Ron Ulrich – Mein Fußball-Medien-Menü II

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Ron Ulrich (@RonUlrich11) ist seit 2011 Redakteur beim Fußballmagazin 11FREUNDE. Zuvor arbeitete er unter anderem bei der Münsterschen Zeitung und dem Tagesspiegel.

Ron Ulrich, Foto: Kai Senf

Welche Fußballmagazine, Zeitschriften und Blogs liest du regelmäßig?

Eigentlich verfolge ich eher Tageszeitungen, in unserer Redaktion liefere ich mir täglich einen erbitterten Wettlauf mit Christoph Biermann um die Ausgabe der “Süddeutschen” und damit vor allem um den Sportteil. Außerdem machen die Kollegen vom “Tagesspiegel” ein super Blatt. Bei den Magazinen lese ich sehr gerne die langen Reportagen in der englischen “FourFourTwo”, auch Fanzines wie das “Schalke Unser”, “Fan geht vor” oder “StandAMF” haben tolle, humorvolle Artikel. Wenn es um historische Reportagen geht, graben der Guardian-Blog “The forgotten story of” und “In bed with Maradona” reihenweise unglaubliche Geschichten aus.

Für welchen Text, den du in den vergangenen Wochen gelesen hast, kannst du eine uneingeschränkte Leseempfehlung aussprechen?

Ein Text aus den vergangenen Wochen fällt mir nicht ein, aber es gibt viele Texte, die man sowieso nicht häufig genug empfehlen kann. In Bezug auf investigativen Journalismus haben Oliver Fritsch von “Zeit Online” über VW und die Schiedsrichter und Rafael Buschmann vom “Spiegel” über Hooligans und Rechtsradikalismus wirklich beeindruckend gearbeitet. Mir als Pottler geht bei den Texten von “Trainer Baade” über das Ruhrgebiet auch immer das Herz auf, wie bei “Wir waren wie Saufbrüder”. Auch auf die Gefahr hin, dass man mir Klüngelei vorwirft, will ich doch die Texte meiner Kollegen noch erwähnen: Benni Kuhlhoffs Interview mit Henrik Larsson, Andreas Bocks Reise mit einem Groundhopper, Alex Raacks Interview mit Heiko Herrlich und Dirk Gieselmanns Text über Hillsborough.

Wo und wie stößt du auf lesenswerte Texte?

Mehr und mehr über die sozialen Netzwerke, aber letztendlich auch durch den Kollegen- und Freundeskreis. Ich tausche da immer wieder Links und Zeitschriften mit Dirk Gieselmann und Johannes Ehrmann aus. Wir haben einen ähnlichen Geschmack. Das geht so weit, dass wir bei unseren Lieblingstexten bestimmte Passagen auswendig aufsagen können. Johannes rief mich einmal an, ohne sich mit Namen zu melden. Ich hörte nur: “Et müffelt.” Dann Pause. “Jetzt müffelt nix mehr.” Ich wusste, dass er damit ein altes “Spiegel”-Porträt über Adolf Sauerland zitierte, das ihn total faszinierte. Wer immer von der NSA unsere Telefonate abhört, tut mir echt leid.

Manchmal stoße ich aber auch aus purem Zufall auf Texte. In einem Forum von Liverpool postete jemand einmal einen “Blizzard”-Artikel über Alexandre Villaplane. Er war Kapitän der französischen WM-Elf 1930, kollaborierte später mit den Nazis und ließ Menschen hinrichten. Genauso wie mich diese Geschichte im Negativen berührte, so vermochte es eine andere im Positiven, auf die ich auch durch ein Forum aufmerksam wurde: Ein Dortmund-Fan mit schwerer Krankheit schildert seine Erlebnisse während des Spiels gegen Malaga.

Wie liest du – am Tablet/Smartphone, am großen Bildschirm oder bist du ein Internetausdrucker und Printliebhaber?

Wir haben in unserer Redaktion eine Art “Bullshit-Bingo”, auf dem man die Macken der Redakteure abhaken kann. In einem Kästchen steht: “Ron kommt rein und druckt das Internet aus.” Mir wurde das bei der “Münsterschen Zeitung” eingebläut: Texte immer ausgedruckt und mit Stift in der Hand zu lesen bzw. zu redigieren. Ich glaube auch, dass das hilft. Also ich bin ein Internetausdrucker und Printliebhaber der schlimmsten Sorte.

Welches Fußballbuch kannst du besonders empfehlen?

Ich erzähle bestimmt nichts Neues, wenn ich sage, dass man jedes Buch von Ronald Reng blind kaufen kann. Es gibt noch ein Interview-Buch von Paul Kimmage mit dem Titel “Talk don’t run”, in dem aber nicht nur Fußballer, sondern auch andere Sportler zu Wort kommen. Die Lektüre lohnt sich. Außerdem glaube ich, dass jeder Fußball-Fan das Buch “Gentlemen, wir leben am Abgrund” von Thomas Pletzinger lieben wird. Darin begleitet er zwar ein Basketballteam (Alba Berlin), doch das Buch erzählt so viel darüber, was in einer Mannschaft und einem Verein vorgeht, dass die Sportart eigentlich egal ist.

Welche Fußball-Podcasts verfolgst du regelmäßig?

BBC Radio 5live mit Mark Chapman. Er moderiert auch die prestigeträchtige TV-Sendung “Match of the day” und hat die große Stärke, sowohl vollkommen ernst über Themen wie Taktik und Spielweisen sprechen zu können, als auch mit feinem Humor die Absurditäten der Fußball-Welt aufzugreifen. In jeder Aufzeichnung sind hochrangige Gäste zu Gast. Radiosendungen und Podcasts müssen in England einen anderen Stellenwert haben als hier. Seitdem ich im vergangenen Jahr über mehrere Monate den 1. FC Nürnberg begleitet habe, bin ich auch ein Fan des “Clubfans United”-Podcasts.

Schaust du noch die Sportschau, um dich über den Spieltag zu informieren?

Ich muss ehrlich sein: Ich schaue die Spiele entweder im Stadion oder zuletzt häufiger in der Kneipe. Aus mir vollkommen unerfindlichen Gründen schaffe ich es dann nicht zur “Sportschau” nach Hause. Bei bestimmten Spielen, die geplante Interviewpartner oder Artikel betreffen, schaue ich in der Redaktion in die “sky”-Mediathek. Ich finde, dass der NDR-“Sportclub” am Sonntag dem “Sportstudio” den Rang abgelaufen hat, auch wenn es dort nur um die Vereine aus dem Norden geht. Aber die Berichte sind kreativer aufbereitet, die Gespräche mit den Studiogästen tiefgründiger.

Welche Website, welchen Podcast, welches Magazin kannst du abseits des Fußballs empfehlen?

Für die humoristische Zerstreuung: http://www.schleckysilberstein.com/ und http://docbrummer.tumblr.com/

Für die Musik: FluxFM und Konzerte in Berlin: My true intent is all for your delight

Podcast: der WDR2-Montalk

Magazin: auf jeden Fall das “DUMMY”-Magazin mit seinen großartigen Reportagen und Fotostrecken


In der Kategorie “Mein Fußball-Medien-Menü” fragen wir Fußballer und Fußballbegeisterte, Sportjournalisten und -autoren nach ihren persönlichen Lese-, Seh- und Hörgewohnheiten zum Thema Fußball. Die Idee dazu entstand unübersehbar in Anlehnung an Christoph Kochs Medien-Menü, das inzwischen bei den Krautreportern zu finden ist.


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Teaserbild: B O O K by RkRao via flickr – CC BY 2.0

Kategorie Blog

Endreas Müller heißt in Wirklichkeit ganz anders und beschäftigt sich schon länger mit Fußball im Allgemeinen und dem Bloggen im Besonderen. Vor einiger Zeit stellte er sich gemeinsam mit Christoph Wagner die Frage, warum es eigentlich in der deutschen Blogosphäre noch keine Plattform für lange Fußballtexte gibt – die Idee von ‚120minuten’ war geboren.

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