DDR – 120minuten https://120minuten.github.io Lange Texte. Über den Fußball. Fri, 18 Jan 2019 14:20:06 +0000 de-DE hourly 1 https://wordpress.org/?v=5.4.2 73012590 Seitenwechsel – Wie auf dem thüringischen Basar https://120minuten.github.io/seitenwechsel-wie-auf-dem-thueringischen-basar/ https://120minuten.github.io/seitenwechsel-wie-auf-dem-thueringischen-basar/#respond Sun, 20 Jan 2019 08:00:10 +0000 https://120minuten.github.io/?p=5564 Weiterlesen]]> Wendezeit – Schicksalszeit. Die Monate um 1989 haben in Deutschland viel durcheinander gewirbelt. Der Umbruch hat auch im Fußball entlang der ehemaligen innerdeutschen Grenze tiefe Spuren hinterlassen. Dies ist die Geschichte von zwei Männern, die von der Wende profitierten, einem Verein, für den der Umbruch den bodenlosen Absturz bedeutete und Verbänden, die die Veränderungen verschlafen haben.


Von Jonas Schulte, groundblogging.de, dieser Text erschien zuerst in Ausgabe 13 des Zeitspiel-Magazins, das Heft mit dem Schwerpunkt “Wendejahre” kann hier bezogen werden.

Tiefenort, Thüringen, Tauwetter. Ein smarter Herr mit Mustang-Jeans steht im Waldstadion Kaffeetälchen am Spielfeldrand und lauert auf seine Chance. Er ist einer von knapp tausend Zuschauern, die ein Spiel des DDR-Profivereins Kali Werra Tiefenort verfolgen. Aber er ist derjenige, der das Spiel ganz besonders genau beobachtet. Was hat er vor?

Es ist Anfang 1990, Blue-Jeans und West-Autos sind in der DDR damals noch wenig verbreitete Konsumgüter. Der Mann fällt auf, wird von den einheimischen Fans argwöhnisch beäugt. Er ist im Auftrag des SV Asbach – einem hessischen Bezirksligisten – über die Grenze ins thüringische Tiefenort gekommen. Er heißt Dirk Bodes, ist zu der Zeit Vorsitzender des Asbacher Fußballvereins. Der selbst gegebene Auftrag: Profispieler von der anderen Seite der löchrigen Grenze rüber in den Westen holen, den eigenen Feierabend-Fußballverein mit gestandenen Vollblut-Fußballern verstärken. „Ich wusste, dass dort kurz hinter dem Eisernen Vorhang hervorragend ausgebildete Fußballer spielten“, erinnert sich der Bau-Ingenieur heute. Was Reiner Calmund mit den Ost-West-Transfers von Andreas Thom und Ulf Kirsten im Großen gemacht hat, das versuchte Dirk Bodes im Kleinen. Er erkannte die Zeichen der Zeit.

Warum fuhr Bodes ausgerechnet nach Tiefenort, diese verschlafene Gemeinde in der westthüringischen Provinz? Weil dort, zwanzig Trabi-Minuten entfernt vom früheren Todesstreifen, der Profi-Fußball zu Hause war. Die Fördertürme ratterten, die Schlote rauchten. Das Kalibergbau-Unternehmen „VEB Kali Merkers” war die wirtschaftliche Triebfeder der Region und unterhielt eine traditionsreiche Fußballmannschaft, die auf das DDR-typische Namens-Ungeheuer BSG Aktivist Kali Werra Tiefenort hörte. Die Fußball-Kumpel gehörten damals zum Establishment der DDR-Liga, der damals zweithöchsten Spielklasse im Osten. Das Stadion im Kaffeetälchen, mitten im Wald gelegen, war eine DDR-weit gefürchtete Fußballfestung.

Die Kali-Spieler waren, wie das zu der Zeit so üblich war, im Bergbau angestellt, wurden aber meist Vollzeit für die Betriebssportgemeinschaft abgestellt, konnten also getrost als Profis durchgehen. Ihr Problem: Die Wende und die Abwicklung ihres völlig maroden Betriebes über die Treuhandgesellschaft kosteten sie ihre Arbeitsplätze. Der Kalibergbau in Merkers wurde nur kurz nach dem Zusammenbruch der DDR eingestellt. Die Zeit der völligen Unsicherheit brach über die Region an der Werra hinein.

Dunkle Zeiten im Osten, Goldgräber-Stimmung hingegen bei den Fußballvereinen im westlich angrenzenden Hessen. Die innerdeutsche Grenze wurde mehr und mehr durchlässig. Amateur-Vereinsbosse wie Dirk Bodes nutzten das für sich. „Ich hatte beruflich an der Grenze zu tun, hatte selbst zwei Grenzübergänge als Bauleiter errichtet und mich dabei umgehört, was der Fußball drüben zu bieten hatte.“ Und bei der BSG Aktivist Kali Werra Tiefenort wurde Bodes fündig. „Ich habe mir damals zwei, drei Spiele dort angeguckt. Und dann wusste ich: Diesen Heiko Adler und diesen Udo Ratz, das sind die Besten. Die wollen wir.“ Erstgenannter hatte die berühmte Fußballschule von Carl Zeiss Jena durchlaufen, war also technisch und taktisch bestens ausgebildet.

SV Asbach – Darmstadt 98, 2:1 (August 1998) – Heiko Adler, Libero rechts, war Turm in der Schlacht. Foto: Hartmut Wenzel / Hersfelder Zeitung

Nach den Spielen wanzte sich Bodes an die Spieler seiner Wahl heran. „Wir haben nach Abpfiff konspirative Gespräche geführt. Das war wie in einem Agententhriller.“ Das Kribbeln kam bei Bodes vor allem daher, dass man es auf den ostdeutschen Plätzen natürlich nicht gerne sah, wenn sich die „Besser-Wessis“ an die eigenen Spieler ran machten. „Bei einem Spiel wurden uns sogar Schläge angedroht. Da mussten wir dann galant ins Auto steigen und abfahren.“

Heiko Adler im Trikot von Kali Werra Tiefenort im Spiel gegen Sachsenring Zwickau, Quelle: bereitgestellt von Zeitspiel

Doch nur mit Anklopfen und Nachfragen kann man keinen Fußballprofis für einen Amateurverein begeistern. Dirk Bodes hatte aber ein Ass im Ärmel. Arbeitsverträge bei einem örtlichen Lebensmittel-Unternehmen. „Wir haben den beiden Spielern gesagt. Hört mal, die paar Mark im Fußball werden euch nicht mehr weiterhelfen. Ihr braucht einen Job.“ Doch Heiko Adler und Udo Ratz, die beiden gestandenen DDR-Fußballprofis, blieben zunächst standhaft und sagten nicht zu. Zwei Spiele und einen Kneipenbesuch später war es dann so weit. Neben der beruflichen Perspektive konnte Bodes mit Naturalien überzeugen. „Die hatten alle so halb fertige Häuser. Das kannte ich von zu Hause so gar nicht. Da habe ich als Bau-Ingenieur dem Udo Ratz gesagt: ‚Ich pflaster dir den Hof.‘“ Das habe dann die letzten Prozentpunkte gebracht. „Da war es um den Einen geschehen. Und weil Ratz und Adler Freunde waren, haben wir sie dann im Verbund bekommen.“

Während im kleinen Asbach Freude über die Transfer-Coups herrschte, hatte bei der BSG Aktivist Kali Werra Tiefenort längst die Ernüchterung eingesetzt. Schon unmittelbar nach dem Mauerfall verließen quasi über Nacht etwa 30 Spieler die Region und damit den Verein. Die Zweitligakicker mussten sich zwar zunächst noch für eine Spielzeit über Amateurverträge an Kali Werra binden. Das galt aber nicht für die Jugend und die zweite Mannschaft, ihres Zeichens Mitglied der drittklassigen Bezirksliga, deren Spieler im Nu auf dem Transfermarkt standen. Die BSG begann auszubluten, der Glanz glorreicher Fußball-Tage bröckelte den Tiefenortern unter der Hand weg. Heiko Adler, einst Wechsel-Profiteur, heute im Vorstand von Kali Werra Tiefenort rückblickend: „Der DFB reagierte damals nicht schnell genug. Das war eine Unverschämtheit. Es hätte Ablöse-Regelungen und Ausbildungs-Entschädigungen gebraucht.“ Die Spieler seien in der DDR ja bestens geschult worden, angrenzende West-Vereine wie Borussia Fulda, der Hünfelder SV aber eben auch der SV Asbach bekamen fertige Fußballer zum Nulltarif. „Das Geld hätte Kali Werra dringend gebraucht.“

Die Kumpel konnten zwar in der letzten Saison des DDR-Fußballs nochmal den Aufstieg von der Bezirks- in die zweitklassige DDR-Liga schaffen. Danach begann ein fast beispielloser Abwärtstrend. Der als FSV Kali Werra Tiefenort nun bürgerlich neu gegründete Verein spielte zwischenzeitlich noch einmal in der Thüringenliga. Danach begann der freie Fall bis aktuell in die Kreisliga A. Dort spielen sie heute immer noch im legendären Kaffeetälchen mit seinem Fassungsvermögen von 8.000 Zuschauern. Wenn sich heute 100 Zuschauer in die hoch aufgeschossene, verwitterte Anlage mitten im Wald verirren, ist das schon viel.

„Natürlich mussten die Vereine drüben einen bitteren Niedergang erleben. Das war schon traurig mit anzusehen“, muss Dirk Bodes zugeben, obwohl er und der SV Asbach seinen Profit aus dem Niedergang des DDR-Fußballs geschlagen haben. „Da waren tolle Vereine mit viel Tradition dabei.“ Weil die Betriebssportgemeinschaften direkt an die Betriebe angedockt waren, hätten sie nach der Wende ohnehin keine Überlebenschance gehabt. „Diesen Umstand haben wir halt für uns genutzt.“ Immerhin: Als kleine Entschädigung ist Bodes in Tiefenort heute mit seiner Firma als Werbebanden-Sponsor vertreten.

In Asbach hingegen standen die Dinge zum Besten. Die beiden Ost-Importe Adler und Ratz, denen später noch weitere folgen sollten, kamen zum ersten Training, waren da allerdings etwas verwundert. „Wir hatten ja von Asbach keine Ahnung“, erinnert sich Heiko Adler. Beim ersten Training auf dem damals noch ebenerdigen Sportplatz in Asbach waren die vormaligen Profis doch leicht verwundert. „Wir haben gedacht, das sei nur das Trainingsgelände. Und dann haben wir die einheimischen Spieler gefragt: ‚Wo ist denn hier euer Stadion?‘“ Lautes Gelächter folgte. Man war halt größeres gewohnt in Tiefenort. Dennoch entwickelte sich schnell ein harmonisches Miteinander. „Unsere beiden Ost-Importe waren absolute Musterprofis. Exzellente Fußballer und Top-Menschen“, schwärmt der damalige Vorsitzende Bodes noch heute von den Qualitäten der beiden Neuzugänge. „Sie haben sich professionell verhalten, waren bei jedem Training voll da und daran haben sich unsere bisherigen Spieler orientiert.“ Spannend sei vor allem der Austausch zwischen Wessis und Ossis gewesen, findet Adler: „Wir wussten vorher ja nicht viel von der Lebenswelt der Anderen. Wir hatten zum Beispiel völlig andere Ausrüstung. Die guten, alten Germina-Fußballschuhe aus der DDR.“

Quelle: Zeitspiel Ausgabe 13

Die Spielermischung in Asbach entpuppte sich als eine Symbiose, die einen optimalen Verlauf nahm. „Wir konnten vor allem mit unserer taktischen Ausbildung unseren neuen Mitspielern einiges beibringen“, weiß Heiko Adler zu berichten. „Ich bin dann irgendwann auf die Libero-Position gegangen und habe trotzdem immer auf der Höhe der anderen Verteidiger gespielt. So haben wir das in der DDR gelernt. Aber die Asbacher kannten das noch gar nicht.“ Dirk Bodes gerät noch heute ins Schwärmen. „So lange ich den Verein erlebt habe, war der Adler mit Abstand der beste Spieler. Ein überragender Mann. Der stand wie eine deutsche Eiche hinten drin, da war kein Vorbeikommen.“ Aber auch Udo Ratz hat bei seinem früheren Vorsitzenden einen bleibenden Eindruck hinterlassen. „Da klebte der Ball am Fuß. Ein technisch beschlagener Mittelfeldmann.“

Mit der schlagkräftigen Truppe fegte der SV Asbach über die Fußball-Region hinweg. „Wenn wir mit unseren Jungs gekommen sind, dann hatten alle Muffe.“ erinnert sich Bodes mit einem Grinsen im Gesicht. Mit Mike Lindemann kam noch der ehemalige Torjäger von Kali Werra hinzu. Enrico Keil komplettierte das Tiefenort-Quartett beim SVA. Der kleine Dorfverein eilte von Sieg zu Sieg und von Aufstieg zu Aufstieg. 1998 dann der Höhepunkt. Der Verein aus dem 1.500-Seelen-Dorf stieg in die Oberliga Hessen auf. Fortan kamen namhafte Gegner in den Vorort von Bad Hersfeld. „Jedes Spiel wurde ein Fest. Der ganze Ort stand hinter uns. Der SVA war wie eine große Familie“, schwelgt Heiko Adler in Erinnerungen. Am Sportplatz wurden dann auch endlich die Tribünen gebaut, die Heiko Adler anfangs noch vermisste.

16. August 1998: Der SVA Bad Hersfeld bezwingt vor großer Kulisse den SV Darmstadt 98 mit 2:1, Foto: Wenzel / Hersfelder Zeitung

Höhepunkte sollten die beiden Meisterschaftsspiele gegen den SV Darmstadt 98 werden. Vor heimischer Rekordkulisse von rund 4.000 Zuschauern haben die Asbacher die Lilien mit 2:1 nach Hause geschickt. Alles überragender Turm in der Schlacht damals: Libero Heiko Adler. „An dem haben sich die Darmstädter die Zähne ausgebissen“, so Bodes. Auch im Rückspiel am Böllenfalltor konnten die Fußballer vom Dorf bestehen und ein 1:1 mit nach Hause nehmen. Auch wenn es nach nur einer Saison wieder runter in die Landesliga ging. „Das sind Festtage, die in Asbach sicher niemand mehr vergisst“, ist sich Bodes sicher.

Zurück in der Gegenwart. Vielleicht ist es die Ironie des Schicksals, dass heute auch der SV Asbach am Boden ist, genauso wie der FSV Kali Werra Tiefenort. Die Osthessen mussten im diesjährigen Saison-Endspurt der Gruppenliga ihre erste Mannschaft zurückziehen. Auf dem Land schlägt der demographische Wandel zu. Es gibt nicht mehr genug gute Fußballer, um Vereine wie den SVA überregional am Leben zu halten. Eine Fusion mit den anderen Vereinen aus Bad Hersfeld steht an. Aus dem SVA, der SG Hessen und dem FSV Hohe Luft soll künftig die SG Festspielstadt werden. In Anlehnung an die jährlichen Festspiele in der Hersfelder Stiftsruine.

Was wohl passiert wäre, wenn es die Wende nicht gegeben hätte? Wäre dann Kali Werra Tiefenort immer noch ein Profiverein? Wo stünde der SV Asbach? Würden beide Mannschaften trotzdem heute am Abgrund stehen? Fragen über Fragen, an denen sich alternative Geschichtsforscher abarbeiten könnten. Eines ist für Dirk Bodes jedoch klar: „Hätte es die Wende nicht gegeben, hätten wir Spieler wie Heiko Adler nicht verpflichten können, dann hätten wir es damals niemals in die Oberliga geschafft. Nie! Das kann man so deutlich sagen.“ So wurde die Wendezeit für den Fußball auf beiden Seiten der Grenze zur Schicksalszeit.

Mannschaftsfoto der BSG Aktivist Kali Werra Tiefenort (li) und des SV Asbach, Quelle: bereitgestellt von Zeitspiel

Information
Dieser Text ist aus Ausgabe 13 des Zeitspiel-Magazins, welcher uns im Rahmen unserer Kooperation mit dem Magazin zur Veröffentlichung zur Verfügung gestellt wurde.
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Das vergessene Wunderteam https://120minuten.github.io/das-vergessene-wunderteam/ https://120minuten.github.io/das-vergessene-wunderteam/#comments Fri, 30 Jun 2017 15:00:52 +0000 https://120minuten.github.io/?p=3454 Weiterlesen]]> Es gibt Geschichten, die sind fast schon zu kitschig, um wirklich wahr zu sein. Diese hier handelt von einer Handvoll Jungs, Jahrgang 1940, die zusammen in der noch jungen DDR aufwachsen. Die im gleichen Viertel groß werden, sich aus dem Schutt des Krieges einen eigenen Fußballplatz an ihrer Straße bauen, dort die Spielansetzungen gegen die Teams aus den anderen Straßen an die Wände schreiben. Die schließlich als Klassenmannschaft 1954 den Titel des “Stadtmeisters der Magdeburger Schulen” erringen, um anschließend auf Bezirksebene erst im Finale zu unterliegen. Eine Handvoll Freunde, die nach der 8. Klasse geschlossen in einen Verein eintreten, dort die B-Jugend-Konkurrenz zwei Jahre lang nach Belieben dominieren und denen schließlich, als aus Jungen Männer werden, für eine Karriere im höherklassigen Fußball die damaligen Strukturen im Wege stehen. Einer dieser Jungs ist mein Vater. Das ist auch seine Geschichte.

Alexander Schnarr, nurderfcm.de | 120minuten.github.io

Magdeburg, Anfang der 1950er Jahre. Die heutige Landeshauptstadt Sachsen-Anhalts wurde am 16. Januar 1945 durch einen verheerenden Luftangriff der alliierten Streitkräfte stark zerstört, 90% der Altstadt fielen den Bomben zum Opfer, über 2.000 Menschen starben, mehr als 190.000 wurden ausgebombt. Die Auswirkungen sind noch deutlich zu spüren, die Aufräum- und Aufbauarbeiten kommen nur langsam voran. Wenige Jahre zuvor war ein neuer Staat gegründet worden; Magdeburg liegt nun auf dem Gebiet der Deutschen Demokratischen Republik, des sozialistischen Arbeiter- und Bauernstaates. Die Helden unserer Geschichte kümmern die politischen Umstände freilich wenig und die sozialen wie ökonomischen nur insofern, als dass man im Alltag einfach gewaltig improvisieren und mit dem klarkommen musste, was man eben so vorfand. Das war zwar nicht allzu viel, reichte aber trotzdem, um sich mit den für damalige Verhältnisse typischen Aktivitäten die Zeit zu vertreiben: Man ging zur Schule, half den Eltern mit Haus und Hof und spielte ansonsten vor allem Fußball. Immer. Die ganze Zeit. Und: bereits in jungem Alter erstaunlich selbstorganisiert. Glaubt man den Erzählungen, müssen das große Schlachten gewesen sein damals, die die Jungs aus der “Wedringer” in Magdeburg-Neustadt zum Beispiel gegen die Friedrich- oder die Kurze Straße geschlagen haben, auf einem Fußballplatz, den man sich auf einem Trümmergrundstück selbst hergerichtet hatte. Die Duelle wurden auf Häuserwänden angekündigt und Sieg oder Niederlage machten einen entweder zum König des Viertels oder zum Gespött der anderen. Eine Zeitlang zumindest, bis zum nächsten Duell.

Magdeburgs Beste und Vize im Bezirk

Die Talente der Jungs blieben natürlich auch den Erwachsenen nicht verborgen und so kam der eine oder andere schon im jungen Alter mit dem Vereinsfußball in der Nachbarschaft in Kontakt. Wirklich ernsthaft gekickt wurde aber überwiegend weiter auf der Straße mit den Freunden aus dem Viertel, die neben Mannschafts- irgendwann zu Schulkameraden wurden. Und das war – zumindest in fußballerischer Hinsicht – ein großes Glück für die Truppe, denn: organisierter, wettbewerbsorientierter Fußball war in jenen Jahren unterhalb der B-Jugend lediglich auf Schulebene möglich, weil sich die Strukturen im Jugendfußball, wie so vieles in dem noch jungen Staat, gerade erst im Aufbau befanden:

“Bis zur Gründung der DDR gab es erst eine zentrale Veranstaltung für den Nachwuchs: die Meisterschaften für die 16- bis 18jährigen Fußballspieler (A-Jugend). Ein Jahr später folgte der “Junge-Welt”-Pokal, im Jahr 1949 vom Zentralorgan der FDJ zur Förderung des Berliner Nachwuchsfußballsports ins Leben gerufen, nun ein als Einladungsturnier im Republikmaßstab ausgeschriebener Wettbewerb. In der Saison 1951/1952 kamen die Meisterschaften der 14- bis 16jährigen (B-Jugend) und der FDGB-Wanderpokal, zunächst für die A- und ab 1955 für die B-Jugend, sowie Ende des Jahres 1952 das Hallenfußball-Schülerturnier um den “Wanderpokal des 13. Dezember”, anläßlich des 4. Jahrestages der Pionierorganisation “Ernst Thälmann” aus der Taufe gehoben, in Dippoldiswalde hinzu.” (Schulze 1976, S. 77)

Mit anderen Worten: Wollte man als Zehn-, Elf- oder Zwölfjähriger Anfang der Fünfziger Jahre in der DDR wettbewerbsorientiert Fußball spielen, ging das im Prinzip nur über die Schule. So ist denn auch im Zusammenhang mit dem besagten Wanderpokal ausschließlich von Schulmannschaften die Rede:

“Am 13. Dezember 1952 schließlich fand dann in der Jahnturnhalle das erste große republikoffene Hallenturnier statt, das der Dresdner Hallenmeister, die 7. Grundschule Dresden, durch einen 5:2-Endspielsieg über die Ernst-Thälmann-Schule Kirschau gewann. Der wertvolle “Wanderpreis des 13. Dezember” wurde im nächsten Jahr von der 7. Grundschule Grimma errungen.” (ebd., S. 78)

Auch die Jungs aus der Wedringer Straße in Magdeburg kickten dementsprechend zusammen in der Schulmannschaft, die genau genommen eigentlich eine Klassenmannschaft war, rekrutierte sich das Team doch im Wesentlichen aus der “a”, also der Klasse meines Vaters und dem großen Teil seiner Freunde. Enorme Unterstützung erfuhr das Team vom damaligen Direktor der Schule, einem absoluten Fußballfanatiker, der die Jungs mitunter schon auch mal einfach trainieren ließ, wenn eigentlich Unterricht anstand. Waren Vergleiche mit den anderen Magdeburger Schulen angesetzt, konnte auch mal auf wundersame Weise der Unterricht ausfallen; zum Stadtmeisterschaftsfinale 1954 war komplett schulfrei, während alle Kinder gleichzeitig angehalten waren, sich am Endspielort im Süden der Stadt einzufinden, um die eigene Mannschaft zu unterstützen. “Weitere Privilegien in dem Sinne haben wir eigentlich keine gehabt”, erzählte mir Wolfgang Bäse, Vizekapitän der ‘54er Stadtmeistermannschaft, im April 2017 bei einem Gespräch im Wintergarten meiner Eltern, “aber es konnte durchaus schon mal vorkommen, dass man, wenn man eine Arbeit verhauen hatte und deswegen eigentlich nicht hätte spielen dürfen, die Unterschrift der Eltern erst ein, zwei Tage nach dem Spiel vorzeigen musste.”

Ähnlich wie früher auf der Straße, ging es nun auch in der Schulmeisterschaft in jedem Spiel um alles, war der Wettbewerb doch als K.O.-Turnier organisiert und konnte dementsprechend jede Partie die letzte sein. Und wie früher im Viertel gab es nun auch im organisierten Wettkampfbetrieb hartnäckige Konkurrenz, die es zu schlagen galt. Wie ernst auch die Zuschauer die Begegnungen zwischen den Schulen nahmen, illustriert eine Anekdote aus dem Halbfinale: Mittelfeldspieler Manfred Schnarr will eine Ecke schlagen, wird aber in der Ausführung zu Fall gebracht – von einem Rentner im Publikum, der mit seinem Krückstock ausgeholt hatte und dem jungen Kicker mitten in der Bewegung das Bein wegzog.

Diesen und anderen Widrigkeiten zum Trotz stieß das Team bis ins Finale vor und gewann es schließlich auch – vielleicht nicht unbedingt als technisch und taktisch beste Mannschaft, wohl aber als vermutlich eingespielteste Truppe im Teilnehmerfeld. Ein Pfund, mit dem man auch später im Verein noch gewinnbringend würde wuchern können. Als “Stadtmeister der Magdeburger Schulen” war man nun auch berechtigt, die eigenen Farben auf Bezirksebene zu vertreten. Plötzlich kamen die Gegner nicht mehr von der Richard-Dembny-Schule in Magdeburg-Ottersleben oder der Martin-Schwantes-Schule in Magdeburg-Sudenburg, sondern aus der Magdeburger Börde und der Altmark. Auch hier waren die Jungs, die einst auf der Straße zusammen kickten und plötzlich als beste Magdeburger Jugendmannschaft am Bezirkspokal teilnahmen, überaus erfolgreich und scheiterten erst im Finale. Dennoch ein Riesenerfolg für die Truppe der Thomas-Müntzer-Schule aus Magdeburg-Neustadt: Man stellte im Jahr 1954 die zweitbeste Schülermannschaft im gesamten Bezirk, also der nördlichen Hälfte des heutigen Sachsen-Anhalt.

Die Stadtmeister 1954

Wie sich erst viel, viel später herausstellen sollte, würden diese Erfolge die einzig zählbaren für das Team um Wolfgang Bäse, Manfred Schnarr, Günther Warras, Hansi Lorenz, Ingo Bode und Co. bleiben. Und das, obwohl man nach dem Verlassen der (damals noch achtjährigen) Grundschule im Jahr des Stadtmeisterschaftsgewinns nahezu geschlossen in die B-Jugend der BSG Einheit Magdeburg wechselte, dort zwei weitere Jahre lang äußerst erfolgreich zusammen kickte und unter anderem im Rahmen eines Einladungsturniers im Jahr 1956 die Altersgenossen der Stuttgarter Kickers besiegen konnte. Das heißt, genau genommen wechselte man nicht in die B-Jugend, man war die B-Jugend des Clubs. Oder noch genauer: Man war zu diesem Zeitpunkt tatsächlich die einzige Jugendmannschaft, die für die BSG Einheit Magdeburg um Punkte kämpfte – und das sollte, was zum damaligen Zeitpunkt ebenfalls noch nicht absehbar war, für den weiteren Werdegang der Bezirksvizemeister von 1954 entscheidend sein.

Betriebssport “von oben”

Bevor wir diesen Punkt wieder aufgreifen, lohnt an dieser Stelle vielleicht ein kleiner Ausflug in den leistungsorientierten DDR-Fußball zur damaligen Zeit und zur Bedeutung Magdeburger Fußballmannschaften im republikweiten Vergleich. Organisiert gekickt wurde sowohl in der sowjetischen Besatzungszone als auch bundesweit nach dem 2. Weltkrieg relativ schnell wieder; für den Osten Deutschlands ist bereits ab Herbst 1945 wieder ein geregelter Wettkampfbetrieb dokumentiert, der allerdings zunächst lediglich auf Stadt- und Kreisebene stattfand und sich nur langsam auf überregionale Vergleiche ausdehnte. Dabei darf man nicht vergessen, dass die Entwicklung des Sports in der ehemaligen DDR immer auch eng mit dem Versuch der Entwicklung der Gesellschaft als Ganzer verwoben war. Mit anderen Worten: Der Aufbau von Strukturen im DDR-Fußball war immer auch eine politische Veranstaltung. Gut zeigen lässt sich das anhand des Umstandes, dass zunächst der kommunistische Jugendverband FDJ (“Freie Deutsche Jugend”) mit der Organisation und Leitung des Spielbetriebs betraut war: “Anstelle einer Aufsicht durch die Sportämter trat die politische Führung des Sports durch die einheitliche, antifaschistisch-demokratische Jugendorganisation. Die Beschränkungen des Sportverkehrs auf das Kreisterritorium wurden durch einen Befehl der Sowjetischen Militäradministration (SMAD) aufgehoben.” (ebd., S. 16).

Im Oktober 1948 trat der “Freie Deutsche Gewerkschaftsbund” (FDGB) neben der FDJ als weiterer Träger der im politischen Vokabular der DDR-Führung so bezeichneten “demokratischen Sportbewegung” hinzu; gemeinsam mit dem FDGB-Vorsitzenden Hans Jendretzky verkündete ein gewisser Erich Honecker, Ende der 1940er Jahre Vorsitzender des Zentralrats der FDJ, bereits am 1. August 1948 folgendes:

“Die Zeit des Aufräumens und der Vorbereitung ist nun vorbei. Endlich können wir an den Aufbau einer einheitlichen demokratischen deutschen Sportbewegung herangehen… Wir rufen auf, in allen Dörfern, Städten und Großbetrieben Sportgemeinschaften ins Leben zu rufen, an deren Spitze die besten und bewährtesten antifaschistischen Sportler treten sollen. Die demokratischen Sportler, vereint in den Sportgemeinschaften, sollen ihre ehrenvollen Aufgaben in der Gesundung unseres Volkes sowie der Wiederherstellung einer friedlichen Wirtschaft erblicken… Wir wollen unseren Sport so entwickeln, daß er der Gesunderhaltung des Körpers und der Leistungssteigerung im Beruf dient und damit Freude, Frohsinn und Entspannung von der täglichen Arbeit schafft. Die Sportler und Sportlerinnen werden gemeinsam mit den Millionen organisierter fortschrittlicher Menschen den Kampf gegen den Faschismus und für den Frieden führen. Unsere demokratische Sportbewegung wird der Wiederherstellung des Ansehens Deutschlands in der Welt und der Freundschaft der Jugend aller Völker dienen.” (ebd., S. 20)

Mit dieser Initiative einer “demokratischen Sportbewegung” endete im Osten Deutschlands gewissermaßen auch endgültig die Zeit bürgerlicher Vereine (die mit Kriegsende ohnehin verboten und weitestgehend aufgelöst worden waren), stellte man doch im weiteren Verlauf auf “Betriebssport” in Trägerschaft der staatlichen Unternehmen, der sogenannten “volkseigenen Betriebe”, um. Fortan traten die Teams also als Betriebssportgemeinschaften (BSG) gegeneinander an, wobei die Vereinsnamen anzeigten, zu welcher Organisation die Mannschaften jeweils gehörten. Während die Paarungen in der Saison 1949/1950 beispielsweise “BSG Waggonbau Dessau” gegen “BSG Märkische Volksstimme Babelsberg” oder “ZSG Horch Zwickau” gegen “ZSG Industrie Leipzig” lauteten, spielte später ‘Traktor’ gegen ‘Aktivist’ und ‘Chemie’ gegen ‘Lokomotive’.

Dominanz sächsischer Teams in den Anfangsjahren des DDR-Fußballs
Magdeburger Mannschaften sucht man übrigens an der Spitze der DDR-Liga-Pyramide bis 1960 vergebens; erst in der (unterjährig ausgespielten) Saison 1959 konnte sich der SC Aufbau Magdeburg erstmals seit der Gründung der DDR für die höchste Spielklasse qualifizieren. Dominant waren in der Anfangszeit des DDR-Fußballs vor allem sächsische Teams. Horch Zwickau stellte den ersten DDR-Meister 1949, in den Jahren 1950 bis 1954 waren stets mindestens 2 sächsische Sportgemeinschaften unter den ersten 3. In der Spielzeit 1952/1953 belegten mit Dynamo Dresden, Zentra Wismut Aue, Motor Zwickau und Rotation Dresden sogar gleich vier Vereine aus Sachsen die vordersten Plätze.

Auch wenn der Magdeburger Fußball zunächst überregional überschaubar erfolgreich war, erfreute er sich in der Stadt doch ausgesprochen großer Beliebtheit. In der 2. Liga erreichten der SC Aufbau bzw. seine Vorgänger, die BSG Krupp-Gruson und Motor Mitte, einen Zuschauerschnitt von knapp 11.700 Menschen (Saison 1953/1954). In den Ligen darunter kämpften 1954 vor allem die Teams von Turbine, Aufbau Börde, Traktor Süd-West (Bezirks- und damit 3. Liga) oder Motor Magdeburg-Neustadt (Bezirksklasse) um Punkte. Die BSG Einheit, das Team der Stadtverwaltung, bei der unsere Magdeburger Stadtmeister von 1954 inzwischen den Nachwuchs bildeten, sucht man allerdings in den ersten vier DDR-Ligen vergeblich.

Das lag allerdings weniger an einem Mangel an fußballerischer Qualität, als vielmehr an den insbesondere für die Anfangszeit des DDR-Fußballs typischen Umorganisations-, Umbenennungs- und Delegationsmaßnahmen. Die Mannschaft war nämlich eigentlich im Magdeburger Fußball recht erfolgreich, trat 1949/1950 noch unter dem Namen “BSG Grün-Rot Stadt Magdeburg” in der zweitklassigen Landesklasse Nord Sachsen-Anhalt an und belegte dort den 6. Rang. Ab 1950/1951 hieß man dann eben “Einheit”, spielte drittklassig und sollte schließlich 1952/1953, nach einer weiteren Ligenreform, in der (ebenfalls drittklassigen) Bezirksliga Magdeburg an den Start gehen. Allerdings wechselte die komplette Fußball-Sektion des Stadtverwaltungsteams noch vor Saisonstart zur eben schon erwähnten BSG Aufbau Börde, die fortan den Bezirksligaplatz einnahm – ein Schicksal, das im DDR-Fußball alles andere als untypisch war und in weitaus größerem Maßstab später beispielsweise auch Empor Lauter aus dem Erzgebirge ereilen sollte. Deren Fußballabteilung musste nicht nur in eine ganz und gar andere Stadt, sondern gleich in einen völlig anderen Landesteil umziehen und ging plötzlich als SC Empor Rostock an den Start. Bei Einheit Magdeburg wurde indes zwar weiter Fußball gespielt, aber eben irgendwo unter “ferner liefen” in den Niederungen des Magdeburger Stadtfußballs.

“Wir sind vergessen worden”

Und in dieser Situation stießen nun eben unsere Stadtmeister als neue B-Jugend zum Verein. Über die Frage, warum es ausgerechnet “Einheit” wurde, lässt sich nach über 60 Jahren nur noch spekulieren – der Umstand, dass es enge personelle Verknüpfungen zwischen dem Sektionsvorstand “Fußball” im Verein und dem für Sport in Magdeburg zuständigen Stadtvorstand gab, der auch die Auszeichnung der Schulmannschaft für ihre Kreis- und Bezirksmeisterschaftserfolge vorgenommen hatte, dürfte aber keine unwesentliche Rolle gespielt haben. Wie das als neue und gleichzeitig einzige Jugendmannschaft eines Vereins dann so ist, starteten die Jungs konsequenterweise auch ganz unten in der Ligapyramide – und da man nun bereits seit gut 10 Jahren zusammen Fußball spielte, war man der Konkurrenz trotz des Status’ als Neuling ob der eigenen Eingespieltheit um Längen überlegen. Dementsprechend pflügte man der Legende nach durch die eigene Staffel, nur, um in der Saison darauf wieder in der gleichen Spielklasse antreten zu müssen. Weil es bei Einheit keine weiteren Jugendmannschaften gab, die irgendwie hätten aufrücken können, blieb den Jungs der sportlich eigentlich errungene Aufstieg schlicht und ergreifend verwehrt. Das und der Umstand, dass dem Verein die erfolgreiche Herren-Mannschaft 1952/1953 durch den Wechsel zu Aufbau Börde verlustig gegangen war, erklärt vielleicht auch, warum die Stadtmeister von 1954 nie als A-Jugend-Vereinsmannschaft um Punkte kämpften: Als es soweit war, dass man eigentlich in die höhere Altersklasse hätte aufrücken sollen, wurde gar nicht erst ein A-Jugend-Team gemeldet – die Jungs, die aus dem 54er Team noch übrig waren (und nicht aufgrund von Ausbildungen oder Umzügen ohnehin schon irgendwo anders spielten oder ganz mit dem Fußball aufgehört hatten) rutschten mit 17, 18 Jahren direkt in die unterklassig antretende Herrenmannschaft – und damit wohl endgültig aus dem Fokus des leistungsorientierten Fußballs, zumal sie in so jungen Jahren im Männerbereich “einfach untergingen” (Mittelfeldspieler Hansi Lorenz).

Die Geschichte könnte an der Stelle eigentlich enden, würde nicht eine entscheidende Frage offen bleiben. Eine, die mich umtreibt, seitdem mir mein Vater vor vielen, vielen Jahren erstmals von dieser Mannschaft erzählte, diesem “Wunderteam”, das 1954 das beste der Stadt und später in seiner Spielklasse im Jugendfußball konkurrenzlos war: Warum, zum Teufel, ist aus diesem Team niemand im höherklassigen Magdeburger Fußball angekommen? Schaut man sich den Kader des SC Aufbau an, des Vorgängervereins des heutigen 1. FC Magdeburg, dem 1959 der Erstliga-Aufstieg gelang, findet man dort Namen wie Uwe Meistring und Jürgen Isleb, ebenfalls Jahrgang 1940 und bereits mit 18, 19 Jahren mit Einsatzzeiten in Liga 1 und 2. Die Namen “Bode”, “Schnarr”, “Jungmann” oder “Lupner” findet man dort nicht – und das, obwohl es ja in der Laufbahn der ‘54er Stadt- und Bezirksvizemeister durchaus Begegnungen mit späteren Magdeburger Fußballgrößen wie Rolf “Bolle” Retschlag oder Rainer Wiedemann gab, mit denen der eine oder andere in der Jugend-Bezirksauswahl kickte; trainiert übrigens von “Anti” Kümmel, der zunächst vor allem für den Nachwuchs und die 2. Mannschaft des FCM-Vorgängers verantwortlich zeichnete und ab 1962 sogar Cheftrainer der Ersten war.

Die Antwort geben mir Wolfgang Bäse, Ingo Bode, Hansi Lorenz und mein Vater, Manfred Schnarr, im gemeinsamen Gespräch. Und sie ist erstaunlich einfach: “Wir sind vergessen worden”. Ein Sichtungssystem, wie man das heute kennt, bei dem junge Talente schon frühzeitig entdeckt werden, schnell in die entsprechenden Nachwuchsleistungszentren wechseln und dann dort unter professionellen Bedingungen technisch, taktisch und persönlich auf höchstem Niveau ausgebildet werden, war Mitte, Ende der fünfziger Jahre in der jungen DDR noch vollkommen undenkbar. Hinzu kamen die bereits erwähnten strukturellen Defizite, die längere Zeit unterhalb der B-Jugend keinen vereinsseitig organisierten Jugendfußballbetrieb vorsahen. Zwar gab es in Magdeburg ab dem Schuljahr 1953/1954 eine “Allgemeinbildende Schule mit erweitertem Unterricht im Fach Körpererziehung” (Malli/Laube 2000, S. 20), die später zur “Kinder- und Jugendsportschule” wurde und damit in das DDR-System der Nachwuchsförderung im Sport eingebunden war, allerdings kam deren Gründung für unsere Magdeburger Stadtmeister zu spät – oder die eigene Geburt zu früh, je nachdem, wie man es sehen will. Denn noch einen anderen Aspekt darf man nicht außer Acht lassen: In der Entwicklung des DDR-Sports hatte der Fußball anfangs einen schweren Stand, waren es doch eher die Einzelsportarten, die gefördert wurden, weil sie im Vergleich zu einem erst aufwändig zu entwickelnden Mannschaftssport die schnelleren (internationalen) Erfolge versprachen.

Und so kommt es, dass vier Männer Ende 70 im April 2017 irgendwo in Magdeburg gemeinsam beim Kaffee sitzen, sich an die gute, alte Zeit erinnern und im Laufe der Diskussion irgendwann die Erkenntnis reift, dass es sicherlich nicht unbedingt (nur) mangelndes Talent, sondern vor allem die zur damaligen Zeit vorherrschenden Strukturen waren, die den ganz großen Wurf und eine Karriere als Fußballer in den höchsten Spielklassen der DDR verhindert haben. Aber was heißt das schon, ‘großer Wurf’? Denn auch in diesem Punkt sind sich alle einig: Trotz der Entbehrungen, trotz der vielleicht verpassten Chancen, trotz der sicher nicht immer ganz einfachen Jahre nach dem Krieg war es rückblickend doch eine schöne Zeit. Kindheit und Jugend eben, die man weitestgehend bolzend und als eingeschworene Truppe verbrachte. Oder um es mit den Worten von Außenverteidiger Ingo Bode zu sagen: “Das waren unsere besten Jahre.”

Und es bleibt eine Stadtmeisterschaft, an die sich heute vielleicht wirklich nur noch die Spieler erinnern, die damals selbst dabei waren, die ihnen aber trotzdem niemand je wird nehmen können.

Literatur:

Malli, Hans-Joachim/Laube, Volkmar (2000): 1. FCM – Mein Club. Magdeburg: ESV Verlagsgesellschaft mbH.

Schulze, Gerhard (1976): 1949-1956/57. In: Zöller et al.: Fußball in Vergangenheit und Gegenwart. Band 2: Geschichte des Fußballsports in der DDR bis 1974. Berlin: Sportverlag.

Weitere Quellen:

Husmann, Rolf/Buss, Wolfgang (2007): “Das war gar nicht so einfach” – Fritz Gödicke und der Fußball in der DDR. Online verfügbar unter: https://doi.org/10.5446/19126.

Deutscher Sportclub für Fußballstatistiken e.V. (2015): DDR-Fußballchronik. Band 1: 1949/50-1956. Berlin.

Deutscher Sportclub für Fußballstatistiken e.V. (2006): DDR-Fußballchronik. Band 2: 1957-1962/63. Berlin.

Teichler, Hans Joachim (2006): Fußball in der DDR. Online verfügbar unter: http://www.bpb.de/apuz/29767/fussball-in-der-ddr?p=all.

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https://120minuten.github.io/das-vergessene-wunderteam/feed/ 7 3454
Sicher gibt es bessere Zeiten https://120minuten.github.io/sicher-gibt-es-bessere-zeiten/ https://120minuten.github.io/sicher-gibt-es-bessere-zeiten/#comments Thu, 24 Nov 2016 07:00:44 +0000 https://120minuten.github.io/?p=2601 Weiterlesen]]> Fußballliteratur als Erinnerungsort in der DDR-Oberliga

Gern besinnen sich Fußballvereine ja auf ihre so genannten ‘Tradition’ – was interessanterweise offenbar vor allem dann passiert, wenn die richtig großen Erfolge der Vereinsgeschichte schon einige Jahre zurückliegen und die Gegenwart weit weniger glamourös daherkommt als die sportlich goldenen Zeiten, die man heute allenfalls noch aus verklärenden Erzählungen kennt. In der deutschen Fußballgeschichte sicher einzigartig ist dabei die Situationen der “Klasse von 1990/1991”, jener Gruppe von Mannschaften, die zum Ende der DDR die letzte Meisterschaft eines Verbandes ausspielten, der in ebendieser Saison und 32 Jahre nach seiner Gründung aufhörte, zu existieren. In welcher Form beziehen sich diese Clubs auf ihre eigene Geschichte, welcher Stellenwert kommt der ‘Tradition’ in diesem Zusammenhang heute noch zu und: welche Rolle spielt möglicherweise die Literatur als Erinnerungsort für Vereine, die sich Zeit ihres Bestehens mehr als nur einer tiefgreifenden Zäsur ausgesetzt sahen? Diese Fragen sind Ausgangspunkt und Zentrum des folgenden Longreads.

Autoren: Alexander Schnarr (nurderfcm.de), Julien Duez (footballski.fr), Christoph Wagner, (anoldinternational.co.uk)

Schaut man sich die Tabelle der letzten DDR-Oberligasaison 1990/1991 an, kommt einem als im Osten Deutschlands sozialisierter Fußballfan zu allererst ein Begriff in den Sinn: “Traditionsvereine”. Neben allseits bekannten Clubs, die auch heute im Profifußball (wieder) eine Rolle spielen, stritten während des Abgesangs auf den organisierten DDR-Fußball so klangvolle Namen wie die BSG Stahl Brandenburg, der 1. FC Lokomotive Leipzig oder der Eisenhüttenstädter FC Stahl um Punkte; Vereine, die heute in den Amateurligen der Republik zuhause sind und mit einiger Wahrscheinlichkeit auch noch eine ganze Weile sein werden. Ihre Bedeutung für den gesamtdeutschen Fußball ist inzwischen allenfalls marginal, trotzdem sind die Erfolge dieser Mannschaften im und für den DFV, das DDR-Pendant zum Deutschen Fußball Bund, nicht von der Hand zu weisen: Lok Leipzig spielte einst vor 100.000 Zuschauern im Zentralstadion, dribbelte mit einiger Regelmäßigkeit im Europapokal auf und konnte 1987 sogar das Finale des Pokalsiegercups erreichen. Stahl Brandenburg und Eisenhüttenstadt traten ebenfalls jeweils eine Saison im Europapokal an.

Gemeinsam haben diese Clubs mit (wieder erwachten) Größen und ehemaligen Liga-Konkurrenten wie dem 1. FC Magdeburg und der SG Dynamo Dresden, dass die glorreichen Zeiten der nationalen Erfolge mit dem Fall der Mauer mehr oder weniger enden; die Wiedervereinigung nicht nur als historischer Meilenstein in der Weltgeschichte, sondern auch als Zäsur für den ostdeutschen Fußball. Und dennoch: Im kollektiven Gedächtnis der Fußball-affinen DDR-Sozialisierten wird man mit dem 1. FC (früher Vorwärts) Frankfurt/Oder, der BSG Chemie Leipzig oder dem Eisenhüttenstädter FC Stahl nicht zuvorderst Amateurclubs aus der Nachbarschaft, sondern den eben schon genannten Begriff der ‘Traditionsvereine’ verbinden, womit sie letztlich eben doch in einer Reihe stehen mit dem BFC Dynamo, dem FC Carl Zeiss Jena, dem 1. FC Magdeburg oder dem FC Rot-Weiß Erfurt.

Was genau verbirgt sich aber hinter dem Begriff der ‘Tradition’ und: Inwiefern ist es überhaupt legitim, von ‘Traditionsvereinen’ zu sprechen, wo doch die Traditionslinie, auf die man sich notwendigerweise berufen muss, (sport)politisch spätestens 1991 endet? Ein Umstand übrigens, der für Vereine im Osten der Bundesrepublik gleich im doppelten Sinne gilt:

“Für die Ostvereine gab es […] eine weitere Zäsur, die mit der Besatzung durch die Rote Armee 1945 begann und nach der DDR-Gründung fortgeführt wurde. Alle Verbindungslinien in die Vergangenheit, auch die vor Hitler, sollten gekappt werden. Das gelang beeindruckend gut. Danach begann ein großes Wirrwarr von Neugründungen, Zusammenlegungen, Neu-Neugründungen etc. bis dann 1966 der DDR-Fußball durch die Erschaffung von Fußballklubs seine endgültige Form annahm. Wie widersprüchlich das alles ist, kann man gut daran erkennen, dass am 26. Januar [2016] der FC Rot-Weiß Erfurt seinen 50. Geburtstag feierte. Am darauf folgenden Wochenende laufen die Spieler des Vereins mit einem Trikot auf, das mit einen Stern und der Ziffer zwei darin geschmückt ist. Die beiden solcherart zur Schau getragenen Meisterschaften wurden 1954 und 1955 gewonnen, mithin mehr als 10 Jahre vor der Vereinsgründung. Darüber kann man leicht Witze machen, es ist aber andererseits sehr schwierig, eine wirklich belastbare Verbindung zum 1895 gegründeten Cricket Club Erfurt nachzuweisen, der die ersten Fußballspiele in Erfurt durchführte und in seinem Nachfolger SC Erfurt schnell auch überregionale Erfolge feierte.” (Fedor Freytag, stellungsfehler.de)

Ähnlich verhält es sich mit dem 1. FC Magdeburg. In der Statistik stehen sieben FDGB-Pokalsiege zu Buche. Damit hat der Club von der Elbe gemeinsam mit Dynamo Dresden die meisten Pokalsiege in der ehemaligen DDR. Dabei wird aber übersehen, dass der Verein zwei dieser sieben Erfolge vor 1965 erzielt hat. Das ist insofern wichtig, als dass die Größten der Welt vor dem 22. Dezember jenen Jahres noch als SC Aufbau Magdeburg aufliefen und in rot-grünen Trikots spielten. Erst nach diesem Datum hieß der Club 1. FC Magdeburg und spielt seitdem in blau-weiß.

Nähert man sich dem Begriff der Tradition, ohne an dieser Stelle eine differenzierte theoretische Diskussion beginnen zu wollen, wissenschaftlich, so sind nach Götte drei Verwendungsweisen unterscheidbar: “In der einen wird der Traditionsbegriff zur Klärung normativer Fragen genutzt, in der zweiten wird er als Gegenbegriff zur Rationalität verwendet und in der dritten Verwendungsweise werden erfundene von echten Traditionen unterschieden.”[1] Alle drei Lesarten seien hier mit Beispielen aus der Welt des Fußballfantums kurz erläutert:

Ein normativer Traditionsbegriff verhandelt im Wesentlichen die Frage, was genau eigentlich der ‚richtige’ Gegenstand von Tradition ist und wie die Überlieferung bzw. die Weitergabe dieses Gegenstandes zu gestalten sei. Hier rücken, häufig unhinterfragt, die Erfolge früherer Tage ins Blickfeld: Die oben zitierten Meisterschaften des FC Rot-Weiß Erfurt, bevor es überhaupt einen FC Rot-Weiß Erfurt gab, oder auch der Europapokalsieg des 1. FC Magdeburg im Jahre 1974, der noch dazu mit einer Auswahl an Spielern errungen wurde, die alle aus dem gleichen Bezirk stammten. An der Stelle interessieren weniger die (gesellschaftlichen und/oder strukturellen) Rahmenbedingungen, als vielmehr die Erfolge an sich, die für ganze Fan-Generationen zu einem konstitutiven, identitätsprägenden Element werden – und sich dann eben beispielsweise auch in Form von Meisterschaftssternen auf aktuellen Trikots wiederfinden können.

Als Gegenbegriff zur Rationalität bezeichnet der Traditionsbegriff in einer vor allem soziologischen Perspektive Handlungen, die vorreflexiv, also ohne darüber nachzudenken bzw. sie zu hinterfragen, ausgeführt werden, weil man ‘es eben immer schon so gemacht hat’. Hierunter fallen beispielsweise gelebte Rivalitäten zu anderen Fangruppen, deren Ursprung für den Einzelnen sehr häufig gar nicht mehr bestimmbar sind – und auch gar keine Rolle spielen. Da hasst man dann als 18jähriger Fan des 1. FC Magdeburg mal eben den BFC oder ist sich als Anhänger des FC Erzgebirge Aue spinnefeind mit dem Nachbarn, der es mit dem Chemnitzer FC hält. “Traditionen verdanken ihre Geltungskraft also ihrer “lebensweltlichen Authentizität”, sobald aber ihr Inhalt oder auch ihr Prozess explizit zum Gegenstand der Reflexion und Überprüfung gemacht werden, werde damit die Sphäre der Tradition verlassen.”[2]

Für den Fußball generell, für Vereine aus der ehemaligen DDR-Oberliga aber in besonderem Maße interessant ist das Konzept der ‘erfundenen Traditionen’, wie es 1983 von Hobsbawm und Ranger eingeführt wurde. “Das Charakteristikum “erfundener Traditionen” ist – wie das Wort schon sagt – die erstaunliche Tatsache, dass die Kontinuität mit der historischen Vergangenheit, auf die in solchen Traditionen Bezug genommen wird, weitgehend künstlich ist. Mit anderen Worten: Es ist ein erfundener Zusammenhang, ein konstruierter.”[3] Nun wird niemand bestreiten, dass nationale Meisterschaften und Pokalsiege oder europäische Titel, auf die man sich in Memorabilia oder Liedgut beruft, lediglich ausgedacht waren. Natürlich gehören sie genauso zur Vereinsgeschichte einer SG Dynamo Dresden oder eines 1. FC Magdeburg wie die entsprechenden Pokale im Vitrinenschrank. Was – auf dieser Basis – konstruiert wird, ist vielmehr eine Aura des bruchlos Ewigen, eine Legitimation als “wahrer Traditionsclub” auf der Grundlage einer genau genommen gerade einmal fünfzigjährigen Vereinsgeschichte, die noch dazu nach 1991 einen tiefgreifenden Einschnitt erfahren hat. “Fußballfolklore” sagen die Einen, “das, was wir sind” die Anderen.

Fußballliteratur als Erinnerungsort

Unabhängig davon, wie man Tradition nun verstehen will, bleibt unbestritten, dass die eigene Geschichte, gerade dann, wenn sie Brüche aufweist, die nicht zuletzt mit massiven gesellschaftlichen Veränderungen zusammenhängen, Orte der Erinnerung benötigt. Das kann, wie z.B. im Fall des F.C. Hansa Rostock, ein Vereinsmuseum sein, aber eben auch Literatur, in der vergangene Erfolge lebendig bleiben.

Der Begriff Erinnerungsorte geht auf den französischen Historiker Pierre Nora zurück, der in den 1980er Jahren eine Aufsatzsammlung unter dem Titel Les Lieux des Mémoire veröffentlichte.[4] Die Aufsätze befassen sich mit Themen wie “Kaffee”, “Vichy” oder “Der König” und stellen eine Sammlung von Erinnerungsträgern dar, die in verschiedenen Konstellationen das Gedächtnis französischer Individuen und zugleich eine einheitliche Geschichte unter dem Begriff des Französischen bilden. Für die Bundesrepublik gibt es ein ähnliches Werk; Deutsche Erinnerungsorte und auch die DDR wurde so untersucht.[6] Allen drei Werken ist gemein, dass der Sport als Erinnerungsort darin vorkommt: Für Frankreich ist es die Tour de France, für die BRD ist es die Bundesliga und für die DDR das Sparwasser-Tor.

Das Sparwasser-Tor von 1974

Schaut man etwas weiter, so kamen weitere interessante Werke zutage. Dennoch blieb ein Eindruck: es besteht eine Unwucht im Literaturmarkt, was Oberliga-Vereine angeht. Es gibt sie, die historische Literatur zum Ostfußball, sie ist nur etwas schwerer zu finden, betrachtet man die Angebote der Sport- und anderen Verlage. Auch wenn die breite Masse an Büchern nicht vorliegen mag, so ist doch der DDR-Sport erforscht und ist darüber geschrieben worden.

Den Rahmen bilden hierbei Werke, die die Steuerung des Sports durch die SED hervorheben und sich selbstverständlich auch mit der Thematik Doping beschäftigen. Hervorgetan hat sich hier Giselher Spitzer mit einem historischen Überblick zum Doping in der DDR bzw. dem Einfluss der Stasi auf den Sport. Vergessen wird in dem Zusammenhang gern, dass es in der BRD auch ein breit angelegtes Dopingsystem gab, welches Spitzer ebenfalls erforscht und monographisch festgehalten hat. Die Verbindung Mielkes auf das runde Leder hat auch Hanns Leske untersucht.[7]

Des weiteren bietet der Werkstatt-Verlag mit Sitz in Göttingen Nachschlagewerke und Übersichtsdarstellungen zum DDR-Fußball an, jedoch ist die Diskrepanz enorm, sodass man durchaus von einer literarischen Unwucht sprechen kann. Allein von den Hamburger Vereinen kann man sich mit 10 Werken eindecken, ebenso gibt es 3 Bücher vom MSV Duisburg. Vom FSV Zwickau dagegen findet man kein Buch. Warum Duisburg und Zwickau? Zwickau war der erste DDR-Meister 1950 (damals noch als Horch Zwickau) und 1975 gewannen sie den FDGB-Pokal. Im Pokalsiegercup scheiterten die Westsachsen erst an RSC Anderlecht, dem späteren Sieger, im Halbfinale. Keine schlechte Bilanz und weitaus mehr, als die Zebras auf nationaler und europäischer Bühne vorzuweisen haben. Ein anderes Beispiel: Die Stadt Leipzig kann getrost als die Wiege des Fußballs bezeichnet werden. Hier wurde 1900 der DFB gegründet; der VfB Leipzig wurde 1903 der erste deutsche Fußballmeister überhaupt. Dazu findet sich kein Werk im Verlagsprogramm. Wir haben beim Verlag nachgefragt und standen mit Christoph Schottes in Kontakt. Seine Antwort war nicht ganz zufriedenstellend. Man habe zwar den Mangel festgestellt, könne aber keine Erklärung liefern. Der Rückbezug auf eine Westverschiebung nach 1989 ist etwas dünn, denn die gab es schon vorher. Zu Länderspielen der BRD in den Ostblock fuhren beispielsweise die DDR-Fans in Scharen; so waren 1971 bei einem Spiel in Polen mehr Anhänger aus der DDR als aus der BRD vor Ort.[8] Die Titel zur DDR im Verlagsprogramm seien immer gut gelaufen, versichert er in der Korrespondenz. Die Unterbelichtung sei da und sie wird wahrgenommen, doch das Angebot sei vorhanden, wenn auch weniger stark öffentlichkeitswirksam und stärker regional geprägt. Schottes erwähnt einen ‘kleinen regionalen Verlag aus Berlin’, der Bände über Union und Babelsberg veröffentlicht hat.

Er spricht von der Fußballfibel, die von Frank Willmann herausgegeben wird und im Culturcon medien-Verlag erscheint. Lok Leipzig, die BSG Chemie und Hansa Rostock haben schon einen Band in dieser kleinen, aber feinen Serie erhalten ebenso der 1. FC Magdeburg. Auf die Frage, wie viele Vereine denn diese ‚Bibliothek des Deutschen Fußballs’ genannte Reihe umfassen solle, antwortete Willmann im Juni 2016 bei einem Bier ganz trocken und eindeutig: “Alle.” Sein Verleger Bernd Oehlschlaeger fügte im nächsten Atemzug hinzu, dass das Konzept funktioniert. Dieses stammt von Willmann selbst und sieht vor, ähnlich (aber doch mit anderer Ausrichtung) wie in der „111 Gründe…“-Reihe des Verlags Schwarzkopf & Schwarzkopf, Fußballbücher aus Fanperspektive schreiben zu lassen, da die üblichen Nachschlagewerke Tabellen, Daten und Namen abfeierten, aber letztendlich blutleer sind. Für Fans sind Fußballvereine doch viel mehr als Zahlen und Fakten. Man denke nur an das bekannte Zitat von Bill Shankly! Der Titel “Bibliothek des Deutschen Fußballs” ist dabei als augenzwinkernder Größenwahn zu verstehen, das Ziel ist aber eindeutig: den deutschen Fußball in seiner gesamten Bandbreite abzubilden und dazu gehören nun mal die Fans.

Neben den oben erwähnten akademischen Werken zur Geschichte des DDR-Fußballs im Werkstatt-Verlag gibt es aber auch Ansätze, einzelne Vereine gezielt zu untersuchen. Die Dissertation von Michael Kummer, Ex-Herausgeber von OstDerby, ist hier beispielhaft zu nennen, der die Beziehungen von Rot-Weiß Erfurt und dem FC Carl Zeiss Jena untersuchte.[9] Sein Fazit: Die Jenaer wurden über Jahrzehnte wenn nicht bevorzugt, so doch genossen sie einen gewissen Bonus an den entscheidenden Stellen. Kummer untersucht die gesamte Zeit der DDR. Einen Blick von außen gibt es von Alan McDougall, der eine wunderbare Kulturgeschichte des Fußballsports geschrieben hat.[10]

Trotzdem bleibt die Frage, wie ehemalige DDR-Oberligisten selbst ihre eigene Tradition verstehen, verhandeln und pflegen. Deutlich werden müsste das, so unsere Idee bei den Überlegungen zu diesem Text, an der Art und Weise, wie jene Vereine und die heute handelnden Personen auf die eigene Geschichte Bezug nehmen. Anlass genug für uns, bei der “Klasse von 1990/1991” einfach einmal nachzufragen.

Zwischen Nachschlagewerk, Vereinsmuseum und Fan-Engagement

Wir haben die Clubs der letzten Oberliga-Saison in der Geschichte des DDR-Fußballs angeschrieben und jeweils um Antwort auf die folgenden 2 Fragen gebeten:

Welche Buchpublikationen zur Geschichte des Vereins sollte man unbedingt gelesen haben?

Wie ist das Thema ‚Traditionspflege und Erinnerungsarbeit‘ im Verein verankert? Gibt es z.B. eine Traditionsmannschaft, eine Dauerausstellung, regelmäßige Veranstaltungen mit Bezug zur Vereinsgeschichte…?

Geantwortet haben auf diese Anfrage der F.C. Hansa Rostock, der FC Rot-Weiß Erfurt, der Chemnitzer FC, der FC Carl Zeiss Jena, die BSG Chemie Leipzig und, nach telefonischer Nachfrage, der FSV Zwickau. Dazu haben wir noch Fedor Freytag und Uwe Busch, ihres Zeichens Fans des FC Rot-Weiß Erfurt bzw. des F.C. Hansa Rostock, um ihre Einschätzung zu den o.g. Fragen gebeten. Nachfolgend ihre Antworten:

F.C. Hansa Rostock
„Es gibt sehr viele Bücher über den F.C. Hansa Rostock, hier nur eine kleine Auswahl der beliebtesten und informativsten Bücher:

„IMMER HART AM WIND: 40 Jahre F.C. Hansa Rostock“ von unserem langjährigen, mittlerweile leider verstorbenen Vereinschronisten Robert Rosentreter.

„Hansa ist mein Leben: 50 Jahre F.C.Hansa Rostock“ von Björn Achenbach (keine klassische Chronik, aber aufgrund der Zeitzeugen sehr informativ)

„F.C. Hansa Rostock – Wir lieben dich total!“ von Andreas Baingo und Klaus Feuerherm

Das Hörbuch „Ein Schuss, ein Tor – für Hansa: 50 Jahre F.C. Hansa Rostock im Radio“ (die Geschichte des F.C. Hansa in spannenden Radioreportagen und Zeitzeugen-Berichten)

2) Im Zuge unseres 50-jährigen Jubiläums gab es verschiedene Aktionen, die ich hier mal stichpunktartig nenne:

Jubiläumsmagazin “50 Jahre F.C. Hansa Rostock“: auf insgesamt 110 Seiten wird die spannende und vor allem hoch emotionale Geschichte der Vereins erzählt, zahlreiche einzigartige Aufnahmen, viele (Hintergrund-)Stories, sechs Autoren führen nicht nur durch die Zeit von 1965 bis 2015, sondern starten bereits 1954 – im Gründungsjahr des SC Empor Rostock; zudem über zehn Seiten voller Zahlen und Fakten rund um den F.C. Hansa.

Jubiläumstrikot: Anlässlich des 50. Vereinsgeburtstages trägt das Heimtrikot der Profimannschaft in dieser Saison ein Sonderlogo, bei dem die Hansa-Kogge von einem goldenen Ehrenkranz und einer blau-weiß-roten Schärpe umschlungen wird. Als weiteres Highlight wurde die Hansa-Kogge großflächig Ton in Ton auf das Trikot sublimiert. Für alle Nostalgiker besteht die Möglichkeit, einen Abdruck der Porträts der 50 erfolgreichsten Hansa-Spieler in Form einer “50” auf dem Trikot-Rücken zu bestellen.

Eröffnung „Hanseatentreff-Tradition erleben“ im November 2015: Jubiläums-Kabinett/Hansa-Museum mit den wichtigsten Stücken der Vereinsgeschichte, wie z.B. Trikots und Bilder. Die Location kann auch für Events gebucht werden.

Jubiläums-Kollektion im Fanshop und natürlich ein offizielles Jubiläumslogo 50 Jahre F.C. Hansa

große Tribünen-übergreifende Jubiläums-Choreographie beim ersten Heimspiel 2016 gegen den VfL Osnabrück am 30.01.2016.

Generell wird die Traditionspflege beim F.C. Hansa und seinen Fans sehr groß geschrieben. Dazu gehört auch unsere Traditionsmannschaft/ Oldies, die bereits mehrfacher Deutscher Ü 40-Meister geworden ist.“

Hansa-Fan und 120minuten-Autor Uwe Busch zeichnet ein etwas differenzierteres Bild:

„[A]ls ein Standardwerk zur Geschichte des F.C. Hansa gilt allgemein “Immer hart am Wind” (Robert Rosentreter). Das Buch aus der Feder des langjährigen Vereinschronisten erschien 2005 zum 40. Vereinsjubiläum. Das Buch ist heute nicht mehr im Handel zu bekommen, seitdem ist meines Wissens nichts Vergleichbares erschienen, obwohl gerade der 50. Geburtstag Ende 2015 nach einer Fortsetzung oder wenigstens aktualisierten Neuauflage geradezu geschrien hat. Derzeit ist im Rahmen der neuen Reihe “Die Fußballfibel” (Hrsg. Frank Willmann) ein Buch zum F.C. Hansa in Arbeit, Autor ist Marco Bertram, das Buch soll noch 2016 erscheinen [Anmerkung der Redaktion: ist inzwischen geschehen]. Wenn das Buch an die bereits erschienenen Ausgaben der Reihe anknüpft, dürfen wir uns auf einen kompakten und unterhaltsamen Abriss zur Vereinsgeschichte freuen.
Dass wir Reserven hinsichtlich Traditionspflege und Erinnerung haben, lässt sich nicht abstreiten, der (von offizieller Seite) missglückte Vereinsgeburtstag machte dies deutlich. Dennoch gibt es im Verein eine sehr engagierte Arbeitsgruppe “Tradition”, in der sich Vereinsmitglieder und interessierte Fans ehrenamtlich, mit Begeisterung und Engagement die Werte und Historie des Vereins bewahren. Die Existenz des Hansa-Museums ist vor allem dem unermüdlichen Einsatz dieser Arbeitsgruppe zu verdanken, es ist ein schöner Platz, um in die Geschichte einzutauchen und Erinnerungen aufzufrischen. […] Im Tagesgeschäft des Vereins spielt die Tradition und Erinnerung (notgedrungen) eine eher untergeordnete Rolle, derzeit sind alle Anstrengungen auf die Bewältigung der existenzbedrohenden sportlichen Situation und (nicht zu vergessen) die bevorstehende Ausgliederung des Profibereiches gerichtet. So sind es vor allem die Fans, die die Erinnerungen wachhalten, das geschieht auf vielfältige Weise – mit Büchern oder im Internet, und natürlich sind ab und zu bei Choreografien Bezüge zu Ereignissen aus der Vereinsgeschichte zu sehen. Insgesamt denke ich, da geht bei Hansa noch eine Menge mehr, wobei mit unserem Museum und der Arbeitsgruppe die Voraussetzungen gar nicht so schlecht sind.“

FC Rot-Weiß Erfurt

„Es gibt eine funkelnagelneue Erscheinung: Geschichten und Anekdoten aus 50 Jahren RWE, Werkstatt-Verlag […]. Und es gibt eine Ausgabe, die zum 40. Jubiläum erschien (also vor 10 Jahren). […]

Ja, es gibt eine RWE-Traditionsmannschaft, die im Sommer regelmäßig in Thüringen auf die Dörfer reist und dort spielt. Eine Dauerausstellung gibt es nicht. Geplant ist ein kleines Fußballmuseum in der neuen Arena, deren Fertigstellung für Juni dieses Jahres angepeilt ist.

In unserem Stadionheft „RWE-EXPRESS“ erscheint zu den Heimspielen immer wieder eine historische Geschichte.“

Das sagt Fedor Freytag, der auf stellungsfehler.de über den Verein bloggt und im ersten Teil bereits zitiert wurde:

“1.) Ich kann das Buch „Die ungleichen Bedingungen des FC Rot-Weiß Erfurt und FC Carl Zeiss Jena in der DDR” von Michael Kummer unbedingt empfehlen. Das ist zwar keine Vereins-Chronik im eigentlichen Sinn, aber darin liegt womöglich die größte Stärke des Buches. Zum einen langweilen mich auf Kohärenz getrimmte Publikationen immer etwas. Zum zweiten erwächst aus der parallelen Betrachtung beider Clubs während der DDR-Zeit ein großer Erkenntnisgewinn: Wo lagen die Gemeinsamkeiten? Wo die Unterschiede? Was mussten Clubs tun, um unter den spezifischen Bedingungen der DDR erfolgreich zu sein? Das alles wird mit vielen Fakten und Zeitzeugenaussagen belegt. Um zwei besonders interessante Aspekte zu nennen: Die Verantwortlichen in den Fußballclubs, Trägerbetrieben und SED-Bezirkleitungen begingen teilweise gravierende Verstöße gegen die Vorgaben der Sportverbände. Und scheuten auch vor eindeutig strafbewehrten Handlungen nicht zurück. Meist hatte dies mit illegalen Geld-Zahlungen an Spieler zu tun. Kommt einem alles relativ zeitlos vor. Ein zweiter interessanter Aspekt liegt in dem Aufwand, den die DDR betrieben hat bzw. betreiben musste, um die Lüge vom Amateursport aufrecht zu erhalten. Jeder wusste schon damals, dass das Unsinn ist, aber man war hochnotpeinlich darauf bedacht, die formalen Kriterien zu einzuhalten. Konspirativ wie die Mafia.

2.) Ganz grundsätzlich ist es für Ostvereine sehr viel schwieriger als für Vereine aus dem Westen, eine Traditionslinie zu den Anfängen des Fußballs in der jeweiligen Region zu ziehen. Ein anhaltender Triumph der sowjetisch grundierenden Geschichtsplanierung nach dem Krieg. Für Westvereine gab es eine große historische Zäsur, die zwischen 1933 und 45. Viele Vereine haben die Omerta, diese 12 Jahre betreffend, inzwischen überwunden. Das fällt inzwischen leichter als noch in den 60er Jahren, weil nur noch sehr wenige der damals handelnden Funktionäre am Leben sind. Und ganz sicher hat sich auch die Einstellung darüber geändert, die Nazizeit als Teil der eigenen Tradition anzunehmen.

Was den Thüringer Fußball betrifft, gab es in Erfurt eine sehr sehenswerte Ausstellung im Erinnerungsort Topf & Söhne: “Kicker, Kämpfer, Legenden – Juden im deutschen Fußball“ (PDF) .

Soweit ich weiß, gab es bei der Vorbereitung eine aktive Unterstützung durch Rot-Weiß, indem man Materialien zur Verfügung stellte. Rolf Rombach, Präsident von RWE, wird auf der Webseite mit einem Grußwort zitiert.

Für die Ostvereine gab es dann eine weitere Zäsur, die mit der Besatzung durch die Rote Armee 1945 begann und nach der DDR-Gründung fortgeführt wurde. Alle Verbindungslinien in die Vergangenheit, auch die vor Hitler, sollen gekappt werden. Das gelang beeindruckend gut. Danach begann ein großes Wirrwarr von Neugründungen, Zusammenlegungen, Neu-Neugründungen, etc. bis dann 1966 der DDR-Fußball durch die Erschaffung von Fußballklubs seine endgültige Form annahm. Wie widersprüchlich das alles ist, kann man gut daran erkennen, dass am 26. Januar dieses Jahres der FC Rot-Weiß Erfurt seinen 50. Geburtstag feierte. Am darauf folgenden Wochenende laufen die Spieler des Vereins mit einem Trikot auf, das mit einen Stern und der Ziffer zwei darin geschmückt ist. Die beiden solcherart zur Schau getragenen Meisterschaften wurden 1954 und 1955 gewonnen, mithin mehr als 10 Jahre vor der Vereinsgründung. Darüber kann man leicht Witze machen, es ist aber andererseits sehr schwierig, eine wirklich belastbare Verbindung zum 1895 gegründeten Cricket Club Erfurt nachzuweisen, der die ersten Fußballspiele in Erfurt durchführte und in seinem Nachfolger SC Erfurt schnell auch überregionale Erfolge feierte. Kompliziert und widersprüchlich das alles.

Soweit ich weiß, gibt es einen Verein der sich um ein Thüringer Sportmuseum bemüht. Innerhalb eines solchen Projektes soll es auch einen Teil zum Erfurter Fußball geben. Eigentlich sind das alles Rot-Weiß-Fans die dahinter stecken, man verspricht sich aber mehr Unterstützung, wenn man das Thema/den Namen breiter anlegt. Dieser Verein hat sich darum bemüht, Räume für das Museum in der neuen Arena zu bekommen, aber ich glaube, das ist aussichtslos. Wie der aktuelle Stand ist, weiß ich nicht.

Eine Traditionsmannschaft gibt es, die ist auch sehr aktiv.

Generell war der Umgang des FC Rot-Weiß Erfurt mit seiner Tradition erratisch. Mal fand man das wichtig, mal weniger. Im Moment sind wir wohl wieder in einer Wichtig-Phase. Vor kurzem wurden Ehrenspielführer ernannt und natürlich spielte die Vereinstradition beim 50jährigen Jubiläum eine Rolle. Aber das ist insgesamt alles zu wenig und zu flatterhaft, um z.B. auf potenzielle neue Anhänger des Vereins eine soghafte Wirkung zu entfalten. So jedenfalls mein Eindruck. Das hat sicher auch mit unserem Präsidenten Rolf Rombach zu tun, einem Insolvenzverwalter aus Westfalen, der zumindest anfänglich mit der Tradition des Vereins wenig anzufangen wußte. Und sicher auch andere Sorgen hatte und hat, nämlich die permanent drohende Insolvenz des Vereins immer wieder auf Neue abzuwenden. (Darin allerdings ist er der Meister aller Klassen.) Zur Fairness gehört auch, anzumerken, dass Traditionspflege mit Geld einfacher fällt als ohne. Summarisch würde ich sagen, dass bei Rot-Weiß die Sehnsucht der Anhänger nach einer identitätsstiftenden Traditionspflege groß ist. Die Vereinsführung hat das erkannt, und will dem auch Rechnung tragen. Allerdings sucht man derzeit noch nach Wegen die dazu notwendigen Aufwände mit den Möglichkeiten der Vereins in Übereinstimmung zu bringen.“

Chemnitzer FC

„1. Welche Buchpublikationen zur Geschichte des Chemnitzer FC sollte man unbedingt gelesen haben?

“Träume, Titel, tausend Tore” Christoph Schurian, Chemnitzer Verlag und Druck

“100 Jahre Chemnitzer Fussball” Mario Schmidt, Gerhard Claus, Chemnitzer Verlag und Druck

“Bin beim Club – der Chemnitzer FC und seine Fans” Norman Schindler, Books On Demand

2. Die Traditionsmannschaft des CFC rekrutiert sich aus ehemaligen Spielern des Chemnitzer FC und kann über Jörg Illing zu Spielen eingeladen werden. Weiterhin nimmt die Mannschaft an regelmäßigen Traditionsturnieren teil. Im Jahre 2000 wurde ein Traditionskabinett als Dauerausstellung aufgebaut, zur Zeit gibt es durch den Umbau des Stadions keine Dauerausstellung. Das Prinzip der Darstellung der Vereinsgeschichte im neuen Stadion wird zur Zeit überarbeitet. Zu ausgesuchten Jubiläen werden Veranstaltungen durchgeführt.“

FC Carl Zeiss Jena

„1. Gelesen haben sollte man sicher die Vereinschroniken von Udo Gräfe. Ebenfalls lesenswert und wichtig, um diesen Verein zu begreifen: “111 Gründe, den FC Carl Zeiss Jena zu lieben” (von Matthias Koch). Ebenfalls empfehle ich die FCC-Kolumnen von Christoph Dieckmann (keiner leidet wie er) und Frank Willmann (bitterböse und einfach gut). Allein, dass unser FCC zwei Kolumnisten an seiner Seite weiß, sagt doch schon einiges… 😉

2. Ja, es gibt eine Traditionsmannschaft. Und es gibt eine Art Kabinett, das wir bescheiden „Bernsteinzimmer“ nennen. Allerdings sind die Exponate weit zahlreicher als der Raum dies zur Ausstellung hergibt. Daher soll im neu zu bauenden Stadion auch ein Vereinsmuseum integriert werden. Auch gibt es regelmäßige Veranstaltungen zur Traditionspflege.“

BSG Chemie Leipzig

„1. Tatsächlich gibt es auch über die BSG Chemie ein eher überschaubares Angebot an “Vereinsbüchern”. Das wohl wichtigste Werk und das absolute Muss in jedem Fan-Bücherregal ist die “Leutzscher Legende” von Jens Fuge, die sich mit der Vereinsgeschichte befasst. Erst anlässlich des 50-jährigen Meisterjubiläums ist eine Neuauflage erschienen. Ebenfalls von Jens Fuge ist das Buch “Der Rest von Leipzig”. Außerdem erscheinen im Laufe dieses Jahres noch zwei Bücher, die sich eher mit der Fanszene beschäftigen: “Steigt ein Fahnenwald empor” (soll Ende des Jahres veröffentlicht werden) und “Fußballfibel: BSG Chemie Leipzig” (von Alexander Mennicke – wird im Rahmen der Leipziger Buchmesse vorgestellt).

2. Mit dem Thema Traditionspflege & Erinnerungsarbeit ist momentan vor allem unser Ehrenrat betraut […]. An wichtigen Jubiläen haben wir natürlich auch entsprechende Veranstaltungen – ich verweise beispielhaft auf die Feierlichkeiten zum 50-jährigen Meisterjubiläum im Jahr 2014. Auch dieses Jahr wird es wieder ein Jubiläum zu feiern geben.“

FSV Zwickau

„ Es gibt folgende 3 Buchpublikationen zur Geschichte des FSV Zwickau:

“100 Jahre Fußball … in der Zwickauer Region….”

“Die Geschichte des FSV Zwickau”

“Von Leipzig nach Brüssel – Chronik einer Europapokalsensation!”

Es gibt eine Traditionsmannschaft. Aufgrund von Platzmangel gibt es keine Dauerausstellung. Regelmäßige Veranstaltungen mit Bezug zur Vereinsgeschichte gibt es zur Zeit nicht, wird es aber sicher geben, wenn durch den Stadionneubau Räumlichkeiten für Veranstaltungen zur Verfügung stehen.“

Es zeigt sich, dass die Themen „Traditionspflege“ und „Erinnerungsarbeit“ bei den ehemaligen DDR-Oberligisten (zumindest bei jenen, die sich hierzu äußern wollten oder konnten) durchaus eine Rolle spielen; allerdings bestätigt der Blick in die zitierten Rückmeldungen auch die Annahme, dass außerhalb der klassischen Vereinschronik nur wenige Werke existieren, die sich mit den Clubs intensiver auseinandersetzen. Interessant auch, dass seitens der Vereine dort, wo es ein entsprechendes Exemplar gibt, die „Fußballfibel“-Reihe erwähnt wird. Das verdeutlicht, dass sie sich in ihrer kurzen Zeit des Bestehens bereits die Aufmerksamkeit erarbeitet hat, die sie auch verdient.

Der Begriff der „Tradition“ ist selbstredend nicht nur bei Autorinnen und Autoren oder Vereinsoffiziellen, sondern natürlich auch bei den Anhängern jener ostdeutschen Teams bedeutsam, die sich, wie eingangs erwähnt, trotz ihrer verhältnismäßig kurzen Geschichte als „Traditionsvereine“ begreifen. Einer, der die Fanszenen des Ostens und hier insbesondere die Ultrà-Gruppen in der Saison 2015/2016 wissenschaftlich untersuchte, ist Julien Duez. Er ist Franzose, studierte in Brüssel und schrieb seine Abschlussarbeit zur Frage, welche Rolle ‚Tradition’ und der Bezug zur ehemaligen DDR bei jenen Gruppen heutzutage spielt. Für 120minuten schildert er, gewissermaßen aus einer ‚doppelten Außen-Perspektive’, nachfolgend seine Eindrücke:

„Man schaut rückwärts, denn man hat keine Zukunft”

Vielfach habe ich diesen Satz gehört: „Man schaut rückwärts, denn man hat keine Zukunft“. Ich behaupte, das fasst die Situation des Fußballs 2015/2016 in der ehemaligen DDR gut zusammen. Als Ausländer war ich erstaunt über so viele Leute und Medien, die den Ausdruck „DDR-Oberliga 2.0“ benutzen, um über die acht Ostvereine zu sprechen, die dieser Saison in der 3. Liga gegeneinander kickten. Wenn man behauptet, dass die DDR eine Diktatur war, dann klingt es logisch, dass man nach der Wende probierte, alle ihre Spuren zu löschen, um sich der Zukunft zuzuwenden. Es würde aber bedeuten, die Normalität des Alltags in der DDR in den Wind zu schlagen. Nach vierzig Jahren Bestehen, sprich zwei Generationen, hat sich eine andere Mentalität entwickelt. Eine „Ostmentalität“, die zwar nicht unbedingt im Sozialismus erworben wurde, sich aber trotzdem anders als die in der liberalen BRD während des Kalten Krieges begründet hat. Als ich über die sogenannte „Ostalgie“ mit Leuten verschiedenen Alters redete, bezog sich diese DDR-Sympathie auf ihr besseres Sozialleben oder auf freundlichere menschliche Beziehungen oder günstigere Lebenshaltungskosten oder mehr öffentliche Ordnung oder die Abwesenheit von Immigranten usw. Die Ostalgie existiert also nicht als Massenphänomen, sondern in der Form von persönlichen Erinnerungen und Gefühlen. Das Fazit bleibt offenbar das gleiche: Keiner möchte, dass die Mauer wieder aufgebaut wird. Dies gilt insbesondere für die junge Generation, die mit verschiedenen materiellen Vorteilen der europäischen Integration sehr zufrieden ist, wie zum Beispiel der Abschaffung der Grenzen oder dem Euro als Einheitswährung. Ein Schritt nach hinten würde sich von diesem Lebensraum, in dem sie sich wohl fühlen, radikal abheben.

Es war also unmöglich, dass die Wiedervereinigung das Erbe der ehemaligen DDR zunichte macht. Auch war es unmöglich zu verhindern, dass die Eltern bzw. Großeltern, die vollständig in dieser Epoche gelebt haben, ihre Kinder bzw. Enkel mit den Prinzipien, nach denen sie selbst erzogen wurden, voll oder teilweise erziehen. Darum benutzen die aktuelle Ost-Ultraszenen verschiedene Elemente, die an die DDR erinnern, obwohl sie damit nichts zu tun haben wollen in Anbetracht ihrer negativen Konnotation.

Das Wort „Tradition“ hat in Deutschland einen sehr speziellen Sinn, da man dort immer mit einer Dichotomie zwischen den so genannten „Traditions-“ bzw. „Kommerzvereinen“ operiert. Die Tradition ist nicht nur mit dem Alter oder dem kommerziellen Status des Vereins verbunden (siehe oben). Ansonsten könnte ein Club wie Bayer Leverkusen – 1904 gegründet – mehr Tradition einfordern als die SG Dynamo Dresden, die 1963 gegründet wurde. Tradition ist mit den Werten des Vereins verbunden. Auch mit der Treue seines Publikums (27.000 Zuschauer besuchten im Durchschnitt das Stadion Dresden, obwohl der Club in der 3. Liga spielte) und einer Menge Symbolen, wie zum Beispiel dem Namen des Clubs. Auch die lokale Verankerung, der Name des Stadions (das Publikum des 1. FC Magdeburg nennt die MDCC-Arena lieber Heinz-Krügel-Stadion), die Erfolge (z.B. die zehn Meistertitel in Folge des BFC Dynamo), die bedeutenden Spiele (der „Schandelfmeter aus Leipzig“ zwischen dem 1. FC Lokomotive und dem BFC Dynamo im März 1986), eine eventuelle Teilnahme an europäischen Wettbewerben (z.B. der Sieg des FCM im Europapokal der Pokalsieger 1974) oder Kultspieler (Torsten Mattuschka beim 1. FC Union Berlin) spielen eine Rolle. Tradition ist nicht unbedingt mit Erfolg verbunden: Fans von Mannschaften wie Lok Leipzig (2015/2016 noch Oberliga Nordost) oder der FC Carl Zeiss Jena (Regionalliga Nordost) fordern mehr Tradition als Kommerzvereine wie der VfL Wolfsburg (obwohl der seit neunzehn Saisons in Folge in der ersten Liga spielt) oder die TSG Hoffenheim (obwohl der Investor aus dem Ort stammt). Man kann also behaupten, dass die Tradition anstelle des sportlichen Erfolgs das einzige Ding ist, mit dem die Fans im Osten prahlen können. Quod erat demonstrandum.

Die Ostmannschaften – so wie viele andere Bereiche der ostdeutschen Gesellschaft – haben durch die Wiedervereinigung sehr gelitten. In der Tat sollten sie in die Meisterschaft der BRD integriert werden, obwohl das Niveau der Bundesliga schon hoch genug war und man eigentlich auf die Dienste ihrer Ostkollegen verzichten konnte. So wurde die sogenannte „Zwei-plus-sechs“-Regel entschieden. Nach der Saison 1990/1991 wurden nur zwei Ostmannschaften in die erste Liga integriert und sechs in die zweite. Acht Vereine der ehemaligen DDR-Oberliga (und alle der DDR-Liga, der zweithöchsten Spielklasse) verschwanden also in der Versenkung. Egal wie viel Erfolg sie hatten. Außerdem sind viele erfolgreiche Ostspieler während und nach der Wiedervereinigung in den Westen gegangen, weil die Löhne dort viel attraktiver waren. Dies hat nachhaltig dazu beigetragen, das Niveau des Ostfußballs zu schwächen. Auch der Übergang von einer Clubverwaltung nach sowjetischem Vorbild zur Realität des Fußballs der Gewinner des Kalten Krieges, der auf Professionalität und Kapitalismus gegründet war, wurde ein Misserfolg. Das Zerschlagen der Betriebssportgemeinschaften, die nicht mit privaten Investoren verwechselt werden dürfen – und dieses System gilt auch heutzutage – hat dazu beigetragen, die finanzielle Unterstützung der Ostvereine versiegen zu lassen.

Trotz der relativ schwachen Situation der Ostvereine, schaffen die meisten von ihnen es immer noch, jedes zweite Wochenende eine großartige Zuschaueranzahl ins Stadion zu bringen. Das Beispiel lautet SG Dynamo Dresden. Mit den bereits genannten 27.000 Zuschauern im Durchschnitt ist der Verein der sächsischen Hauptstadt eine Illustration des Ausdrucks „Liebe kennt keine Liga“, den die Ostmannschaften so lieben. Im K-Block treffen sich im Durchschnitt 9000 Fans, die mit Wut und Leidenschaft ihr „Dynamo“ bei jedem Heimspiel unterstützen. Einer der bedeutendsten Gesänge erinnert an die europäische Vergangenheit in Elbflorenz:

Ich hatte nen Traum und dieser Traum war wundervoll
Europacup – ein Auswärtsspiel, in Amsterdam
Alle Dresdner im Block, sangen nur ein Lied für Dich
Elbflorenz -Ihr kämpft für uns, wir für Dich!

Das hört man auch in Magdeburg:

Von Hamburg bis nach Liverpool
von Glasgow bis Athen
der 1.FC Magdeburg
wird niemals untergehen!

In Aue, obwohl der Club 1993 in „FC Erzgebirge Aue“ umbenannt wurde, nennen immer noch die Ultras und sogar der Pressesprecher die Mannschaft bei ihrem DDR-Namen: BSG Wismut Aue. Auch erstaunlich, dass „Wismut Aue“-Schals im Fanshop verkauft werden. In Magdeburg kann man Schals mit der DDR-Fahne kaufen. Beim BFC Dynamo gibt es kaum Fans, die Merchandise mit dem neuen Logo – ein Berliner Bär auf weinrot-weißen Streifen, weniger politisch konnotiert – tragen. Die haben inoffizielle Produkte mit dem alten kommunistischen Logo lieber. Man stellt also fest, dass das Publikum den Erhalt der goldenen Zeiten mag. Nicht aus politischen Gründen, sondern weil es an bessere Zeiten erinnert ohne zu leugnen, dass es dem Verein zurzeit schlecht geht. Es ist selbstverständlich, dass man seinem Verein den sportlichen Erfolg wünscht, weil es das Grundprinzip des sportlichen Wettbewerbs ist. Es abzulehnen, dass der Club seine Werte bzw. starke Identitätselementen wegwirft, ist keine Sache des Ostens. Der Begriff „Tradition“ trifft die ganze Bundesrepublik. Kein Fan würde eine externe finanzielle Unterstützung ablehnen, wenn sie dem Verein hilft, seine Situation zu verbessern, solange der Geldgeber ihre Identität und Tradition respektiert. Darum haben die Fans der BSG Chemie Leipzig (damals FC Sachsen Leipzig) die Unterstützung von Red Bull abgelehnt, denn der Brausehersteller wollte die Farben und das Logo des Clubs verändern. Und deshalb hat sich der Konzern in Richtung SSV Markranstädt – weniger anspruchsvoll, aber auch weniger Traditionsträger – orientiert.

Kann man ein Vierteljahrhundert nach der Wende von zwei Fußballwelten sprechen, wie man immer noch von zwei Ländern sprechen kann? Der Ausdruck des „zweitklassigen Bürgers“ wird ab und zu von Wende-Enttäuschten benutzt. Aber statt über zwei distinkte Welten zu reden, kann man lieber über wirtschaftlich benachteiligte Regionen sprechen, die kaum Privatinvestitionen bekommen, mit einem schwächeren Fußballniveau als im Westen als direkter Konsequenz. Jedoch scheint seit dem Boom der Ultrabewegung überall in Europa nach dem Kalten Krieg die deutsche Szene in der Sache und den Ausdrucksmitteln relativ vereint. Kampagnen wie „12:12 – Ohne Stimme keine Stimmung“ oder „Nein zu RB“ sind relevante Beispiele einer nationalen Union, wenn die Verteidigung von gemeinsamen Werten über Partikularismen nötig wird. Wenn man die Webseiten dieser Aktionen anschaut, merkt man, dass Ost- sowie Westgruppen gemeinsam daran teilnehmen.

Nichtsdestotrotz, behaupte ich, dass es nicht nur das Ziel der Ultragruppierungen ist, die Stimmung ins Stadion zu bringen. Es gibt auch einen Wettbewerb des Images zwischen den Gruppen, wobei der Gewinner der stärkste, der männlichste, der dominanteste ist. In dieser Sache scheinen die Gruppierungen des Ostens gegenüber ihren regionalen bzw. nationalen Gegnern argwöhnischer. Sie behaupten meistens, keine offizielle Fanfreundschaft zu haben, sondern viele Fanfeindschaften und zögern nicht, im Stadion zu provozieren. Dies gibt auch in besonderen Medien – zum Beispiel Fanzines – oder online, durch die Entwicklung der sozialen Netzwerke, wo die Provokation permanent und nicht mehr punktuell stattfindet. „Wilder Osten“ oder „Härter als der Rest“ sind häufig wiederkehrende Ausdrücke, um die Szenen der neuen Bundesländer zu bezeichnen. In diesem Image-Spiel fordern sie ihre Zugehörigkeit zur großen Region ‚Osten’, im Gegensatz zu ihren Westkollegen, die sich nicht als Wessis bezeichnen, sondern eine lokale bzw. regionale Zugehörigkeit fordern. Dieses „Wessis/Ossis“-Vokabular bleibt meistens das Privileg der ostdeutschen Ultragruppierungen.

Seit dem Abstieg von Energie Cottbus in die 2. Bundesliga 2009 gibt es in der Eliteklasse keinen Ostverein mehr. Dieser Ost-West-Unterschied ist gewissermaßen das Ebenbild der sozial-wirtschaftlichen Schwierigkeiten, die die neuen Bundesländer kennen. Jedoch sollte am Ende der Saison 2015/2016 ein sächsischer Verein das erste Mal in seiner Geschichte in die Bundesliga aufsteigen: RB Leipzig. Aber kaum ein Fußballfan im Osten bezeichnet diese Mannschaft als einen Ostverein, da dieses Wort nicht für die geografische Herkunft gilt, sondern als Reminiszenz an die DDR-Zeiten und die Tradition, die den Verein trägt. Darum ist RB Leipzig der erste Verein aus dem Osten, der aufgestiegen ist, ohne ein Ostverein zu sein. Die Gründe dafür sind die Abwesenheit von Tradition, der kommerzielle Charakter und der Umstand, dass der Investor nicht aus der Region stammt. Aber in der Messestadt selbst klingt die Situation anders, da viele Fans mit diesem Verein sehr zufrieden sind. RB Leipzig ist die populärste Mannschaft der Stadt geworden. Da ist es auch egal, dass es fast unmöglich ist, Mitglied zu werden. Die Fans sind einfach glücklich, dass ein sportlich erfolgreicher Club die Stadt Leipzig repräsentiert und dies in einer modernen Arena. Die regionale Rivalität verhinderte, dass dieses Publikum eine andere Mannschaft, wie z.B. die SG Dynamo Dresden, unterstützt. Auch das Thema Gewalt bei Chemie oder Lok Leipzig war für viele ein guter Grund, um sein Kind nicht mit ins Stadion zu nehmen. Die Gegner des Projekts RB Leipzig sind meistens Ultragruppierungen und Fans von Traditionsvereinen, aber das stellt eine interessante Frage: wem gehört der Fußball? Dies ist aber eine andere Diskussion.
Meine Meinung ist, dass es gegenüber vielen neutralen Leipziger Fans respektlos ist, dieses Projekt radikal abzulehnen. Die wollen einfach einen erfolgreichen Verein unterstützen, was in einer benachteiligten Region selten ist. Viele bleiben realistisch und träumen noch nicht von der Champions League. Sollte ein Spieler des Kaders in der Nationalelf berufen werden, wäre es der Beweis, dass RB Leipzig gut in der deutschen Fußballlandschaft angekommen ist.

Im Unterschied zu einem Land wie Frankreich, wo der Traditionsbegriff so innerhalb der Kulturidentität der Fans nicht verankert ist, haben die deutschen Fans den Brauch, “ihre” Mannschaft im Laufe ihres Lebens nicht zu ändern. Obendrein richtet sich ihre Auswahl meistens auf einen örtlichen Klub, aber die jungen Generationen sind öfter geneigt, eine stärkere Mannschaft sportlich zu unterstützen, weil ihr Interesse für die Fußballsache mehr auf das Ergebnis gerichtet ist als auf Werte und Traditionen. Aber das Beispiel des Aufstiegs des 1. FC Magdeburg in die 3. Liga hat es ermöglicht, eine neue Gruppe junger Anhänger zu rekrutieren, die ihr Trikot des FC Bayern oder von Borussia Dortmund gegen das ihres lokalen Vereins tauschen, was in der traditionellen Konzeption des deutschen Fanseins viel logischer erscheint. Trotzdem ist die Betrachtungsweise, die sie bezüglich ihrer Mannschaft haben, von derjenigen ihrer Eltern oder ihrer Großeltern grundverschieden, die die Glanzzeiten der Mannschaft miterlebt haben. Für sie schreibt sich eine neue Geschichte, diejenige innerhalb des wiedervereinigten Fußballes, im wiedervereinigten Deutschland, ihrem Deutschland. Deshalb scheint es widersinnig, dass die jüngeren Ultras (unter dreißig) einige Vokabeln und visuelle Elemente benutzen, die an die DDR erinnern, obwohl sie mit einer Epoche, mit der sie in der Mehrheit in Anbetracht ihres diktatorischen Charakters, bei der Entwicklung ihrer Identität als Individuum nichts zu tun haben wollen. Aber nolens volens, hat die Wiedervereinigung nur vor einem Vierteljahrhundert stattgefunden, und es ist unmöglich, in einem genauso kurzen Zeitraum die Mentalitäten und die Art und Weise zu ändern, seine Kinder zu erziehen, was erklärt, warum die Jugendlichen immer noch das Wort „Osten“ benutzen, um über ihre Ursprünge zusätzlich zu ihrer geografische Region zu sprechen.

Die Fans von Clubs der ehemalige DDR sind ihren Westkollegen nicht so unterschiedlich, und die Benutzung von Elementen, die an der DDR erinnern, soll nicht als Ostalgie verstanden werden, sondern wie eine Gegen- bzw. Subkultur und als Provokation im Kontext der schlechten sozioökonomischen Situation, die die neuen Bundesländer seit 1990 kennen. Aber die Situation entwickelt sich und das Beispiel RB Leipzigs, obwohl es dort keine Ultragruppen gibt, ist symbolisch für die Veränderung einer vorwärtsschreitenden Assimilation der Ultrakultur, die einen Einfluss der DDR in den Wind schlägt und sich lieber auf die regionalen Anforderungen konzentriert. Es liegt daher nahe, dass die sogenannten „Ostderbys“, denen Medien wie der MDR eine entsprechende Bühne bieten, nur Marketingargumente sind. Im Stadion bringen diese Begegnungen nicht unbedingt mehr Zuschauer als wenn das Team auf eine westliche Mannschaft trifft. Ihr Hauptvorteil ist, dass sie Vereine, die aus derselben geographischen Zone des Landes kommen, innerhalb eines nationalen Wettbewerbes verbinden. Fünfundzwanzig Jahre nach der Wiedervereinigung scheint es, als hätte sich der Ostfußball gemausert. Der Misserfolg der „Zwei plus sechs“-Regel scheint der Vergangenheit anzugehören und Mannschaften in den neuen Bundesländern haben gelernt, sich ins kapitalistische Modell des Fußballes zu integrieren. Das geht mit einer gesunden finanziellen Basis, manchmal mit wichtigen finanziellen Investitionen, die auf ein treues und hoffnungsvolles Publikum treffen. Wenn der Fußball als eine Sache von Werten betrachtet werden soll, zeichnen diese sich zweifellos im Osten der Bundesrepublik am besten ab.

Sicher gibt es bessere Zeiten, aber diese war die unsere

Fußball, Tradition, Geschichte, Erinnerung: allein diese vier Begriffe zueinander in Relation zu setzen, fiel in Deutschland lange Zeit schwer, bzw. wurde als unmöglich betrachtet. Wie wichtig jedoch der Fußball als (H)Ort der Erinnerung und damit nicht zuletzt auch der Geschichte ist, wurde hier deutlich gemacht. Dass diese Geschichte und Erinnerung durchaus verschiedene Formen annehmen kann, ist klar und deutet auf eine sehr differenzierte Wahrnehmung dieser Begriffe bei den Vereinen im Osten der Republik und deren Fans hin. Dabei wird bei ehemaligen Oberliga­-Vereinen inzwischen sehr wohl auch die Zeit vor 1989 einbezogen und in einem weiteren Schritt sogar die Periode von 1945 bis 1965. Dieses Bewusstsein war lange Zeit abwesend, wenn nicht gar unterdrückt, und war nicht einmal zu Hochzeiten der Ostalgie­-Welle Mitte der 1990er Jahre spür­- bzw. sichtbar. Dass die Zeit von 1945­ bis 1991 aufgearbeitet und als Teil der eigenen Geschichte betrachtet wird, war nötig und passierte viel rascher, als das im Westen der Fall war. Bei vielen Vereinen wurde erst um die Jahrtausendwende die Zeit zwischen 1933 und 1945 aufgearbeitet, in der ehemaligen DDR bereits nach weniger als einem Vierteljahrhundert. War die erste Welle der Ostalgie in den 1990ern geprägt von Verlust, handelt es sich bei dieser zweiten Welle um die Erkenntnis, dass eben jene Zeitabschnitte in der Historie eines Vereins, die vor 1990 liegen, genauso zur Geschichte gehören, wie die vermeintlich besseren seit der Wiedervereinigung. Insofern ist ‚Tradition’ hier als große Klammer zu verstehen, die – zumindest für den Fall der „Klasse von 1990/1991“ – in Form einer Traditionsmannschaft, von Büchern, eines Vereinsmuseums, Fangesängen oder in sonst irgendeinem Format ihren Ausdruck findet. Und als solcher vermutlich auch noch für viele weitere Jahre und folgende Fangenerationen zum identitätsstiftenden Moment wird.

Fußoten

[1] Götte, P. (2013): Von der Tradition zur Erforschung von Tradierungspraxen – Überlegungen zu Tradition und Tradierung aus familienhistorischer Perspektive. In: Baader, M./Götte, P./Groppe, C. (Hg.): Familientraditionen und Familienkulturen. Theoretische Konzeptionen, historische und aktuelle Analysen. Wiesbaden: Springer VS, S. 14.

[2] Götte, P. (2013), a.a.O., S. 20 nach Oevermann, U. (2005)

[3] Götte, P. (2013), a.a.O., S. 20 ff.

[4] Nora, P., Les Lieux de Mémoire (Paris: Gallimard, 1997)

[5] Carrier, P., Pierre Noras Les Lieux de Mémoire als Diagnose und Symptom des zeitgenössischen Erinnerungskultes, In: Echterhoff, G., Saar, M. (eds.) Kontexte und Kulturen des Erinnerns. Maurice Halbwachs und das Paradigma des kollektiven Gedächtnisses (Konstanz: UVK Verlagsgesellschaft mbH, 2002), 141-162, S. 141.

[6] Francois, E., Schulze, H. (eds.) Deutsche Erinnerungsorte. 3 Bände (München: CH. Beck, 2001); Sabrow, M., Erinnerungsorte der DDR (München: CH. Beck, 2009)

[7] Spitzer, G., Siegen um jeden Preis. Doping in Deutschland: Geschichte, Recht, Ethik 1972-1990 (Göttingen: Verlag die Werkstatt, 2013).; Leske, H., Erich Mielke, die Stasi und das runde Leder. Der Einfluss der SED und des Ministeriums für Staatssicherheit auf den Fußballsport in der DDR (Göttingen: Verlag die Werkstatt, 2014)

[8] Urban, T., Schwarze Adler, Weiße Adler, Deutsche und polnische Fußballer im Räderwerk der Politik (Göttingen: Verlag die Werkstatt, 2011), S. 137.

[9] Kummer, M., Die Fußballclubs Rot-Weiß Erfurt und Carl Zeiss Jena und ihre Vorgänger in der DDR. Ein Vergleich ihrer Bedingungen. (Potsdam: unveröffentlichte Dissertation, 2010)

[10] McDougall, A., The People’s Game: Football, State, and Society in Communist East Germany (Cambridge: Cambridge University Press, 2014)

Beitragsbild: Bundesarchiv, Bild 183-1990-0526-010 / Kasper, Jan Peter via Wiki Commons CC-BY-SA 3.0

Du hast auch ein Thema, das Dich bewegt und das gut zu 120minuten passen könnte? Dann wäre vielleicht unser Call for Papers etwas für Dich!

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https://120minuten.github.io/sicher-gibt-es-bessere-zeiten/feed/ 2 2601
Buchbesprechung: Uwe Karte – Montreal Privat. Die unglaubliche Geschichte vom Olympiasieg der DDR-Fußballer https://120minuten.github.io/buchbesprechung-uwe-karte-montreal-privat-die-unglaubliche-geschichte-vom-olympiasieg-der-ddr-fussballer/ https://120minuten.github.io/buchbesprechung-uwe-karte-montreal-privat-die-unglaubliche-geschichte-vom-olympiasieg-der-ddr-fussballer/#respond Thu, 03 Nov 2016 15:00:22 +0000 https://120minuten.github.io/?p=2570 Weiterlesen]]> Die Frage, die sich mir beim Lesen dieses Buches stellte, war, was man erwarten sollte vom Titel: Montreal Privat. Aussagen der Spieler der DDR, die in Montreal dabei waren? Private Fotos? Späte Bekenneraussagen, dass man doch lieber in Kanada geblieben wäre, sich aber – aus welchen Gründen auch immer – doch entschieden hat, zurückzukehren? Nichts von alledem. Vielmehr erzählt Uwe Karte uns die Vorgeschichte der DDR-Fußballnationalmannschaft auf dem Weg zu Olympia 1976 und spannt den Bogen vom Herbst 1973 bis zum Finale im Olympiastadion von Montreal bis zum Sommer 1977. Dabei begleitet ihn Hans-Jürgen ‘Dixie’ Dörner, die Ikone von Dynamo Dresden mit Erinnerungen und Anekdoten.

Eins ist festzuhalten: Der Titel ist etwas irreführend. Privat sind nur die Fotos der Spieler, die alles mögliche festhielten, sogar von der Ersatzbank aus knipsten! Der Text dagegen behandelt die Entwicklung der DDR-Fußballnationalmannschaft in der ersten Hälfte der 1970er Jahre bis 1976, bis zum Olympiasieg in Montreal gegen Polen. Dabei verfolgt Uwe Karte die Entstehung der Mannschaft, der Georg Buschner vertraute und untermalt diese mit Ausschnitten aus der Karriere einzelner Spieler. Zentrale Figur 1976 war Dixie Dörner, der Kapitän und Spielmacher dieser Elf und auch bei diesem Buch war er mit dabei und hat in kleinen Interviews seine Sicht der Dinge präsentiert. So entsteht ein unglaublich dichtes Bild des DDR-Fußballs in seiner erfolgreichsten Phase. Uwe Karte gelingt hierbei etwas, was wohl sonst nur Jonathan Wilson schafft. Stück für Stück erläutert, er wie sich die Mannschaft herauskristalliert, wie Spiel für Spiel die Bausteine besser in die Gesamtkonstruktion passten. So erscheint es schlüssig, dass der Erfolg nur möglich war durch den Umbau der Mannschaft; die Zeit des Magdeburger Blocks, der 1974 bei der WM und vorher im Europapokal noch für Furore sorgte, war vorbei. Dresden war an der Reihe. Kraftfußball wurde durch Spielfreude und Technik ersetzt. Es sind dies die besten Passagen des Buches, weil es eben diese Einsichten in die Genese dieser Mannschaft sind, die Spannung schaffen.

Olympiasieger bist Du ein Leben lang (S.152)

Ein Erinnerungsbuch würde in den meisten Fällen die unschönen Momente auslassen oder nur sehr kurz streifen. Der Autor dagegen schließt die Berichte der Presse mit ein und diese ließ wahrhaftig kein gutes Wort an den Spielern und ihren gezeigten Leistungen. Der Leistungseinbruch nach der WM war selbst für den Trainer Buschner überraschend gekommen, was er selber gegenüber den Parteigenossen unumwunden zugab; die Presse zerriss die Mannschaft förmlich. Die fuwo war dabei wohl noch am sachlichsten, wenn sie nach einer 3:1-Schlappe gegen die CSSR schrieb: ‘Was dabei enttäuschte, war das WIE dieses 1:3.’ (S.31) Dafür sind kritische Worte, sachlich und offen, scharf und helfend, durchaus angebracht.’ (S.33) Selbst während des olympischen Turniers waren die Schreiberlinge nicht zufrieden. ‘Endlich mal Tore’ (S.133), maulte etwa die fuwo nachdem Frankreich mit 4-0 geschlagen wurde. Immerhin spielte ein gewisser Michel Platini mit, der 1984 seine Mannschaft zur Europameisterschaft führen sollte.

Nicht unerwähnt lässt Karte ebenso die unschöne politische Situation im Hintergrund. Der DTSB (Deutscher Turn- und Sportbund) und der DFV der DDR (Deutscher Fußballverband) lagen im Dauerstreit, die Gründe waren vielfältig. Der Erfolg von 1974 hatte auf beiden Seiten Begehrlichkeiten geweckt. Der DTSB sah im Fußball die Möglichkeit, doch Medaillen zu gewinnen, der DFV wollte mehr Unabhängigkeit. Dass dies logischerweise zu Konflikten führen musste, war klar. Eins der prominentesten Opfer war kein geringerer als Heinz Krügel, der den 1. FCM zwischen 1966 und 1976 zu 3 Meisterschaften, 2 Pokalsiegen sowie zum Europapokalsieg 1974 führte. Vorgeworfen wurde ihm eine mangelhafte Vorbereitung der Olympiakader; der wahre Grund waren sein Erfolg und seine politische Unangepasstheit.

Einen Schnitzer leistet sich Karte, indem er die erste Weltmeisterschaft 1930 von Uruguay nach Argentinien verlegt. Dem folgt ein kurzer Abriss über die Geschichte des Fußballs während der olympischen Spiele; leider kommt dieser mittendrin und unterbricht den Erzählstrang. Überhaupt würden dem Buch Zwischenüberschriften sehr gut tun. Dies würde dem Lesefluss helfen. Ohne jede Unterteilung geht es flott voran und man wechselt sehr häufig Szenario und Personal ohne Vorwarnung. So geht es von der Entlassung mit anschließendem Berufsverbot für Heinz Krügel im Frühsommer 1976 direkt ins vorolympische Trainingslager nach Kienbaum. Leider kommen diese Szenenwechsel ein wenig zu oft und unerwartet; eine Trennung würde hier gut tun. Nichtsdestotrotz ist Uwe Karte mit diesem Buch ein großartiger Wurf gelungen von einem Turnier und einem Olympiasieg, der heute gern vergessen und belächelt wird. Es ist kein Buch, welches in einen Ostalgieton verfällt oder in die Kategorie “Sicher gibt es bessere Zeiten, aber diese war die unsere” einzuordnen wäre.

Bei 120minuten haben wir uns dem Olympiasieg der DDR-Fußballer ebenfalls gewidmet – Autor Fedor Freytag lässt das olympische Fußballturnier Revue passieren:

Der vergessene Triumph

Bei den olympischen Sommerspielen 1976 konnte die Fußballnationalmannschaft der DDR ihren ersten und einzigen Titelgewinn feiern, der heute etwas in Vergessenheit geraten ist. Autor: Fedor Freytag, stellungsfehler.de 1976. Welch ein… Weiterlesen

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Der vergessene Triumph https://120minuten.github.io/der-vergessene-triumph/ https://120minuten.github.io/der-vergessene-triumph/#comments Mon, 16 Jun 2014 04:55:00 +0000 https://120minuten.github.io/?p=21 Weiterlesen]]> Bei den olympischen Sommerspielen 1976 konnte die Fußballnationalmannschaft der DDR ihren ersten und einzigen Titelgewinn feiern, der heute etwas in Vergessenheit geraten ist.

Autor: Fedor Freytag, stellungsfehler.de

1976. Welch ein Jahr! Mao starb, das Politbüro der SED feuerte Wolf Biermann und in einem kalifornischen Kaff namens Los Altos gründeten drei Nerds eine Garagenfirma mit dem kapriziösen Namen Apple. Sollte alles noch seine Bedeutung haben. Vorerst eher weniger. Mein Soundtrack des Jahres: „Bohemian Rhapsody“. Immer wenn Freddie Mercury sang, war ich von mir selbst ergriffen: I’m just a poor boy and nobody loves me. Mit anderen Worten: Ich pubertierte, dass es nur so krachte. An einem Abend Ende Juni verwies mich Vater – meiner notorischen Streitsucht wegen – der heimischen Stube. Was mir gleichgültig gewesen wäre, wenn nicht gerade auf dem einzigen Fernseher die 2. Halbzeit des EM-Halbfinals zwischen Deutschland und Jugoslawien begonnen hätte. Und nein, Livestreams waren vorerst keine Alternative. So verpasste ich Dieter Müllers sensationellen Hattrick, der den nicht mehr für möglich gehaltenen Finaleinzug bedeutete. Jedoch auf tragische Weise sinnlos blieb, weil sich Ulrich Hoeneß im Finale gegen die Tschechoslowakei den Fehlschuss des Jahrhunderts leistete. Zumindest was den deutschen Fußball anbelangt. Apropos Jahrhundert. 1976 war – laut Wikipedia – einer von dreizehn (sic!) Jahrhundertsommern dieses Säkulums.

Nun waren Große Ferien. Die Olympischen Spiele in Montreal dominierten Bildschirme und Schlagzeilen beiderseits des Eisernen Vorhangs. Meine Eltern waren sicher nicht böse, ihren nervenden Mini-Che-Guevara für einige Wochen los zu sein. Den größten Teil der Ferien verbrachte ich bei Großmutter. Die schlau genug war, mich mit Hingabe zu verwöhnen, ansonsten aber in Ruhe zu lassen. Ausschlafen, ins Schwimmbad gehen, bis in die Morgenstunden Olympia gucken. Jugend, unbeschwert, Ausgabe Ost.

 

Olympia-Kader der DDR 1976
Jürgen Croy (T, BSG Zwickau)
Hans-Ulrich Grapenthin (T, Carl Zeiss Jena)
Bernd Bransch (A, Hallescher FC)
Dixie Dörner (A, Dynamo Dresden)
Wilfried Gröbner (A, Lok Leipzig)
Gerd Kische (A, Hansa Rostock)
Lothar Kurbjuweit (A, Carl Zeiss Jena)
Konrad Weise (A, Carl Zeiss Jena)
Reinhard Häfner (M, Dynamo Dresden)
Reinhard Lauck (M, BFC Dynamo)
Hartmut Schade (M, Dynamo Dresden)
Gerd Weber (M, Dynamo Dresden)
Gert Heidler (S, Dynamo Dresden)
Martin Hoffmann (S, 1. FC Magdeburg)
Wolfram Löwe (S, Lok Leipzig)
Dieter Riedel (S, Dynamo Dresden)
Hans-Jürgen Riediger (S, BFC Dynamo)
Georg Buschner (Trainer)

Der letzte Wettkampftag der Spiele begann mit einem der spektakulärsten Erfolge der DDR-Sportgeschichte. Ein Typ mit dem kuriosen Namen Waldemar Cierpinski lief – zur Überraschung aller – als Führender auf die Tartanbahn des Olympiastadions und gewann souverän den Marathonlauf. Der Höhepunkt des Tages – jedenfalls für mich – stand erst um 21.30 Uhr Montrealer Zeit an: das Finale des Fußballturniers. DDR gegen Polen. Also saß ich halb vier Uhr nachts erneut vor Omas Fernsehgerät. Ein Schwarzweiß-Röhrenmonster, Typ Stella, zusammengelötet im VEB Fernsehgeräte Staßfurt. In der Nachbarschaft war alles dunkel. Ich fühlte mich elitär.

Bei olympischen Fußballturnieren durften nur Amateure antreten. Deshalb galten – und gelten – diese Spiele nicht als offizielle Länderspiele der FIFA, sondern als Vergleiche von Olympiamannschaften. Der DFB ignoriert diese Sichtweise bis heute, indem er manche Spiele der DDR-Olympiamannschaft als Länderspiele wertet. Dem kann eine gewisse Berechtigung kaum abgesprochen werden. Zwar traten alle Teams der westlichen Länder ohne Profis und mithin ohne ihre besten Spieler an. Die Länder des Ostblocks durften jedoch ihre Elite-Mannschaften aufbieten1), weil deren Spieler nominell als Amateure galten.

Eine abenteuerliche Sichtweise. Leistungssportler im Osten waren Vollprofis und wurden vom Staat bezahlt. Allerdings wurde dies stets dementiert und bis ins geringste Detail raffiniert camoufliert. Fußballer in der DDR erhielten Scheinverträge von Betrieben oder staatlichen Institutionen, in die sie nur einen Fuß setzten, wenn sie ihre Gehaltsschecks abholten oder mit den „Kollegen“ einen saufen gingen. Im Resultat führte diese Regelung des IOC dazu, dass die westlichen Länder bei olympischen Fußballturnieren chancenlos blieben. Bei allen Sommerspielen zwischen 1952 und 1988, an denen sie teilnahmen, errangen Mannschaften aus dem Ostblock den Titel. Wenn man so will, handelte es sich um eine Mini-WM des Warschauer Pakts. FIFA und UEFA betrieben diese Entwertung des Olympiaturniers engagiert im Hintergrund. Sie wollten den Glanz ihrer Premiumprodukte – WM und EM – bewahren. Das ist noch heute so.

Wenn im öffentlichen Bewusstsein von diesem Turnier etwas haften blieb, dann dieses Endspiel. Oder vielmehr der Umstand, dass die DDR es gewann. Gegen die gleichen Polen, die zwei Jahre zuvor im Halbfinale der WM (ich nenne es hier mal so, obwohl es nur das entscheidende Gruppenspiel war) den späteren Weltmeister Deutschland an den Rand einer Niederlage brachten und WM-Dritter wurden. Die beste polnische Mannschaft aller Zeiten, Olympiasieger 1972, der Titelverteidiger. Sie traten mit ihrer stärksten Mannschaft an, nur ihr brillanter Libero Jerzy Gorgon verletzte sich beim Warmlaufen. Trotzdem rechnete ich mir einiges aus, denn die Mannschaft von Trainer Georg Buschner hatte sich im Laufe des Turniers gesteigert. Im ersten Spiel kamen die vom Jetlag geschwächten DDR-Kicker gegen die brasilianische Auswahl über ein torloses Remis nicht hinaus. Daraufhin wurden sie vom Präsidenten des Deutschen Turn- und Sportbundes (DTSB), Manfred Ewald, mit einer Wutrede traktiert. Napola-Zögling Ewald, jahrzehntelang der mächtigste Funktionär des DDR-Sports, war kein Freund des Fußballs. Zu viel Aufwand für zu wenig Erfolg.

“Das Auftreten und die Art und Weise eueres Spiels
war eine Schande und eine Beleidigung
für die DDR-Olympioniken.”

DTSB-Präsident Manfred Ewald nach dem 0:0 zum Auftakt gegen Brasilien.

Die DDR gewann – und erdopte – bei diesen Spielen unglaubliche 90 Medaillen – davon 40 goldene. Selbst im günstigsten Fall konnten die Fußballer nur einen marginalen Beitrag leisten. 18 Mann und eine mögliche Medaille – das war dem Effizienzdenken des sich im Goldrausch befindlichen NOK-Chefs zuwider. Das schwache Spiel gegen die Brasilianer (diesem Fußball-Entwicklungsland, wie Ewald wusste) bot einen willkommenen Anlass zur Triebabfuhr. Buschners Jungs ertrugen es gelassen. Sie kannten die Animositäten Ewalds und ließen die Tirade über sich ergehen, gewannen das nächste Gruppenspiel gegen Spanien und siegten im Viertelfinale gegen die Franzosen (für die der junge Platini auflief) 4:0.

Das Minimalziel war erreicht. Mehr zu erwarten wäre vermessen gewesen. Jetzt wartete im Halbfinale die Sowjetunion. Neben den Polen der andere Turnierfavorit. Die UdSSR verstand sich darauf, die Vielvölkerigkeit ihres Reiches effektiv zu verwerten. Zumindest im Sport. Ihre Olympiamannschaft entsprach dem sowjetischen Nationalteam und das setzte sich überwiegend aus Spielern des ukrainischen Vereins Dynamo Kiew zusammen. Dynamo Kiew, dieser legendäre Fußballgolem, erlebte Mitte der siebziger Jahre seine erste internationale Blüte. 1975 gewannen die Ukrainer den UEFA-Pokal und schlugen Bayern München im Finale des Supercups. Den Bayern gelang in den zwei Finalspielen kein Tor (0:1, 0:2). Dass sie erfolgreich spielten, erklärt jedoch nur einen Teil des Dynamo-Kiew-Mythos. Der andere, heute wesentlichere, lag in der Art und Weise wie diese Mannschaft Fußball spielte. In vielem glich das System, dass der Trainer und Fußballkybernetiker Walerij Lobanowskyj spielen ließ, dem Totaalvoetbal, als dessen Erfinder gemeinhin die Herren Rinus Michels und Johan Cruyff gelten. Wer sich da von wem was und ob überhaupt abgeschaut hat, darüber streiten Taktikfreaks bis heute. Von all dem wusste ich damals nichts. Demutsvoll, überrascht und erfreut nahm ich den verdienten 2:1-Erfolg der DDR im Halbfinale zur Kenntnis.

So kam es, dass gegen 03:40 MEZ der uruguayische Schiedsrichter Barreto die Nationalmannschaften Polens und der DDR zum Fußballfinale aufs durchweichte Geläuf des Montrealer Olympiastadions führte. Die Platzverhältnisse waren schwierig, irregulär waren sie nicht. Im Gegensatz zur Frankfurter Wasserschlacht zwischen Polen und der Bundesrepublik bei der WM zwei Jahre zuvor rollte der Ball, ohne von quadratmetergroßen Binnenseen jäh gestoppt zu werden. Die DDR startete furios mit einer Art Überrumpelungstaktik. Nach 14 Minuten stand es 2:0.

Vor allem Schade und Häfner erkämpften, erliefen und erspielten im Mittelfeld die Hoheit über das Geschehen. Dem hatten die Polen über weite Strecken der ersten Hälfte nichts entgegenzusetzen. Ihre langen Bälle auf die Spitzen Lato und Szarmach wurden leichte Beute der aufmerksamen Verteidigung um Libero Hans-Jürgen „Dixie“ Dörner, der sich zudem um den initialen Spielaufbau bemühte. Mittelstürmer Riediger und Rechtsaußen Wolfram Löwe ließen sich wechselweise ins Mittelfeld fallen, wo sie für die Duracellhasen und Ballverteiler Schade und Häfner einfach anzuspielen waren. Diese wiederum schalteten sich auf der ganzen Breite des Platzes ins Angriffsspiel ein, was zu Überzahlsituationen auf den Flügeln und im Zentrum führte. Logische Folge: Hartmut Schade schoss das erste Tor, Reinhard Häfner bereitete das zweite mit einem unwiderstehlichen Sololauf über den halben Platz vor. Es sollte nicht seine letzte großartige Aktion an diesem Montrealer Abend bleiben.

Abschweifung zu Reinhard Häfner: Neben Peter Ducke ist er für mich der beste Fußballer, den die DDR hervorbrachte und der seine Karriere überwiegend (oder ausschließlich) dort bestritt. Wären die Zeiten andere gewesen, er hätte in jeder Mannschaft der Welt spielen können. Sieht man sich seine Spielweise an – gerade auch in diesem Finale – so ist er ein Prototyp dessen, was heute als moderner Sechser gilt. Defensiv wie offensiv gleich gut, laufstark, körperlich robust und extrem passsicher. Zudem war er ein eleganter Stilist, ein seltenes Attribut für zentrale Mittelfeldspieler. Als einziges Manko galt, dass er zu wenige Tore schoss.

Erzielt hatte das zweite Tor der große Unvollendete2) des DDR-Fußballs, der Magdeburger Linksaußen Martin Hoffmann. Häfners Vorlage vollendete er direkt mit einem lehrbuchmäßigen Außenristschuss, unhaltbar für Jan Tomaszewski. Das polnische Torhüteridol ließ sich in der 19. Minute auswechseln. Es darf spekuliert werden, ob tatsächlich die offizielle Begründung „Übelkeit“ ursächlich war, oder ob er nur vermeiden wollte, im Zentrum einer sich anbahnenden fußballerischen Katastrophe zu stehen.

Denn zunächst änderte sich wenig. Die Polen hatten nun zwar größere Spielanteile, was sie nicht hatten waren: Torchancen. Dafür vergaben Riediger und Löwe zwei hundertprozentige Gelegenheiten. Die Statik des Spieles änderte sich erst gegen Ende der ersten Halbzeit. Kazimierz Deyna – the magic men – entzog sich zunehmend der von Buschner verordneten Manndeckung durch den Berliner Reinhard „Mäcki“ Lauck. Es schien, als ob der enorme Laufaufwand der DDR-Mannschaft frühzeitig Wirkung zeigte. Indizien dafür: Kmiecik und Deyna boten sich gute Möglichkeiten; seine Kontergelegenheiten spielte das DDR-Team nur noch mangelhaft aus.

Dann war Halbzeit.

 

Vorrunde Viertelfinale Halbfinale Finale
Brasilien – Israel 4:1
Polen – Brasilien 2:0
Polen – Nordkorea 5:0
DDR – Polen 3:1
DDR – Frankreich 4:0
UdSSR – DDR 1:2
UdSSR – Iran 2:1

Ich wusste: Hier war noch nichts entschieden. Wie glänzend die Polen Fußball zu spielen verstanden, war mir seit der WM 1974 klar. Wären sie in Deutschland Weltmeister geworden, niemand hätte von Glück zu sprechen gewagt. Bange und hellwach zitterte ich – in the heat of the night – der zweiten Hälfte entgegen.

Das Zittern hätte ich mir sparen können. Wenn, ja wenn, Wolfram Löwe Sekunden nach Wiederanpfiff die mit Abstand größte Chance des Spiels genutzt hätte. Eigentlich machte er alles richtig, Verteidiger und Torwart waren ausgespielt, ich hatte den Torschrei bereits auf den adoleszenten Lippen, als ein heranschlitternder polnischer Abwehrspieler den Ball noch von der Linie schubste. Das wäre die Entscheidung gewesen.

Ein Jammer, denn nun nahm das Spiel den erwartbaren Verlauf. Die Polen drückten. Angetrieben vom unermüdlichen Henryk Kasperczak rollte Angriff auf Angriff in Richtung Croys Tor. Den focht das nicht an. Der Zwickauer Stoiker bestritt in diesem Finale eines von sehr, sehr vielen tadellosen Spielen seiner Karriere. Buschners Mannschaft hielt mit allem was sie hatte dagegen. Fußballerisch wie kämpferisch. Der befürchtete konditionelle Kollaps fand nicht statt. Die Chancen der Polen wurden trotzdem hochwertiger. Powerplayska. Großchance Kmiecik, Croy währt zur Ecke ab. Deyna flankt den Ball nach innen, Grzegorz Lato – ungedeckt, am kurzen Pfosten hochsteigend – köpfte zum Anschlusstreffer ins Tor. Ich sank in den großelterlichen Sessel, fluchte und erbat zugleich den Beistand höherer Mächte. Nicht sehr durchdacht von mir, zugegeben. Es blieb auch ungehört, die Polen drehten weiter auf und in der 65. Minute gab es einen dieser großartigen, magischen Fußballmomente. Die nur genießen kann, wer diesen Sport so respektiert, dass er die Könnerschaft des Gegners als solche akzeptiert. Deyna spielte – in der Vorwärtsbewegung – mit einem Hackenpass Szarmach hoch(!) an, der den Ball via Seitfallzieher aufs Tor katapultierte. Ein ästhetisches Meisterwerk – Sixtinische Kapelle nichts dagegen – das einen schlechteren Torwart als Jürgen Croy verdient gehabt hätte. Der parierte mit einem sensationellen Reflex zur Ecke. Von der dieses Mal keine weitere Gefahr ausging.

Abschweifung zu Kazimierz Deyna: Die Polen wählten ihn zum Fußballer des Jahrhunderts. Für den Kicker war er 1974 der Weltfußballer des Jahres. Eine bemerkenswerte Entscheidung des deutschen Fußballmagazins, nach einer WM im eigenen Lande bei der man den Titel errang und angesichts des Superstars Franz Beckenbauer. Heute ist Deynas Name nur noch wenigen ein Begriff. Was wohl in erster Linie dem Umstand geschuldet ist, dass er seine besten Jahre als Fußballer bei Legia Warschau verbrachte und nicht in Barcelona, München oder Mailand. Die Rekordsummen gezahlt hätten, um ihn zu verpflichten. Kazimierz Deyna war keinen Jota schlechter als Johan Cruyff. Er war begnadet. Ein offensiver Spielmacher, dessen Spielweise noch heute ungemein dynamisch wirkt. Eben nicht so elegisch wie die von Netzer, Overath oder Rivelino, ohne diesen an technischer Raffinesse nachzustehen. Er starb 1989 bei einem Verkehrsunfall in den USA. Seine Rückennummer 10 wird bei Legia Warschau nicht mehr vergeben.

Draußen war es Tag geworden. Die letzten 10 Minuten des Spiels begannen. Den Polen gelang nicht mehr viel. Sie waren platt. Auch Katholiken sind schließlich nur Menschen. Andererseits stand da eine Mannschaft auf dem Platz, die aus dem Nichts ein Tor erzielen konnte. Zur Entspannung bestand kein Anlass. Aber ich musste nicht bis zum Schlusspfiff zittern. Hartmut Schade lief in ein schlampiges Zuspiel der polnischen Abwehr, passte auf Häfner, der plötzlich nur noch den Keeper vor sich hatte, in den Strafraum eindrang und aus 12 Metern den Ball an Mowlik vorbei ins Tor schob. Abgebrüht und kalt wie eine Tasse Mitropa-Kaffee. In den verbleibenden Minuten passierte nichts Erwähnenswertes. Die Schlacht war geschlagen. Barreto pfiff ab. Platzsturm der DDR-Equipe, die ihren Sieg euphorisch feierte, dabei aber die olympische Contenance wahrte. Manfred Ewald befand sich nicht im Stadion.

Es war der erste Titel einer DDR-Fußballnationalmannschaft und es wird für alle Zeit der einzige bleiben. Der Nachruhm für die Beteiligten hielt und hält sich in engen Grenzen. Das ist ungerecht. Dieser Olympiasieg wurde gegen erstklassige sportliche Konkurrenz3) errungen, erkämpft und erspielt. Von einer großartigen Mannschaft, die technisch wie taktisch auf der Höhe ihrer Zeit und ihres Metiers agierte.

Inzwischen war es 5.45 Uhr. (Nein, es gibt hier jetzt keinen geschmacklosen historischen Kalauer.) Großmutter, eine notorische Frühaufsteherin, blickte mich ungläubig an, war aber zufrieden einen glücklichen, wenn auch übermüdeten Enkel vor sich zu haben und schickte mich zu Bett. Vor dem Einschlafen dachte ich bestimmt daran, dass die Hälfte der Ferien bereits vorüber war und womöglich, spürte ich diese leichte Leere, die sich bei mir bis heute nach großen Sportereignissen einstellt.


1) Diese Spiele der DDR gegen andere Ostblockmannschaften zählt der DFB in seinen Statistiken zu den Länderspielen.

2) Martin Hoffmann war ein großartiges Talent und zum Zeitpunkt des Endspiels erst 21 Jahre alt. Leider wurde seine aktive Laufbahn immer wieder von schweren Verletzungen beeinträchtigt. Er bestritt 1981 gegen Kuba sein letztes Länderspiel.

3) Schon die Qualifikation für das Turnier hielt mit der CSSR einen dicken Brocken parat. In zwei umkämpften Spielen trennte man sich jeweils Unentschieden, so dass am Ende das bessere Torverhältnis in der Qualifikationsgruppe für die DDR den Ausschlag gab. Die CSSR konnte sich völlig auf die im Juni stattfindende Europameisterschaft konzentrieren und tat das mit großem Erfolg: Sie wurde Europameister. Durch ein 5:3 (nach Elfmeterschießen) im Finale gegen die Bundesrepublik. Ihr wisst schon: Uli, Belgrad, Elfmeter, Abendhimmel.

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