Schlagwort: DDR

Seitenwechsel – Wie auf dem thüringischen Basar

Wendezeit – Schicksalszeit. Die Monate um 1989 haben in Deutschland viel durcheinander gewirbelt. Der Umbruch hat auch im Fußball entlang der ehemaligen innerdeutschen Grenze tiefe Spuren hinterlassen. Dies ist die Geschichte von zwei Männern, die von der Wende profitierten, einem Verein, für den der Umbruch den bodenlosen Absturz bedeutete und Verbänden, die die Veränderungen verschlafen haben.

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Das vergessene Wunderteam

Es gibt Geschichten, die sind fast schon zu kitschig, um wirklich wahr zu sein. Diese hier handelt von einer Handvoll Jungs, Jahrgang 1940, die zusammen in der noch jungen DDR aufwachsen. Die im gleichen Viertel groß werden, sich aus dem Schutt des Krieges einen eigenen Fußballplatz an ihrer Straße bauen, dort die Spielansetzungen gegen die Teams aus den anderen Straßen an die Wände schreiben. Die schließlich als Klassenmannschaft 1954 den Titel des “Stadtmeisters der Magdeburger Schulen” erringen, um anschließend auf Bezirksebene erst im Finale zu unterliegen. Eine Handvoll Freunde, die nach der 8. Klasse geschlossen in einen Verein eintreten, dort die B-Jugend-Konkurrenz zwei Jahre lang nach Belieben dominieren und denen schließlich, als aus Jungen Männer werden, für eine Karriere im höherklassigen Fußball die damaligen Strukturen im Wege stehen. Einer dieser Jungs ist mein Vater. Das ist auch seine Geschichte.

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Sicher gibt es bessere Zeiten

Fußballliteratur als Erinnerungsort in der DDR-Oberliga

Gern besinnen sich Fußballvereine ja auf ihre so genannten ‘Tradition’ – was interessanterweise offenbar vor allem dann passiert, wenn die richtig großen Erfolge der Vereinsgeschichte schon einige Jahre zurückliegen und die Gegenwart weit weniger glamourös daherkommt als die sportlich goldenen Zeiten, die man heute allenfalls noch aus verklärenden Erzählungen kennt. In der deutschen Fußballgeschichte sicher einzigartig ist dabei die Situationen der “Klasse von 1990/1991”, jener Gruppe von Mannschaften, die zum Ende der DDR die letzte Meisterschaft eines Verbandes ausspielten, der in ebendieser Saison und 32 Jahre nach seiner Gründung aufhörte, zu existieren. In welcher Form beziehen sich diese Clubs auf ihre eigene Geschichte, welcher Stellenwert kommt der ‘Tradition’ in diesem Zusammenhang heute noch zu und: welche Rolle spielt möglicherweise die Literatur als Erinnerungsort für Vereine, die sich Zeit ihres Bestehens mehr als nur einer tiefgreifenden Zäsur ausgesetzt sahen? Diese Fragen sind Ausgangspunkt und Zentrum des folgenden Longreads.

Autoren: Alexander Schnarr (nurderfcm.de), Julien Duez (footballski.fr), Christoph Wagner, (anoldinternational.co.uk)

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Buchbesprechung: Uwe Karte – Montreal Privat. Die unglaubliche Geschichte vom Olympiasieg der DDR-Fußballer

Die Frage, die sich mir beim Lesen dieses Buches stellte, war, was man erwarten sollte vom Titel: Montreal Privat. Aussagen der Spieler der DDR, die in Montreal dabei waren? Private Fotos? Späte Bekenneraussagen, dass man doch lieber in Kanada geblieben wäre, sich aber – aus welchen Gründen auch immer – doch entschieden hat, zurückzukehren? Nichts von alledem. Vielmehr erzählt Uwe Karte uns die Vorgeschichte der DDR-Fußballnationalmannschaft auf dem Weg zu Olympia 1976 und spannt den Bogen vom Herbst 1973 bis zum Finale im Olympiastadion von Montreal bis zum Sommer 1977. Dabei begleitet ihn Hans-Jürgen ‘Dixie’ Dörner, die Ikone von Dynamo Dresden mit Erinnerungen und Anekdoten.

Eins ist festzuhalten: Der Titel ist etwas irreführend. Privat sind nur die Fotos der Spieler, die alles mögliche festhielten, sogar von der Ersatzbank aus knipsten! Der Text dagegen behandelt die Entwicklung der DDR-Fußballnationalmannschaft in der ersten Hälfte der 1970er Jahre bis 1976, bis zum Olympiasieg in Montreal gegen Polen. Dabei verfolgt Uwe Karte die Entstehung der Mannschaft, der Georg Buschner vertraute und untermalt diese mit Ausschnitten aus der Karriere einzelner Spieler. Zentrale Figur 1976 war Dixie Dörner, der Kapitän und Spielmacher dieser Elf und auch bei diesem Buch war er mit dabei und hat in kleinen Interviews seine Sicht der Dinge präsentiert. So entsteht ein unglaublich dichtes Bild des DDR-Fußballs in seiner erfolgreichsten Phase. Uwe Karte gelingt hierbei etwas, was wohl sonst nur Jonathan Wilson schafft. Stück für Stück erläutert, er wie sich die Mannschaft herauskristalliert, wie Spiel für Spiel die Bausteine besser in die Gesamtkonstruktion passten. So erscheint es schlüssig, dass der Erfolg nur möglich war durch den Umbau der Mannschaft; die Zeit des Magdeburger Blocks, der 1974 bei der WM und vorher im Europapokal noch für Furore sorgte, war vorbei. Dresden war an der Reihe. Kraftfußball wurde durch Spielfreude und Technik ersetzt. Es sind dies die besten Passagen des Buches, weil es eben diese Einsichten in die Genese dieser Mannschaft sind, die Spannung schaffen.

Olympiasieger bist Du ein Leben lang (S.152)

Ein Erinnerungsbuch würde in den meisten Fällen die unschönen Momente auslassen oder nur sehr kurz streifen. Der Autor dagegen schließt die Berichte der Presse mit ein und diese ließ wahrhaftig kein gutes Wort an den Spielern und ihren gezeigten Leistungen. Der Leistungseinbruch nach der WM war selbst für den Trainer Buschner überraschend gekommen, was er selber gegenüber den Parteigenossen unumwunden zugab; die Presse zerriss die Mannschaft förmlich. Die fuwo war dabei wohl noch am sachlichsten, wenn sie nach einer 3:1-Schlappe gegen die CSSR schrieb: ‘Was dabei enttäuschte, war das WIE dieses 1:3.’ (S.31) Dafür sind kritische Worte, sachlich und offen, scharf und helfend, durchaus angebracht.’ (S.33) Selbst während des olympischen Turniers waren die Schreiberlinge nicht zufrieden. ‘Endlich mal Tore’ (S.133), maulte etwa die fuwo nachdem Frankreich mit 4-0 geschlagen wurde. Immerhin spielte ein gewisser Michel Platini mit, der 1984 seine Mannschaft zur Europameisterschaft führen sollte.

Nicht unerwähnt lässt Karte ebenso die unschöne politische Situation im Hintergrund. Der DTSB (Deutscher Turn- und Sportbund) und der DFV der DDR (Deutscher Fußballverband) lagen im Dauerstreit, die Gründe waren vielfältig. Der Erfolg von 1974 hatte auf beiden Seiten Begehrlichkeiten geweckt. Der DTSB sah im Fußball die Möglichkeit, doch Medaillen zu gewinnen, der DFV wollte mehr Unabhängigkeit. Dass dies logischerweise zu Konflikten führen musste, war klar. Eins der prominentesten Opfer war kein geringerer als Heinz Krügel, der den 1. FCM zwischen 1966 und 1976 zu 3 Meisterschaften, 2 Pokalsiegen sowie zum Europapokalsieg 1974 führte. Vorgeworfen wurde ihm eine mangelhafte Vorbereitung der Olympiakader; der wahre Grund waren sein Erfolg und seine politische Unangepasstheit.

Einen Schnitzer leistet sich Karte, indem er die erste Weltmeisterschaft 1930 von Uruguay nach Argentinien verlegt. Dem folgt ein kurzer Abriss über die Geschichte des Fußballs während der olympischen Spiele; leider kommt dieser mittendrin und unterbricht den Erzählstrang. Überhaupt würden dem Buch Zwischenüberschriften sehr gut tun. Dies würde dem Lesefluss helfen. Ohne jede Unterteilung geht es flott voran und man wechselt sehr häufig Szenario und Personal ohne Vorwarnung. So geht es von der Entlassung mit anschließendem Berufsverbot für Heinz Krügel im Frühsommer 1976 direkt ins vorolympische Trainingslager nach Kienbaum. Leider kommen diese Szenenwechsel ein wenig zu oft und unerwartet; eine Trennung würde hier gut tun. Nichtsdestotrotz ist Uwe Karte mit diesem Buch ein großartiger Wurf gelungen von einem Turnier und einem Olympiasieg, der heute gern vergessen und belächelt wird. Es ist kein Buch, welches in einen Ostalgieton verfällt oder in die Kategorie “Sicher gibt es bessere Zeiten, aber diese war die unsere” einzuordnen wäre.

Bei 120minuten haben wir uns dem Olympiasieg der DDR-Fußballer ebenfalls gewidmet – Autor Fedor Freytag lässt das olympische Fußballturnier Revue passieren:

Der vergessene Triumph

Bei den olympischen Sommerspielen 1976 konnte die Fußballnationalmannschaft der DDR ihren ersten und einzigen Titelgewinn feiern, der heute etwas in Vergessenheit geraten ist.

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