Zwischen Professionalisierung und Sportplatzflair

Luxemburgs BGL-League im Umbruch:

Der luxemburgische Vereinsfußball wurde über viele Jahre belächelt. In den europäischen Klubwettbewerben gab es für die Vereine abgesehen von wenigen Achtungserfolgen wenig zu gewinnen. Seit Beginn der 2010er-Jahre ist jedoch ein Aufwärtstrend erkennbar. Mit dem F91 Düdelingen und dem FC Differdingen 03 gelangen 2012/13 gleich zwei luxemburgischen Vereinen große Überraschungen. In der abgelaufenen Spielzeit sorgten mit dem FC Progrès Niederkorn und Fola Esch wiederum zwei Vereine für europaweite Aufmerksamkeit. Der Aufwärtstrend verfestigt sich und ist Folge einer zunehmenden Professionalisierung in der Ligaspitze.  Ob und inwieweit die Professionalisierung weitergeht, ist jedoch offen: die Vereine stoßen zunehmend an Wachstumsgrenzen, die Unterschiede zwischen den Spitzenteams und der Breite werden auch in Luxemburg immer größer: Europapokalluft trifft Sportplatzflair. Die aktuelle Entwicklung und die Perspektive für die kommenden Jahre soll dieser Text beleuchten.

Von FaulerZauber (bloggt bei www.schwabenballisten.de | @sballisten über Fußball im Allgemeinen und RasenBallsport Leipzig im Besonderen)

Historischer Überblick

Die Rahmendaten im Überblick: Luxemburg, ein kleines Land im Herzen Europas: 590.000 Einwohner, 104 Vereine, die Nationalmannschaft auf Platz 85 der FIFA-Weltrangliste (u.a. vor Zypern oder Israel), Rang 48 in der UEFA-Fünfjahreswertung.

1909/10 wurde erstmals eine Landesmeisterschaft ausgetragen, der Racing Club Luxemburg (heute nach mehreren Fusionen unter dem Namen „Racing Football Club Union Luxemburg“, kurz RFCUL, noch immer in der 1. Liga vertreten) war erster Landesmeister. Es dominierten in der Frühphase die Teams aus Luxemburg-Stadt, insbesondere US Hollerich-Bonneweg (später „Union Luxemburg“, heute ebenfalls Teil des RFCUL). In den 20er-Jahren verlagerte sich das Kräfteverhältnis langsam in Richtung des Südens, wo in den Industriestädten Esch an der Alzette (Fola und Jeunesse) sowie Differdingen (Red Boys) weitere Fußballgrößen heranreiften. Ende der 30er-Jahre brach schließlich die Ära von Stade Düdelingen an, dem größten Verein der dritten großen Stadt im Süden des Landes. Ende der 50er Jahre kristallisierte sich Jeunesse Esch als führende Kraft im luxemburgischen Fußball heraus, mit Avenir Beggen (aus der Agglomeration der Stadt Luxemburg) kam in den 60er Jahren ein Verein auf, der den Fußball im Duell mit der Jeunesse und Union Luxemburg bis in die 90er Jahre hinein prägen sollte. In den 70er Jahren erlebte zwischenzeitlich ein weiterer Traditionsverein aus dem Süden, der FC Progrès Niederkorn, seine bis dato größte Blütephase.

Fusionen führen zu einer Flurbereinigung

Eine wesentliche Zäsur des nationalen Fußballs wurde Anfang der 90er Jahre eingeläutet. Auch wenn zunächst Beggen, Union und Jeunesse das Maß der Dinge blieben, begann eine neue Ära am 26.4.1991, als aus Stade Düdelingen, US Düdelingen und Alliance Düdelingen der Fusionsverein „F91 Düdelingen“ aus der Taufe gehoben wurde. Sämtliche Vereine aus der „Forge du Sud“ hatten mit den Branchenführern nicht Schritt halten können und begannen ihre Kräfte zu bündeln. Bereits 1992/93 gelang die Rückkehr in die 1. Liga, wo sich F91 schnell festsetzen konnte und sich schließlich zur Saison 1999/2000 erstmals die Meisterkrone aufsetzte. Die Fusion in Düdelingen war nicht die erste, aber vermutlich die umfassendste und wurde zum Vorbild für etliche weitere Fusionen: aus Rapid Neudorf und Mansfeldia Clausen war zuvor bereits RM 86 Luxemburg geworden, nach der Fusion mit dem FC Hamm wurde der RM Hamm aus der Taufe gehoben, der ein Jahr nach der Fusion den Namenszusatz „Benfica“ einführte, ein Hinweis auf die hohe Bedeutung der portugiesischen bzw. portugiesischstämmigen Spieler, die gerade in der Hauptstadt einen besonders hohen Bevölkerungsanteil bilden. Die Erwartungshaltung möglichst alle „Benfica“-Fans im Großherzogtum auf den RM Hamm zu vereinigen, erfüllte sich allerdings nicht.

Aus CS Hollerich und Aris Bonneweg wurde kurzzeitig „Alliance 01 Luxemburg“, der sich sodann mit Union und Spora Luxemburg zu RFCU Luxemburg vereinte. Last but not least bündelten auch die Differdinger Vereine Red Boys und AS („Alliance Sportive“) ihre Kräfte zum „FC Differdingen 03“.

Während die Fusionen in Luxemburg-Stadt mehr zu einer Flurbereinigung, denn zu einer wirklichen Renaissance geführt haben, wuchs Düdelingen zur führenden Macht und Differdingen zu einem regelmäßigen Europapokalteilnehmer heran. Jeunesse Esch, der Rekordmeister, verlor seine Vorherrschaft, blieb jedoch konstant unter den Spitzenteams des Landes. Der Lokalrivale Fola Esch erlebte Mitte der 2000er nach langen Jahren in der Unterklassigkeit seine Renaissance und stieg zuletzt zum größten Rivalen des F91 auf, gekrönt von zwei Meisterschaften 2013 und 2015. Ebenso wie Fola gelang es auch dem FC Progrès Niederkorn zuletzt ohne Fusion in die Phalanx der großen Vereine vorzudringen und erstmals seit dessen Fusion den Lokalrivalen aus Differdingen hinter sich zu lassen. Vereine aus dem Norden oder Osten des Landes spielen keine herausgehobene Rolle mehr, Ettelbrück und Wiltz (Norden) sowie Grevenmacher (Osten) mussten als profilierteste Teams den Gang in die Zweitklassigkeit antreten, wobei Ettelbrück gute Aussichten besitzt, zumindest in die erste Liga zurückzukehren.

Zunehmende Professionalisierung

Das Klassement kann man aktuell wie folgt einteilen: Branchenführer ist weiter der F91 Düdelingen. Dahinter rangiert ein Dreigestirn aus Fola Esch, Differdingen 03 und Progrès Niederkorn, die im Normalfall um die Europapokalplätze spielen und bei idealem Saisonverlauf den F91 herausfordern können. Dahinter ist Jeunesse Esch und den Hauptstadtteams RM Hamm sowie RFCUL zuzutrauen, in die Phalanx einzudringen, bei allen drei Vereinen wird es jedoch davon abhängen, wie sich die Vereine strategisch aufstellen. Für die weiteren Vereine geht es mit unterschiedlichen Ansätzen vor allem darum, sich in der Liga zu etablieren. Die US Hostert und die US Bad Mondorf haben dies zuletzt eindrucksvoll geschafft, auch Union Titus Petingen hat durch die Kooperation mit dem portugiesischen Erstligisten Vitoria Guimaraes einen vielversprechenden Ansatz gefunden und versteht sich landesweit als hoch geachteter Ausbildungsverein.

Die Spitzenvereine haben allesamt gemein, dass sie ihre Strukturen in den letzten Jahren deutlich professionalisiert haben und inzwischen über den angrenzenden Bereich (Nordfrankreich, Süd-Belgien, Saarland) hinaus Strahlkraft für internationale Spieler haben, die den Zenit ihres Könnens noch nicht überschritten haben. Beispielhaft kann hier der Transfer von Dominik Stolz herangezogen werden, der 2016 als fester Rotationsspieler des deutschen Zweitligisten SV Sandhausen mit 26 Jahren den Weg zu F91 Düdelingen fand. Mittlerweile ist der Karriereschritt nach Luxemburg nicht mehr zwangsläufig mit dem langsamen Auslaufen der Karriere verbunden, auch ein Wechsel aus der BGL-League in eine größere Liga kommt immer häufiger vor. Mit Marc-Andre Kruska, Ex-Bundesliga-Spieler u.a. bei Borussia Dortmund und Energie Cottbus, folgte in diesem Sommer der nächste Hochkaräter. Vizemeister Niederkorn konnte demgegenüber mit Jordan Gobron einen Stammspieler aus der zweiten französischen Liga akquirieren.

Zumindest den Vergleich mit Vereinen wie dem 1.FC Saarbrücken oder dem SV Elversberg, die seit Jahren Spitze der Regionalliga Südwest sind, müssen die Spitzenteams nicht scheuen. Es darf vermutet werden, dass sich Düdelingen zumindest in der 3. Deutschen Liga würden etablieren können.

Unterschiedliche Philosophien – unterschiedliche Perspektiven

Fola Esch ist der älteste Verein in Luxemburg, spielte in dessen Geschichte aber eine untergeordnete Rolle. Dies änderte sich mit dem Engagement von Gérard Lopez, Mehrheitseigentümer des Formel 1-Rennstalls Renault, der als Präsident Fola wirtschaftlich zu den Topadressen der BGL-League werden ließ, sodass die Fola aktuell dem Lokalrivalen und Rekordmeister Jeunesse Esch den Rang abgelaufen hat. Wie nachhaltig diese Rangfolge ist, bleibt abzuwarten. Fola hatte sich unter der Regie von Trainer Jeff Strasser auch dank kluger sportlicher Entscheidungen in der Spitze etabliert und konnte zwei Meistertitel (2013 und 2015) erringen. Die vergangene Saison verlief – mit Ausnahme der Auftritte in der Euroleague – jedoch enttäuschend, der Rückstand auf das Spitzenduo war immens, auf der Bank nahm zur Rückserie mit Thomas Klassen bereits der dritte Trainer der Saison Platz. Da Fola über eine deutlich geringere Strahlkraft in der Stadt und überregional im Vergleich zur Escher Jeunesse verfügt, hängt die Perspektive sehr stark von den weiteren Plänen des Präsidenten ab.

Auch der F91 Düdelingen profitiert neben der Konzentrationswirkung des Großzusammenschlusses 1991 von einem starken Geldgeber im Hintergrund, dem Bauunternehmer Flavio Becca. Der F91 wurde unter seiner Ägide zum erfolgreichsten und am professionellsten geführte Verein im Großherzogtum. Kein Team verfügt über derart gute Trainingsbedingungen, kein Team kann sich sowohl finanziell als auch von der Strahlkraft so gut über die Grenzen hinaus verkaufen. Die sportliche Expertise ist hoch, der F91 versteht es seit Jahren, starke Spieler aus Luxemburg und ausnehmend gute Legionäre unter einen Hut zu bringen. Trainer ist seit 2016 Dino Toppmöller, Sohn von Ex-Bayer Leverkusen-Trainer Klaus Toppmöller, der den Kader auf hohem Niveau nochmals weiterentwickelt hat. Im Vergleich zu den übrigen Spitzenteams verfügt der F91 über einen deutlich homogeneren Kader und ist auch auf der Ersatzbank erstklassig besetzt.

Der FC Differdingen arbeitete sich konstant nach oben. Der FCD03 lebt von seiner guten Infrastruktur und hat die im Europapokal eingenommenen Gelder klug in die weitere Professionalisierung investiert. Gute Transfers, gerade im Sturmzentrum mit zunächst Pierre Piskor (90 Tore zwischen 2006 und 2013) und später Omar Er Rafik (106 Tore zwischen 2011 und 2017), ebneten den Weg für die sportliche Etablierung im Spitzenfeld. Hilfreich war neben der Fusion der Bau eines größeren Stadions („Stade Municipal“) im Stadtteil Oberkorn, das als einziges Stadion neben dem Nationalstadion „Josy Barthel“ in Luxemburg-Stadt UEFA-Standards entspricht.

„Als wir aus Glasgow nach der 0:1-Niederlage zurückkamen, wurden wir nachts um 2 Uhr von 50 Fans empfangen. Das habe ich so noch nie erlebt.“

Alexander Karapetian, Stürmer beim Football Club Progrès Niederkorn

Der FC Progrès Niederkorn definiert sich als besonders familiärer Verein und hat die Einnahmeseite in den vergangenen Jahren vor allem durch eine sehr offensive Öffentlichkeitsarbeit und die guten Kontakte des Präsidenten Fabio Marochi, die der langjährige Kapitän und nunmehrige Sportdirektor Thomas Gilgemann professionell pflegt, verbessert. Niederkorn verpasste es, sich früher in der Spitzengruppe zu etablieren, da der Verein lange als untrainierbar galt und viele Trainer nicht den richtigen Ansatz fanden. Nach einer ersten starken Saison 2010/11 folgten zwei schwache Serien, die 2012/13 um ein Haar zum Abstieg geführt hätten. Im Relegationsspiel gegen Strassen rettete sich der Progrès erst in der Verlängerung. Die Rückkehr von Paolo Amodio auf den Trainerstuhl brachte die nachhaltige Wende. Der Ex-Nationalspieler kennt die Befindlichkeiten im Verein und versteht es, den „Wohlfühlfaktor“ hoch zu halten, ohne die sportliche Spannung zu verlieren sowie darüber hinaus junge Spieler zu erreichen und zu formen. Mit dem höchsten Zuschauerschnitt der Liga neben der Escher Jeunesse lebt Niederkorn ferner von der Bindung zu seinem Publikum: „Als wir aus Glasgow nach der 0:1-Niederlage zurückkamen, wurden wir nachts um 2 Uhr von 50 Fans empfangen. Das habe ich so noch nie erlebt“, berichtete Niederkorns Topstürmer Alexander Karapetian zuletzt in einem Radiointerview. Zum Spitzenspiel der abgelaufenen Saison gegen den F91 Düdelingen wurde mit über 2.000 Zuschauern jüngst ein Zuschauerrekord in der BGL-League aufgestellt.

Jeunesse Esch verfügt über die größte Fanbasis im Land und ist der Verein mit der historisch höchsten Renommee. Bei der wirtschaftlichen Entwicklung der Hauptkonkurrenz konnte Jeunesse zuletzt nicht mithalten, dem Präsidium fehlt es am wirtschaftlichen Netzwerk, das hinter den übrigen Topvereinen des Landes steht. Dank der Bekanntheit und Fanbasis steht die Jeunesse in diesem Bereich jedoch auch ohne Mäzen relativ gut da und dürfte langfristig in der Spitze etabliert bleiben, zumal Esch an der Alzette wirtschaftlich außerhalb der Hauptstadt das wichtigste Zentrum ist und bleibt und mit dem Branchenprimus F91 Düdelingen eine Zusammenarbeit betreibt und so regelmäßig von Transfers aus Düdelingen profitiert. Sportlich ist die Jeunesse unter dem neuen Trainer Marc Thomé wieder auf dem aufsteigenden Ast, konnte sich dennoch nicht für einen europäischen Wettbewerb qualifizieren, da zum Lokalrivalen Fola am Ende drei Pünktchen fehlten und auf Grund des überraschenden Pokalsieges des Luxemburger Hauptstadtvereins Racing Union Platz 4 nicht für die Europa-League-Qualifikation genügte.

Zukunftsaussichten

Unter dem Strich kann festgehalten werden, dass die sportliche Rangfolge in Luxemburg stark von den wirtschaftlichen Möglichkeiten der Vereine abhängig ist, ähnlich wie dies auch in größeren benachbarten Ländern der Fall ist. Die Spitzenvereine rekrutieren ihre Spieler selten aus dem eigenen Nachwuchs, sondern vorrangig aus dem Ausland oder von kleineren Vereinen. Der wirtschaftliche Erfolg hängt primär an den handelnden Personen, die  Sponsorenentwicklung ist in Luxemburg sehr stark an die geschäftlichen Kontakte der „Macher“ im Verein geknüpft und weniger an den Werbewert des Fußballvereins als solchem. Erst nachrangig spielen „weiche Faktoren“ wie Umfeld, Fans und Ausstrahlung eine Rolle, die im Einzelfall aber entscheidend sein können. Düdelingen beispielsweise nutzte neben den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen auch das Weiterkommen gegen Red Bull Salzburg zur Verbesserung des Renommees des eigenen Vereins und des Ligawettbewerbs insgesamt. Einen ähnlichen Effekt hatte die letztjährige Sensation Niederkorns gegen die Glasgow Rangers, die dem Club einen exponentiellen Anstieg der Bekanntheit und ungeahnte Steigerungen im Merchandising einbrachte (insbesondere die grünen Auswärtstrikots wurden in größeren Mengen von Fans des Rangers-Rivalen Celtic Glasgow geordert).

Um im Spitzenfeld zu bleiben, benötigen die Vereine die Einnahmen aus der Europa-League. In der 1. Qualifikationsrunde der Europa-League erhalten die Teilnehmer garantierte 215.000 EUR, die sich durch Zuschauer- und Vermarktungseinnahmen steigern können. Für die 2. Qualifikationsrunde werden weitere 225.000 EUR ausgeschüttet. Fola Esch, die sich dank der Erfolge aus dem Vorjahr im Topf der gesetzten Teams befand, hegt die Erwartungshaltung, in die zweite Runde einziehen zu können. Allgemein ist das Anspruchsdenken gestiegen. Selbst Niederkorn, die es mit FK Qäbälä aus Aserbaidschan, bereits zwei Mal in Folge für die Gruppenphase qualifiziert, zu tun bekommen, sehen sich als nicht chancenlos für eine weitere Sensation.

Im Hinblick auf den Gesamtetat der Vereine macht dies insbesondere bei den Verfolgern des F91 Düdelingen wesentliche Sprünge aus. Für die abgelaufene Saison hat das Luxemburger Tageblatt (Ausgabe vom 13.3.2018) die Etats sowie die Zahl der professionellen Spieler und Vereinsangestellten erhoben. Hiernach ergibt sich folgende Etattabelle:

Der RFCUL Luxemburg machte keine offiziellen Angaben, dürfte jedoch mindestens im Bereich von Union Petingen anzusiedeln sein.

Bei Düdelingen lebten 13 Spieler ausschließlich vom Fußball, bei Fola Esch deren 11. Insoweit kann davon gesprochen werden, dass das Kernteam jeweils aus „Profis“ besteht, obgleich kein Spieler im Anschluss an die Karriere von den Einnahmen aus der Karriere leben kann und Anschlussbeschäftigungen ein wesentliches Kriterium für die Spieler und deren sportliche Perspektive darstellen. Niederkorn und Differdingen kamen immerhin auf sechs Spieler, die ausschließlich vom Fußball leben. Düdelingen verfügt über sechs fest angestellte Vereinsmitarbeiter, Fola Esch, Niederkorn und Differdingen immerhin über drei.

Neben den finanziellen Erwägungen, ist auch die Breitenwirkung der Europapokalspiele wichtig. Die Europapokalspiele werden vom luxemburgischen Fernsehen (RTL) live übertragen und im Netz gestreamt. Partien aus der heimischen Liga werden hingegen äußerst selten live übertragen, wöchentlich gibt es eine Zusammenfassung am Montagabend von drei der sieben Partien des Wochenendes.

Eine Profiliga als Lösung?

Es stellt sich die Frage, wie sich die Vereine und der Wettbewerb in näherer Zukunft weiterentwickeln werden. Es wurde mehrfach die Frage nach der Einführung einer „Profiliga“ gestellt. Eine solche ist jedoch weder in Sicht noch sinnvoll: zum einen gibt es zu wenig Vereine mit semi-professionellen Strukturen, zum anderen genügt die Nachfrage nicht annähernd, um Einnahmen für ein Vollprofitum zu generieren. Während die 4 Topvereine über eine Einnahmebasis für eine weitere Professionalisierung verfügen, ist die Breite davon noch weit entfernt.

Zum Vergleich: der Regionalliga Südwest-Meister in Deutschland, der 1.FC Saarbrücken, verfügt über einen Etat von ca. 3,5 Mio. EUR, durchschnittliche Regionalligisten kommen auf immerhin kleine siebenstellige Etats (zwischen 1,0 – 1,5 Mio. EUR).

So sprach sich auch der FLF-Verbandspräsident Paul Philipp jüngst gegen diese Entwicklung aus. Zum einen genügt es nicht, dass Spieler „Profi“ sind und aktuell lediglich Fußball spielen. Es bedarf auch der Absicherung für die Zukunft, entweder durch einen Verdienst, der das „Ansparen“ ermöglicht oder durch eine berufliche Anschlussperspektive. Ferner bedarf es der professionellen Betreuung der Spieler vor, während und nach den Einheiten. In diesem Bereich bauen die Vereine noch immer fast vollständig auf ehrenamtliche Kräfte. F91-Präsident Romain Schumacher führte dazu jüngst aus: „Wir wurden von der Zeit überrollt. Es gab eine Art künstliches Wachstum. Die vielen Freiwilligen in den Vereinen tragen durch die hohen Budgets eine sehr große Verantwortung”. Zusammengefasst verfügen die großen Vereine über eine weitgehend professionalisierte sportliche Ebene, während die Vereinsführung zumeist in ehrenamtlichen Händen liegt.

Entwicklungsoptionen der BGL-League:

Klar ist jedoch, dass die semi-professionell geführten Vereine Spielraum zur Entwicklung benötigen. Denkbar sind hierzu viele Szenarien,  die sich auch parallel vollziehen könnten:

Weitere Konzentration:

Es ist möglich, dass sich die Kräfte im Land noch weiter bündeln. Es war in der Vergangenheit bereits über eine „Elefantenhochzeit“ von F91 Düdelingen und Fola Esch spekuliert. Die starken Männer der Vereine, Flavio Becca und Gerard Lopez, sollen nach Informationen des Luxemburger Wortes über eine Fusion verhandelt haben. In diesem Zusammenhang wurde über den  Bau eines neuen Nationalstadions in Livingen (in der Gemeinde Roeser zwischen Esch/Alzette und Luxemburg-Stadt) spekuliert, welches einen Großfusionsverein beheimaten könnte. Auf Grund der relativen Nähe der Standorte vorwiegend im Süden des Landes wären auch weitere Zusammenschlüsse größerer Vereine denkbar.

Zielgruppe der Liga erweitern:

Im Zusammenhang mit der möglichen Fusion kritisierte F91-Präsident Romain Schumacher, der Wettbewerb in der Liga sei nicht attraktiv genug, Strukturen verkrustet, Zuschauerzahlen rückläufig. Man darf kritisch hinterfragen, ob weitere Fusionen und damit eine Entfernung von den lokalen Strukturen die Lösung sind. Nicht zufällig sind mit Jeunesse Esch und Progrès Niederkorn die Vereine Zuschauermagneten (ca. 1.000 Zuschauer im Schnitt), die lokal verankert sind und nie fusioniert wurden. Zu Fola „verirren“ sich im Schnitt ca. 350 Zuschauer, bei RFCU Luxemburg sind es sogar nur knapp 200 Zuschauer im  Schnitt, womit der Hauptstadtclub einsames Schlusslicht der Liga ist.

Abgesehen davon stellt sich die Frage, ob die Liga nicht medial eine größere Außenwirkung entfalten könnte, zum Beispiel durch stärkere Öffentlichkeitsarbeit, mehr mediale Präsenz, bessere Werbeplattformen für Sponsoringpartner, etc. Ziel muss es sein, dass sich der Werbewert der Liga erhöht und dadurch ein Gegenwert zu den Sponsorenzuwendungen erhöht wird, sodass die Liga unabhängig von Mäzenatentum und persönlichen Kontakten ihre Einnahmeseite verbessern kann.

Kooperationen mit anderen Vereinen/Ligen:

Versuche von Kooperationen mit Vereinen aus größeren Ländern/Ligen gab es bereits in der Vergangenheit. So ziemlich jede Verbindung endete früher oder später ohne nachhaltigen Nutzen für beide Seiten. Es gibt Anzeichen, dass sich dies nun ändern könnte. Das aktuell spannendste Projekt ist die Verbindung zwischen Petingen und Vitoria Guimaraes aus Portugal, welche seit zwei Jahren läuft und welche einen Austausch in beide Richtungen bietet. Aktuell spielen drei Akteure aus Guimaraes in Petingen, ein Petinger Talent versucht sich in der Reservemannschaft der Portugiesen und schielt auf ein Engagement in Portugals erster Liga.

Kooperationen sind stark im Trend und der Bedarf steigt. Größere Vereine sind gehalten, immer früher Talente anzuwerben, ehe sie im eigenen Verein die Perspektive haben, sich im Seniorenbereich durchzusetzen. Der Bedarf, Spieler bei einem Kooperationspartner heranzuführen, besteht auf sämtlichen Niveauebenen, ein gelungenes Beispiel mag die Kooperation zwischen dem FC Chelsea und Vitesse Arnheim sein. Um Talenten von Vereinen aus den großen Ligen eine adäquate Spielpraxis zu ermöglichen, ist der Wettbewerb im kleinen Luxemburg jedoch zu schwach, sodass zumindest für größere Vereine aus Deutschland und Frankreich der Niveauunterschied zu groß sein dürfte, zumindest aktuell noch. Am ehesten könnte sich Belgien für eine Kooperation anbieten.

Neben der Spielpraxis könnte auch der Zugriff auf Talente aus Luxemburg Relevanz entfalten. Bislang hatte zumeist der FC Metz aus Frankreich das natürliche Zugriffsrecht auf luxemburgische Nachwuchsspieler. Inzwischen steigt die Zahl interessanter Talente und mit ihnen die Zahl der Interessenten, nicht zuletzt der FC Bayern München bemühte sich zuletzt um die Luxemburger Ryan Johannson und Vincent Thill. Hierdurch könnte das Interesse an einer Kooperation stärker werden.

Es ist wahrscheinlich, dass sich in den kommenden Jahren mindestens 2-3 Vereine in der BGL-League mit Fokus auf Nachwuchsförderung als Kooperationsvereine verstehen werden, da hier jenseits größerer Geldgeber die Chance zur sportlichen Entwicklung besteht und der Bedarf seitens der Nachbarländer größer wird.

Professionalisierung der Spielerbetreuung und -einbindung:

Auch wenn die Spieler der BGL-League im Wesentlichen nicht vom Fußball nachhaltig werden leben können und jeder Verein einen Anteil an vollerwerbstätigen Spielern behalten wird, je nach Verein in kleinerer oder größerer Zahl, so werden die Vereine in der Einbindung und Betreuung der Spieler weitere Fortschritte machen (müssen). Neben dem Gehalt / der Aufwandsentschädigung bieten die Vereine immer häufiger die Möglichkeit Beschäftigungsverhältnisse mit Perspektiven für die Zeit nach der Karriere zu vermitteln, gleiches gilt für Wohnraum und Infrastruktur.

Luft nach oben besteht in der Betreuung von Spielern außerhalb der Trainings- und Spieleinheiten, der Professionalisierung des Trainings, insbesondere im Hinblick auf die Ausweitung der Trainerstäbe, Spezialisierungen im Fitnessbereich oder medizinischen Bereich und der Trainingsinhalte. Aufgrund des in jedem Verein relevanten Anteils an Vollzeitarbeitnehmern wird der Trainingsumfang weiter 4-6 Einheiten abends betragen, reguläres Training tagsüber dürfte die Ausnahme bleiben.

Die Frage „Wo steht der luxemburgische Fußball in fünf bis zehn Jahren?“ ist aktuell nur schwer zu beantworten. Es wird stark davon abhängen, wie der Spagat zwischen der Förderung im eigenen Land und ein mit der weiteren Internationalisierung einhergehender Bedarf an weiterer Professionalisierung unter einen Hut gebracht werden kann. Für eine nachhaltige Entwicklung müsste die Abhängigkeit von einzelnen Geldgebern reduziert und die Wertschöpfung erhöht werden. Es dürften vermutlich mehrere Ansätze zum Tragen kommen, die die Liga auf mehreren Feldern entwickeln. Verschläft man die weitere Entwicklung, droht ein sportliches Loch wie in den späten 90er und 2000er Jahren.

Beitragsbild und Fotos: Wir bedanken uns beim Football Club Progrès Niederkorn für die Bereitstellung von Bildmaterial.

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Endreas Müller heißt in Wirklichkeit ganz anders und beschäftigt sich schon länger mit Fußball im Allgemeinen und dem Bloggen im Besonderen. Vor einiger Zeit stellte er sich gemeinsam mit Christoph Wagner die Frage, warum es eigentlich in der deutschen Blogosphäre noch keine Plattform für lange Fußballtexte gibt – die Idee von ‚120minuten’ war geboren.

1 Kommentare

  1. Hallo!
    Ich wohne in Esch, bin öfter bei Jeunesse. Ich bin Deutscher und kenne einen deutschen Zweitligaverein sehr gut. Es ist ganz interessant zu lesen, wie sich der Fußball in Luxemburg entwickelt. Es ist richtig, entscheidend wird sein, wie es gelingt, die Professionalisierung voranzubringen. Ohne dem wird man nichts. Luxemburg ist ein reiches Land, eigentlich sollten auch genug Sponsoren gefunden werden, die hier mitziehen. Es ist die Aufgabe der Clubs, sich besser zu vermarkten, attraktiver für Sponsoren zu machen bis hin zu mehr Merchandising als Einnahmequelle. Es hat doch hier manches eher Landesligacharakter im Vergleich zu Deutschland. Die Trainigsbedingungen sind hingegen überall auf sehr gutem Niveau, jedenfalls, was ich gesehen habe. Da dürfte mancher Verein in D neidisch sein. Es fehlt dann eben noch an der letzten Konsequenz, auch die anderen wichtigen Dinge auf ein höheres Niveau zu bringen, bzw. verlieren sich die Aktivitäten in den Interessen der Mäzäne. Wichtig ist die Vereinsführung, das alle im Verein Visionen haben und an einem Strang ziehen. Kooperationen sind durchaus ein Mittel, sich weiterzuentwicklen. Da gibt es prominente Beispiele wie Salzburg-Leipzig oder jetzt auch Leipzig Paderborn. In Lux gibt es viele Talente, sie müssen nur entsprechend gefördert und gefordert werden, dann haben sie auch in ausländischen Ligen eine Chance. 2-3 Sportschulen im Lande wären schon gut. Sicher hat der Fußball in Lux nicht den gesellschaftlichen Stellenwert wie in D, Potential aber allemal. Ich komme aus einer erzgebirgischen Kleinstadt, kleiner als Esch, aber dort wird 2. Liga gespielt. Tradition, Heimat, Stolz, das sind die Attribute des Vereins und viele Macher, die alles geben, auch ehrenamtlich. Jeder lebt die Philosophie und der Erfolg steht im Vordergrund. So ist es gelungen, die Klasse über viele Jahre zu halten, die Infrastruktur auszubauen und eine Strahlwirkung weit über das Erzgebirge und Sachsen hinaus zu erreichen. Die ganze Region steht dahinter, jeder Bäcker, Arbeiter oder Angestellter. Der Schacht lebt, das ist legendär und diese Woche werden wieder 15000 Fans gegen Nürnberg im Stadion sein, so viele wie Einwohner.
    Auch hier gibt es im Süden Bergbautradition, vielleicht ist es ein Ansatzpunkt, ein besonderes Image zu erzeugen und für Sponsoren aus der Stadt, dem Umfeld und ganz Luxemburg zu werben.
    Glück Auf nach Esch und nach Aue!

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