-Auswahl wieder in der Weltspitze angekommen. Jogi Löw und Oliver Bierhoff lenken die Geschicke des Teams seit Jahren. Trainer Baade mit einer Reihe von Prognosen zur Nationalmannschaft, die er direkt einer Überprüfung unterzieht:

#23Die deutsche Nationalmannschaft wird auf Jahre hinaus unschlagbar sein: Das vom damaligen Teamchef Franz Beckenbauer im Überschwang des WM-Titelgewinns und der anstehenden Wiedervereinigung getätigte Bonmot entpuppte sich bekanntlich als falsch, war vornehmlich Last für seinen Nachfolger Berti Vogts, der zwar 1996 Europameister wurde, aber zweimal bitter im WM-Viertelfinale ausschied. Ein WM-Viertelfinalaus kennt die deutsche Mannschaft jetzt ziemlich genau seit Berti Vogts letztem WM-Spiel 1998 nicht mehr. Seitdem erreichte man vier Mal in Folge mindestens das Halbfinale bei der WM.

Angesichts der immer schneller nachrückenden Spieler mit immer größerer Qualität könnte die Aussage dieser These diesmal tatsächlich zutreffen, zumal es auf nahezu allen Positionen nicht mehr doppelte, sondern beinahe vierfache Besetzung in ähnlicher Qualität gibt. Zwar besteht immer mal wieder auf der einen oder anderen Position ein Mangel an allerhöchster Qualität – doch welche andere Landesauswahl kann das schon von sich behaupten, gerade mal auf zwei Positionen nicht in bester Qualität besetzt zu sein? Selbst den Schlendrian, der nach dem WM-Gewinn 2014 eintrat, hat Löw erfolgreich vertrieben. Sicher kann man in einem so unwägbaren Spiel wie Fußball Niederlagen nie ausschließen, insbesondere wenn es an der Chancenauswertung mangelt. Doch blickt man auf die gesamte Qualität der Auswahl, die Löw hat, ist die deutsche Mannschaft zur Zeit auch zu Recht Nr. 1 der Welt – sowohl beim Weltmeistertitel als auch in der Weltrangliste. Bliebe nur das Problem, dass Prognosen immer schwierig sind, gerade wenn sie die Zukunft betreffen.

             7 Mal    20 Mal

#24Der Hype um die deutsche Nationalmannschaft hat seinen Zenit längst überschritten, das Interesse wird weiter schwinden: Zugegeben, angesichts der rückläufigen Zuschauerzahlen in den Stadien keine allzu gewagte These. Andererseits bleiben die Einschaltquoten am TV zumindest bei vergleichbaren Übertragungssituationen aber stabil. Was ist also richtig? Wird das Interesse fallen oder wird es zumindest stabil bleiben? Angesichts des nicht mehr zu überbietenden Hypes während der WM 2006, welcher mit dem Titelgewinn 2014 mit der Achse Lahm-Mertesacker-Schweinsteiger-Podolski-Klose seinen Abschluss gefunden hat, deutet aber vieles darauf hin, dass Public Viewings sich im Wortsinne totgelaufen haben und der absolute Schland-Hype so nicht erhalten bleiben wird. Die hohe Qualität der deutschen Mannschaft macht dazu aus Spannungssicht nur noch ganz wenige Partien attraktiv. Der Fluch des Erfolgs, sozusagen. (Neben den wahnwitzig hohen Eintrittspreisen für Länderspiele.)

             28 Mal    4 Mal

#25Nachfolger von Jogi Löw wird jemand, der bis dahin ähnlich erfolglos als Vereinstrainer agiert haben wird und quasi unbekannt ist: Im Prinzip nicht mehr vorstellbar, dass ein bereits beinahe ausrangierter Trainer wie Löw, der nur noch Stationen in der fußballerisch zweitklassigen Türkei und im drittklassigen Österreich hatte, das Zepter in die Hand gedrückt bekommen wird. Eher vorstellbar, dass einer der zurzeit aktiven Bundesligatrainer es werden wird, welcher aber sicher schon ein gewisses Alter erreicht haben müsste. Reine Spekulation natürlich, dass es einer der derzeitigen Assistenten von Löw wird (wie es vor Beckenbauer ja auch in der deutschen Nationalmannschaft üblich war). Das ist aktuell aber kaum vorstellbar. Dann schon eher, dass Löw auch noch die WM in Katar machen wird – und was bis dahin auf dem deutschen Trainermarkt passiert sein wird, ist angesichts der nun endlich eingetretenen Akzeptanz von Trainern, die nicht selbst erfolgreiche Spieler waren, kaum abzuschätzen.

             7 Mal    10 Mal

#26Der Wechsel von Mercedes zu VW als Hauptsponsor wird der Nationalmannschaft weitere Strahlkraft nehmen: Tatsächlich wohl nur eine Frage für Menschen, die im Marketing zu Hause sind. Für das Standing von “Die Mannschaft” (Oliver Bierhoff mit einer seiner vielen misslungenen Ideen rund um die Nationalmannschaft) ist es völlig unerheblich, das Logo welcher deutschen Firma auf den Trainingsjacken prangt. VW, Mercedes, Haribo oder HoWe Würstchen – das würde den Fan wohl nur interessieren, wenn der Sponsor auch auf dem Trikot erschiene, was im Fußball bekanntlich bei Nationalmannschaften immer noch nicht der Fall ist. Nur das Gequatsche vom “vierten Stern“, den man in Brasilien unbedingt holen wollte und geholt hat, ist damit endlich Geschichte. Buchstabensuppe ist mal was anderes. Einziger wirklich relevanter Unterschied: während Mercedes in Stuttgart bei Löw um die Ecke sitzt, ist VW in Wolfsburg zu Hause, weshalb man die Nationalmannschaft nun wohl öfter in der stimmungslosen VW-Arena statt im schönen, neuen Neckarstadion erleben wird. Angesichts der meist nahezu nicht existenten Unterstützung durch das Heimpublikum bei normalen Länderspielen aber ohnehin irrelevant – und der TV-Zuschauer merkt den Unterschied heutzutage ohnehin kaum noch, sieht er doch nur das Spielfeld und die Werbebanden.

             17 Mal    6 Mal

#27Die Nations League wird das Interesse an Länderspielen europaweit weiter schrumpfen lassen: Hardcore-Fußballfans wird es natürlich immer geben. Die breite Masse schaltet ja jetzt schon tatsächlich nicht mehr ein, sofern sie nicht ans TV gefesselt ist, wenn es gegen Gibraltar oder Aserbaidschan geht – oder auch, wenn ein Freundschaftsspiel gegen sicher nicht schlechte Dänen oder Schweizer ansteht, man aber weiß, dass wegen des Testcharakters ohnehin nur experimentiert wird. Sechs Wechsel zur Pause und man erhält zwangsläufig den Eindruck, als sähe man beim Training zu. Diesem Phänomen will man nun mit dem vermeintlichen Wettkampfcharakter in der Nations League entgegenwirken.

Doch schnell wird man merken, dass es so sein wird wie in der Champions League. Spiele gegen Real Madrid waren auch mal für den FC Bayern etwas Besonderes und Länderspiele gegen Italien oder Spanien sind das bislang ebenfalls, weil sie so selten sind. Mit der Einführung der Nations League nach Leistungsstärken und ständigen Spielen gegen die starken Nationen verlieren auch diese Paarungen ihren Reiz. Mögen sie sportlich sinnvoller sein als Duelle, bei denen der Gegner in 90 Minuten zweimal die Mittellinie überquert – auch ein Duell Deutschland-Italien nutzt sich ab, wenn man es ständig zu sehen bekommt. Die Kuh Länderfußball wird gemolken, wo es geht, und sie gibt auch weiter Milch. Der Konsument hat aber ohnehin schon zig Mal Arsenal-Bayern gesehen, er braucht jetzt nicht auch noch zigmal Italien-Deutschland, selbst wenn es um Punkte geht. Und bei den kleineren Nationen wird man natürlich sicher äußerst glücklich sein, jetzt nur noch untereinander und in diesem Wettbewerb nie gegen Große spielen zu dürfen. Insofern könnte sich diese These tatsächlich als zutreffend erweisen.

             17 Mal    8 Mal

Über den Autor: Trainer Baade bloggt über Fußball: regelmäßig, vereinsneutral und hoch unterhaltsam. Was als ein Projekt im Rahmen der WM 2006 begann, wurde zu einer Institution in der deutschsprachigen Fußball-Blogosphäre. Und Trainer Baade schreibt: aus seiner Feder stammen 111 Fußballorte im Ruhrgebiet, die man gesehen haben muss und er hat mitgearbeitet an Auf Asche – Unwiderstehliche Bolzplatzerinnerungen.

Thesen kommentieren

Die Vermarktung der Bundesliga

von Endreas Müller (@endreasmueller)

“…dann drücken 300 Millionen Chinesen auf ihr iPhone und zahlen je einen Euro, dann können sie sich vorstellen, wo es hingeht” – ist das so?

#28Die Bundesliga wird Asien niemals erobern: Das gilt auch für andere ausländische Märkte, auf denen die Premier League aufgrund ihrer Vorreiterrolle, der Strahlkraft ihrer Vereine und der niedrigeren Sprachbarriere bereits etabliert ist. Hinzu kommen lokale Ligen, deren Niveau sich kontinuierlich erhöht und die in regionalen Märkten ebenfalls mit der Bundesliga konkurrieren.

             32 Mal    3 Mal

#29Wenn die Liga kein klareres Konzept zur Beteiligung von Investoren entwickelt, wird sie wirtschaftlich und sportlich stagnieren. Mit etwas Neid schielt man nach England und legt die Milliardeneinnahmen auf der Insel als Maßstab an. Sollten die DFL und ihre Vereine wirklich in diese Sphären vorstoßen wollen, müssten sie konsequent auf das Engagement von Investoren setzen, um Spieler anzulocken, die wiederum für das nötige Interesse und höhere Vermarktungseinnahmen sorgen. Dem steht aber die rechtlich fragwürdige 50+1-Regel im Weg, an der man festhält. Andererseits werden aber jede Menge Ausnahmen erlaubt. Es fehlt eine klare Richtung.

             20 Mal    10 Mal

#30Die Bundesliga muss mehr sein als die Summe der einzelnen Teile und darf sich nicht auf ihre aktuellen Leuchttürme verlassen. Nicht alle 36 Vereine aus Liga 1 und 2 haben das Zeug dazu, globale Marken mit entsprechender Reichweite zu werden. Den Vereinen, die dies erreichen oder bereits erreicht haben, wird die Bundesliga auf Dauer zu klein werden. Die Liga wird auch ohne Zugpferde funktionieren müssen und der Schlüssel dazu könnte ein ausgeglichener Wettbewerb sein. Die DFL und ihre Vereine müssen sich mehr denn je als Interessengemeinschaft sehen, die für die Attraktivität der Bundesliga gemeinsam verantwortlich ist.

             21 Mal    2 Mal

#31Die Bundesliga muss sich mit ihrer „Marktnische“ arrangieren: Die Bundesliga muss ihre Nische finden und Alleinstellungsmerkmale definieren. Die Aufmerksamkeit der Fans und Zuschauer bewegt sich weg von Ligen und Vereinen hin zu Einzelspielern. Damit der sportliche Wettkampf im Ligabetrieb nicht zur Nebensache wird, bedarf es eines klar umrissenen Konzepts. Nachhaltigkeit, Nachwuchsarbeit und hochkompetititver Wettbewerb könnten zum Beispiel dessen Eckpunkte sein. Der Markt, den Bundesligafußball damit bedient, also der deutschsprachige Raum, sollte ausreichende Einnahmen aus Vermarktung und Sponsoring generieren, um hochklassigen Fußball zu bieten und konkurrenzfähige Spieler hervorzubringen.

             17 Mal    7 Mal

Über den Autor: Auf seinem eigenen Blog beschäftigt sich Endreas mit Medien, Zahlenspielereien, Historischem und allerlei Dingen abseits des Platzes, aber doch immer irgendwie mit Fußball. Er ist Mitbegründer und Teil der Redaktion von 120minuten.

Die Entwicklung des Fußballs in Asien

von Sven Beyrich (@el_loko74)

In Asien werden viele Hebel in Bewegung gesetzt, um den Fußball nach vorn zu bringen. Ob es auch die richtigen sind, prognostiziert Sven Beyrich:

#32Die bisherigen Größen werden ihren Status weiter festigen und ausbauen. Während der Osten mit Geld aus den Staatskassen weiterhin Know-how einkauft und so auch das Fehlen von Strukturen wettzumachen versucht wird, wird der Westen (China ausgenommen) das bestehende Fundament aus Professionalität und Strukturen weiter auf- und ausbauen.

             13 Mal    0 Mal

#33Der asiatische Fußball wird in Zukunft weiter gespalten bleiben und ein einheitliches Asien wird es nicht geben. Dies wird nicht zuletzt durch die unterschiedlichen Interessen vorangetrieben werden, die politisch wie kulturell motiviert sind.

             13 Mal    0 Mal

#34Australien bleibt das ungeliebte, fünfte Rad am Wagen. Australien wird sich nicht in dem erwarteten Maße in die AFC einbringen und für Nationen im mittleren und Nahen Osten auch in Zukunft eine „Bedrohung“ in allen Wettbewerben darstellen.

             11 Mal    0 Mal

#35Mit seinen rund 600 Millionen Einwohnern wird Südostasien auch in den kommenden Jahren keine große Rolle im asiatischen und im Weltfußball spielen. Lokale Kurzsichtigkeit auf Erfolge sowie lokale ausgerichtete Politik werden Nachhaltigkeit verhindern.

             11 Mal    0 Mal

#36Chinas Herren werden, trotz des groß angestoßenen Entwicklungsprogramms im Fußball, in den nächsten 20 Jahren kein Weltmeister.

             19 Mal    2 Mal

Über den Autor: Sven Beyrich hat ein Faible für den asiatischen Fußball im Allgemeinen und für den thailändischen im Besonderen. Auf thai-fussball.com widmet er sich Letzterem seit 2009. Auch in Sachen Frauenfußball ist Sven ein Kenner – davon kann man sich beim Podcast “Lottes Erbinnen” überzeugen.

Thesen kommentieren

Fußball und Geschlecht

von Nicole Selmer (@nic_hh)

Das Geschlecht und damit verbundene Rollenbilder spielen sowohl auf als auch neben dem Platz eine Rolle. Nicole Selmer ordnet fankulturelle Phänomene und die geschlechtsspezifische Rezeption des Fußballs ein.

#37Fußball ist ein Sport von Männern für Männer: Die Erfolgsgeschichte des Fußballs ist eng mit seiner Definition als Männersache verknüpft. Zunächst war der englische Import in Deutschland eine Freizeitbeschäftigung des Bürgertums, nach dem Ersten Weltkrieg wurde er zunehmend von Arbeitern ausgeübt und zog bald Tausende in die Stadien. Parallel dazu entstand das Bild des harten Sports – auf dem Feld wie auf den Tribünen.

             9 Mal    8 Mal

#38Frauen waren immer Teil des Spiels: In den Chroniken der Vereine und Verbände bleiben sie bis heute Randnotizen, doch seit den Anfängen des Fußballs finden sich Belege dafür, dass Frauen trotz Verboten Fußball gespielt haben, dass sich unter die vielen Zuschauer im Stadion immer auch Zuschauerinnen gemischt und Frauen sich in verschiedenen Rollen – wenn auch oft am Rande – am Vereinsleben beteiligt haben.

             16 Mal    1 Mal

#39Die Fankultur ist geprägt von einer Kultur der Männlichkeit: „Eins, zwei, drei, oberkörperfrei“ – das ist eines von vielen Kurvenritualen, das auf männliche Fans zugeschnitten ist. Das Stadion und besonders die Stehplatzränge erscheinen als Hort antiquierter Männlichkeitsvorstellungen, die um Ideale wie Härte, Ehre und Stolz kreisen. Für Frauen ist es deutlich schwieriger, Zugang zu dieser Welt zu bekommen.

             15 Mal    4 Mal

#40Fankurven bieten Freiräume – für Männer wie Frauen: Wie das Trikot sitzt, ist nicht wichtig, solange es die richtige Farbe hat. Bierduschen und lautes Pöbeln gehören zum Kurvenerlebnis dazu, und volle Ränge trainieren Ellenbogeneinsatz. Für Frauen gibt es im Stadion 90 Minuten Auszeit von traditionellen Weiblichkeitsanforderungen. Für Männer ist es ein Ort, an dem sie einander in die Arme fallen und weinen können.

             15 Mal    3 Mal

#41Fußball hat kein Geschlecht: Die Trennung nach Geschlecht ist in der Geschichte des Sports tief verankert. Wer Fußball sagt, meint Männerfußball. Frauenfußball war in vielen Ländern lange verboten und ist auch heute noch benachteiligt. Männern wird Fußballwissen wie selbstverständlich unterstellt, Frauen wird es genauso selbstverständlich abgesprochen. Unsere Vorstellungen über Fußball und Geschlecht sind Produkt sozialer, politischer und kultureller Entwicklungen. Sie sind nicht naturgegeben, sondern gemacht – und damit veränderbar.

             19 Mal    1 Mal

Über die Autorin: Nicole Selmer ist stellvertretende Chefredakteurin beim Fußballmagazin ballesterer. Dabei ist die Fankultur in all ihren Ausprägungen eines ihrer Schwerpunktthemen.

Thesen kommentieren

Stellenwert und Entwicklung des Frauenfußballs

von Sven Beyrich (@el_loko74)

Der Frauenfußball hat sich in kurzer Zeit massiv weiterentwickelt – sowohl strukturell als auch sportlich. Wohin führt der Weg?

#42Der Stellenwert des Frauenfußballs in der Gesellschaft und unter Fußballfans, wird sich, ausgehend von der aktuellen Basis, in den kommenden Jahren in Gesamtbild und Wahrnehmung nur unwesentlich nach oben verändern. Er wird aber bei internationalen Wettbewerben an Stellenwert und Aufmerksamkeit zulegen.

             17 Mal    1 Mal

#43Es werden sich neben den bisherigen Top-Ligen weitere herauskristallisieren. Schwellen- und Entwicklungsländer werden darunter nicht zu finden sein. Für diese wird es eine lästige Pflichtaufgabe bleiben, um die FIFA zufriedenzustellen und das bereitgestellte Geld zu kassieren.

             11 Mal    1 Mal

#44Der Frauenfußball wird in Zukunft mehr und mehr von den großen Marken des Herrenfußballs vorangetrieben und geprägt werden. Hauptsächlich um den eigenen „Brand“ zu stärken und um für mehr Entwicklungspotenzial im Bereich des Marketings zu sorgen.

             14 Mal    2 Mal

#45Die Liga in England wird binnen zehn Jahren auf den Spuren der Premier League wandeln und im Bereich Attraktivität, Zuschauer und Geld die Top-Liga der Welt sein.

             6 Mal    8 Mal

#46Der Frauenfußball wird in seiner sportlichen Entwicklung einen weiteren großen Sprung nach vorne machen und dabei ein paar Evolutionsstufen, im Vergleich zum Herrenfußball, überspringen.

             8 Mal    8 Mal

#47Bevor die Herren Chinas Weltmeister werden, werden es die Frauen aus China.

             18 Mal    1 Mal

Thesen kommentieren

Spieltaktik und Formationen

von Constantin Eckner (@cc_eckner)

Sacchis AC Mailand, Guardiolas Barcelona, Klopps BVB – jeder Trainer hat seine Handschrift. Aber es lassen sich auch immer Trends im Bereich Spieltaktik ausmachen. Welche das in Zukunft sein könnten:

#48Bestimmte Formationen sind nur für eine Weile en vogue, denn die temporäre Vormacht fördert das Streben nach neuen Lösungen. Die Halbwertszeit wird sich verringern.

             25 Mal    2 Mal

#49Obwohl defensive Abläufe einfacher nach Schemen zu trainieren sind, werden auch einige Trainer Angriffsmuster und Spielzüge zumindest partiell immer stärker einstudieren lassen.

             22 Mal    1 Mal

#50Der Trend zu bestimmten Grundordnungen und Raumaufteilungen erfolgt zumeist aus defensiven Beweggründen, weshalb es eine Weile dauert, bis Trainer und Teams auch konstant offensive Lösungen aus den Formationen heraus abrufen können. Dies hat nicht selten Übergangsphasen offensiver “Langeweile” im Top-Fußball zur Folge.

             13 Mal    6 Mal

#51Die Darstellung von taktischen Sachverhalten wird sich im Rahmen der Berichterstattung weiter verstärken und verfeinern, aber bald einen Zustand erreicht haben, bei dem der Durchschnittszuschauer die Informationen gerade noch verdauen kann.

             15 Mal    5 Mal

Über den Autor: Constantin Eckner analysiert den Fußball und liefert Erklärungen für das, was auf dem Platz passiert. Seine Texte erscheinen u.a. bei Zeit Online, Sport1 und bei Spielverlagerung.de.

Thesen kommentieren

Spielerentwicklung

von Martin Rafelt (@MartinRafelt)

Die Ausbildung im Nachwuchsbereich wird stetig weiterentwickelt, was die Frage aufwirft, welche Fähigkeiten eigentlich die Fußballprofis der Zukunft haben:

#52Pressing und Gegenpressing kann jeder: Gerade im deutschen Nachwuchsfußball lässt es sich heute bereits erkennen: Das aggressive Arbeiten gegen den Ball wird zum Standard. Es praktizieren fast alle und es wird für die Spieler zur Selbstverständlichkeit. Nach einem Ballverlust schaltet keiner ab, sondern alle versuchen sofort, den Ball im Gegenpressing zurückzuholen.

             23 Mal    1 Mal

#53Schlechte Techniker sterben aus: Weil man von allen Gegnern kollektiv unter Druck gesetzt wird, braucht eine Mannschaft auf allen Positionen technisch gute Spieler. Pressingresistenz wird zum Muss. Und weil heutige Jugendspieler ständig gegen pressende Gegner spielen, entwickeln sie auch die notwendigen Fähigkeiten dafür besser.

             21 Mal    3 Mal

#54Dribblings werden wichtiger und häufiger: Die technischen Fortschritte werden auch dazu führen, dass sich auf allen Positionen dribbelstärkere Spieler entwickeln. Damit sind nicht nur Tempodribblings gemeint: gerade Dribblings in Zwischenräumen oder zwischen mehreren Gegnern werden häufiger. Auch weil die Trainingsmethodik besser wird. Spieler trainieren häufiger mit dem Ball.

             18 Mal    3 Mal

#55Es wird mehr Topstars geben: Athletische Fähigkeiten und taktische Organisation sind beinahe ausgereizt. Die Entwicklung der technisch-taktischen Fähigkeiten, um dagegen zu bestehen, wird erst noch kommen. Dabei werden viel mehr Spieler ausgebildet, die konstant und stabil Defensivreihen knacken können. Was früher nur Topstars konnten, werden in der Zukunft immer mehr Spieler beherrschen.

             15 Mal    5 Mal

Über den Autor: Martin Rafelt schaut Fußball ein bisschen anders. Er erkennt Bewegungsmuster und Formationen, analysiert und ordnet ein. Seine Texte erscheinen bei Spielverlagerung und in seinem Buch “Vollgasfußball” erklärt er die Fußballphilosophie von Jürgen Klopp.

Thesen kommentieren

Schiedsrichterei und Reglement

von Alex Feuerherdt (@LizasWelt)

Ohne Schiris geht es nicht und ohne Regeln schon gar nicht. Das Regelwerk bestimmt die Entwicklung des Fußballs vielleicht sogar stärker als dem einen oder anderen bewusst ist. Was sich im Bereich des Reglements ändern wird:

#56Es wird in den kommenden Jahren einige weitreichende Regeländerungen geben, die das Regelwerk noch mehr auf die Höhe der Zeit bringen und für viele besser nachvollziehbar werden lassen. Das Strategiepapier des IFAB mit dem Titel „Play Fair!“ ist dafür eine exzellente Grundlage.

             20 Mal    2 Mal

#57Das Schiedsrichterwesen im bezahlten Fußball muss noch transparenter werden. Es würde das Verständnis für die Unparteiischen fördern, wenn der DFB beispielsweise regelmäßig Entscheidungen und regeltechnische Grundlagen erläutern würde, etwa in den Social Media-Kanälen.

             30 Mal    1 Mal

#58Auch die sportrechtlichen Instanzen sollten ihre Urteile und Entscheidungsgrundlagen transparent machen. Es kann nur nützlich sein, wenn auch die Fans verstehen, wie sich zum Beispiel die Länge einer Sperre erklärt.

             24 Mal    1 Mal

#59Der Videobeweis wird die Zahl der gravierenden Fehlentscheidungen tatsächlich reduzieren. Auf dieses Ziel sollte er sich auch beschränken. Eine inflationäre Ausweitung seines Einsatzes würde das Spiel grundlegend verändern, und zwar zu seinen Ungunsten.

             24 Mal    5 Mal

#60Das Anforderungsprofil der Schiedsrichter hat sich massiv verändert, auch im Amateurfußball. Der Typus des gestrengen Kommandeurs, der die Regeln autoritär exekutiert, hat endgültig ausgedient. Heute sind Augenhöhe, Vermittlung, Empathie und Kommunikation gefragt.

             21 Mal    2 Mal

Über den Autor: Alex Feuerherdt ist langjähriger Schiedsrichter, pfiff u.a. in der Oberliga und ist in der Schiedsrichter-Ausbildung tätig. Im Schiedsrichter Podcast “Collinas Erben” und in einer gleichnamigen Kolumne bei ntv analysiert er die Schirientscheidungen in der Bundesliga.

Thesen kommentieren

Die weitere Entwicklung der Fankultur

von Michael Gabriel

Fankultur ist ein fester Bestandteil des Fußballs. Wie man dafür sorgen kann, dass dies auch so bleibt:

#61Ein Blick auf die Fankultur im Zuschauersport Fußball, der von der Frage nach Sicherheit geleitet ist und den weiteren gesellschaftlichen Rahmen außer Acht lässt, erfasst nur die halbe Wahrheit. In den Fankurven finden die Menschen Hoffnung und Verzweiflung, Glück und Trauer, Spannung und Langeweile, Freundschaft und Feindschaft und vieles mehr vom realen Leben.

             11 Mal    2 Mal

#62Die westliche Gesellschaft im Spätkapitalismus ist geprägt von Konkurrenz auf allen Ebenen und einer damit einhergehenden fortschreitenden Individualisierung und Entsolidarisierung. Ungeachtet dessen bleibt bei vielen Menschen ein Bedürfnis nach einem sozialen Miteinander und einer sozialen Verortung bestehen. Die Fankurve ist einer der wenigen verbliebenen realen gesellschaftlichen Orte, in der sich bei den Heim- und Auswärtsspielen – selbstbestimmt durch ihre Teilnehmer*innen – ein solcher sozialer Zusammenhalt manifestiert.

             14 Mal    3 Mal

#63Der professionelle Fußball als Teil der konkurrenzgetriebenen Unterhaltungsindustrie bietet immer weniger Identifikationspotenziale. Eklatantestes Beispiel: Die Spieler, einst die wichtigsten Repräsentanten der Bezugsvereine, wechseln häufig den Klub und werden zunehmend nur noch als Investment gehandelt und wahrgenommen. Das fördert Entfremdung und Distanz im Verhältnis zwischen Fans und Vereinen.

             14 Mal    5 Mal

#64Ob die Fankultur eine Zukunft hat, wird davon abhängen, ob die Verantwortlichen des Fußballs ihren Blick über die ökonomische Konkurrenz im Profifußball erweitern, die gesellschaftliche – und lokale – Relevanz der Vereine erkennen und ihre soziale Verantwortung stärken.

             12 Mal    3 Mal

#65Die Klubs müssen weiter dafür sorgen, dass die Eintrittspreise sozial verträglich bleiben und die Stehplätze als jugendgerechte Orte der Vergemeinschaftung erhalten. Egal ob eingetragene Vereine oder Kapitalgesellschaften – wichtig ist, dass mehr und nicht weniger Möglichkeiten der Partizipation und Mitbestimmung geschaffen werden, um die Menschen an sie zu binden.

             18 Mal    2 Mal

#66Es ist die Faszination des fehlerbehafteten Fußballsports, die seine Attraktivität ausmacht –  verkürzt gesagt, man weiß beim Anpfiff nicht, wie es ausgeht und der Kleine kann den Großen schlagen. Der Sport muss im Mittelpunkt stehen. Aber nur wenn die Integrität des Fußballsports und ein gerechter sportlicher Wettbewerb gewährleistet sind, wird er langfristig seine Attraktivität für die Fans behalten.

             13 Mal    2 Mal

Über den Autor: Michael Gabriel ist Leiter der Koordinationsstelle Fanprojekte. Zuvor war er u.a. verantwortlich für die Fanbetreuung bei internationalen Turnieren seit der EURO 1992 in Schweden bis zur WM 2014.

Thesen kommentieren

Mitbestimmung von Fans im Profifußball

von Maik Krükemeier (@DerUebersteiger)

Es gibt Entwicklungen im Profifußball, die sich nicht rückgängig machen lassen. Als Fensterrentner lebt es sich bequem, aber das wird nichts verändern. Ein Plädoyer für mehr Graswurzelarbeit der Fans in ihren Vereinen.

#67Fußball ohne Fans und Emotionen auf den Rängen wäre ein ziemlich langweiliger Sport. Erst durch die emotionale Beteiligung und Einflüsse von außen wird er zu jenem Gesamtprodukt, welchem wir alle unsere Freizeit widmen.

             16 Mal    4 Mal

#68„Reclaim the Game“ ist ein schöner Slogan, den es gilt (wieder beziehungsweise jetzt erst recht) mit Leben zu füllen. Selbst heute dürfte dies in vielen Vereinen oder Konstrukten kaum noch möglich sein, aber die verbliebenen Klubs gilt es zu erhalten.

             12 Mal    3 Mal

#69Die DFL ist ein Zusammenschluss ihrer Mitglieder, der Profiklubs. Sollten in diesen die vernünftigen Stimmen irgendwann die Oberhand gewinnen, so lassen sich vielleicht zumindest im Kleinen noch einige Verrücktheiten aufhalten oder gar zurückdrehen.

             8 Mal    7 Mal

#70Die Mitbestimmung in Vereinen oder Gremien von DFB und DFL ist kein Sprint. Sie erfordert viel Geduld, Beharrlichkeit und Ausdauer, sowie die Bereitschaft zur sachlichen Diskussion. Dafür ist bei einem Marathon der Lauf über die Ziellinie umso schöner.

             12 Mal    2 Mal

#71Mitbestimmung in Vereinen wird Transfersummen wie bei Neymar nicht verhindern. Aber sie gibt einem die Chance, im eigenen Verein Einfluss zu nehmen, mit zu gestalten und weiterhin in den Spiegel schauen zu können.

             13 Mal    2 Mal

#72Stadionordnung, Verhalten des Vereins bei Stadionverbotsverfahren, Schaffung von Kriterien für akzeptable Sponsoren – es gibt viele Möglichkeiten, Einfluss zu nehmen. Kleine Schritte, die im Ganzen dazu führen, den Verein wieder zu „unserem“ zu machen.

             12 Mal    2 Mal

Über den Autor: Maik Krükemeier ist einer der Köpfe hinter “Der Übersteiger”, dem Fanzine des FC St. Pauli. In seinem Herzensverein laufen die Dinge noch etwas anders und die Fans haben deutlich mehr Mitspracherecht als anderswo – das Ergebnis jahrelangen Engagements von Seiten der Fans.

Thesen kommentieren

Die Fußballübertragung der Zukunft

von Luca Schepers (@arafatssohn)

Der Fußball scheint mit dem Medium Fernsehen verwachsen – wie sich die Übertragungen und deren Inszenierung verändern könnten:

#73Die Fußballwelt benötigt dringend einen Diskurs über Fußballübertragungen und wird diesen durch den stetig wachsenden Einfluss des Internets auch führen: die Standardisierung der Übertragungen ist inzwischen derart weit fortgeschritten, dass sie sich auf einen Nullpunkt zubewegt und sich schließlich verändern wird. Wenn man das Internet richtig nutzt, kann dort die Zukunft des Fußballfernsehens mitgestaltet werden.

             16 Mal    2 Mal

#74Die Fußballübertragung wird experimenteller und interaktiver werden:
Durch den Wandel des Zuschauerverhaltens müssen sich Fernsehübertragungen andere Narrationskonzepte überlegen und den Zuschauer ans Bild fesseln. Dies gelingt nur, wenn man das Konzept Fernsehen mehrdimensional denkt und sich der spezifischen Eigenschaften des Mediums Fernsehen bewusst ist.

             11 Mal    5 Mal

#75Die Entwicklung, die es im Trainer-Beruf zu beobachten gibt, wird sich auch ins Fernsehen übertragen. Nicht mehr ehemalige Spieler werden Fernsehexperten, sondern Theoretiker: Vielleicht wird es eines Tages, ähnlich der französischen Kino-Bewegung Nouvelle Vague, umgekehrt laufen und man wird als Experte aus dem Fernsehen in den Trainerberuf hineingeholt und nicht umgekehrt.

             11 Mal    9 Mal

#76Das Privatfernsehen wird in 15 Jahren die komplette Fußballberichterstattung übernehmen: Das Öffentlich-Rechtliche Fernsehen wird die immer weiter wachsende Kostenspirale nicht mitgehen können und aus den Übertragungen aussteigen.

             11 Mal    8 Mal

#77Im deutschen Fernsehen wird es zum Standard, dass mehrere Leute gleichzeitig ein Spiel kommentieren: Die Diskussionsrunde, die bisher nur in der Halbzeit, bzw. vor und nach Spielende in Erscheinung treten, werden das ganze Spiel über zu hören sein.

             13 Mal    6 Mal

Über den Autor: Luca Schepers studiert Medienwissenschaft und ist der einzige Fußballfan in Weimar. Er bloggt und redet gerne über Filme, arbeitet für das Multimania-Magazin und leidet jede Woche mit Werder Bremen mit.

Thesen kommentieren

Rechtevergabe und Pay-TV

von Christoph Anheuser (@RC_KH)

Die Rechtevergabe ist ein Milliardengeschäft und auf welchen Kanälen das Bewegtbild zum Konsumenten kommt, ist eine elementare Frage für die Vermarktung des Fußballs. Christoph Anheuser prognostiziert was wir uns in Zukunft wo und wie ansehen können:

#78

Globale Internetdiensteanbieter wie Amazon, DAZN oder YouTube werden immer wichtiger und bei Rechtevergaben noch größere Rollen als bisher spielen: Sportrechte sind das A und O für viele Bezahlangebote. Anders als Serien, Filme oder Musik bietet der Sport das „Lagerfeuererlebnis“. Die Fans versammeln sich zu fixen Zeitpunkten vor dem Bildschirm und schauen gleichzeitig ein Spiel. Kaum ein Anbieter von Bezahlangeboten kann daher auf Sport verzichten. In Zukunft werden „klassische“ Anbieter wie Sky sich größerer Konkurrenz gegenüberstehen.

             21 Mal    1 Mal

#79Das lineare Free-TV wird für den Spitzenfußball an Bedeutung verlieren, da „on demand“ und online alles verfügbar sein wird: Der Spitzenfußball wird als Sport Nr. 1 immer seine Zielgruppe finden. Der Fan sucht aktiv nach Möglichkeiten, die Spiele seiner Mannschaft zu sehen. Daher bedarf es hier keiner „mundgerechten“ Belieferung durch das Free-TV, um im Bewusstsein der Öffentlichkeit zu bleiben. Für die kleineren Ligen und Sportarten sieht das natürlich anders aus.

             11 Mal    6 Mal

#80Es wird in Zukunft bis herunter in unterste Ligen Liveübertragungen von Amateurspielen und abstrusesten Ligen aus aller Herren Länder geben: Das Internet, vollautomatische Kameras und neue Vermarktungsmodelle haben dafür gesorgt, dass die Verbreitung von Fußballspielen so günstig ist wie noch nie. Dies führt dazu, dass auch noch so abstruse Spiele live im Internet übertragen werden, auch wenn kaum einer zuschaut. Wichtig ist die Präsenz, wichtig ist die Verfügbarkeit.

             14 Mal    3 Mal

#81Die Sportrechteblase wird – zumindest im Spitzenfußball – nicht platzen, sondern sich weiter aufblähen; Bundesliga & Co. können sich auf weiter steigende Erträge freuen: Mehr Konkurrenz sorgt für mehr Nachfrage sorgt für steigende Preise. Vergleicht man die diversen Streaming-Anbieter, bietet jeder Filme und Serien an – aber nicht jeder hat Spitzenfußball. Der Fußball ist das einzige echte Unterscheidungsmerkmal der Anbieter – und daher wird es auch weiter ein „Hauen und Stechen“ hierum geben.

             12 Mal    3 Mal

#82Für den Fan wird es immer teurer, alle Spiele seiner Lieblingsmannschaften zu sehen: Bundesliga bei Sky und Eurosport, Champions League und Europa League derzeit nur noch bei Sky, ab kommender Saison auch bei DAZN, genauso wie internationale Ligen – für den Fan gibt es immer mehr Auswahl. Doch: irgendwer muss das auch bezahlen. Früher war man mit einem Sky-Abo rundum versorgt, jetzt bezahlt man schon mindestens drei Anbieter. Und das ist noch nicht das Ende der Fahnenstange.

             14 Mal    3 Mal

Über den Autor: Wer hält welche TV-Rechte, wer steckt hinter den verschiedenen Playern im TV-Markt? Christoph Anheuser weiß es und schreibt darüber im Sportmedienblog.

Thesen kommentieren

Missstände in Sportpolitik und Medien

von Oliver Fritsch (@olifritsch)

Oli Fritsch sieht Optimierungsbedarf. Er plädiert für nachhaltige und vorausschauende Sportpolitik und fordert ein Umdenken bei Medienmachern und Zuschauern bzw. Lesern um aktuelle Misstände zu überwinden.

#83Die Medienkrise verläuft im Fußball unter umgekehrten Vorzeichen: Medien sind in einer Glaubwürdigkeitskrise, die Wut auf sie wächst. Unkritisch, zu nahe an der Macht, Teil des Systems – diese Vorwürfe bekommen Journalisten aus den Ressorts Politik, Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur vermehrt zu hören. Im Sport, vor allem im Fußball, verlaufen solche Debatten umgekehrt. Hier muss sich eher der Kritiker rechtfertigen, er muss seinen Standpunkt mit größerem Aufwand erklären als der Schwärmer und Jubler. Das liegt an den Lesern, denn die sind meist Fans. Und viele unter ihnen, ob Sky-Kunde oder Ultra, gestehen Reportern einen sehr distanzierten Umgang mit ihren Vereinen und Lieblingen, ihren Helden und Göttern, nicht zu. Merkel soll hart rangenommen werden, Mertesacker nicht.

             14 Mal    6 Mal

#84Die Diskrepanz zwischen öffentlichem und Insiderwissen ist nirgends so groß wie im Fußball: Fußball vermittelt durch sein öffentlich einsehbares Kerngeschäft auf dem Platz eine Scheinnähe. Jeder glaubt, mit den eigenen Augen zu erkennen, was passiert. Zudem erlebt der deutsche Fußball seit gut zehn Jahren, seitdem die Nachwuchsreform 2000 Früchte trägt, einen Aufschwung. Doch wer sich umsieht und umhört, bekommt viel mit von amateurhafter Unternehmensführung in Bundesliga-Vereinen, von fachlichen Mängeln bei Trainern, von Missgunst und Intrigen in Klubs, von Gerüchten um finanzielle Veruntreuung. Auch von Fußballern, die mit ihrem “Sozial”-Verhalten keine drei Monate als Arbeitnehmer in der freien Wirtschaft überleben würden. Die Ursachen dieser riesigen Diskrepanz stecken im System. Der Sender Sky, der Milliarden für die Bundesliga zahlt, redet sein Produkt nicht schlecht. Auch die Öffentlich-Rechtlichen kommen als Lizenzinhaber ihrem Auftrag zur Aufklärung zu selten nach. Auch gibt es einige Sportjournalisten, die nicht viel anders empfinden als Fans. Vor allem schweigt die Branche. Über Missstände spricht so gut wie keiner offen. Und Kritiker werden von Vereinen und Spielern geschnitten.

             28 Mal    2 Mal

#85Der Profifußball wird immer mehr Geld verlangen, auch solches, das den Amateuren zusteht: Durch eine Geheimvereinbarung verschenkt der DFB, der den gemeinnützigen Amateur- und Jugendfußball vertritt, seit Jahren zig Millionen an die DFL, die Profis. Damit verstößt er gegen seine Satzung, vielleicht auch gegen das Gesetz, auf jeden Fall aber gegen seinen politischen Auftrag. Die Vertreter des DFB tun das offenbar, um die Gunst der prominenten und reichen Bundesliga-Manager zu gewinnen. Das schadet den Amateurvereinen und auf Dauer allen. Dennoch ist aufgrund der schwachen und vermutlich schwach bleibenden Ergebnisse der Bundesligisten im Europapokal damit zu rechnen, dass die DFL immer mehr Geld fordert. Wobei sie übersieht, dass nicht alles eine Frage des Geldes ist.

             16 Mal    0 Mal

#86Fifa und Uefa sind nicht reformierbar, der DFB auch nicht: Die meisten Sportorganisationen, vielleicht sogar alle, kennen das Prinzip Opposition nicht. Es gibt selten Kampfabstimmungen, meist werden die entscheidenden Dinge in Hinterzimmern und kleinen Zirkeln ausgehandelt. Anschließend werden diese Dinge von größeren Gremien nur noch abgenickt. Wer in einem Sportverband was werden will, muss dieses Spiel wohl mitspielen, weswegen ein Profil besonders gefördert wird: der strippenziehende Jasager. Man sieht es in der Fifa: Blatter geht, Infantino kommt, also der nächste Blatter. Theoretisch ist es möglich, dass einer, der aufräumen und alles auf links drehen will, nach oben kommt. In der Praxis wird so jemand auf dem Weg dorthin verschlissen.

             27 Mal    1 Mal

Über den Autor: Oliver Fritsch schreibt seit 2008 für das Ressort Sport bei ZEIT Online und ist dort als Redakteur tätig. Darüber hinaus kuratiert er lesenswerte Texte bei indirekter freistoss und ist Mitbegründer von Hartplatzhelden.

Thesen kommentieren

Spielerberater

von Frank Lußem (@frankie1960)

Kein Profi ohne Berater, kein Transfer eines Topspielers ohne dass ein dicker Batzen Geld für sie abfällt. Wie es anders gehen könnte:

#87Wikileaks macht den Beratern das Leben schwer: Große Enthüllungen hatten meist große Veränderungen zur Folge. Watergate ist nur ein Beispiel, im deutschen Fußball der Skandal von 1971 oder die Offenlegung der Schulden von Borussia Dortmund vor 15 Jahren. Die „Spiegel“-Autoren ernteten für „Football Leaks“ viel und auf jeden Fall verdientes Lob von der Öffentlichkeit sowie ein kollektives Ausatmen der Empörung – geändert aber hat sich nichts. Im Gegenteil: auf dem Höhepunkt der Popularität des Buches wurden die drei teuersten Transfers aller Zeiten (Neymar, Dembélé und Mbappe) durchgepeitscht, sämtliche moralischen Bedenken über Bord geworfen und der Fußball durch die Geschäftemacherei der Beteiligten erneut ein Stück von seinen Fans entfernt.

             12 Mal    2 Mal

#88Die Bosse der großen Klubs können den Beratern das Handwerk legen: Ob Dortmunds Aki Watzke, Kalle Rummenigge von den Bayern oder Sandro Rosell vom FC Barcelona – sie alle haben laut und häufig gefordert, dass nicht die Klubs, sondern die Spieler ihre Berater zahlen sollen. Klingt logisch. Der Berater holt für seinen Klienten die höchstmögliche Summe heraus und partizipiert dann mit rund 12 Prozent vom Jahresgehalt. Dass sich noch nichts geändert hat, liegt daran, dass die Klubbosse die Veränderungen in dem Moment vergessen, in dem sie unbedingt den Spieler verpflichten wollen.

             18 Mal    3 Mal

#89Ein Modell wie im Immobilienhandel (Courtage) oder bei Ärzten (Gebührenordnung) würde helfen: auf jeden Fall. Aktuell sind die Grauzonen, in denen agiert wird, riesig. Es gibt Berater, die acht Prozent des Jahresgehaltes ihres Klienten bekommen, also 80 000 Euro bei einem Verdienst von einer Millionen Euro mal Vertragslaufzeit. Gilt der Vertrag fünf Jahre, sind dies 400 000 Euro für den Berater. Acht Prozent aber kassiert nur eine Minderheit. Bis zu 15 Prozent sind normal. Eine Million Euro – so hoch ist das Durchschnittsgehalt eines Erstliga-Profis. Im Jahr 2016 veröffentlichte die DFL erstmals die Summe, die binnen eines Jahres (von März 2015 bis März 2016) von den deutschen Erstliga-Klubs an die Berater gezahlt wurde: Es waren insgesamt 127,7 Millionen Euro, zum Vergleich: so hoch ist der Umsatz eines Bundesliga-Klubs wie Köln oder Frankfurt. Im darauffolgenden Jahr beliefen sich die Honorare auf rund 147 Millionen Euro. Dieses Wachstum wundert nicht, angesichts der Hochpreis-Politik des Fußball-Transfermarktes. Es ist Geld, das dem Kreislauf verloren geht, es wird nicht – wie Ablösesummen – reinvestiert oder in die Infrastruktur gepumpt. Es ist weg, auf dem Konto von Einzelpersonen oder Firmen. Beschränkt man nun – ähnlich wie im Immobilienhandel – die Courtage auf vier Prozent und gestattet diese lediglich als Einmal-Zahlung, würde die Summe auf einen Schlag drastisch verkleinert, selbst wenn man – wie bei der Gebührenordnung für Ärzte – flexible Faktoren zulässt und den Transfer eines Nationalspieler beispielsweise höher belohnt als den eines Jugendspielers – aber eben nie höher als beispielsweise fünf Prozent, egal, für welchen Agenten. Auch hier ist im Zweifelsfall zu klären, wer den Auftrag erteilt und bezahlt: der Spieler oder einer der beiden Vereine?

             16 Mal    4 Mal

#90Die Vereine könnten mit mehr Ehrlichkeit und Sorgfalt Berater überflüssig machen: War die Branche früher fast ausschließlich an der Vermittlung interessiert, bieten Beraterfirmen heute oft ein Ganzheits-Konzept an. Das bedeutet: von der Wohnungssuche über Amtsgänge bis hin zum täglichen Einkauf erledigen sie alles für den Profi. Dem gefällt es, derart gepampert zu werden, er bindet sich auch gefühlsmäßig eng an seinen Geschäftspartner. Dies passiert häufig, weil die Vereine einen Spieler verpflichten, um ihn dann in der fremden Stadt alleine zu lassen. Dies kann sich besonders bei Spielern aus dem Ausland fatal auswirken. Ebenso gefallen sich viele Klubs heute noch darin, gerade junge Spieler aus dem eigenen Nachwuchs nicht marktgerecht zu bezahlen. Würden diese beiden Gründe sich einen Berater suchen zu müssen, um nicht übervorteilt zu werden, wegfallen, könnte es sein, dass Profis das Gefühl bekommen, dass es auch ohne Berater geht. Doch Berater ist nicht gleich Berater: Es muss differenziert werden. Wenn ein einflussreicher Mann wie der Kölner Volker Struth auf die eigenen „Kollegen“ schimpft (so geschehen im „Fall Dembelé) und sie anklagt, den Ruf der Branche zu versauen, dann weiß man: Es gibt mindestens zwei Arten dieser Spezies. In der Tat wirken große Agenturen wie Sportstotal längst auch als Partner der Klubs. Ihre Spieler haben eine deutlich längere Verweildauer bei ihrem Verein als dies bei den „schwarzen Schafen“, die mit stetigem Wechseln immer mehr Geld machen wollen, der Fall ist. Die Fluktuation ist deutlich geringer, Skandale wie Trainingsverweigerung gibt es so gut wie keine.

             12 Mal    3 Mal

Über den Autor: Frank Lußem schreibt seit über 30 Jahren für den kicker. Dort leitet er die “Redaktion West” und befasst sich schwerpunktmäßig mit dem 1. FC Köln. Er kennt den Fußball und viele Fußballer in und auswendig.

Thesen kommentieren

Doping

von Jonathan Sachse (@jsachse)

Mehmet Scholl will nicht drüber reden. Doch das Thema Doping lässt sich nicht totschweigen, zu eindeutig die Hinweise, dass Dopingfälle keine Ausnahmen von der Regel sind:

#91In der Bundesliga wird gedopt. 

             40 Mal    2 Mal

#92Es kommt der Tag X. An diesem Tag wird zum ersten Mal ein größerer Kreis an aktiven Spielern des Dopings überführt werden, alle aus einem Team.

             29 Mal    2 Mal

#93Der Fußball benötigt mehr Whistleblower. Missstände wie Doping und
Wettbetrug können nur eingedämmt werden, wenn mehr Menschen aus dem Inneren den Kontakt zu Journalisten suchen.

             26 Mal    5 Mal

#94Die physische Leistungsgrenze liegt auf dem Toplevel schon bei 99
Prozent. Wer noch deutlich einen drauf legen möchte, muss dopen.

             17 Mal    10 Mal

#95Wer Doping vorbeugen möchte, muss drei Sachen ändern: nach Verletzungen sollten Spieler langsamer auf den Platz zurückkehren, weniger
Schmerzmittel verwenden und Ärzte beschäftigen, die an die Gesundheit des Spielers
denken und weniger an die Interessen eines Trainers.

             31 Mal    2 Mal

Über den Autor: Jonathan Sachse arbeitet als Journalist seit 2014 für das gemeinnützige Recherchezentrum CORRECTIV. Dort recherchiert er auch zu Sportthemen. Schon länger widmet er sich dem Thema Doping. Sein Fokus liegt dabei auf Leistungsmanipulation im Fußball (fussballdoping.de).

Thesen kommentieren

Danke

Ein großes Dankeschön möchten wir an dieser Stelle an unsere zahlreichen Autorinnen und Autoren richten. Ohne Euch wäre dieses Projekt eine bloße Idee geblieben, erst Eure Unterstützung und die spannenden Thesen haben die Realisierung möglich gemacht.
Ebenso möchten wir uns bei Ralf (@ballreiter) bedanken, da er uns bei der technischen Realisierung enorm unter die Arme gegriffen hat.

Bildnachweis

Kategorie q 120minuten

Endreas Müller heißt in Wirklichkeit ganz anders und beschäftigt sich schon länger mit Fußball im Allgemeinen und dem Bloggen im Besonderen. Vor einiger Zeit stellte er sich gemeinsam mit Christoph Wagner die Frage, warum es eigentlich in der deutschen Blogosphäre noch keine Plattform für lange Fußballtexte gibt – die Idee von ‚120minuten’ war geboren.

8 Kommentare

  1. Vielen herzlichen Dank an das 120 Minuten Team! Hochinteressantes Special, bei dem man am Liebsten über viele der Thesen sofort diskutieren möchte. Finde ich wirklich, wirklich gut gemacht.

    Ganz interessant finde ich, dass ich viele Thesen von “Bloggern” oder “Jung-Autoren” griffiger finde als jene von “Journalisten”. Hervorheben möchte ich Christoph Anheuser und Luca Schepers. Auch wenn ich nicht bei jeder These zustimme, formulieren sie jeweils eine klare These und geben eine knackige, sinnvolle Begründung, warum dieses Ereignis ihrer Meinung nach in der Zukunft eintreten wird. Auch die Thesen von Alex Feuerherdt, Endreas Müller, Lennart Birth, Sven Beyrich und Martin Rafelt empfand ich als gut gemacht.

    Bei manchen Thesen fehlt mir etwas der Bezug zur eigentlichen Fragestellung (Wie sieht der Fußball der Zukunft aus?). Bei insgesamt 95 Thesen aber auch kein Wunder. Nicole Selmer hat interessante Gedankenansätze, aber es ist mir etwas zu viel Ist-Beschreibung. Wie wird es sich denn verändern, das Thema Fußball und Geschlecht? Bei Ronny Blaschke, Frank Lußem und Oliver Fritsch sind mir die Thesen nicht prägnant genug. Da ist teilweise viel “Ich wünschte es wird so” und wenig “Es wird soundso werden”, zumal der Zukunftsbezug nicht immer gegeben ist. Das finde ich insofern schade, als dass sie alle interessante Gedanken aufgreifen (und ich normalerweise sehr gerne die Texte der betroffenen Autoren lese).

    Das nur kurz als Feedback. Vielen Dank an alle Autoren, die sich beteiligt haben, und an das Team von 120 Minuten.

    • Lennart Birth (Redaktion)

      Hallo Herr Escher,
      vielen Dank für Ihr ausführliches Feedback, es freut uns sehr, dass Ihnen die Idee gefallen hat. Natürlich haben Sie recht, es wird wohl keinen Leser geben, dem sämtliche Thesen zusagen, aber das ist ja, wie wir oben geschrieben haben, auch überhaupt nicht unser Ziel gewesen.

    • Vielen Dank für das Lob. Ich möchte ergänzen, dass wir den Autoren so viel Gestaltungsspielraum wie möglich gelassen haben – von daher sind einige Thesen eher beschreibend, andere Autoren blicken weiter in die Zukunft. Besonders interessant finde ich persönlich die Thesen von Hardy Grüne, die eher Hypothesen sind und einen möglichen Idealzustand zur Koexistenz von Profis und Amateuren beschreiben.

  2. Samba Ratisbona

    zu #95: Beinhaltet nicht nur den Fall “Fittspritzen für entscheidende Spiele”, sondern auch viel mehr nach Verletzungen bei Spielern mit leistungsbezogenen Verträgen, gerade in der 3. Liga. Da ist es weniger das Interesse des Trainers/Vereins sondern doch des betroffenen Spielers.

  3. Alexander Jarling

    Um mit Jürgen Klopp zu öffnen:
    Fussball heisst: Probleme regeln.
    Das schafft ihr mit diesem Thesen”anschlag” mit vortrefflicher Expert_innentiefe und umfassender
    Themenbreite.
    Das an einem spieltahsfreiem Feiertag lesen sowie verfolgen zu können:Dafür einen gebührenden Dank allen Mitwirkenden…

  4. Pingback: Presse 31.10.2017 | rotebrauseblogger

  5. Herzlichen Dank an alle Beteiligten! Tolle Idee, viel Stoff zum Nachdenken, manches möchte man unterstreichen, gelegentlich widersprechen, sei es aus Überzeugung, sei es wider besseres Wissen. Es führte zu weit, Zustimmung wie Widerspruch hier auszuführen, dafür ist es dann schlichtweg zu viel, fast erschlagend.

  6. Zu den Thesen #87 bis #90:
    Aus meiner Sicht sind diese Thesen eher weich und beschreibend, denn provokativ formuliert. Und mir fehlt ganz klar ein Aspekt: Warum läuft das so, wie es läuft, und wohin wird die Reise gehen?

    #87: “Wikileaks macht den Beratern das Leben schwer.” Schön wär’s. Als Beobachter gewinnt man den Eindruck, dass sich die Branche einmal ein wenig schüttelt, danach geht es weiter wie zuvor.
    #88: “Die Klubbosse könnten den Beratern das Handwerk legen.” Das wage ich zu bezweifeln. Aus meiner Sicht können das nur die Spieler selbst. Hier empfehle ich, bei Jens Lehmann nachzufragen. Der hat nie einen gehabt, sondern nutzte nur anwaltliche Beratung für die Verträge (was ich sinnvoll finde und genauso machen würde), den Rest erledigte er selbst. Das Problem: Die Spieler werden, wie Nils Petersen ja zugab, von Anfang zur Unselbständigkeit erzogen. Wie ich erfuhr, zeigt sich das bereits im Jugendbereich (U17). Heißt: Warum sollten die Spieler auf diese Berater verzichten? Sie haben doch gar keine Lust/kein Interesse, sich um solche Fragen zu kümmern. Was bedeutet, dass die Berater aus meiner Sicht nicht um ihre Zukunft bangen müssen.
    #89: Inwiefern ein Courtage-Modell ähnlich jenem in der Immobilienbranche helfen könnte, die Auswüchse zu begrenzen oder gar zurückzufahren, erschließt sich mir anhand der Schilderungen des Autors nicht. Aus meiner Sicht, ist die Frage, wer die Berater bezahlt, überhaupt nicht relevant.
    #90: Wie unter #88 schon angemerkt, liegt die Macht, den Spielerberatern ihre Macht zu nehmen, bei den Spielern, nirgends sonst.

    Und da Frank hier Herrn Struth erwähnt: Sein Geschäftsgebaren hätte ich dann doch gerne näher beleuchtet. Seine Verbindung zu Calmund und Kühne hat ihm beim HSV eine Macht verschafft, die abenteuerlich ist und dem Verein mehr schaden als nützen dürfte (siehe Wood, Hahn, Gisdol). Je weniger Sachverstand in den Führungsetagen der Vereine bzw. der ausgegliederten Profiabteilungen sitzt, desto einfacher haben es Berater. Oder sie kommen wie Herr von Heessen selbst in das Gremium und vertreten dann mehrheitlich eigene Interessen.

    Mir fehlt die Phantasie, wie sich diese Gemengelage aus persönlichen Interessen, bei denen außer den Vereinen, den Fans sowie dem Fiskus (und die haben nun mal keine Lobby) keiner einen finanziellen Schaden erleidet, auflösen ließe.

Schreibe einen Kommentar zu MrsCgn Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.