Rot-Weiss Essen – 120minuten https://120minuten.github.io Lange Texte. Über den Fußball. Sat, 20 Oct 2018 11:42:45 +0000 de-DE hourly 1 https://wordpress.org/?v=5.4.2 73012590 “Es waren andere Zeiten” – Alfons Sikora im Interview https://120minuten.github.io/es-waren-andere-zeiten-alfons-sikora-im-interview/ https://120minuten.github.io/es-waren-andere-zeiten-alfons-sikora-im-interview/#respond Fri, 19 Oct 2018 06:30:24 +0000 https://120minuten.github.io/?p=5305 Weiterlesen]]> Alfons Sikora spielte von 1972 bis 1976 für Rot-Weiss Essen, Borussia Dortmund und den 1. FC Mülheim in der 1. und 2. Bundesliga (Nord). Als Sikora nach Dortmund wechselte, wurde er vom “Kicker” als “der neue Sigi Held” gefeiert, ein unglaublich talentierter, aber verletzungsanfälliger Stürmer. Sikora erzielte 14 Tore in 100 Spielen und war Toptorjäger für den 1. FC Mülheim in dessen Debütsaison in der 2. Liga 1972/1973, die seinerzeit in eine Nord- und Südstaffel unterteilt war. Mülheim beendete die Spielzeit auf einem bemerkenswerten 11. Rang in einer Liga mit Vereinen wie Bayer Leverkusen, dem VfL Wolfsburg, Hannover 96 und dem BVB.

In diesem Interview spricht Sikora über eine Zeit in der Geschichte von Borussia Dortmund, über die wenig bekannt ist, die Zeit in der 2. Bundesliga nämlich. Sikora zieht Parallelen zur derzeitigen Liga-Zugehörigkeit des HSV, erinnert sich an sein Leben als Spieler des 1. FC Mülheim, dem kleinsten Klub, der je in der 2. Liga spielte, und spricht über Begegnungen mit einigen der Bundesliga-Legenden, wie zum Beispiel Beckenbauer, Overath, Lippens und Uwe Seeler. Es war eine Zeit, in der Vereine wie Borussia Mönchengladbach und Bayern München den europäischen Fußball dominiert haben und Weltmeister Deutschland die Mannschaft war, die es zu schlagen galt. Die Zeit großer Erfolge für den deutschen Fußball, aber auch des größten Betrugsskandals in der Geschichte der Bundesliga.

von Benjamin McFadyean, Borussia Dortmund Fanclub, London

Ben McFadyean (BM): Alfons Sikora, vielen Dank für die Gelegenheit, Sie hier zuhause zu treffen und dieses Interview zu machen! Es ist eine traumhafte, ländliche Gegend, ich kann verstehen, warum Sie gern hier leben!

Alfons Sikora (AS): Danke, es ist schön, Sie kennenzulernen! Ich habe einige Ihrer Interviews gelesen, besonders das mit meinem ehemaligen Mannschaftskollegen bei Rot-Weiss Essen, Manni Burgsmüller. Ein tolles Interview, gute Arbeit. Vielen Dank, dass Sie den Weg hierher gefunden haben, um mich zu interviewen.

BM: Danke für das Kompliment, Manni war ein fantastischer Gesprächspartner. Als jemand, der seit den 1980er Jahren BVB-Fan ist, habe ich mit diesem großartigen Klub viele Höhen und Tiefen erlebt. In den 80ern steckten wir meist im Mittelfeld fest, dann der Erfolg der 90er Jahre und dann die 2000er und alles nach der legendären Ära von Jürgen Klopp. Es ist schwer zu glauben, aber der BVB hat in den 1970er Jahren tatsächlich vier Jahre in der 2. Liga gespielt. Letzte Saison stieg der “Dino” HSV nach 55 Jahren aus der 1. Liga ab, ein Tiefpunkt für einen großen Verein, der, wie der BVB, im Weltfußball alles erreicht hat, inklusive des Gewinns des Europapokals der Landesmeister 1982.
Es ist großartig, einen der Spieler zu treffen, die damals in der Zweitligazeit des BVB dabei waren und ich bin mir sicher, dass Sie diese Periode ein wenig beleuchten können. Lassen Sie mich daher mit einigen Fragen zum BVB in Liga 2 starten. Ich war immer daran interessiert, mehr über die dunkelsten Stunden von Borussia Dortmund zu erfahren und Sie sind ja, genau wie ich, ein BVB-Fan auf Lebenszeit. Wie war es damals, als 20-Jähriger vom Siebentligisten VfB Altena beim BVB zu unterschreiben? Obwohl Sie einer der Topscorer bei Altena waren, war das doch sicher ein großer Schritt zum BVB, oder?

AS: Ich kam als 20-Jähriger zum BVB und es war in der Tat ein großer Schritt aus der Landesliga nach Dortmund, die gerade in die 2. Liga abgestiegen waren (am Ende der Saison 71/72). Als wichtigster Stürmer von Altena und nach dem Aufstieg in die Landesliga war der Wechsel nach Dortmund für mich eine riesige Chance. Um ehrlich zu sein, hätte ich auch kostenlos für die Borussia gespielt – dass ich dafür bezahlt wurde, Spieler des BVB zu sein, war ein Traum, der in Erfüllung ging. Es waren aber andere Zeiten, obwohl der Vergleich mit dem HSV schon passt. Ich kann mich noch daran erinnern, als wäre es gestern gewesen, wie Hamburg mit Stars wie Uli Stein, Felix Magath und Horst Hrubesch 1982 den Europapokal gewann. 55 Jahre in der 1. Liga zu spielen ist eine riesige Leistung und ich hätte nicht gedacht, dass ich diese Ära in meinem Leben noch würde zu Ende gehen sehen! Ich glaube auch nicht, dass irgendjemand erwartet hätte, dass der BVB jemals in die 2. Liga absteigt, aber Fußball ist nun mal ein Geldgeschäft. Wenn ein Verein zu lange in der Krise ist, ist ein Abstieg meiner Meinung nach manchmal das Beste, was ihm passieren kann. Wie man beim BVB gesehen hat, und ich denke, das wird auch beim HSV zutreffen, braucht es so etwas Schlimmes wie einen Abstieg, um zu erkennen, welch riesige Aufgabe es ist, so einen Klub zu modernisieren. Genau wie der BVB wird auch der HSV mit Sicherheit zurückkommen, aber nicht vergessen: Dortmund hat dafür vier Jahre gebraucht.

BM: Lassen Sie uns über Ihre Zeit beim BVB sprechen. Die Leidenschaft für Borussia Dortmund teilen wir; wenn ich mich in Ihrem Haus so umsehe, ist das definitiv ein BVB-Haus. Sie haben hier viele Erinnerungsstücke, Pokale, einige großartige Fotos. Man kann deutlich sehen, dass der Verein Ihnen viel bedeutet. Sie müssen wirklich gerührt gewesen sein, die Möglichkeit bekommen zu haben, bei diesem Klub zu unterschreiben. War das aber als junger Stürmer nicht auch ziemlich einschüchternd, dazuzustoßen und den damaligen Superstar, Nationalspieler und Europacupsieger Sigi Held ersetzen zu sollen? Oder mit Nationalspielern und erfahrenen Offensivakteuren der damaligen Zeit wie Hoppy Kurrat, Jürgen Schütz oder Werner Lorant um einen Platz in der ersten Elf zu streiten?
Das Dortmunder Team der Saison 1971/72 hatte einen Spielerstamm mit Leuten wie Wolfgang Paul, dem legendären Kapitän der Europapokalsieger-Mannschaft von 1966. Paul ist zusammen mit Siggi Held auch heute noch Botschafter des BVB; an beide wird man sich immer als Teil der ersten deutschen Mannschaft erinnern, die je einen europäischen Titel gewinnen konnte. Allerdings war der Verein gerade abgestiegen und Teil von Borussia Dortmund der frühen 70er Jahre zu sein, muss doch auch eine große Herausforderung gewesen sein, auch wenn man so große Spieler im Kader hatte, oder?

Der BVB schaffte es 1966 als erste deutsche Mannschaft einen Europapokal zu gewinnen.

AS: Ja und nein. Jürgen (Schütz) war ein Starstürmer in der italienischen Serie A und hat dort für den AC Turin und die AS Rom gespielt, in der finanzkräftigsten Liga der damaligen Zeit. Das waren schon Legenden, obwohl der BVB in der Saison 1971/72 hauptsächlich aus Nachwuchsspielern wie mir, Ingo Peter, Friedel Mensink und Stürmerkollege Jürgen Wilhelm bestand, wir waren alle Anfang 20. Der BVB beendete die Spielzeit 11 Punkte hinter dem Tabellenführer und glauben Sie mir, auch wenn es nur die 2. Liga war, mussten wir uns als junge Spieler sehr schnell zurechtfinden.
Ich hatte die große Ehre, zusammen mit Hoppy auflaufen zu dürfen. Ich kannte ihn gut und hielt auch über die Spielerkarriere hinaus noch Kontakt. Ich war sehr traurig, als ich von Hoppys Tod im letzten Jahr erfuhr. Ich habe große Erinnerungen an einen großartigen Menschen und Fußballer – Hoppy war einzigartig, wenige identifizierten sich so stark mit dem BVB wie er. Er war schon einzigartig.

BM: Ich wurde 1983, mit 12 Jahren, Fan des Vereins und ein Spieler von damals, der mich beeindruckte, war Torhüter Horst Bertram, der als Nummer 1 von Eike Immel abgelöst wurde. Bertram steht in einer Linie mit Dortmunder Torhüterlegenden wie Immel, Teddy de Beer, Klos und Weidenfeller, alles verlässliche und überragende Keeper, auf die sich der BVB verlassen konnte. Spieler, die unvergessen bleiben; Roman Weidenfeller hat diese Woche sogar sein Abschiedsspiel im Westfalenstadion als einer von nur sieben Spielern in der Geschichte des Klubs, dem diese Ehre zuteil wurde. Ein anderer war Horst Bertram. Was sind Ihre Erinnerungen an ihn?

AS: Horst kam von den Kickers Offenbach, die damals abgestiegen waren, und galt als großes Talent. Wir waren beide Nachwuchsspieler und obwohl er im Konkurrenzkampf mit der damaligen Nummer 2, Jürgen Rynio, stand, hatte er eine starke Karriere mit dem BVB. Irgendwann zog er an Rynio vorbei und wurde zu einem der Eckpfeiler des BVB-Teams, das 1976 den Aufstieg schaffte. Ohne Bertram wäre es ein anderer Klub gewesen, obwohl er letztlich von Eike Immel abgelöst wurde. Wie Weidenfeller jetzt, wird auch Bertram stets in Erinnerung bleiben. Ein super Typ und großartiger Sportler, der bis 1983 blieb. Wie Weidenfeller, der insgesamt 16 Jahre bei Borussia Dortmund verbrachte, spielte auch Bertram sehr lange, 12 Jahre, für den Klub. Natürlich ist es für Torhüter etwas einfacher, aber die Hingabe und Loyalität dieser Typen zum BVB spricht für sich, oder?

„Hoppy war einzigartig, wenige identifizierten sich mehr mit dem BVB als er.“

BM: Für mich, der den BVB seit den frühen 80er Jahren verfolgt, ist es wirklich großartig, eine Verbindung mit einem Spieler zu finden, mit dem Sie zusammengespielt haben und dem ich von der Tribüne aus zuschaute. Schöne Erinnerungen auf jeden Fall und die Wertschätzung und der Respekt, den Sie für Spieler wie Bertram und Kurrat haben, merkt man deutlich. Sie haben mein Interview mit Manni Burgsmüller erwähnt und obwohl Sie nicht mit ihm zusammengespielt haben (Burgsmüller ist der BVB-Rekordtorschütze mit insgesamt 135 Treffern) war Manni, wie Sie sagten, ein Gegenspieler in der Liga. Woran erinnern Sie sich da besonders? Er hat auf jeden Fall ein paar schöne Tore erzielt und galt sowohl auf als auch neben dem Platz als Trickser, nicht wahr?

Alfons Sikora im Dress von Rot Weiss Essen 1974/75

AS: Manni war die Sensation des Tages, ich habe gegen ihn gespielt, als er bei Bayer Uerdingen war und ich beim 1. FC Mülheim. Schon als junger Spieler war Manni ein Schlitzohr und ich glaube, er lernte eine Menge von meinem alten Freund und Kollegen bei Rot-Weiß Essen, Willi ‚Ente’ Lippens. Er war ein großartiger Mensch in der Umkleidekabine, ‚Ente’ hat das ganze Team bei Laune gehalten und war außerdem ein ordentlicher Stürmer. Wenn Sie so wollen, war Ente Mannis Mentor bei Rot-Weiss Essen. Ich glaube, Manni hat sehr viel von ihm gelernt, denn Sie müssen wissen, dass Lippens damals der Torjäger schlechthin war. Er spielte sogar mit Johan Cruyff für Holland, obwohl ‚Ente’, soweit ich mich erinnere, nicht ein Wort Holländisch sprach!

„Burgsmüller hat alle seine Tricks von Ente Lippens gelernt“

BM: Wenn man sich die Fotos aus Ihrer Karriere so anschaut, wird deutlich, dass Sie in allen großen Stadien der damaligen Zeit gespielt haben: Das Berliner Olympiastadion, das Olympiastadion München, die damalige Spielstätte der Bayern, Borussia Mönchengladbachs Bökelberg, das Hamburger Volksparkstadion, übrigens auch alles Spielstätten, die ich als Fan besucht habe. Obwohl Sie nur fünf Jahre als Profi aktiv waren, haben sie gegen die Besten der damaligen Generation gespielt und sowohl in der 1. Liga mit Rot-Weiss Essen als auch in der 2. mit Borussia Dortmund. Welche besonderen Erinnerungen gibt es an die damalige Zeit?

„Die heutigen Spielergehälter machen einen krank“

AS: Ich kann nur mit großem Stolz und großer Dankbarkeit auf diese Zeit zurückblicken. Was für eine Ehre, neben der goldenen Generation deutscher Spieler wie Overath, Beckenbauer und Gerd Müller selbst Spieler gewesen zu sein. Ich habe in den größten Stadien in Deutschland gespielt für große Teams wie Rot-Weiß Essen und den BVB, aber auch für den 1. FC Mülheim, als der Klub die erfolgreichste Zeit seiner Vereinsgeschichte hatte und in der 2. Liga antrat. Was Spieler betrifft, gibt es da meinen Mannschaftskameraden Holger Osieck, der später 11 Jahre als Trainer beim DFB tätig war und als Assistenz von Franz Beckenbauer 1986 bei der WM in Mexiko war und das Turnier mit Deutschland 1990 in Italien gewann. Osieck war immer dabei an der Seitenlinie mit seinem roten Pullover. Osieck war der Spieler des 1. FC Mülheim, der es am weitesten gebracht hatte, er trainierte die Nationalmannschaften von Australien und Kanada und große Vereine wie Olympique Marseille und den VfL Bochum. Holger ist immer noch ein Freund. Wir haben uns vor 10 Jahren mal getroffen; der Erfolg hat ihn nicht verändert. Er ist ein Duisburger durch und durch, ein Ruhrpottjunge.
In dieser Zeit hat man natürlich nicht so viel verdient wie die Spieler heute (das maximal mögliche Gehalt in der Bundesliga betrug 3.000 DM) und es gab nur hin und wieder mal einen Bonus, aber trotzdem war das für uns damals schon richtig gutes Geld. Die heutigen Gehälter, besonders in der Premier League in England, eine Million pro Woche, vergleichen Sie das mal mit einem ganz normalen Facharbeitergehalt. Ich finde diese Summen inakzeptabel. Millionen? Was soll man mit so viel Geld anfangen? Erst Mitte der 70er Jahre haben Spieler wie Gerd Müller 20.000 DM pro Monat verdient. Aber die heutigen Entwicklungen, wenn man zum Beispiel die 40 Millionen pro Saison für Neymar nimmt, macht einen das doch krank. Damals war es halt eine andere Zeit. Wir haben hart gearbeitet, hatten aber auch regelmäßig ein paar Drinks und viele von uns haben geraucht. Es waren andere Zeiten.

BM: Wissen Sie, ich bin genau so erstaunt, in England sind inzwischen sogar die Ticketpreise unbezahlbar geworden mit durchschnittlich 50 Pfund pro Karte. In der Bundesliga liegt der Durchschnitt wenigstens bei 30 Pfund, aber die Gehälter der Spieler sind auch geringer. Allerdings verdienen die Topstars immer noch Millionen, in meinen Augen ist das zuviel.
Blicken wir noch mal zurück auf den BVB in den frühen 1970er Jahren. Sie waren Stürmer in der Saison 72/73, Dortmund war gerade in die 2. Liga abgestürzt. Das bekannte BVB-Fanzine „Schwatzgelb“ hat 2001 den Abstieg in einem geschichtlichen Beitrag als „den Abstieg ins Bodenlose“ bezeichnet. Vier Spielzeiten verbrachte man im Unterhaus und spielte plötzlich gegen Mannschaften wie Rot-Weiß Lüdenscheid, Eintracht Gelsenkirchen, Lüner SV, Sportfreunde Siegen oder Arminia Gütersloh, von denen die meisten heute irgendwo am Ende der deutschen Ligenpyramide kicken. Es war, wie es „Schwatzgelb“ bezeichnete, „kaum die glänzende Glitzerwelt des BVB, die wir heute im Signal Iduna Park sehen“. Es dauerte vier Jahre, aus der Liga herauszukommen; können Sie uns vor Augen führen, wie es um damals um den BVB bestellt war und wie der Verein den Aufstieg schaffte? Wo liegen aus Ihrer Sicht die Unterschiede zu dem, was wir heute in Dortmund erleben?

„Es waren harte Jahre für den BVB bis zum Aufstieg, aber das Westfalenstadion war pures Glück!“

AS: Naja, zum einen ist da das Westfalenstadion. Sie müssen verstehen, dass die WM 1974 für den deutschen Fußball ein Wunder war. Nach dem Spielmanipulationsskandal der frühen 70er Jahre war der deutsche Fußball in einem schlechten Zustand. 52 Spieler waren wegen Betrugs angeklagt worden, inklusive bekannter Spieler von Schalke 04, Arminia Bielefeld und dem 1. FC Köln und Nationalspielern wie Manfred Manglitz, Klaus Fischer, Reinhard Libuda, Rolf Rüssmann und Zoltan Varga. Bielefeld und Offenbach mussten sogar zwangsabsteigen. Die Fans blieben den Spielen fern, der BVB hatte 1972 eine Begegnung gegen Preußen Münster vor 1.500 Fans. Sie gewannen 7:0, aber können Sie sich 1.500 Zuschauer vorstellen? Der Zuschauerschnitt bei den Bayern halbierte sich infolge des Manipulationsskandals!
Das waren andere Zeiten. Der BVB war nach dem Abstieg in einer schwierigen Situation und als ich zur Mannschaft stieß, waren von den alten Legenden nur noch wenige da. Wolfgang Paul und Hoppy Kurrat waren diejenigen, die vom Europapokalsieger-Team noch übrig waren. Walter Kliemt war Präsident, der Verein war in finanziellen Schwierigkeiten. Obwohl sie das Trainingsgelände in Brackel an die Stadt Dortmund verkauft hatten, hatten sie noch Probleme, eine Lizenz für die 2. Liga zu bekommen. Als Spieler war das eine harte Zeit, es war nicht alles so organisiert und es gab keine klare Richtungsvorgabe.
Der BVB musste mit jungen Spielern neu anfangen, es gab kaum Geld, 9 Spieler hatten den Verein verlassen, inklusive Held, Wosab und Neuberger, es war fast eine komplett neue Mannschaft. Sie wurde durch junge Talente ersetzt, wie Reinhold Mathis von den Sportfreunden Siegen und Mensink vom OSC Bremerhaven. Die Zeiten, in denen das große Geld ausgegeben wurde, waren lange vorbei, die Zuschauerzahlen gering und das Talent überschaubar. Wir waren jung und hoffnungsvoll, aber es waren harte Zeiten bis 1975, dem Jahr vor dem Aufstieg.

Das Westfalenstadion: die Wiege des Glücks für den BVB seit 1974

BM: Ich habe gelesen, dass der BVB während seiner vier Jahre in der 2. Liga einen Zuschauerschnitt von 8.735 hatte. 1973/74 waren es nur knapp 10% des heutigen Schnitts (78.000 in der Spielzeit 17/18). Mensink und Mathes waren nicht Sigi Held, soviel ist sicher, und dann der Manipulationsskandal… Rolf Rüssmann spielte übrigens von 1980 bis 1985 für den BVB und war einer meiner Lieblingsspieler, Klaus Fischer genauso. Ich erinnere mich, dass er für den DFB und Schalke ein unheimlich wichtiger Spieler war nach der Begnadigung durch den DFB. Ich kann mich erinnern, dass der BVB in den Achtzigern vor 18-20.000 Zuschauern spielte, aber niemals vor 1.500 oder 8.000. Das muss doch herausfordernd gewesen sein? Auch in finanzieller Hinsicht ganz anders als heute, obwohl wir natürlich alle wissen, dass der Verein 2005 fast bankrott gegangen wäre.

AS: Was passierte, war das Westfalenstadion. Das neue Stadion war ein enormer Glücksfall für den Klub, plötzlich war ganz neuer Elan spürbar. Die Bauzeit begann 1971 und 1975 folgte dann der Umzug in die neue Spielstätte. Jeder wollte da ein Teil von sein und plötzlich kamen die Massen. Ich habe mir vor Kurzem mit meinem Neffen in Dortmund ein Spiel angesehen und obwohl er, wie sein Vater, Bayern-Fan ist, waren wir beide von der Erfahrung überwältigt. Ich bekomme Gänsehaut, wenn ich nur daran denke. Das Westfalenstadion brachte jedenfalls eine rekordverdächtige Zahl an Fans und brachte den Klub zurück auf den Weg in die Bundesliga in der Spielzeit 76/77. Allerdings wurde die Mannschaft auch mit einigen großartigen Spielern verstärkt. Kliemt wurde durch den neuen Präsidenten Heinz Günther ersetzt, was aus meiner Sicht längst überfällig war.

BM: Ich glaube, es gab auch zwei Investitionen der Stadt Dortmund, und zwar erst 200.000 DM und dann noch mal 800.000, wofür die Stadt mit einem ‚DO’ und einem Blumenkamm auf den Trikots belohnt wurde. Durch das neue Stadion und die Unterstützung der Stadt dürfte der Verein zu dieser Zeit in einer besseren finanziellen Situation gewesen sein. Ich meine, dass auf diese Weise auch der Name der Stadt auf den Rücken der Shirts kam. Jetzt hat das jedes Team, aber der BVB war diesbezüglich mal wieder Vorreiter.

„Die Stärke des BVB ist, dass die gesamte Region hinter dem Klub steht, genauso wie Firmen und Fans“

AS: Wenn man sich den BVB anschaut, ist es ja auch jetzt so: Die Stärke des Klubs ist, dass die gesamte Region hinter ihm steht. Damals, in den frühen 70er Jahren, haben sich auch lokale Unternehmen wie Hoesch engagiert, die Stadt Dortmund genauso. Jetzt ist es die ganze Region, der BVB hat hunderte Sponsoren. Die Menschen der Region und die Firmen der Region, das ist die Stärke des Klubs.

BM: Es ist toll, zu hören, dass Sie den BVB immer noch verfolgen und zu Spielen gehen. Ich liebe das Gefühl der Einheit bei unserem Klub, und Sie haben erwähnt, dass Sie über die Jahre den Kontakt mit Held und Libuda und Kurrat gehalten haben. Hat denn der BVB auch die Beziehung zu Ihnen gepflegt?

AS: Jetzt verfolge ich den Klub nur noch wie jeder ganz normale Fan. Leider ist die Beziehung zum BVB sehr eingeschränkt, eine Saison als Spieler ist nicht so viel, schätze ich. Es gab dort viele andere Spieler, aber für mich ist es trotzdem besonders. Ein Verein, der mir sehr ans Herz gewachsen ist, ist auch der 1. FC Mühlheim, mit dem ich in der Bundesliga Nord gegen Vereine wie Bayer Uerdingen, Hannover 96, Bayer Leverkusen, den VfL Wolfsburg und Arminia Bielefeld gespielt habe. Was so besonders war, ist, dass Mühlheim ein kleiner Klub war, der im deutschen Fußball nie eine große Rolle gespielt hat. Wir kamen eigentlich nie höher als in die Landesliga (jetzt die 6. Liga in Deutschland), wir waren ein kleines Team aus einer kleinen Stadt mit nur etwa 100.000 Einwohnern. Ich kam 1972/73 zum BVB und es war magisch, Dortmund war wirklich etwas Besonderes, aber es brachte nicht den erhofften Durchbruch. Plötzlich stand ich in Mühlheim in der Startelf, wir hatten einen phantastischen Teamgeist und erreichten in unserem ersten Jahr in der 2. Liga den 11. Platz.

BM:…und Sie wurden direkt Torschützenkönig mit 11 Treffern?

AS: Es gab da einen besonderen Nimbus rund um den Verein und die Stadt, plötzlich spielten wir vor 10-15.000 Zuschauern in einer kleinen Stadt wie Mülheim. Spieler wie Holger Osieck, Herbert Stoffmehl und ich waren wie lokale Berühmtheiten. Wir spielten vor großen Kulissen, die Menschen kamen aus der ganzen Region, die Ruhrstadion-Atmosphäre war legendär. Insbesondere in Derbys gegen Oberhausen (12 km von Mühlheim entfernt) oder Rot-Weiß Essen machte es Dich stolz, für die Stadt zu gewinnen und oben mitzuspielen. Die Leute aus der Gegend standen Schlange, um einem nach dem Spiel ein Bier auszugeben und ich kann mich erinnern, dass ich damals mein erstes Wunschkennzeichen bekam: MH-AK 1949. Die Stadt, meine Initialen und mein Geburtsjahr. Es war magisch, insbesondere in den 1970ern, und irgendwie klappte alles beim 1. FC Mülheim, alles wirkte so einfach, wir konnten nicht aufhören, zu gewinnen. Einfach nur für den 1. FC in der 2. Bundesliga zu spielen, war ein Riesenerfolg.
Dann gab es einen großen Karriere-Wendepunkt und die Möglichkeit, richtiges Geld zu verdienen. 1974 wurde ich in die 1. Liga zu Rot-Weiß Essen transferiert und bekam die Chance, mich auf dem höchsten Niveau zu beweisen. Plötzlich hießen die Gegenspieler Uwe Seeler, Franz Beckenbauer oder Wolfgang Overath. Ich habe in den besten Stadien und gegen die größten Stars gespielt und denke nicht, dass es irgendwie noch besser hätte kommen können. Diese Erinnerungen kann mir niemand nehmen, besonders an Uwe Seeler vom HSV, eine lebende Legende. Rot-Weiß Essen spielte in der 1. Liga, aber das harte Training… ich denke nicht, dass mein Körper dafür gemacht war. Auch damals haben wir häufig schon zweimal am Tag trainiert. Ich hatte dann noch einmal eine kurze Phase beim 1. FC Mülheim in der Saison 1975/1976, aber es war ein anderer Verein. Es gab finanzielle Probleme, was bedeutete, dass der Klub die meisten talentierten Spieler hatte verkaufen müssen. Sie wurden durch Nachwuchsspieler ersetzt und ich spielte aufgrund von Verletzungen nur 4 Partien. Leider stieg Mülheim 1976 dann ab. Ich hätte sie gern zurück in der 2. Liga gesehen, allerdings ist das in den letzten 40 Jahren nie passiert. Aber wir leben in Hoffnung, es ist ein besonderer Verein. Meine Karriere wurde mit 27 Jahren durch eine Verletzung beendet, irgendwas mit den Bändern. Mit dem heutigen Stand der Medizin wäre es eine simple Operation gewesen, aber damals, in den 70ern, konnte eine solche Verletzung nicht behandelt werde und ich musste meine Schuhe an den Nagel hängen.
Rückblickend schätze ich mich glücklich. Ich hatte eine großartige Karriere, ich habe für meinen BVB gespielt, ich habe in den schönsten Stadien gespielt und gegen Legenden des Spiels. Stellen Sie sich mal vor, damals habe ich sogar noch meinen Uni-Abschluss gemacht, während ich in der 1. Liga gespielt habe – heute wäre so etwas wohl undenkbar.

English version

Der Klassiker – Interviews with BVB players stars through the ages

Interview with Alfons Sikora, Borussia Dortmund striker 1971-72 – Memories of BvB in the 2 Liga – interview by Benjamin McFadyean, August 2018
Alfons Sikora played for RW Essen, Borussia Dortmund and 1FC Mühlheim in the 1 and 2 Bundesliga (Nord) between 1972-1976. Sikora on joining BVB was praised by Kicker Sportmagazin at the time as the ‘New Sigi Held’ a hugely talented but injury prone striker Sikora scored 14 goals in 100 matches and was top scorer for 1 FC Mühlheim in the club’s debut season in the 2 Bundesliga in 1972/73 which at that time was divided into North and South divisions. 1. FC Mülheim finished a remarkable 11th position a league with clubs like Bayer Leverkusen, VFL Wolfsburg, Hannover 96 and BVB.
In this interview Sikora talks about an era of BVB’s history about which less is known, the time in the 2 Liga, the second tier of German football, Sikora draws parallels with HSV’s current 2 Liga stay, shares memories of life with 1. FC Mülheim, the smallest team to ever have played in the 2 Liga and memories of encounters with some of the legends of Bundesliga history including Beckenbauer, Overath, Lippens and Uwe Seeler. An era when German clubs like Borussia Mönchengladbach and Bayern München dominated European football and then World champions Germany were the team to beat on the world stage, a time of German football’s great success but also to date the worst match fixing scandal in Bundesliga history.

Ben McFadyean (BM): Alfons Sikora thank you for the opportunity to meet to do this interview at your house today, it’s a lovely country location, I can see why you love living here!

Alfons Sikora (AS): Thank you, it is great to meet you, I have seen some of your interviews especially that with my former fellow RW Essen player, Manni Burgsmüller, a great interview, nice work, thank you for coming out this way to interview me.

BM Thank you very much for the kind compliment, Manni was an amazing interview partner, as a BVB fan since the 1980’s, I have been through up and downs with this great club, 1980’s mostly stuck in midfield, 90’s successes and then the 00’s and beyond the legendary Klopp era. Hard to believe but the BVB were in the 2 Liga for four years in the 1970’s. Last season we saw the relegation of ‘Der Dino’ HSV after 55 years in 1 Liga, a low point for a massive club that like BVB has achieved everything in world football including winning the Champions league in 1982.
It’s amazing meeting one of the players of the BVB 2 Liga era and I am sure you can shed some light on that period, let me start with some questions about BVB in 2 Liga; I always have been interested to know more about the darkest hour of BVB, you are a lifelong BVB fan like me, firstly what was it like signing as a BVB player as a 20 year old from a German 7th tier club VFB Altena? Although you were one of the top scorers at VFB Altena it must have been a big step up to BVB right?

AS: I came as a 20 year old to BVB, it was as a huge step up from the then Landesliga to then just relegated Borussia Dortmund in the 2 Liga (BVB were relegated at the end of 71/72) having been the main striker at VFB Altena when we won the promotion in ’71 to the Landesliga as a lifelong Dortmund fan it was huge opportunity for me – at that time I would, frankly, have played for free for Borussia – to be paid to be a player at BVB was a dream come true! But they were different times, the comparison with HSV is valid. I still remember Hamburg winning the 1982 European cup with stars like Uli Stein, Felix Magath and Horst Hrubesch, like it was yesterday, 55 years in the Bundesliga – a huge achievement but also one I didn’t expect to see the end of in my lifetime! I don’t think anyone expected BVB to ever drift into 2 Liga at the time either but football is a money business. When a club has been in crisis too long in my view sometimes it’s the best thing. As BVB saw, and I am sure will apply in Hamburg, it takes something big like relegation to realise the size of the tasks to modernise the club in hand. Like BVB, HSV will be back for sure but remember it took Dortmund 4 years.

BM: Let me ask you about your BVB time, a passion we share is BVB, looking around your home this is for sure a BVB house, you have lots of BVB memorabilia, trophies some amazing photographs, I can see BVB mean a lot to you. You must have been truly moved to get the chance to sign with the club, however as a young striker didn’t it feel pretty intimidating to be coming in to replace superstar and then Germany international and European cup winner Sigi Held? To be fighting for a place in the line-up against Germany internationals Hoppy Kurrat, Jürgen Schütz or Werner Lorant, all much more experienced offensive players at the time?
The BVB team of the 1971/72 season had a base of players which included Wolfgang Paul, the legendary captain of the 1966 European cup winner’s cup team, Paul along with Held are still today ambassadors of the BVB and will be forever remembered for being part of the team that won the first ever European cup for a German team, but as the club had just been relegated it must have also been a challenging time to be part of Borussia Dortmund in the early 70’s even with such great players in the squad?

AS: Yes and no, Jürgen (Schütz) had been a star striker in Italy’s Serie A where he had played for AC Torino and AS Roma, at the time the big money league in Europe. They were legendary players, although the BVB team at the time in 71/72 was made up mostly of youngsters like myself, Ingo Peter, Friedel Mensink and fellow striker Jürgen Wilhelm we were all in our early 20’s, BVB finished in trust me, BVB finished 11 points off the title race in fourth place but even though it was 2 Liga it was BVB and we young players had to quickly find our feet. I was deeply honoured to be lining up with Hoppy, who I knew well and kept in touch with even after our playing careers, by the way I was very saddened to hear of Hoppy’s death last year, I have great memories of a great man and footballer – Hoppy was unique, few identified with BVB as much as Hoppy, he was one of a kind!

BM: As a fan, I came to BVB at the age of 12 in 1983, a player I remember making an impression on me back then was keeper Horst Betram replaced as no1 by Eike Immel. Betram was one of a line of BVB goalkeeping legends, Immel, Teddy DeBeer, Klos and Weidenfeller all dependable and outstanding keepers who saw BVB could rely on, players which will remain unforgotten, this week Roman Weidenfeller will in fact have his testimonial at Westfalenstation only one of seven players, one being Hoppy Kurrat, to get a testimonial match, what are your memories of Bertram?

AS: Horst joined from then just relegated Kickers Offenbach, he was regarded as a great talent, we were both youngsters and although he was competing against BVB’s number 1 Jürgen Rynio, Horst had a very strong career with BVB he eventually overtook Rynio and became one of the building blocks of the BVB team that were promoted in 1976, without Betram it would have been a different Borussia although he was replaced by the younger Eike Immel, like Weidenfeller now, Betram will always be remembered, a top guy and an outstanding athlete, he stayed until 1983, like Weidenfeller who has been at BVB for 16 years, Bertram played 12 years with BVB, it’s easier for a goalkeeper as you know but these guys’ dedication and loyalty to BVB says it all doesn’t it?

‘Hoppy was unique few identified with BVB like him, one of a kind’

BM: Having followed BVB since the early 80’s it’s really terrific to be able to make a connection with a player you played with and also one I saw playing from the terraces. Nice memories also, the appreciation and respect you have for the players like Bertram and Kurrat comes through. You mentioned my interview with Manni Burgsmüller, although you didn’t play in the team with Burgsmüller, (the legendary all time record scorer of BVB 135 goals) Manni was, as you say, an opponent in the league, what do you remember of Manni? He scored some crafty goals, was he the ‘trickster’ off the pitch as well as on it?

AS: Manni was the sensation of the day, I played against him when he was at Bayer Uerdingen and I was at 1FC Mühlheim, even as a youngster Manni was a ‘Schlitzohr’ (Wiseguy) I think Manni learnt a lot from my old friend and colleague at RW Essen Willi ‘Ente’ Lippens, a great character in the dressing room, ‘Ente’ kept the whole team entertained, and was a formidable striker, if you like, Ente was Manni’s mentor at RW Essen, I think Manni learnt a lot from ‘Ente’ you have to realise Lippens was the Goalscoring sensation at that time, he even went on to play alongside Johan Cruyff for Holland, although as far as I remember ‘Ente’ couldn’t speak even one word of Dutch!

‘Burgsmüller learnt all his tricks from Ente Lippens’

BM: Looking over the photographs from your career today, it’s clear you played at all the major stadia at the time, Berlin Olympic stadium, Olympiastadion Munich then the home of FC Bayern München, Borussia Mönchengladbach’s Bökelberg, Hamburg’s Volksparkstadion, all grounds I also visited as a fan. In your career although you only played professional football for 5 years you played against the best of the generation and both in the 1 Liga with RW Essen and 2 Liga with Borussia Dortmund can you share some special memories of the time?

‘Today player’s salaries are sickening’

AS: I can only look back with great pride and gratitude at those times, what an honour to have been a football player alongside that golden generation of German players, Overath, Beckenbauer, Gerd Müller, I played at all the biggest grounds in Germany and for great teams RW Essen and Borussia Dortmund but also 1FC Mülheim at the high point of the club’s history in 2 Bundesliga. In terms of players, my team mate at 1.FCM, Holger Osieck went on to spend 11 years as a coach with the DFB and become Franz Beckenbauer’s assistant at the Mexico World Cup in 1986 and won the world cup with Germany at Italia 90, Osieck was always there on the sidelines with his red jumper. Osieck was the Mühlheim player who made it the farthest he managed the national team of Australia and Canada and great club’s like Olympique Marseille and VFL Bochum. Holger is still a friend. We met up ten years ago with 1FC Mühlheim success didn’t change him he is a Duisburger through a through a ‘Ruhrpottjunge’ (son of the Ruhr region in Germany).
In those days, although we didn’t earn as much as the players do now (maximum capped salary in the Bundesliga was 3,000 DM (£1,500 in today’s money) plus other bonuses from time to time, it was still a fair bit of money for us in that time, today’s salaries especially in England in the Premiership £1m per week, compare that to the ordinary worker, I find that kind of money unacceptable – millions? What are you supposed to do with that kind of money? It was only until the mid 1970’s that players like Gerd Müller started earning 20,000 DM per month (£10,000 in today’s money) but today’s developments, £40m per season for Neymar for example, I find frankly sickening, but then it was also a different time, we worked hard but we also used to have a few drinks and many of us a smoke too – It was different times.

BM: You know I too am astounded, in England the match tickets are likewise unacceptably highly priced at an average of £50 per ticket at least in Germany the average is £30 but the Bundesliga player salaries are also lower in Germany but still most top players earn millions, too much in my view.
Looking back at BVB in the early 1970’s, you were a striker with the club in season 72/73, BVB had dropped into 2 Liga, well-known BVB fanzine Schwatz-Gelb in a 2001 historical piece referred to the relegation as ‘Der Abstieg ins Bodenlose’ (the bottomless drop), 4 seasons in the 2 Liga, suddenly playing against teams like RW Lüdenscheid, Eintracht Gelsenkirchen, Lüner SV, Sportfreunde Siegen or Arminia Gütersloh most of which are now playing in the bottom leagues of the football pyramid in Germany, it was as Schwatz-Gelb describe it ‘hardly the shiny sparkling world of BVB we see now at the Signal Iduna Park’. It took 4 years to get out of the 2 Liga can you paint a picture of what BVB was like in those days and how did BVB get out of the 2 Liga. What made the difference in your view to what we now experience in Dortmund?

‘Those were lean years for BVB, before the promotion but Westfalenstadion was stroke of pure luck!’

AS: Well for a start the Westfalenstadion (Signal Iduna Park), you have to see that the world cup 1974 was a miracle for German football, German football after the match fixing scandals of the early 1970’s was in a bad state, 52 players had put on trial for fraud including greats from Schalke 04, Arminia Bielefeld and 1FC Köln including Germany internationals Manfred Manglitz, Klaus Fischer and Reinhard Libuda and Rolf Rüssmann and Zoltan Varga. Later also Zoltan Varga from Hertha BSC Berlin Arminia Bielfeld and Kickers Offenbach even were forced into relegation by the DFB. The fans were staying away from the games, BVB had a match against Preußen Münster in 1972 in front of 1500 fans – they won it 7-0 but can you imagine 1500 spectators? Bayern’s gate halved after the match fixing scandals!
These were different times. BVB were in a difficult place after the relegation, when I joined, few of the greats remained Wolfgang Paul and Hoppy Kurrat were what was left of the European cup winning team. Walter Kliemt the president of the club was inept the club were in financial difficulties. There were even after selling the training facilities in Brackel to the city of Dortmund, BVB still had difficulties getting a licence for the 2 Liga. As a player it felt like hard times at BVB, not always organised, without a clear sense of direction.
BVB had to start with new young players, there was little money, 9 players left the team including Held, Wosab, Neuberger almost an entire team. They were replaced by young talents from like Reinhold Mathis from Sportfreunde Siegen and Mensink from OSC Bremerhaven – gone were the days of big spending – the gates were small and the talent was lean. We were young and hopeful but those were lean years until 1975 the year before the promotion.

BM: I see that BVB played in the 2 Liga for 4 years, the average attendance in the 2 Liga was 8,735 in 1973/74 just over 10% of what it is now (78,000 in 17/18). Mensink and Mathes were not Sigi Held that’s for sure and then the match fixing scandal, in fact Rolf Rüssmann went on to play for BVB from 1980-85 he was one of my favourite players, also Klaus Fischer I remember a hugely important player for Germany and Schalke after they were pardoned by the DFB. I remember BVB playing in front of crowds of about 18-20,000 in the eighties but never 1500 or even 8,000. It must have been a challenging time? Very different financially to now although there were challenging times as is widely known BVB almost went bankrupt in 2005.

AS: What happened was the Westfalenstadion, the new stadium was an enormous blessing to the club, suddenly there was a new élan in 1971 the construction of the stadium began and in 1975 BVB moved to the new stadium everybody wanted to be part of it and with the new stadium suddenly the crowds came, I recently went to a match in Dortmund with my nephew, although he is a like his father a Bayern fan, we were both overwhelmed by the experience, I get goosepimpels just thinking about it. Westfalenstadion brought record numbers of fans and put BVB on their way back to the Bundesliga in 76/77 but not before the team had been upgraded with great players. Kliemt was replaced by a new president Heinz Günther which was long overdue in my view.

BM: I believe there were also two investments by the City of Dortmund 200,000 DM followed by 800,000 DM for which the city was rewarded with a DO and floral crest on the front of the shirts. The new stadium and the city of Dortmund’s support the club would have been in a better financial position at that point. I believe that is also how Dortmund the city got their name on the back of the shirts – every team has it, it seems normal now, something which BVB started almost every club has another first for Borussia.

‘The strength of BVB is the whole region get behind the club, companies and fans’

AS: Even now if you look at BVB the strength is the whole region being behind the club, then back in the early seventies local companies like Hoesch came in with support and the city of Dortmund. Now it is the whole region, BVB have hundreds of sponsors, the people of the region and the businesses of the region that is the strength of the club.

BM: It’s great to hear you still visit BVB and follow the club, I too love that feeling of unity at our cIub, and you mentioned your contact over the years with Held and Libuda and Kurrat. So BVB maintained great relations with you over the years?

AS: I just follow the club like any fan, sadly the relations with BVB are limited, 1 season is not so much I guess, there have been many players, but it’s special for me. A club very close to my heart is also 1FC Mühlheim, in the Bundesliga Nord, we played against clubs like Bayer Uerdingen, Hannover 96, Bayer Leverkusen and VFL Wolfsburg and Arminia Bielefeld but what was so unique is Mühlheim was a small that had never played a big role in German football, we had never risen above Landesliga (now 6th tier in Germany) we were a small team from small town of just 100,000 inhabitants, a novelty, I joined from BVB in 1972/73 and it was magical, BVB was special but it didn’t bring the breakthrough suddenly I was straight into the line-up and we had an amazing spirit in the team, we achieved the 11th place in our first season.

BM: … and you became top scorer with 11 goals straight ‘off the bat’?

AS: There was a uniqueness to the club and the town suddenly we were playing in front of crowds of 10-15,000 in a small city like Mühlheim, players like Holger Osieck, Herbert Stoffmehl and myself we were like local celebrities, playing in front of huge crowds people came from across the region, the Ruhrstadion atmosphere was legendary especially in derbies like against RW Oberhausen or RW Essen, (Oberhausen is just 12 kilometres from Mühlheim) winning for the town and playing at the top, it made you proud. Locals would line up to buy you a beer after the match, I remember getting my first personalised number plate: MH AK 1949, the city, my initials and date of birth magical especially in the 1970’s, somehow it all clicked at 1FCM everything seemed so easy, we couldn’t stop winning, just being there for the 1 FC in the 2 Bundesliga was a huge success.
Then came a big career break, a chance to earn real money, in 1974 I got transferred to 1 Bundesliga, RW Essen a huge opportunity for me to test myself at the top, suddenly it was Uwe Seeler, Franz Beckenbauer, Wolfgang Overath I played at all the great grounds across Germany and against the biggest stars, I don’t think it gets any bigger, the memories will stay with me forever, especially HSV’s Uwe Seeler, a legend in his own lifetime, RW Essen was 1 Bundesliga but the rigours of training, I don’t think my body was cut out for that, even in those days we trained twice a day most days. I had a short spell back at 1FC Mühlheim in 1975/76 but it was a changed club, financial problems meant the club had to sell most of the talent and they were replaced by youngsters, I only played 4 matches due to injury, sad but 1FCM were relegated in 1976. I would have so much liked them to be back up in 2 Liga but it never happened all the last 40 years but we live in hope, a special club. My career was was cut short by injury at 27, a ligament injury, with today’s medicine it would have been a simple operation but back in the 70’s an injury like that couldn’t be treated, it meant the end of my career.
Looking back, I count myself fortunate, I had an amazing career; I played for my team BVB, I played at the greatest grounds and against legends of the game – imagine in those days I even managed to finish my university studies whilst playing in 1 Liga – today unthinkable.

Alfons Sikora was interviewed by UK based Bundesliga writer and founder of Borussia Dortmund Fan Club London Benjamin McFadyean in August 2018 – italicised comments editors notes.
Photo credits: Spox.com, 1FC Mühlheim/Stadtsparkasse Mühlheim a.d Ruhr, APA

Informationen zum Autor

Alfons Sikora wurde im August 2018 von Benjamin McFadyean interviewt, der in England lebt und dort den Borussia Dortmund Fanclub London gegründet hat. Der Fanklub ist auf Twitter und Facebook zu finden.

Kursiv gedruckt sind die Anmerkungen des Autors.

Bildnachweis: Spox.com, 1.FC Mühlheim/Stadtsparkasse Mühlheim a.d Ruhr, APA

Du hast auch ein Thema, das Dich bewegt und das gut zu 120minuten passen könnte? Dann wäre vielleicht unser Call for Papers etwas für Dich!

________________

Die Veröffentlichung dieses Beitrags wurde auch durch die Unterstützung des 120minuten-Lesekreises möglich. Vielen Dank an alle Unterstützerinnen und Unterstützer! Du möchtest 120minuten ebenfalls aktiv unter die Arme greifen? Dann bitte hier entlang!

]]>
https://120minuten.github.io/es-waren-andere-zeiten-alfons-sikora-im-interview/feed/ 0 5305
Was hat dich bloß so ruiniert? https://120minuten.github.io/was-hat-dich-bloss-so-ruiniert/ https://120minuten.github.io/was-hat-dich-bloss-so-ruiniert/#comments Wed, 18 May 2016 09:45:34 +0000 https://120minuten.github.io/?p=2099 Weiterlesen]]> Rot-Weiss Essen. Ein klingender Name für Fußball-Traditionalisten. Deutscher Meister in 50er-Jahren. Von Helmut Rahn über Manni Burgsmüller bis hin zu Mesut Özil kann man eine ganze Reihe namhafter Fußballer aufzählen, die das RWE-Trikot übergestreift haben. Seit der Saison 2012/13 spielt RWE im nagelneuen Stadion Essen, einer reinen Fußballarena. Zu den Heimspielen kommen im Schnitt mehr als 7.000 Zuschauer. Im Verein scheint weit mehr Potential zu stecken, als es die aktuelle Platzierung in der viertklassigen Regionalliga West vermuten lässt.

Doch im bezahlten Fußball war Essen zuletzt vor zehn Jahren vertreten, musste sogar einmal hinab in die Untiefen der fünftklassigen NRW-Liga, ein Insolvenzantrag war vorausgegangen. Fünf Spielzeiten in Folge hängt RWE nun schon in der Regionalliga fest und lief dabei nie in der Nähe von Platz 1 ein, der einem ein Los für die Auftstiegslotterierelegation verschafft. Das Essener Schicksal teilen viele Vereine mit langer Geschichte und großer Fanbasis. RWE scheint sein Potential auf dem Platz nicht in Ergebnissen umsetzen zu können. In Liga 2 und 3 haben sich längst andere Vereine etabliert. Warum tut sich Essen so schwer in Liga 4? Die Antwort liefert ein genauerer Blick auf die jüngsten Ereignisse im Verein. Interne Interessenkonflikte und Querelen, wechselwillige Spieler, Inkonstanz auf dem Platz und an der Seitenlinie gipfelten im erneuten Nichtaufstieg. Die oft bemühte „Unruhe in Verein und Umfeld“ – in Essen ist sie hautnah erlebbar. Uwe muss als Fan der Essener das ganze Elend aus nächster Nähe erleben. Ein Erfahrungsbericht aus der Regionalliga.

Autor: Uwe Strootmann, imschattendertribuene.com

Wo fing es an?

Um die aktuelle Saison und sportliche Situation in Essen besser zu verstehen, gilt es meiner Meinung nach, einige Zeit zurückzublicken. Der Vorlauf für diese momentan so dramatische sportliche Situation beginnt im Februar bzw. März 2014. Nacheinander wurden mit Dr. Uwe Harttgen ein neuer Sportvorstand und kurze Zeit später mit Marc Fascher ein neuer Trainer verpflichtet. Der wurde nötig, da der bisher dienstälteste Trainer des RWE, Waldemar Wrobel (mit 3,5 Jahren Amtszeit), entlassen wurde. Sportliche Stagnation war der Grund. Die erste große Amtshandlung von Dr. Uwe Harttgen. Die zweite Kerbe in des Sportvorstands Gürtel war die Abschaffung der in Fankreisen überaus beliebten „Zwoten“. Die U17 und die U19 sollten stattdessen mehr im Fokus stehen und junge Spieler direkt den Weg in die erste Mannschaft gehen.

Uwe Harttgen
Uwe Harttgen - Quelle: jawattdenn.de

Uwe Harttgen – Quelle: jawattdenn.de

Uwe Harttgen: Ex-Bundesliga-Profi, danach überwiegend in der Nachwuchsarbeit, u.a. bei Werder Bremen, tätig. Von Januar 2014 bis März 2015 Sportvorstand bei RWE. Verlängerte den Vertrag mit Trainer Marc Fascher ohne Zustimmung des Aufsichtsrats und musste gehen.

Der Verein stellte sich also auf, um professionell den Weg in die Dritte Liga anzugehen. Was auch in der Herbstmeisterschaft 2014/15 mündete. Der Weg dorthin war sportlich jedoch ein zermürbender: der Stil, den Marc Fascher spielen ließ und die Außendarstellung von Dr. Uwe Harttgen erwiesen sich als bisweilen unansehnlich und unnahbar. Das Umfeld rund um die Hafenstraße war ob der beiden Protagonisten alles andere als erfreut. Die beiden (kühlen) Norddeutschen passten nicht in den (emotionalen) Pott, so der allgemeine Tenor. Lediglich der Tabellenplatz kittete immer wieder die stets größer werdenden Risse im Vereinsgebälk.

 

„Im Gegenteil. Ich habe eher den Eindruck, dass die vielen Negativerlebnisse der Vergangenheit ein Misstrauen hervorgerufen haben. Dieser Verein lebt auch deshalb seine Tradition so aus, weil die Hoffnung auf Erfolge in der Gegenwart und Zukunft nicht sonderlich ausgeprägt ist. Da fehlt es an der einen oder anderen Stelle an Zuversicht.“

UWE HARTTGEN IM INTERVIEW BEI 11FREUNDE IM FEBRUAR 2015

Die Mannschaft wurde von Marc Fascher zudem mit Argusaugen bewacht. Er hatte „seine Elf“. Komme was da wolle. Der Rest im Kader konnte sich auf dem Trainingsplatz noch so anbieten – in der Aufstellung spiegelte sich die Trainingsform nicht oder kaum wieder. Kein Wunder also, dass die Neuzugänge der vorletzten Winterpause vor der Verpflichtung des neuen Trainers eigentlich gar keinen Zugang in die Welt des Marc Fascher fanden und das Geschehen auf dem Platz meist von draußen mitansehen durften. Gift für eine jede Mannschaft.

Marc Fascher
Marc Fascher - Quelle: jawattdenn.de

Marc Fascher – Quelle: jawattdenn.de

Marc Fascher: im Alter von 32 Jahren startete Marc Fascher seine Trainerlaufbahn. Den Fünftligisten Concordia Hamburg führte er in die vierthöchste Spielklasse. Mit seinem nächsten Verein Kickers Emden gelang ihm ebenfalls der Aufstieg – diesmal in die dritthöchste Spielklasse. Der Defensiv-Spezialist war danach u.a. für Preußen Münster und Hansa Rostock tätig, bevor er bei RWE übernahm.

Weitere Stolpersteine im Saisonverlauf 14/15 waren der positiv getestete Cebio Soukou und die eigenmächtigen Handlungen nebst heimlicher Verhandlungen des Sportvorstandes. Die weiteren Folgen: Punktabzug und Sperre des Spielers Soukou. Absturz vom Tabellenthron bis hinunter auf Platz fünf. Fristlose Kündigung von Uwe Harttgen und kurz danach auch die Entlassung von Trainer Marc Fascher im März. Einmal also die ganze Palette dessen, was im Verlaufe einer Saison so alles schief gehen kann. Wenn Rot-Weiss Essen ins Klo greift, dann aber richtig!

Der Gewinn des Niederrheinpokals 2015 unter dem beliebten und erfolgreichen Jugendtrainer Jürgen Lucas und die damit verbundene Teilnahme an unser aller DFB-Pokal wirkte nochmal wie Balsam für die wunde Seele der großen RWE-Fangemeinde. Es galt also wieder einmal, nach einer Saison einen großen Haufen Scherben zusammenzufegen und zugleich für die bevorstehende Saison 2015/16 endlich die richtigen Personalentscheidungen zu treffen. Die sportliche Leitung übernahm mit Andreas Winkler der bisherige und ziemlich erfolgreiche Leiter des Nachwuchsleistungszentrums des RWE. Er konnte eine respektable sportliche Vita vorweisen und war zudem seit 2000 an der Hafenstraße in verschiedensten Funktionen auf und neben dem Feld tätig.

Andreas Winkler
Andreas Winkler - Quelle: jawattdenn.de

Andreas Winkler – Quelle: jawattdenn.de

Andreas Winkler: spielte in seiner Jugend beim FC Bayern und lief für eine ganze Reihe von Klubs in der 2. und 3. Liga auf, zuletzt 2002 für Rot-Weiss Essen. Ab 2003 leitete er Essens Nachwuchsleistungszentrum und schloss 2013 die Ausbildung zum Fußballlehrer beim DFB ab. Seit der Saison 2015/16 hat Winkler die Funktion des Sportvorstands bei RWE inne.

2015 sicherte sich RWE den Niederrheinpokal - Quelle: jawattdenn.de

2015 sicherte sich RWE den Niederrheinpokal – Quelle: jawattdenn.de

Die erfolgreiche Ausbildung zum Fußballlehrer absolvierte Andreas Winkler zeitgleich mit einem jungen Trainer namens Jan Siewert. Den DFB-Offiziellen gefiel Jan Siewert schon während seiner Ausbildung fachlich und menschlich so gut, dass er direkt einen unbefristeten Anschlussvertrag als Co- Trainer der DFB-Talente im Bereich U18 und U17 erhielt. Es war also quasi Beamtenstatus, den Jan Siewert zu Saisonbeginn 15/16 aufgab, um dem Werben von Rot-Weiss Essen nachzugeben. Ich gehe einfach mal davon aus, dass es Andreas Winkler war, der sich seines Jahrgangskollegen erinnerte. Das neurotisch unruhige Umfeld rund um die Helmut-Rahn-Statue runzelte direkt erstaunt die Stirn. Jan..wer? Mit 32 Jahren war Siewert der jüngste Cheftrainer bei RWE seit fast 40 Jahren.

Dazu muss man wissen: Natürlich werden hier in Essen stets 99% aller Trainerverpflichtungen zunächst abgelehnt, hat ein jeder doch mindesten zehn eigene Favoriten auf dem Zettel. Und dann ist da noch der überhöhte Anspruch eines Umfelds, das Personalentscheidungen auf Zweitliganiveau erwartet – mindestens. Zudem darf es definitiv auch keiner vom Schalker Markt sein.

Jan Siewert
Jan Siewert - Quelle: jawattdenn.de

Jan Siewert – Quelle: jawattdenn.de

Jan Siewert: als Fußballer spielte er auf Oberliga-Niveau, beendete seine Laufbahn als Spieler aber bereits 2009 im Alter von 27 Jahren. Anschließend arbeitete er als Nachwuchskoordinator beim DFB, machte seine Fußballlehrerlizenz und war Co-Trainer der DFB U18 und U17. Zu Saisonbeginn 2015/16 übernahm er das Traineramt bei Rot-Weiss Essen.

Da aber Neutrainer Siewert vorab „Hafenstraßenfußball“ versprach, ohne diesen Begriff weiter zu definieren, schienen die notorischen Zweifler erst einmal beruhigt. Es war eigentlich ein guter Gedanke, es mit einem fachlich bestens ausgebildeten Trainer zu versuchen. Zudem jung an Jahren und gewillt, lange Zeit für Rot-Weiss Essen an der Seitenlinie zu stehen. Die fehlende Vereinserfahrung wich argumentativ der alljährlichen Vorfreude.

„Wer die Chance hat, einen Verein wie RWE zu trainieren, der muss einfach zugreifen. Das hohe Maß an Emotionalität, das diesen Klub auszeichnet, passt ausgezeichnet zu meiner Auffassung vom Fußball. Ich stehe für eine leidenschaftliche Spielweise und fordere von meinen Spielern Leidenschaft ein. Ich freue mich schon sehr darauf, mit meiner Mannschaft vor den fantastischen RWE-Fans aufzutreten.“

JAN SIEWERT IM INTERVIEW MIT DEM DFB IM JUNI 2015

Was ist passiert?

Die Kaderplanung wartete mit einigen Überraschungen auf, aber auch hier gilt die Essener Regel seit 1907: Jeder Neuzugang ist erst einmal ein schlechter Neuzugang und zig andere Spieler wären besser geeignet. Unter Vertrag waren natürlich auch noch viele Spieler von „Faschers Eleven“ und jene, die sich seiner nicht würdig erweisen konnten. Und dann war da ja auch noch der prominenteste Neuzugang, der eigentlich keiner war: Die Hoffnungen ruhten vor allem auf Cebio Soukou und seinem bisweilen ungestümen Drang Richtung Gegners Tor. Soukou wurde während der Verhandlungen seines Dopingfalls und der Sperre vom Verein über Gebühr unterstützt, ohne es jedoch zu müssen. Es war also Zeit für den Spieler, zurückzuzahlen. Die Trauben hingen wie immer hoch.

Cebio Soukou
Cebio Soukou - Quelle: jawattdenn.de

Cebio Soukou – Quelle: jawattdenn.de

Cebio Soukou: kam 2012 vom VfL Bochum II und wurde im Verlauf der Saison 12/13 zum Stammspieler und Leistungsträger. Im Dezember 2014 wurde Soukou positiv auf das leistungssteigernde Methylhexanamin getestet. Ein verunreinigtes Nahrungsergänzungsmittel soll Schuld daran gewesen sein. Rot-Weiss Essen unterstützt den Spieler, gibt eine Analyse des Nahrungsergänzungsmittels in einem unabhängigen Labor in Auftrag. Soukou wird für mehrere Monate gesperrt. Als er im Sommer wieder spielberechtigt ist, scheint er bereits Wechselabsichten zu hegen. Soukou forciert seinen Wechsel zu einem höherklassigen Team, RWE-Trainer Jan Siewert sagt im November 2015 über ihn: „Wenn man merkt, dass ein Spieler mit seinen Gedanken nicht voll dabei ist, muss man sich nach Alternativen umschauen“

Zudem stand und steht der Verein abseits des Platzes durch die Arbeit von Prof. Dr. Michael Welling als Vereinschef und seinen unglaublich engagierten und kompetenten Mitarbeitern auf finanziell gesunden Füßen. Die Vorfreude war groß, die Erwartungshaltung war klar: Ligameister und Aufstieg. Was kümmert uns diese unselige Flaschenhalspolitik des DFB, um langsam, aber sicher einen „Closed Shop“ der Profiligen zu installieren? ‚Nur der RWE!‘, so das Motto. Da aber Rot-Weiss Essen immer genau dann eine tragische Figur abgibt, wenn man sich schon der Abendsonne entgegen reitend wähnt, wurde direkt das erste Saison- und Heimspiel mit 0:3 gegen den SC Wiedenbrück verloren. Nicht nur die fest eingeplanten Punkte waren an jenem Tag weg; auch die bisherige Mannschaftshierarchie wurde von Jan Siewert umgekrempelt. Neuer Spielführer und eine neue „Achse“ auf dem Spielfeld also. Zudem eine neue Nummer 1 im Tor.

Michael Welling
Michael Welling - Quelle: jawattdenn.de

Michael Welling – Quelle: jawattdenn.de

Prof. Dr. Michael Welling: ist Wirtschaftswissenschaftler, arbeitete als Lehrbeauftragter an der Fakultät für Sportwissenschaft der Ruhr-Universität Bochum und beim internationalen Sportrechtevermarkter Sportfive. Seit 2010 ist er geschäftsführender 1. Vorsitzender von RWE.

Das nächste Spiel war aber schon der Auftritt im  DFB-Pokal gegen den alten Westrivalen Fortuna Düsseldorf. Die Auftaktpleite war vergessen. Vor ausverkauftem Haus boten die Essener den Düsseldorfern einen leidenschaftlichen Kampf. Das Stadion Essen bebte. Raus mit Applaus. Erst danach begann die Saison so richtig und brachte neben einigen Enttäuschungen auch ein beinahe unglaubliches 9:1 gegen den TuS Erndtebrück. Und doch wurde immer offensichtlicher, dass es innerhalb der Mannschaft nicht stimmen konnte. Cebio Soukou wollte gar nicht zurückzahlen! Als Spieler mit mehr Beratern als Fußballschuhen wollte er seine Freigabe Richtung Erzgebirge Aue mit Lustlosigkeit erzwingen und setzte dem Verein so die Pistole auf die Brust. Ein Spieler demonstrierte hier eindrucksvoll seine Macht, wenn es darum geht, sich aus einem bestehenden Vertragsverhältnis zu befreien. Ebenso eindrucksvoll hat Cebio Soukou seine Undankbarkeit gegenüber Verein und Fans erwiesen.

trister Herbst: RWE lässt in der Hinrunde viele Punkte liegen - Quelle: jawattdenn.de

trister Herbst: RWE lässt in der Hinrunde viele Punkte liegen – Quelle: jawattdenn.de

Auch der im Vorfeld durchaus als problematisch eingeschätzte Neuzugang aus Aachen, Kevin Behrens, erwies sich seines Rufes würdig. Natürlich gehören immer zwei Seiten dazu, wenn Probleme im Miteinander auftauchen. Fakt ist jedoch: Mit Behrens und Soukou verließen zum Jahresende 2015 zwei Spieler die Hafenstraße, in die große Hoffnungen gesetzt wurden. Der verbliebene Rest wurde durch Jan Siewert in immer wieder veränderter Startaufstellung auf den Platz geschickt. Gab es für Marc Fascher nur die erste Elf, konnte Jan Siewert sich kaum für eine solche entscheiden. Die Folge dessen: Unsicherheit auf dem Feld und zunehmende Unzufriedenheit daneben. Auch auf der Tribüne herrschte durch die Auflösung der Ultras Essen eine Unruhe, die nicht förderlich war und ist. Viele neue Gruppen entstanden, sehr unterschiedlich in ihrer Ausrichtung. Unruhige Zeiten an der Hafenstraße.

In der Winterpause wurden dann weitere Neuverpflichtungen getätigt, was den Abgängen, vielen Verletzten und auch den vielen Enttäuschungen der Saison geschuldet war. Allerdings schlug nach der Winterpause kaum einer der neuen Spieler ein, konnte sich so manch einer noch nicht einmal beweisen, da verletzt. Rot-Weiss Essen fühlte sich als Verein der Arbeiter und Bergmänner deren Tradition nahe und fuhr ebenfalls ein: in den Tabellenkeller! Erstaunlicherweise genoss Jan Siewert dennoch weiterhin Kredit bei den Fans. Es hatte wohl kaum einer mehr Lust auf einen erneuten Trainerwechsel. Im Laufe der Rückrunde hielt sich der RWE gerade noch über dem ominösen Strich, auch wenn sich die lokale Sportzeitung kaum noch einkriegen konnte und sogar während eines laufenden Spieltages einen Artikel brachte, der RWE wäre justament auf einem Abstiegsrang gelandet.

Nach Abpfiff stand die Mannschaft zwar wieder knapp darüber, aber der Spieltag veranschaulichte die gefährliche Dynamik ziemlich trefflich. Denn auch die Beziehung zu eben jener Sportzeitung, dem RevierSport, ist beidseitig keine gute. Artikel können, geschickt lanciert, weitere Unruhe nach sich ziehen. Die Mannschaft als solche hatte den Kredit bei den Fans mittlerweile endgültig verspielt und auch Sportdirektor und Trainer waren zum verbalen Abschuss freigegeben. Als Folge dessen gab es gegen den SV Verl einen Teilboykott der Westtribüne. Teilboykott daher, weil die Fans hier gespaltener Meinung waren. Zu lustlos war der Auftritt fünf Tage zuvor in Düsseldorf.

Leider waren Teile des RWE-Anhangs mittlerweile nicht mehr in der Lage, Kritik konstruktiv an den „Mann“ zu bringen! Mannschaft, Trainer und Verantwortliche mussten sich vieles anhören, lesen und gefallen lassen, was , bei aller Enttäuschung, nichts mehr mit einem respektvollen Miteinander zu tun hatte. Zu verroht war der Ton in den „sozialen“ Medien, zu offen die Beleidigungen und die Androhung von Gewalt.

Die absolute Fassungslosigkeit und der Schmerz über den Saisonverlauf war verständlich, die Reaktionen nicht. Nicht nur, dass der angepeilte Aufstieg schon früh in der Saison nur noch Illusion war. Nun drohte, Anfang April 2016, sogar der erste sportliche Abstieg in die Fünftklassigkeit seit 1907. Gar nicht auszumalen, was dieser Absturz in die komplette Bedeutungslosigkeit für wirtschaftliche Konsequenzen nach sich ziehen würde. Diesen Weg würde gefühlt kaum mehr einer mitgehen. Zu lang war schon die Leidenszeit in der vierten Liga, zu groß immer wieder die Hoffnungen, zu bitter die sportlichen Enttäuschungen.

Doch zurück zur Mannschaft: Trainer Jan Siewert übte sich immer mehr in Durchhalteparolen und zeigte interne Stärke durch weitere temporäre Suspendierungen. Der Verein hielt noch am Trainer fest, sicher nicht nur die sportliche Belange im Kopf, sondern auch die wirtschaftlichen Konsequenzen bedenkend.

bittere Heimniederlage gegen SF Lotte Anfang April 2016 - Quelle: jawattdenn.de

bittere Heimniederlage gegen SF Lotte Anfang April 2016 – Quelle: jawattdenn.de

Das Umfeld jedoch hatte es einfach nur noch satt. Dem Sieg im „Boykottspiel“ gegen den SC Verl folgte eine weitere Niederlage bei der stets zu hoch gehandelten Kölner Viktoria und die nächste Schlappe ließ nicht lange auf sich warten: Die 0:2-Niederlage gegen die Sportfreunde Lotte am 2. April war nicht nur ein weiterer Dämpfer im Abstiegskampf und hatte einige hässliche Szenen nach dem Spiel zur Folge, sondern bedeutete auch das letzte Spiel für Jan Siewert als Trainer von Rot-Weiss Essen. Am nächsten Tag wurde er von seinen Aufgaben entbunden und freigestellt. Seine Papiere bekam er sinnbildlich durch den sportlichen Leiter Andreas Winkler überreicht. Dessen Ablösung fordern auch viele Fans, da sie (mich eingeschlossen) ihn für eine völlig verfehlte Einkaufspolitik im Vorfeld und Verlauf dieser Saison verantwortlich machen.

Für einen Tag übernahm wieder der schon anfangs erwähnte und hoch geschätzte Jugendtrainer Jürgen Lucas, ehe im Handumdrehen ein neuer Trainer präsentiert wurde: Sven Demandt soll es nun richten und den Abstieg verhindern. Im Spiel Eins nach Jan Siewert gelang das auch prompt (der Trainerwechsel und seine psychologische Wirkung). Das Überraschungsteam aus Ahlen wurde in Ahlen mit 2:1 bezwungen.

der Auswärtssieg in Ahlen sorgt für Erleichterung im Abstiegskampf - Quelle: jawattdenn.de

der Auswärtssieg in Ahlen sorgt für Erleichterung im Abstiegskampf – Quelle: jawattdenn.de

Um Ahlen herum aber bleibt wohl einmal mehr nur das Fehlverhalten einiger weniger im Gedächtnis – im RWE-Gästeblock war Pyotechnik abgebrannt und das Spiel daraufhin unterbrochen worden.  

Als Fazit bleibt folgende Erkenntnis: Der Misserfolg dieser Saison 2015/16 kann nicht losgelöst von der Ära Fascher und Harttgen betrachtet werden, die dem Verein Rot-Weiss Essen in seiner sportlichen Entwicklung zwei bis vier Jahre gekostet hat und kosten wird. So meine Einschätzung.


So steht Rot-Weiss Essen am Ende der Saison wieder mit leeren Händen da. Im besten Fall kann der Abstieg abgewendet und wiederum der Reset-Knopf gedrückt werden. Eine große Fanbasis, ein engagierter Präsident, ein drittligareifer Etat, ein Nachwuchsleitungszentrum, ein neues Stadion – auf dem Papier erfüllt der Fußballstandort Essen alle Anforderungen für Profifußball. Dennoch muss man sich an der Hafenstraße auf ein weiteres Jahr in der Viertklassigkeit einstellen, im Optimalfall. Der Verein tritt auf der Stelle. Das Beispiel aus Essen zeigt, was alles schief gehen kann, in einer Saison, in einem Verein. Die Verkettung von Fehlentscheidungen und unglücklichen Ereignissen hat einen Strudel erzeugt, der selbst einen haushohen Favoriten in den Abstiegskampf hinunterziehen kann, wo man mit Teams wie TuS Erndtebrück oder der SSVg Velbert ums Überleben kämpft.

Beitragsbild: Wir bedanken uns beim RWE-Fanzine jawattdenn, dessen umfassenden Bilderfundus wir zur Bebilderung dieses Texts nutzen durften.

]]>
https://120minuten.github.io/was-hat-dich-bloss-so-ruiniert/feed/ 3 2099
In Memoriam – Rot-Weiss Essen auf Amerika-Tour https://120minuten.github.io/in-memoriam-rot-weiss-essen-auf-amerika-tour/ Wed, 04 May 2016 18:01:55 +0000 https://120minuten.github.io/?p=2219 Weiterlesen]]> Heute touren Bundesligisten durch die USA oder Fernost und spulen dort ihr Werbeprogramm ab. Vor 60 Jahren waren solche Reisen eine ganz andere Unternehmung: abenteuerlich, gespickt mit Überraschungen und anstrengend.

Rot-Weiss Essen unternahm genau so einen Trip im Frühjahr 1954. Uwe Strootmann weiß von der Reise über den Atlantik anekdotenreich zu berichten: Spiele vor 80.000 Zuschauern, spontane Wechselangebote und ein Helmut Rahn, der sich für Sepp Herbergers WM-Aufgebot empfehlen konnte.

Jetzt lesen!

]]>
2219