corinthians – 120minuten https://120minuten.github.io Lange Texte. Über den Fußball. Fri, 19 Apr 2019 15:22:30 +0000 de-DE hourly 1 https://wordpress.org/?v=5.4.2 73012590 “Allmächtige Corinthians-Girls”: Wie brasilianische Fußballfans gegen Sexismus kämpfen https://120minuten.github.io/corinthias-girls-brasilien-kampf-gegen-sexismus/ https://120minuten.github.io/corinthias-girls-brasilien-kampf-gegen-sexismus/#respond Sat, 20 Apr 2019 08:00:20 +0000 https://120minuten.github.io/?p=5871 Weiterlesen]]> Als leidenschaftliche Fußballfans gründen brasilianische Frauen feministische Gruppen, um Sexismus im Sport zu bekämpfen. Dabei scheuen sie auch nicht die Auseinandersetzung mit Giganten, zeigt das Beispiel Corinthians.

Von Rosiane Siqueira
Übersetzung: Alexander Schnarr

Movimento Toda Poderosa Corinthiana: Eine feministische, brasilianische Gruppe weiblicher Corinthians-Fans, die gegen Sexismus im Fußball kämpfen.

Frauen auf der ganzen Welt wünschen sich die Freiheit, tun zu können, was sie möchten – und das beinhaltet, ihre Stimme für diese eine Liebe zu erheben: den Fußball. Brasilien sieht sich im Rahmen der letzten politischen Ereignisse einer radikalkonservativen Welle gegenüber, allerdings sind das reaktionäre Verhalten und diffuser Seximus nichts Neues für das Land: Zwischen 1941 und 1983 war es Frauen gesetzlich verboten, Sport zu treiben, mit der Begründung, dass sportliche Aktivitäten „mit ihrer Natur nicht kompatibel“ seien.

Es sind erst 36 Jahre vergangen, seitdem dieses Gesetz abgeschafft wurde. Viele der weiblichen Anhänger sind älter als 36 und haben ihre Passion über eine lange Zeit unterdrücken müssen. Heutzutage fühlen sie sich durch feministische Bewegungen in verschiedenen Bereichen bestärkt und verändern die Fußball-Szene in Brasilien.

Die furchtlosen Corinthians-Anhängerinnen

Die Bewegung namens „Movimento Toda Poderosa Corinthiana“ („Die allmächtige Corinthians-Mädchen-Bewegung, als Referenz auf den Spitznamen des brasilianischen Teams Sport Club Corinthians Paulista, „Die allmächtigen Corinthians“) ist eine der größten Gruppen weiblicher Fans im Land und verantwortlich für verschiedene Initiativen, die Respekt einfordern und Sexismus innerhalb des Fußballs bekämpfen.

Die Gruppe erlangte erstmals 2016 große Aufmerksamkeit, nachdem sie einen Offenen Brief gegen die Titelseite einer der berühmtesten brasilianischen Sportzeitungen, Lance!, veröffentlichten. Bei der Zeitung hatte man sich dazu entschieden, die Schönheit eines kurvigen Team-Models hervorzuheben, anstatt auf den beeindruckenden Sieg der Mannschaft am Abend vorher einzugehen. Der Brief wies auf die „Objektivierung“ von Frauen und den Sexismus im Leitartikel hin, der sich stets nur an eine männliche Leserschaft richtet. Die Zeitung hat auf die Kritik nie geantwortet.

Keine Angst vor Nike

2017 entschloss sich die Gruppe dazu, den Kampf gegen einen Giganten aufzunehmen: Nike. Nach der Vorstellung der Corinthians-Trikots für die neue Saison informierte der Ausstatter darüber, dass das Auswärtstrikot nicht in einer Frauenversion produziert werden wird. Das Unternehmen gab an, dass es dafür nicht genügend Nachfrage geben würde. Das Thema erhielt dank des Protests der Gruppe gewaltige Resonanz via Facebook, Instagram und Twitter: „Nicht genügend Nachfrage, Nike? Hold my beer….“ 1:0 für die Damen. Nach einem Monat intensiver Online-Angriffe überlegte Nike es sich anders und begann damit, Frauen-Versionen der Auswärtstrikots über die Webseite und in allen Corinthians-Läden zu verkaufen.

Die Aktionen, die durch die Bewegung initiiert wurden, dauern an und adressieren allgemeine Probleme innerhalb des Sports. So gab es eine Kampagne gegen Sexismus während der letzten Weltmeisterschaft in Russland oder es werden interne Entscheidungen der Vereinsführung hinterfragt, wie z.B., als Corinthians beschloss, einen Spieler zu verpflichten, dessen körperliche Aggressionen gegenüber seiner Freundin öffentlich bekannt waren.

Weibliche Fans zwischen Männern auf der Tribüne im Corinthians-Stadion in Sao Paolo, Brasilien. Auf der Fahne steht: Corintians-Mädchen gegen Sexismus.

Der Verein selbst achtet auf die Forderungen der Mädchen. Corinthians sind Pioniere im Engagement gegen Sexismus und Gewalt gegenüber Frauen in Brasilien, auf und neben dem Platz. Anfang 2019 unterzeichnete Corinthians gemeinsam mit zwei anderen großen Clubs des Landes, Palmeiras und São Paulo, eine Kooperationsvereinbarung mit der Stadtverwaltung von São Paulo. Sie verpflichteten sich dazu, sich dem Kampf gegen Gewalt gegenüber Frauen anzuschließen und weibliche Opfer von Aggressionen innerhalb der Familie und des häuslichen Umfeldes zu schützen.

Die wachsende, feministische Revolution im brasilianischen Fußball

Es sind nicht nur die weiblichen Fans von Corinthians, die gegen Sexismus in Brasilien kämpfen. Zahlreiche Gruppen und Kollektive von Frauen sind in letzter Zeit im Land entstanden, jede mit Verbindungen zu ihrem jeweiligen Herzensteam. Bei einigen Clubs findet man sogar mehr als eine Gruppe, die sich entwickelt und sich für verschiedene Themen engagiert. Trotz der Rivalität zwischen den Vereinen interagieren die Mädchen und ihre Gruppen in der Regel miteinander. Letzten Endes haben sie alle das gleiche Ziel: Respekt von Männern und das Recht, ihr Team zu lieben und frei zu unterstützen.

Gemeinsam glauben alle an ein simples und wichtiges Prinzip des Feminismus: Empathie. Kein Mädchen verdient es, belästigt zu werden, sich schämen zu müssen oder Angst davor zu haben, das zu tun, was es liebt: sein Team anzufeuern. Brasilien erlebt mehr und mehr, wie Frauen an den Fußball-Ritualen teilhaben, zu den Spielen gehen, in Sportlerinnen-Karrieren investieren, das Thema als Fan oder Journalistin diskutieren, den Sport selbst ausüben und Akteurinnen sind in etwas, das traditionell männlich ist.

Beitragsbilder: Die Fotos wurden von der Autorin zur Verfügung gestellt.

The Almighty Corinthians Girls Movement: How Brazilian football fans fight sexism

Der Text in der englischen Originalfassung/ English original version

Passionate for football, brazilian women are creating feminist groups to fight against sexism in the sport.

Women from all around the world desire the freedom to do whatever they like – and it includes speaking up their voices about one true love: football. Brazil faces a radical conservative wave in its recent political events but the reactionary behavior and diffused sexism are not something new to the country: from 1941 until 1983, a law forbade women from practicing sports under the argument that the sports practices were “incompatible with their nature”.

It has been only 36 years since this law was repealed. Many of the female supporters are older than that and have repressed their passion for a long period of their lives. Nowadays, feeling more and more empowered by feminist movements in different spheres, those women are changing the scenario of the football in Brazil.

The fearless Corinthians female supporters

The Movement named “Movimento Toda Poderosa Corinthiana” (The Almighty Corinthians Girls Movement, in a reference to how the Brazilian Team, Sport Club Corinthians Paulista, is called: The Almighty Corinthians) is one of the biggest collective of female supporters in the country and has created different initiative to demand respect and fight the sexism within football.

The Group got the attention widely for the first time in 2016 after releasing a public letter against one cover page from the most famous Brazilian sports newspaper, Lance!. The edition opted to highlight the beauty of the curvy muse model of the team instead of the impressive victory the team had done the night before. The letter pointed the “objectification” of the women and sexism of its editorial, always considering only its male audience. The newspaper never answered about the critics.

In 2017, the Collective decided to fight a battle against a giant: Nike. After launching the Corinthians uniforms for that season, the brand informed that the second uniform would not be produced in female versions. The company claimed that there was insufficient sales demand for that. The topic got massive repercussion through Facebook, Instagram and Twitter thanks to the protest created by the group. “Not enough female demand, Nike? Hold my beer…” 1×0 for the ladies. After one month of intense online attacks, Nike changed his mind and started to sell the female versions at the website and at all Corinthians stores.

And the campaigns created by the Movement go on, addressing general issues within the sport, such as the campaign against sexism during the World Cup in Russia, or questioning internal decisions and the management of the team, such as when Corinthians decided to hire a player who has a public record of physical aggression against his girlfriend.

The Club itself has paid attention to the demand of the girls. Corinthians has been one of the pioneering teams to engage into campaigns against sexism and violence against women in Brazil, inside and outside the field. At the beginning of this year, Corinthians together to other two of the biggest clubs in Brazil, Palmeiras and São Paulo, signed a cooperation agreement with the city hall of São Paulo. They committed to join in the fight against violence against women and to protect women victims of aggression in the family and residential environment.

The growing feminist revolution in Brazilian football

Not only Corinthians female supporters are fighting the sexism in Brazil. Numerous groups and collectives of women has emerged recently in the country, each one related to their heart team. For some of them, it is possible to find even more than one group emerging and being engaged into various topics. Despite the rivalry among them, the girls and their groups normally interact with the others. After all, they all aim the same: respect from the men and the right to love and support their team freely.

Commonly, they all believe in a simple and important principle from feminism: empathy. No girl deserves to be harassed, shamed or afraid to do something they love to: cheer for their team. More and more, Brazil sees women taking part of the football ritual, going to games, investing in a sports career, debating the topic as a fan or a journalist, practicing the sport and being the protagonist of something traditionally manly.

Although this feminist wave seems to be a breakthrough in Brazilian football, there is still a lot to be explored and debated within a society that shows signs of flirtation with regression when it comes to social rights and prejudice. Sexism, racism, homophobia and violence are still ghosts in every stadium of the country.

Every small initiative helps to create a safer environment for every human being with its own differences and particularities. And the girls know that very well! Holding each other’s hand, they do not intent to rewrite the world football history but to help writing new chapters.

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