Schlagwort: Mitropa-Pokal

Buchbesprechung: Der Osten ist eine Kugel. Fußball in Kultur und Geschichte des östlichen Europa

Dieser Sammelband widmet sich dem Fußball im östlichen Europa aus wissenschaftlicher Perspektive. Bevor das jedoch eventuell zu schwer wird, haben die Herausgeber den Band mit Fotostrecken, Gedichten und Kurzgeschichten aufgelockert. Dies folgt dem Gedanken, dass Fußball für den tschechischen Autoren Bohumil Hrabal für “die Prosa das wichtigste Spiel ist” und Jewgeni Jewtuschenko ausführt, dass ihn der sowjetische Fußball “die Poesie gelehrt hat”. (S. 20) Beim Wort “Osten” im Titel stellt sich aber auch die Frage, wo dieser beginnt: hinter der Elbe, wie von Konrad Adenauer einst postuliert? Hinter Berlin oder doch erst hinter der Oder? Das Inhaltsverzeichnis gibt Aufschluss: selbst die Schweiz zählt zum Osten dazu, denn der Fußball, der in Österreich und Ungarn in den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts gespielt wurde, hatte großen Einfluss auf die Entwicklung des eidgenössischen Fußballs. Auch die ehemalige DDR ist Bestandteil eines Kapitels. Das sind jedoch die Ausnahmen, liegt der Fokus dieses fast 500 Seiten starken Werkes auf Polen, den Staaten der ehemaligen Sowjetunion, Ex-Jugoslawien, der Ex-ČSSR, Ungarn und Rumänien.

Der Ursprung des Buches reicht bis ins Jahr 2010 zurück als sich das GWZO[1] in Leipzig auf der Jahrestagung mit dem Thema Fußball auseinandersetzte. Aus damals acht Mitstreiterinnen und Mitstreitern ist ein Team aus mehr als 30 Mitgliedern geworden, die an diesem Band mitgewirkt haben. Dies unterstreicht einmal mehr, dass der Fußball in Osteuropa eine ebenso große Rolle spielt wie in anderen Teilen des Kontinents, jedoch bisher eher stiefmütterlich, wenn überhaupt, behandelt worden ist.
Die Gedichte und Kurzgeschichten sind ausschließlich von osteuropäischen Autoren verfasst und werden hier zum ersten Mal in deutscher Sprache abgedruckt. Dazu gibt es biographische und bibliographische Informationen zum Autor. Auch bemerkenswert ist der hohe Anteil an Autorinnen: insgesamt acht Frauen haben an dem Buch mitgewirkt. Ein Punkt sei angemerkt als klitzekleine Kritik: Natürlich dürfen in so einem Werk auch die großen Spieler nicht fehlen und so wundert es wenig, dass Ferenc Puskas und Lew Jaschin mit einem Kapitel gewürdigt werden. Im Kreise dieser Großen fehlt dann aber mindestens ein Panenka oder auch Sindelar. Mit Ernst Willimowski wird in einem Abschnitt ein Grenzgänger beschrieben; Grenzgänger weil er sowohl für die polnische Nationalelf als auch die deutsche auflief.

Fazit: Fußball ist in Osteuropa genauso wichtig wie im Rest der Welt und dient ebenso als Vehikel für nationale Identität wie anderswo und ist deshalb keinen Deut schlechter oder niedriger einzustufen. Dieses Werk zeigt deutlich, welche Spuren der Fußball in den Staaten im Osten Europas hinterlassen hat und wie lebendig Geschichte nochimmer ist.

Anmerkungen

[1]Das Leibniz-Institut für Geschichte und Kultur des östlichen Europas widmet sich der Erforschung des Raumes zwischen Ostsee, Schwarzem Meer und Adria, vom Mittelalter bis in die Gegenwart.

Infos zum Buch
Christian Lübke, Dirk Suckow, Stephan Krause (Hrsg.) Der Osten ist eine Kugel. Fußball in Kultur und Geschichte des östlichen Europa. 492 Seiten, Hardcover, durchgehend farbig, ISBN: 978-3-7307-0388-5, Preis 29,90 Euro

Das Buch ist im Werkstatt-Verlag erschienen und über den Online-Versand zu beziehen.

Uns wurde freundlicherweise ein Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt.