Die Liebe zum Spiel ist das verbindende Element in der Gruppe C. Tiffany Cameron besingt sie und die Brasilianerin Formiga hat auch mit 41 noch lange nicht genug vom Fußball. Während Sam Kerr nach Turbulenzen mit Australien auf ein Wunder hofft, träumt Barbara Bonansea von neuen Jubelmomenten.
Sam Kerr – Turbulenzen und die Hoffnung auf ein Wunder
Australien – berühmt für seine Kängurus, Bumerangs, Barbecues – und für seine außergewöhnlichen Fußballer*innen. Sam Kerr aus der kleinen Stadt East Freemantle ist vielleicht die außergewöhnlichste aller außergewöhnlichen Fußballer*innen, die Australien je hervorgebracht hat.
Sie stammt aus einer Familie erfolgreicher Sportler, sowohl ihr Vater als auch ihr Bruder waren professionelle „Australian-Rules“-Footballer. Kerr spielt in der australischen W-League. Seit Gründung der Liga im Jahr 2008 steht sie, abgesehen von zwei Jahren bei Sydney FC, für Perth Glory unter Vertrag. Die reguläre Saison der W-League findet von November bis Februar statt. Anschließend spielen die vier besten der aktuell neun Teams in einer Playoff-Runde um den Titel „W-League Champion“. Kerr spielt außerdem von April bis Oktober in der amerikanischen Profiliga NWSL, aktuell für die Chicago Red Stars.
Seitdem bricht sie alle Rekorde:
- Die meisten Tore in der NWSL.
- Die meisten Tore in einem NWSL-Spiel.
- Die meisten Tore in einer NWSL-Saison.
- Die meisten Tore in der W-League.
- Die meisten Tore in einer W-League-Saison.
- Sam Kerr ist erst 25 Jahre alt.
Mit der nach Australiens inoffizieller Nationalhymne „Waltzing Matilda“ benannten Nationalmannschaft „Matildas“ bricht Kerr diesen Sommer mit großen Hoffnungen zur WM nach Frankreich auf. Bei den letzten drei Weltmeisterschaften kam ihr Land jedes Mal bis ins Viertelfinale. 2019 könnte der Durchbruch gelingen. Mit einer Fülle an talentierten Spielerinnen, die genau zum richtigen Zeitpunkt den Höhepunkt ihrer spielerischen und persönlichen Reife erreicht haben, glaubt Australien an den Einzug ins WM-Finale.
Spielerinnen in den besten Jahren
Die Ex-Potsdamerin Elise Kellond-Knight hat trotz ihrer erst 28 Jahre bereits 106 Länderspiele absolviert. Die defensive Mittelfeldspielerin wurde 2011 und 2015 ins All-Star- Team der WM gewählt. Verteidigerin Clare Polkinghorne steht bei 116 Länderspielen und ist gerade erst 30 Jahre alt geworden. Sie hat zwei Weltmeisterschaften für die Matildas gespielt, bei denen sie der nahezu unüberwindbare Fels der Abwehr war, aber auch torgefährlich. Die Mischung aus Erfahrung und Spielerinnen in den besten Jahren – erfahren und auf der Höhe ihrer körperlichen Leistungsfähigkeit – könnte Australien zu einer Mannschaft machen, mit der gerechnet werden muss.
Dieser Zustand ist umso erstaunlicher, wenn man sich die Entwicklung des Frauenfußballs in Australien vor Augen führt. Zwar fanden schon 1921 Spiele vor mehr als 10.000 Zuschauer*innen statt. Die erste professionelle Liga wurde aber erst 1996 gegründet. Schon acht Jahre nach ihrer Gründung wurde sie zusammen mit der National Soccer League der Männer aufgrund mangelndem Sponsoring wieder aufgelöst. Nachdem die Matildas bei der WM 2007 das Viertelfinale erreichten, sprach sich der damalige Cheftrainer Tom Sermanni (aktuell Trainer Neuseelands) dafür aus, erneut eine professionelle Liga ins Leben zu rufen. Der australische Fußballverband FFA (Football Federation Australia) stimmte zu und gründete 2008 die W-League.
Stabile Liga weckt Interesse
Seitdem gedeiht die Liga mit einer Stabilität, welche der vorherigen Liga fehlte. Die nun stattfindende Professionalisierung und die Vermarktung der Liga haben für ein steigendes Interesse gesorgt. Das Durchschnittsgehalt der Spielerinnen ist 2018 von 15.500 australischen Dollar auf 17.400 Dollar gestiegen, das Mindestgehalt liegt aktuell bei 10.000 Dollar. Die Gehaltsobergrenze hat sich von 2015 bis zum Saisonstart 2017/18 von 150.000 Dollar auf 300.000 australische Dollar verdoppelt.
Die WM-Vorbereitung der Matildas wurde durch eine Kontroverse überschattet, die im Rauswurf des langjährigen Cheftrainers Alen Stajcic mündete. Stajcic gibt bis heute an, das einzige Mal, dass er mit der FFA über die mutmaßlich kaputte Stimmung innerhalb der Mannschaft gesprochen habe, sei während eines 20-minütigen Gesprächs am Tag vor seiner Entlassung gewesen. Die FFA gibt an, es habe Hinweise darauf gegeben, dass sich in den fünf Jahren unter Stajcic eine dysfunktionale Teamkultur entwickelt habe.
Vom Weg abgekommen
Die Mannschaft solle in der WM-Vorbereitung wieder auf den richtigen Weg gebracht werden. Die FFA selbst scheint etwas vom Weg abgekommen zu sein. So sieht es zum Beispiel zurzeit danach aus, dass die A-League der Männer zeitnah eine von der FFA unabhängige Organisation werden könnte. Mit der Verlängerung der Sponsorenpartnerschaft der Matildas mit dem Immobilienunternehmen Westfield und einem weiteren, noch nicht bekannt gegebenen Rekord-Sponsor in Aussicht, gibt es aber auch gute Nachrichten.
Trotzdem haben die Matildas mit dem ehemaligen australischen Nationalspieler Ante Milicic lediglich einen Interimstrainer, der sie durchs Turnier in Frankreich führen wird. Diese womöglich instabile Situation könnte sich fatal auf Australiens Siegeschancen auswirken.
Andererseits könnte die Mannschaft aber auch von jemandem profitieren, der die Dinge einfach gestaltet und sich komplett auf die taktische Ausrichtung konzentriert. Es wird sich früh genug zeigen, in welche Richtung sich die Matildas unter Milicic entwickeln. Aber eines ist gewiss – mit einer Ausnahmeerscheinung wie Sam Kerr in der Mannschaft und erfahrenen Spielerinnen wie Kellond-Knight und Clare Polkinghorne, besteht immer die Chance auf ein Wunder. 2019 könnte das Jahr werden, in dem die Matildas die Welt auf den Kopf stellen.
Zur Person: Ellen Hanisch schreibt als Journalistin über den nationalen und internationalen Fußball. Sie gehört zum Podcast-Kollektiv FRÜF und betreibt FUSSBALLTHESEN.
Foto: Thewomensgame / Wikimedia Commons
Barbara Bonansea und der Traum von Juventus Turin
Vier “Scudetti” (italienische Meistertitel), drei italienische Pokalsiege, drei italienische Super-Cups und eine Schlüsselrolle bei Juventus sowie bei der italienischen Nationalmannschaft. Barbara Bonansea, geboren und aufgewachsen in der Nähe von Turin, wurde im Trikot des FC Turin groß, aber um sich einen Namen im italienischen Fußball zu machen, musste sie nach Brescia gehen. In fünf Spielzeiten von 2012 bis 2017 mit Le Rondinelle, wie Brescia Calcio genannt wird, spielte Bonansea eine Schlüsselrolle bei den beiden ersten Meisterschaften der Klubgeschichte.
Die Titel verhalfen ihr zu ihrem Debüt auf europäischer Ebene in der Champions League und brachte ihr Angebote von namhaften europäischen Teams ein. Aber seit ihrer Kindheit hatte Bonansea einen Traum – das Trikot von Juventus überzustreifen.
Im Sommer 2017 wurde dieser Traum Wirklichkeit als Juve mit der Übernahme der Lizenz von Cuneo Calcio seine ersten Schritte im Frauenfußball machte und sich sofort anschickte eine führende Rolle zu übernehmen, getreu dem Motto der Turiner: “Gewinnen ist nicht wichtig, es ist das Einzige, was zählt.”
Hilft Titelkampf der Nationalmannschaft?
Dank ihrer Qualitäten auf dem linken Flügel – sie kann für Überraschungsmomente sorgen, geht oft ins Eins-gegen-eins und hilft auch in der Defensive mit – wurde Bonansea zu einer Schlüsselspielerin in Rita Guarinos Kader.
Zusammen mit der Kapitänin der Nationalmannschaft Sara Gama, mit Aurora Galli, Valentina Cernoia und Christina Gelli hat Bonansea mit Juventus Historisches erreicht: in den ersten zwei Spielzeiten wurde Juventus italienischer Meister. Vor allem der zweite Titel war hart erkämpft. Im Titelrennen mit Milan und der Fiorentina konnte der Scudetto erst am letzten Spieltag mit einem Punkt Vorsprung errungen werden. Der intensive Titelkampf könnte positive Auswirkungen auf die Nationalmannschaft haben. Bonansea bezeichnet es als “einen Traum” im Trikot der Azzurra spielen zu dürfen, insbesondere in Anbetracht der bevorstehenden WM in Frankreich.
Bonansea schießt Italien zur WM
Am 8. Juni 2018 erzielte Bonansea das letzte der drei Tore im entscheidenden Spiel gegen Portugal (3:0 in Florenz), das Italien zur Buchung des WM-Tickets für Frankreich verhalf, und beendete damit eine zwanzigjährige Abwesenheit. Die letzte und einzige Teilnahme war in den USA 1999. Das Tor war wichtig und sorgte für überbordende Emotionen, die in einer Jubeltraube aus Spielerinnen und Fans im Artemo Franchi Stadion gipfelte.
Auf dem Weg zur Weltmeisterschaft machte sich Bonansea einen Namen als vielseitige Spielerin. Sie hinterließ einen bleibenden Eindruck bei den Freundschaftsspielen 2019 indem sie zwei Treffer in den vier Spielen beim Cyprus Cup im Februar erzielte (gegen Mexiko und Thailand). Das Turnier beendete Italien auf einem bitteren zweiten Platz hinter Nordkorea. Im Elfmeterschießen, dem ein 3:3 Unentschieden nach einem 120-Minuten-Marathon vorausging, verschoss Bonansea als einzige Spielerin.
Der Turnierausgang war so etwas wie ein kleiner Betriebsunfall – für die Nationalmannschaft und auch Bonansea – während das Team weiterhin auf einer Welle der Euphorie schwimmt. Die Auswahl von Milena Bertolini kann auf viel Unterstützung in Italien setzen, das schlechte Abschneiden der Herren in Russland 2018 hat mehr Interesse auf den Frauenfußball gelenkt.
Eine neue Ära
Juventus aber auch andere große italienische Klubs wie der AC Mailand, AS Rom, Florenz und Inter, das gerade gerade aus der Zweitklassigkeit aufgestiegen ist, haben sich entschieden in den Frauenfußball zu investieren und diesem zu Wachstum zu verhelfen. Ein Beispiel? Am 24. März fand das entscheidende Match um die Meisterschaft zwischen Juve und der Fiorentina im Turiner Allianz Stadium statt, das sonst für Cristiano Ronaldo und sein Team “reserviert” ist. Die Partie war mit 39.000 Zuschauern ausverkauft – zum ersten Mal in der Geschichte des italienischen Frauenfußballs und obendrein ein Zuschauerrekord. Das Spiel könnte man also als möglichen Beginn einer neuen Ära deuten.
Der Frauenfußball kann darauf aufbauen und für das bevorstehende Turnier auf einen Enthusiasmus hoffen, wie ihn nur eine Weltmeisterschaft hervorzurufen vermag. Nach einer Saison mit 13 Treffern, der viertbeste Wert ligaweit und ein Tor weniger als Juves Top-Scorerin Aluko, ist Bonansea bereit für die große Fußballbühne und das wichtigste Turnier ihrer bisherigen Karriere. Sie hofft auf eine weitere Jubeltraube – ganz genau wie in Florenz vor fast einem Jahr.
Zur Person: Fabio Fava ist Journalist und Kommentator und arbeitet für Eurosport und DAZN.
Foto: Threecharlie/ Wikimedia Commons
Formiga – Die ewige Antreiberin
Miraildes Maciel Mota hätte eine der vielen afrikanisch-stämmigen Frauen sein können, die die Hügel von Salvador, Bahia, im Nordosten von Brasilien, hoch- und runterlaufen. Sie hätte ein traditionelles Leben – Arbeit, Familie und Kinder – unter der heißen Sonne führen können. Doch ihr Talent und ihre Leidenschaft für Fußball haben ihr Leben völlig umgekrempelt. Formiga – der Name, unter dem sie weltweit bekannt ist – ist derzeit die einzige Fußballerin, die an sechs Ausgaben der Olympischen Spiele teilgenommen hat – an allen, seit Frauenfußball olympisch wurde. Wie Marta, Pelé, Garrincha und Ronaldo ist Formiga zur Legende in der Geschichte des brasilianischen Fußballs geworden. Mehr als 160 Mal ist sie für das Nationalteam aufgelaufen (und überbietet damit Cafu als der brasilianische Spieler, der das Trikot am häufigsten getragen hat). Jetzt, da die Frauen-Weltmeisterschaft der FIFA in Frankreich ansteht, will sie weitere Rekorde brechen: Sie will die erste Spielerin sein, die an sieben Frauen-Weltmeisterschaften teilgenommen hat und zugleich die älteste Teilnehmerin in der Geschichte des Wettbewerbs sein.
Formiga wurde im März 1978 geboren. Ihr Talent für den Sport zeigte sich früh. Sie beneidete ihren Bruder um sein Geschenk – einen Ball. Ihre einzige Option war, einer Puppe den Kopf abzureißen, um irgendetwas Rundes zum Kicken zu haben. Sie ist von zu Hause abgehauen, um barfuß mit Jungs auf Bolzplätzen in ihrem Stadtviertel zu spielen. Weil sie dafür geschlagen wurde, musste sie das verheimlichen. Denn ihre fünf Brüder waren nicht damit einverstanden, dass sich die Jüngste und die einzige Tochter der Familie ein Hobby aussuchte, das nur für Jungs reserviert war: Fußball spielen.
Den Spitznamen Formiga, was auf Portugiesisch Ameise bedeutet, hat sie in dieser Zeit bekommen. Ein dünnes, kleines Mädchen, das auf dem Feld rauf und runter läuft, den Ball beherrscht und dribbelt wie ein echter Mittelfeldspieler. Die brasilianische Sportlerin begann als 12-Jährige, auf Amateurniveau zu spielen. Mit 15 startete ihre Karriere als Profifußballerin, beim Sao Paulo Football Club. Dann war es nur noch eine Frage der Zeit, bis sie ausgewählt wurde, für die Seleção zu spielen, das brasilianische Frauen-Nationalteam.
Seitdem hat Formiga für verschiedene Teams in Brasilien, Schweden und in den USA gespielt. Derzeit spielt sie in Frankreich bei Paris Saint-Germain. Als Mittelfeldspielerin im brasilianischen Nationalteam hat sie drei Goldmedaillen in den Pan-Amerikanischen Spielen geholt: 2003 in Santo Domingo, 2007 in Rio und 2015 in Toronto. Silber gewann sie bei den Olympischen Spielen in Athen 2004 und 2008 in Peking. Außerdem wurde sie 2007 Vize-Weltmeisterin bei der Frauen-WM in China.
Aber nicht nur ihre glänzende Karriere beeindruckt diejenigen, die ihre Geschichte hören. Der Weg zum Erfolg war nicht leicht. Dennoch ist sie ihn ohne Fehltritte gegangen. Die Sportlerin berichtet von Situationen, in denen ihr Rassismus begegnet ist. Während eines Spiels in Caçador, einer Stadt im Süden Brasiliens, in Santa Catarina, hörte sie 90 Minuten lang, wie ein Zuschauer sie und ihre Mitspielerinnen als Affen bezeichnete – leider eine Situation, mit der sich afro-brasilianische Spieler häufig konfrontiert sehen. Ihre Reaktion? Formiga erklärt sie für einen brasilianischen Blog: „Ich habe das Team gebeten, ruhig zu bleiben. Wir sollten uns nur auf das konzentrieren, was auf dem Spielfeld passiert. Darum haben wir gut gespielt, wir haben das Spiel gewonnen und am Ende hat uns der Zuschauer gefragt, ob er mit uns ein Foto machen darf. Und ich habe Ja gesagt.“ Ein Sieg innerhalb und außerhalb der vier Linien.
Der Rücktritt vom Rücktritt
Formiga war mehr als 20 Jahre ein essentieller Bestandteil im brasilianischen Mittelfeld. Trotz ihrer aufopferungsvollen Karriere im Nationalteam ist es der Sportlerin nicht gelungen, zu sehen, wie die brasilianischen Träume wahr werden: Brasilien hat weder die WM noch die Olympischen Spiele gewonnen.
2016, nachdem die Canarinhas von Kanada in den Olympischen Spielen in Rio besiegt wurden, gab sie im Alter von 38 Jahren ihren Rücktritt bekannt. Zutiefst bewegt wandte sie sich in einem TV-Interview an die Brasilianer: „Ich bitte euch nur darum, uns nie aufzugeben. Denn wir werden nie aufgeben.“
Doch mit 40 Jahren hat sie sich nochmal neu entschieden. Wegen einer weiteren Gelegenheit, den brasilianischen Traum 2019 bei der WM in Frankreich zu verfolgen und weil der Nachwuchs beim brasilianischen Frauenteam fehlte, hat sie ihre Entscheidung rückgängig gemacht. Sie wird das gelbe Trikot nochmals tragen. „Ich bin nur zurückgekommen, weil es nötig war. Die Seleção hatte niemanden für meine Position, niemanden, der meinen Stil spielt. Der Trainer sagte, er braucht mich. Die Seleção musste sich für die WM qualifizieren. Ich habe lange darüber nachgedacht. Der Gedanke, dass Brasilien die WM verpassen könnte, hat mich belastet und letztlich habe ich entschieden, zu helfen. Ich hatte nicht beabsichtigt, weiterzumachen und die WM zu spielen, aber Grenzen zu überwinden, treibt mich an“, erklärte die Mittelfeldspielerin in einem Interview für die FIFA.
Erwartungen für die Frauen-WM und brasilianischen Fußball
Auch wenn es ihre siebte Teilnahme bei einem großen internationalen Turnier ist, sagt Formiga: „Die Gefühle sind dieselben wie beim ersten Mal. Ich bin froh, mit den Mädels hier zu sein, gesund, und dass ich an Verbesserungen im Frauenfußball arbeiten und um den so ersehnten Titel kämpfen kann.“ Obwohl die Seleção zuletzt neun Niederlagen am Stück in Freundschaftsspielen einstecken musste und das Team angezweifelt wird, ist Formiga optimistisch: „Wir können ohne Zweifel diese WM gewinnen. Frankreich ist einer der größten Gegner unserer Hoffnungen. Sie könnten definitiv gewinnen. Trotzdem sind die Leute wirklich glücklich und gespannt. Es wird ein wunderbares Turnier.“
In den vergangenen Jahren sind in Brasilien Debatten über Sexismus und Frauen im Sport lauter geworden. Formiga sieht Vorurteile noch immer als die größte Hürde für Profisportlerinnen in ihrem Land. „Heutzutage hat das stark abgenommen, aber es ist immer noch da. Es gibt immer noch zu wenig Medieninteresse. Generell wird über Frauenfußball immer nur berichtet, wenn die Olympischen Spiele sind oder etwas Negatives passiert ist“, sagte Formiga einer brasilianischen Zeitung. Wenn sie letztlich tatsächlich ihre Profikarriere beendet, will sie Fußballlehrerin werden und als Teil des Trainerteams die Frauennationalmannschaft unterstützen. Das wäre ihre Art, weiter für ihre Träume und Fortschritt zu kämpfen.
Persönlichkeiten wie Formiga, Marta und Cristiane stehen stellvertretend für die Welt des Sports und inspirieren andere Mädchen. Ihre Geschichten öffnen Türen für die Geschichten anderer und wirken auf diese Weise aus von selbst gegen Sexismus im Fußball.
An den Wänden des Fußballmuseums im Pacaembu-Stadion in Sao Paulo kann man den Namen Miraildes Maciel Mota und ihre Geschichte lesen. Trotzdem ist Formiga ein Genie, das immer noch nicht die Anerkennung in der Welt des Sports hat, die es verdient. Doch eines wissen wir sicher über sie: Nachdem sie so viele Hindernisse überwunden hat, um dort zu sein, wo sie nun steht, gibt es keine Hürde, die sie nicht überkommen kann. Und sie wird sicherlich alles tun, um in der Geschichte des Fußballs ihre Spuren zu hinterlassen.
Zur Person: Rosiane Siqueira wohnt in London und schreibt als freie Autorin über den brasilianischen Fußball. Übersetzt wurde der Text von Maria Hendrischke, die für MDR Sachsen-Anhalt tätig ist.
Tiffany Cameron – Aus Liebe zum Spiel
Tiffany Cameron wurde 1991 in Toronto geboren. Sie bestritt sechs Freundschaftsspiele für Kanada, spielte in der Bundesliga für die TSG Hoffenheim, USV Jena, Mönchengladbach, war in Zypern und Schweden aktiv und wurde 2016 mit dem F.C. Ramat HaSharon in israelische Meisterin – dort erzielte sie in 23 Spielen 38 Tore. Seit Februar 2019 spielt sie für die jamaikanische Auswahl, die 2014 neu gegründet wurde und die erste WM-Teilnahme vor sich hat.
Wie lief die Saison bisher für sie und wie war das Ankommen bei ihrem neuen Verein in Norwegen?
Mein Verein Stabæk hat zwei Meisterschaften gewonnen, in der Champions League gespielt und sich so einen Namen gemacht. Wir spielen sehr körperlich und haben eine gute Mischung aus jungen talentierten und erfahrenen Spielerinnen. Wir befinden uns dieses Jahr im Umbruch und hatten deshalb nicht den besten Start. Ich bin aber optimistisch, dass die zweite Saisonhälfte besser laufen wird.
Unterscheidet sich ihre Rolle im Nationalteam von der in Ihrem aktuellen Verein?
Ich würde sagen, dass ich sowohl bei Stabæk als auch bei der jamaikanischen Auswahl die gleiche Rolle ausfülle. In beiden Teams gehöre ich zu den erfahrenen Spielerinnen und meine Aufgabe ist es, die jüngeren zu führen und zu ermutigen – und natürlich meine Stärken auf den Platz zu bringen und damit das Spiel zu beeinflussen.
Sie haben schon bei vielen Vereinen gespielt. In der Bundesliga sind sie nach Abstiegen gewechselt, ihren Verein in Israel haben sie nach nur 22 sehr erfolgreichen Spielen verlassen. Wie kommt es, dass sie so oft den Verein gewechselt haben?
Ich bin der Typus Spielerin, der stets eine Chance ergreift, wenn ich mich dadurch verbessern kann. Zwei von drei Mannschaften, für die ich in der Bundesliga gespielt habe, sind unglücklicherweise abgestiegen. Erstklassig zu spielen, hat für mich immer höchste Priorität, deshalb habe ich mich entschieden zu wechseln. Obwohl ich eine sehr erfolgreiche Saison in Israel gespielt habe, mir eine Vertragsverlängerung angeboten wurde und ich in der Champions League hätte spielen können, bin ich zurück in die Bundesliga gewechselt, als ich die Möglichkeit hatte – das konnte ich mir nicht entgehen lassen.
Bei einigen Klubs habe ich sehr gute Erfahrungen gemacht, anderswo hat es nicht so gut gepasst. Ich bin keine Spielerin, die bei einem Verein bleibt, wenn ich nicht das Gefühl habe, dass ich auf und neben dem Platz meine beste Seite zeigen kann. Im Ausland zu spielen hat seine Härten, aber verschiedene Kulturen und Spielstile kennenzulernen war sehr wichtig für meine Entwicklung als professionelle Fußballerin.
Sie schreiben auch Songs und setzen sich darin mit dem Fußball auseinander. Welche Botschaft möchten Sie mit “For the love of the game” vermitteln?
In meinem neuen Song geht es um das Überwinden von Widrigkeiten, das Verfolgen von Zielen und sich bewusst zu machen, dass Frauen, obwohl der Kampf für die Gleichstellung der Geschlechter anhält, auch stolz auf ihre Leistungen und ihr tägliches Engagement für den Fußball sein sollten. Der Song ist ein Vehikel für weibliches Empowerment und ich habe beschlossen, ihn zu veröffentlichen, weil die Frauen-Weltmeisterschaft bevorsteht und sie dazu beitragen wird, weibliche Athletinnen auf der ganzen Welt zu ermutigen und zu fördern.
Sie haben einige Zeit in Deutschland gespielt. Welche Erinnerungen verbinden Sie mit der Bundesliga und worauf mussten sie sich in Deutschland erstmal einstellen?
Wenn ich an meine Zeit in der Bundesliga zurückdenke, denke ich oft daran, welche Freude es war mit technisch so versierten Fußballerinnen zu spielen. Jedes Spiel hatte Wettkampfcharakter. Als ich nach Deutschland wechselte, habe ich damit gerechnet, dass eine Herausforderung technischer und taktischer Natur auf mich wartete und ich mich dadurch als Spielerin verbessern kann. Ich war sehr beeindruckt von der Qualität des Fußballs und es war mir ein Vergnügen mehrere Jahre in der Bundesliga spielen zu dürfen.
Die jamaikanische Auswahl wurde erst vor wenigen Jahren wieder ins Leben gerufen. Sie haben bereits für Kanada Auswahlspiele bestritten. Warum haben Sie sich für Jamaika entschieden?
Ich hatte das Gefühl, dass es an der Zeit war, eine neue Herausforderung zu suchen. Die Möglichkeit, für Jamaika zu spielen, ergab sich für mich zu einem besonderen Zeitpunkt. Es ist das erste Mal in der Geschichte, dass Jamaika an der WM teilnimmt, und ich habe das Gefühl, dass ich mit meiner Erfahrung dazu beitragen kann, das Team zu verstärken. Als mir ein Mitarbeiter des Trainerstabs das Angebot unterbreitete, für Jamaika zu spielen, konnte ich diese Gelegenheit nicht ungenutzt lassen.
Ich bin stolz darauf, wenn ich die junge Generation inspirieren und fördern kann. So bringe ich mich als eine der erfahreneren Spielerinnen im Kader ein. Im März spielte ich mein zweites Freundschaftsspiel für Jamaika, durfte von Anfang an auflaufen und bereitete ein Tor gegen Chile vor. Wir haben das Spiel mit 3-2 gewonnen und die Atmosphäre war toll. Obwohl ich neu im Team bin, hat es nicht lange gedauert, eine positive Verbindung zu meinen Teamkollegen aufzubauen. Ich bin froh, dass das so gut geklappt hat und ich zu unserem Sieg beitragen konnte.
Wie würden sie die Entwicklung des jamaikanischen Frauenfußballs in den letzten fünf Jahren, insbesondere der Nationalmannschaft, beschreiben? Wie populär sind die Reggae Girlz in Jamaika bzw. wie hat sich die Popularität entwickelt?
Die Entwicklung des jamaikanischen Fußballs hat einen langen Weg hinter sich. Vor einigen Jahren existierte die Frauenmannschaft für ein paar Jahre schlichtweg nicht. Cedella Marley und die Bob Marley Foundation halfen, die Frauen-Nationalmannschaft zu finanzieren und das brachte Einiges wieder in Gang. Wenn sie nicht wären, wären wir nicht hier, deshalb bin ich sehr dankbar für ihre kontinuierliche Unterstützung. Jetzt spüren wir in Jamaika und im Rest der Welt eine enorme Unterstützung, vor allem nach der Qualifikation für die Weltmeisterschaft. Unsere beiden Siege gegen Chile im Februar und März waren fantastisch und wir haben dafür viel Support von unseren Fans bekommen. Unser Popularität in Jamaika ist in die Höhe geschnellt!
Können Sie die Spielphilosophie der Reggae Girlz kurz erläutern?
Wir sind für unsere Kreativität und harte Arbeit auf dem Platz bekannt. Die Zuschauer*innen können sich darauf gefasst machen, gut unterhalten zu werden, wenn wir spielen.
Welche Erwartungen haben Sie an die Weltmeisterschaft in Frankreich? Welche Chancen rechnen Sie sich für die Gruppenspiele aus?
Wir werden wohl als Underdogs wahrgenommen werden, da wir das Team mit der schlechtesten Weltranglistenplatzierung (Rang 53) im Turnier sind. Die Zuschauer*innen können von uns erwarten, dass wir mit dem Herzen spielen und als wäre jedes Spiel unser letztes. Das ist unsere Mentalität, und wenn wir uns daran halten, werden wir auch über die Gruppenphase hinauskommen.
Zur Person: Die Fragen stellte Endreas Müller, der zur Redaktion von 120Minuten gehört.
Foto: Sandro Halank/ Wikimedia Commons
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